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Abe bloßgestellte gerichtliche Verfahren und die grausame Mishandlung des Abe im Gefängnisse, der nicht nur vom Amtsfrohn, sondern auch vom untersuchenden Actuar eigenhändig mit der Karbatsche brutal gemishandelt wurde, und worüber die Zeugenverhöre mitgetheilt werden, als Zeichen der Zeit und Cultur bemerkenswerth.

Sammlung merkwürdiger Rechtsfälle, aus dem Gebiete des peinlichen Rechts. Nürnberg 1794.

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Auch in dieser Sammlung sind sehr bemerkenswerthe Mittheilungen über berüchtigte Gauner und Gaunerbanden enthalten, welche sämmtlich aus Acten entlehnt sind, bis auf die erste :,,Verbrecher aus Infamie“, welche in schneidendem Contraste mit der S. 269 gegebenen Lebensgeschichte des Sonnenwirths (Friedrich Schwan) steht, und nichts anderes ist als die poetisch ausgeschmückte, aus der „Thalia“ abgedruckte Erzählung Schiller's, die man in Schiller's Werken unter dem Titel: Verbrecher aus verlorener Ehre" findet. Die den Untersuchungsacten entnommene Darstellung des Sonnenwirths (S. 269–340) ist vom Sohne des Oberamtmannes Abel zu Vaihingen abgefaßt, welcher legterer den Sonnenwirth gefangen nahm. Außer dieser ist die Darstellung des, Charakters und der Lebensgeschichte der Christina Schattinger" 1), des Sonnenwirthes Weib (S. 340-50), die grauenerregende Schilderung eines weiblichen Ungeheuers, wie solches wenig in der Geschichte des Räuberthums vorkommt. Die Schattinger stammte aus einer Familie, die seit zweihundert Jahren von der Gaunerei gelebt hatte. Ihr Vater, ihre Geschwister und einige zwanzig ihrer nächsten Anverwandten waren auf dem Rade oder Galgen gestorben, oder saßen im Gefängnisse oder auf den Galeeren. Mit allen Vorzügen des Körpers und Geistes ausgerüstet, ist sie ledig

1) Beide Darstellungen find dem zweiten Theil der mir unbekannt ge= bliebenen,, Sammlung und Erklärung merkwürdiger Erscheinungen“, von Prof. Abel entnommen. Vgl. Schäfer, „Abriß des Jauner- und Bettelwesens “', S. 200, Note.

Ave Lallemant, Gaunerthum. I.

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lich durch Wollust, der sie schon als Kind fröhnte, auf die Verbrecherbahn getrieben worden, bis sie als noch jugendliches Weib unter den entseglichsten Verwünschungen ihr ruchlos verbrecherisches Leben am Galgen endete. Aehnliche erschütternde Darstellungen sind die des scheußlichen Hundssattlers und die sehr ausführliche Mittheilung der haarsträubenden Geschichte des verruchten Hannikel 1) und seiner Kameraden, S. 131-221, welche gänzlich dem unmittelbar nach der Hinrichtung des Hannikel erschienenen Buche entnommen ist 2):,,Hannikel, oder die Räuber und Mörderbande, welche in Sulz am Neckar in Verhaft genommen und am 17. Jul. 1787 daselbst justificirt worden. Ein wahrhafter Zigeuner-Roman, ganz aus den Kriminalacten gezogen." Der Verfasser scheint der Oberamtmann Schäffer zu Sulz zu sein, der sich durch den,, Konstanzer Hans" und sein Werk über die schwäbis schen Jauner so sehr ausgezeichnet hat.

Nachrichten von den Lebensumständen einiger merkwürdigen Zuchthausgefangenen, gemeinnüßig bearbeitet und herausgegeben von M. L. Ch. G. Schmid, Zuchthausprediger in Zwickau. Leipzig

1797.

