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dunkle, nobel blickende Menschen genau in denselben schreienden, grellen, schonungslos farbigen Kostümen einhergehen, wie sie etwa auf heimatlichen Maskenbällen von jungen phantasievollen Ladengehilfen getragen werden wahre Karikaturen von Trachten! Die Bugen Kaufleute aus unserem Westen haben die indischen Seiden und Leinen entbehrlich gemacht, sie färbten Baumwolle und druckten Kattune viel greller, viel indischer, jubelnder, wilder, giftiger, als sie je in Asien gesehen worden waren, und der gute Indier samt dem Malayen ist ein dankbarer Kunde geworden und trägt um seine bronzenen Hüften die billigen, farbengrellen Stoffe aus Europa. Zehn solche indische Figuren genügen, um eine belebte Straße farbig unruhig zu machen und in ein Stück unechten „Orient" zu verwandeln. Aber sie kommen hier nicht auf, sie mögen noch so königlich schreiten und noch so papageienhaft leuchten, sie werden umschlossen und erstickt und still zugedeckt von dem diskreten gelben Volk aus China, das in hundert Straßen dicht und fleißig haust und wimmelt, von der uniformen, ameisenartigen Menge der Chinesen, von denen keiner in Farben schwelgen und seine Person zum König oder Hanswurst herauspugen will, deren unendlicher Schwarm in Blau, Schwarz und Weiß die ganze Stadt Singapur erfüllt und beherrscht.

Den Chinesen verdanken wir auch die langen, ruhigen,

wohltuend gleichmäßigen Straßenzüge, wo Haus an Haus blau und bescheiden in der blauen stillen Reihe steht und jedes das andere hält und gelten läßt und hebt, mindestens so fein und diskret wie in París. Den Engländern aber verdanken wir die breiten, schős nen, reinen, bequemen Wege, die anmutvollen Gartenvorstädte und die herrlichen Baumpflanzungen, die vielleicht das Schönste von ganz Singapur find.

Da ist gleich vorn am Meere, mitten zwischen den protzigen Gebäuden und weiten, schönen Sportplätzen, die mittags so leer und kahl und unwahrscheinlich groß in der unbarmherzigen Sonne glühen, die mächtige Esplanade, eine fürstlich breite Allee von alten, herrlichen Bäumen, eine immer kühle, immer schattige, ehrwürdige Riesenhalle aus Laub und Äften. Hier ist es schön am frühen Vormittag zu fahren, wenn über dem glänzenden Meer und über den ungezählten Schiffen und Segeln und schaukelnden Booten die heftige Sonne schräg herabbrennt und hinter Meer und Schiffen und Inseln den ganzen Horizont entlang phantastisch in Form von Türmen und riesigen Bäumen die steilen, weißen Morgenwolken stehen. And es ist schön am Mittag, wenn ringsum alles in der Hize kocht und brütet. Da ist die Einfahrt aus der blendenden Glut in diese dunkle Baumkühle nicht anders als der Schritt von einem fommermittäglichen Marktplatz in einen heilig kühlen Dom mit dunkeln Ge

wölben. Am Abend aber ist das schräg einfallende Licht voll Gold und Wärme, vom Meer weht frisch der duftende Wind, aufatmende Menschen fahren vergnügt in weißen Kleidern spazieren und spielen Ballspiele auf grünen, flachen Plätzen, deren Rafen im Abendlicht edelsteingrün leuchtet. And nachts, da fährt man in die Esplanade ein wie in eine Zauberhöhle, in den Beinen Lücken zwischen den Baumkronen hängen grünfunkelnd die Sterne, im selben kühlen Feuer schimmern die Schwärme der Leuchtkäfer, und auf dem Meere schwimmt mit taufend roten Augen die geheimnisvolle Lichterftadt der Schiffe.

