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Aehnliche Gebete eristiren auch im Niederdeutschen. Ein mir bekanntes kann seines schmuzigen und lästerlichen Inhalts wegen nicht füglich zum Abdruck kommen.

Reducirt sich alles, was an sogenannter Gaunerpoeste vorhanden ist, auf eine dürre in Verse gekleidete unkritische Aufführung von Gaunervocabeln, die als poetische Form in das Gaunerleben eingeschwärzt ist, so vermißt man auch überall in diesen Producten die richtige Auffassung jenes Räubergeistes, von dem nur die Erfahrung des Polizeimannes und ein reiches Studium von Gauneruntersuchungen den rechten Begriff geben kann.

Was die jüdisch-deutsche Literatur namentlich an romantischen Dichtungen in überraschender reicher Fülle darbietet, gehört nicht in die Literatur des Gaunerthums, sondern ist ein wichtiger und integrirender, wenn auch leider bislang so gut wie gar nicht beachteter Theil der deutschen Nationalliteratur. Jüdisch-deutsche Gaunerlieder habe ich, troz aller genauesten Forschung, nicht finden fönnen. Die am Ende des fünften Perek des 7 70 077; angeführten beiden Spielerlieder find moralischen Inhaltes und werden besonders als von einem vornemer gelernter gedicht" bezeichnet. Die achte und legte Strophe des zweiten Liedes z. B. lautet in diplomatisch genauer Uebertragung:

"

,,Dises is forz und schlecht.

des edele spilers recht.
wer sich in spilen stets übt.

der wert gelobt und gelibt."

Das weitere über diese jüdisch - deutsche Literatur wird im linguistischen Theile besprochen werden.

So reich nun endlich auch noch der Zigeuner an Liedern und familienhistorischen Sagen ist, in denen fast allein feine Geschichte und sein geschichtliches Gedächtniß besteht, so häufig man auch Räuberlieder von den wandernden zigeunerischen Musikanten zu hören bekommt, so wenig sind die Zigeuner selbst auch Dichter dieser Räuberlieder, welche besonders in der Walachei größtentheils von den Atamanen der Heiduken selbst herrühren. Vgl. Pott, a. a. D., II, S. 522 u. 523.

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Zum Schluffe mag, da sich schwerlich weitere Gelegenheit findet, auf die specifische Gaunerpoesie zurückzukommen, das Gedicht von Moscherosch 1) hier Plaz finden, welches das älteste und immer noch das beste jener Gaunergedichte ist, so wenig es auch überhaupt als Probe echter Gaunerausdrucksweise und Poesie gelten darf.

Vff die Löbliche Gesellschaft,

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1) Aus dem

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Wunder

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„sechsten Gesichte“ des zweiten Theils seiner bahren Wahrhafftigen Gefichte“ (Strasburg 1666), S. 661 fg. b schlafen. © Dorf. Pferd. Gaunerische Kameraden.

a Land.

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geht. Hund.

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Wir alzumahlen

Durch Giel vermahlen.

Brod.

h Brod. i Bauern. k Von Bug, Larve, Maske, der Vermumyte. (Vgl. von Stieler, S. 206, 263, 1314 u. 1315.) Glas. m Geld.

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Münze. "Edelleute. P Zeche. 9 Bauer. Mund.

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Zwölftes Kapitel.