Vorliegende Mittheilungen aus den frühern Lebensverhältnissen und Beobachtungen über die Individualität der von Schmid aufgeführten 24 Verbrecher, worunter sich auch mehrere berüchtigte

1) Nichts charakterisirt die kalte Grausamkeit und Nachsucht dieses Ungeheuers mehr, als die S. 163 fg. erzählte fürchterliche Verstümmelung und Ermordung seines Kameraden Toni (Christoph Pfister), den er nach sechstehalb Jahren, nachdem jener die Mantua, Concubine von Wenzel, dem Bruder Hannikel's, verführt hatte, auf eine tückische Weise überfiel, ihm die Gliedmaßen zerschmetterte, die Nase mit der Oberlippe abschnitt und zuleßt ihn mit Mistjauche übergoß, um ihm vollends die schmerzlichsten Qualen zu bereiten.

2) Eine ausführliche Nachricht und specielle Signalements der aus 347 Mitgliedern bestehenden Bande gibt die Sulzer Zigeunerliste von 1787, welche G. J. Schäffer aus den weitläuftigen, 49,074 Blätter enthaltenden Untersuchungsacten ausgezogen hat. Die Liste ist mit einer,,kurzen Schilderung von dem Nationalkarakter der in Leutschland sich noch aufhaltenden Zigeuner und Jauner“ eingeleitet.

Diebe befinden, sind sehr interessant und beurkunden den psychologischen Scharfblick und die tiefe Menschenkenntniß des Verfassers. Leben und Ende des berüchtigten Anführers einer Wildschüßenbande, Matthias Klostermayer oder des sogenannten Bayerischen Hiesels, aus gerichtlichen Urkunden gezogen und mit genau nach den Umständen jeder Begebenheit gezeichneten Kupfern gezieret. Frankfurt und Leipzig 1776.

Gleich der schon erwähnten actenmäßigen Biographie des Friedr. Schwan, Hannikel u. A. ist auch dies Buch, welches mit actengetreuer Ausführlichkeit und lebendiger psychologischer Auffassung das Leben und Ende eines verwegenen, blutdürstigen und beispiellos rachsüchtigen Räubers darstellt, für die Gaunerliteratur beachtenswerth. Vor dem Titel wird in einem schlecht gerathenën Kupferstich der Hiesel mit seinem Buben und seinem allerdings merkwürdigen Hunde dargestellt. Der am Schluß beigegebene dreigetheilte Kupferstich zeigt die Gefangennahme und die Hinrichtung des Hiesel, in welchen Darstellungen jene Zeit sich noch immer gefiel.

Kostanzer Hans, eine Schwäbische Jauners - Geschichte, aus zuverlässigen Quellen geschöpft und pragmatisch bearbeitet. Stuttgart 1789.

In diesem für den Criminalisten und Psychologen in hohem Grade wichtigen Buche wird die meisterhaft geschriebene Biographie eines der großartigsten Gauner gegeben, die je gelebt haben. Die Darstellung ist überall klar und verständlich und zeichnet sich durch ihre Ausführlichkeit und tiefe geistige Auffassung der Individualität des Koftanzer Hans (Johann Baptista Herrenberger) aus, dessen Jugendgeschichte, Uebergang zum Gaunerleben, Gaunertreiben, sowie Znsammenleben mit der ruchlosen Schleiferbärbel, der Frau des Schleifer - Toni (Scherenschleifer Antonius Krämer), die überall wie sein böser Genius erscheint (vgl. S. 87 fg.), in der anziehendsten und spannendsten Weise erzählt wird. Das Buch ist ein glänzender Beweis von der ausgezeichneten criminalistischen

Berufung seines Verfassers, des Oberamtmanns Georg Jakob Schäffer zu Sulz, der die schwierige Untersuchung gegen Herrenberger führte, sich seiner mit seltener Menschenliebe annahm und durch seine unablässigen Bemühungen ihn nicht nur der Todesstrafe entzog, sondern ihm auch später seine gänzliche Begnadignng erwirkte.

Abriß des Jauner und Bettelwesens in Schwaben, nach Akten und andern sichern Quellen von dem Verfasser des Kostanzer Hans. Stuttgart 1793.