Ohne Ende find die Gartenstraßen der äußern Stadt. Da fährst du auf glatten, feinen, äußerst gepflegten Wegen immerzu, und überall zweigen stille Wege ab und führen durch grüne reiche Baumgärten zu stillen, luftigen Landhäusern, deren jedes Heimweh weckt und Glüď zu hegen scheint, und über dir und um dich her atmet ruhig und lebendig die wunderbare Baumland. schaft, stundenlang, ein Park ohne Ende, mit Bäumen, die an Eichen und an Buchen, an Birken und an Eschen erinnern, die aber alle ein wenig ausländisch und märchenhaft schauen und größer, höher, üppiger find als unsere Bäume.

Plöglich sind wieder Häuser da, man fährt an Werkstätten, Läden und ernsthaftem Chinesenbienenleben vorüber, vergoldetes Porzellan und hellgelbe Messing

waren glänzen in Schaufenstern, fette indische Händler sizen auf niederen Ladentischen zwischen Haufen von Seidenstoffen oder lehnen neben Schaukasten voll Díamanten und grünen Jettsteinen. Das heftige Straßenleben erinnert wohlig an italienische Städte, entbehrt aber völlig des wahnsinnigen Gebrülls, mit dem ín Italien jeder Streichhölzerbub seine Bagatelle ausschreit.

Wieder kommen niedere Häuser, Bäume dazwischen, halbländliche Vorstadtluft, und plöglich ist man unter Kokospalmen. Niedere Hütten, mít Palmblättern gedect, Ziegen, nackte Kinder, ein Malayendorf und, soweit der Blid reicht, tausend und wieder tausend Palmen ftreng und kahl, darunter flimmernd das weißlichgrüne Tageslicht.

And kaum hat das Auge fich angepaßt und kaum hat das Bewußtsein mit Genuß den heftigen Kontraft zwischen geradlinig ftilisierter Palmenwelt und laubig weicher, wirrer Parklandschaft verzeichnet, da geht alles wankend auseinander, erschrocken fällt der Blick in eine ungeheure Weite, man ist am Meere, an einem ganz neuen, ftilleren und weiten Meere mit flachem Palmenstrand und wenig Booten, und hinten im Bogen liegt mit blauen Hügelfilhouetten Insel an Insel, alles überragt und Bein gemacht durch die große Form eines chinesischen Segels, das mit hundert feinen Rippen wie ein Drachenflügel in den Himmel fticht.

We

Augenluft

enn aus der Flasche, die mein Boy eben öffnet,

ein turmhoher Ifrit emporrauchte und mir die Erfüllung dreier Wünsche gewährte, so würde ich ohne Befinnen fagen: Gesund fein, eine schöne, junge Ge liebte bei mir haben und über zehntausend Dollar verfügen.

Alsdann würde ich eine Rikscha nehmen und einen Extra-Rikscha-Kuli für die Pakete und würde in die Stadt fahren, die ersten paar tausend Dollar lose in der Tasche. Ich würde nicht auf die bettelnden Kinder hören, die sich zum Entfegen meiner Schönen mit dem leidenschaftlichen Ausruf: „O father, my father!" um mich drängen. Dem Heinen elfjährigen Chinesenmädchen hingegen, das täglich vor den Hotels seinen fliegenden Handel mit Spielsachen betreibt, würde ich einen Dollar schenken. Sie ist, wie gesagt, elf Jahre alt, und ihr Wuchs und Aussehen ist noch weit kindlicher und minderjähriger; dennoch geht sie ihrem Straßenhandel schon seit sechs Jahren nach. Sie hat mir das selbst erzählt, doch würde ich es nicht weiterberichten, wenn nicht ein alter Singapurer es mir beftätigt hätte. Das Bleine, schmächtige Mädel hat das füße Kindergesicht, das hübsche Chinesen oft bis zum Alter bewahren, aber sie hat gescheite, kühle Augen und ift vielleicht das hoffnungsvollste und smarteste Chi

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