E. Die Anekdoten, Biographien und, Schelmenromane.

Der Schreibseligkeit der Gelehrten, namentlich der Theologen, des 16. u. 17. Jahrhunderts, welchen übrigens eine schäzbare Gelehrsamkeit und eiserner Fleiß durchaus nicht abzusprechen ist, hat man zu verdanken, daß eine Menge der mannichfachsten einzelnen Begebenheiten, welche aus den verschiedensten Zeiten in den vielen Chroniken und zahlreichen Werken aller Wissenschaften zer= streut liegen und sonst leicht verloren gegangen, mindestens aber nicht leicht aufzufinden gewesen wären, in voluminöse Sammlungen zusammengetragen ist, deren Brauchbarkeit und Werth man dann erkennt, wenn man den Muth hat, sich an das Studium dieser zum Theil erstaunlich umfangreichen Werke zu machen. Sie sind meistens von theologischer Redaction, Form und Behandlung. Aber es gibt keine Wissenschaft, die nicht aus diesen Sammlungen irgendeine brauchbare Notiz herausziehen könnte. Sogar auch für die Literatur des Gaunerthums gewinnt man aus diesen theologischen Arbeiten reiche Ausbeute, wie z. B. aus den 1638 erschienenen,,Loci Theologici Historici" oder „Theologisches Erempelbuch des Magisters Caspar Titius zu Heckstedt in Mansfeld", worin aus 300 verschiedenen schriftstellerischen Werken auf 1344 Quartseiten viele tausend historische Anekdoten mitgetheilt werden, welche zum größten Theil beachtenswerth sind.. Der gelehrte Fleiß jener Zeit hatte sich sogar aber auch speciell auf das Gaunerthum geworfen, jedoch seine Thaten weit mehr als pikante Begebenheiten hervorgehoben, als daß er den materiellen und sittlichen Nachtheil beleuchtet und verdammt, oder gar eine Paralyse dagegen zum Vorschlag gebracht hätte. Das Gaunerthum wuchert daher in diesen Sammlungen, wie eine Lustigkeit fort, und bei der Darstellung wird keineswegs Humor und Laune gespart. So sind sie eines Theils Grundlage der zahlreich entstandenen Schelmenromane 1), theils aber auch ernsterer aus

1) Als ältesten deutschen Schelmenroman kann man den Till Eulen

führlicher Gaunerbiographien geworden. Unter den vielen Schelmenromanen mag gleich hier der bedeutendste erwähnt werden: es ist der mit vielem Geiste, wenn auch häufig mit niedrigem Wit geschriebene,,Simplicius Simplicissimus, das ist: Ausführliche unerdichtete und sehr merkwürdige Lebensbeschreibung eines einfältigen und seltsamen Menschen, Melchior Sternfels von Fuchsheim, wie er seine Jugend im Spessart verlebt, dann im Dreißigjährigen Kriege gar denkwürdige und bunte Schicksale gehabt, vielerley Noth, Leiden und Lebensgefahr ausgestanden, aber endlich noch manchen frohen Tag genoffen.“ Der Verfasser dieses zuerst 1669 (zuleßt bei Wigand in Leipzig 1848) erschienenen Romans ist „Samuel Greifenson von Hirschfeld“ (Christoph von Grimmelshausen, strasburgischer Amtmann zu Renchen im heutigen Baden).

Als Rudiment eines Schelmenromans ist noch anzusehen das sechste Gesicht des zweiten Theils der „, Wunderlichen wahrhafftigen Gesichte Philanders von Sittewald, das ist Strafschriften Hanß Michael Moscherosch von Wilstädt. Getruckt und verlegt zu Strasburg bey Josias Städele 1665′′ (2 Thle.). In dem bez zeichneten Gesicht wird von dem geistreichen Sittenmaler Moscherosch das räuberische Leben und Parteigehen der Soldaten und Vaganten des Dreißigjährigen Kriegs mit lebhaften Farben geschildert. Neben dieser Schilderung werden auch gaunerische Kunstgriffe und Gebräuche dargestellt und sehr schäzbare Mittheilungen über die Gaunersprache (Feldsprach) gemacht. Obschon die ganze Darstellung ein Gesicht genannt wird, so ist das geschilderte Räuberleben in seiner vollendeten Roheit und Barbarei schauerliche Wahrheit, die überhaupt bei der Mehrzahl der in den sogenannten Schelmenromanen dargestellten Begebenheiten überall durchblickt.

spiegel betrachten, welcher, wahrscheinlich zuerst in niederdeutscher Sprache, gegen das Ende des 15. Jahrhunderts erschien und wahrscheinlich von Thomas Murner nur in das Hochdeutsche übertragen ist. Die erste hochdeutsche Ausgabeerschien 1519 in Quart zu Strasburg. Vgl. Dr. Thomas Murner, Ulen: spiegel", herausgegeben von I. M. Lappenberg (Leipzig 1854).

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