Dieser erste Versuch einer rationellen Darstellung des Gaunerwesens ist in der That eine erschöpfende Naturgeschichte des Gaunerthums, und mit vollem Rechte eine Meisterarbeit zu nennen, die noch immer unübertroffen dasteht. Sie ist zugleich ein Beweis, wie lange schon das Gaunerthum fertig und vollendet dagestanden hat, und wie die Gaunerkunft gerade durch ihren schlauen Versteck und durch ihre Ausbeutung aller social-politischen Verhältnisse eben von diesen Verhältnissen selbst getragen und von ihnen um so sicherer geschüßt wird, je complicirter und künstlicher diese selbst werden. Das Buch, welches nur dem Titel nach sich auf das Gaunerthum in Schwaben beschränkt, umfaßt jedoch das gesammte Gaunerthum, wie es in seinem vollen Wucher sich über das ganze cultivirte Europa erstreckt hat, und verdient daher die genaueste Beachtung. Das Werk zerfällt in drei Theile. Im ersten Theile werden die Jauner, im zweiten die Bettler und im Anhange die Zigeuner abgehandelt. Diese Eintheilung ist unflar und verwirrt den Ueberblick, da im ersten Theile näm lich das specifische Gaunerthum mit allen seinen Künsten und Ränken, im zweiten Theile, im anscheinenden Gegensaße, das Bettlerthum abgehandelt wird, in welchem man jedoch auch nach der Darstellung Schäffer's, ganz nach Art des Liber Vagatorum, nur die Maske des hinter dem Bettel sich versteckenden Gaunerthums erblickt. In gleicher Weise wird in dem kleinen Anhange von den Zigeunern nicht etwa von der erclusiven Eigenthümlichkeit, Nationalität und Sprache der Zigeuner, sondern nur

von einzelnen gaunerischen Ränken derselben geredet, die jedoch durchaus nicht den Zigeunern eigenthümlich sind, sondern dem Gefammtgaunerthum angehören. Das Buch ist eine überaus reiche Quelle der vielseitigsten Belehrung und muß auch noch jezt jedem Polizeimann bekannt sein, welchem daran liegt, das Gaunerthum in seiner ganzen intensiven und extensiven Gewalt kennen zu lernen.

Sunfzehntes Rapitel.

H. Die Gruppen- und Personenskizze.

Wie bedeutsam und viel versprechend auch die Stufe war, zu welcher sich, namentlich durch Schäffer's treffliche Schriften, die Gaunerliteratur emporgehoben hatte, so erscheint sie doch gleich nach Schäffer plöglich wie gänzlich abgebrochen. Die ungeheuere Schilderhebung des Räuberthums mit der Französischen Revolution, sein furchtbarer frecher Angriff auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung, vor dem die Polizei sogar eine Zeit lang zurückweichen mußte, stellte den Sicherheitsbehörden eine so große, und bei den schwankenden politischen und Territorialverhältnissen, so überaus schwierige Aufgabe, daß es der angestrengtesten Thätigfeit aller Sicherheitsbehörden bedurfte, den Kampf gegen die verbrecherische Masse nur beginnen zu können, der jedoch nur in gelegentlichen Angriffen auf einzelne Gruppen versucht, nicht aber mit einem großen Heereszug gegen das furchtbare Ganze gewagt werden durfte. Sieht man in jenen Aufruhr aller verbrecherischen Kräfte hinein, so muß man erstaunen über den Muth und die Erfolge der preußischen Justiz, die einen Kampf unternahm, wo das Räuberthum nur einen allgemeinen Triumph feierte, man muß erstaunen, daß mitten in dem Kampfe, den man einen dreißigjährigen Krieg der Justiz gegen das Räuberthum nennen kann, überhaupt ein literarisches Werk wie die „Actenmäßige Geschichte der Rheinischen Räuberbanden“ erscheinen, erstaunen darüber, daß

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