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Hier gibt es keinen Sonntag, hier gibt es keine Nacht; ohne Ende und ohne sichtbare Pause geht die gelassene, gleichmäßige Arbeit weiter, nirgends nervós und übertrieben, überall fleißig und heiter. Klug und geduldig kauert auf hohem Brett der Beine Straßen. händler über seiner Bude, still und würdevoll arbeitet am Rande der braufenden Straße der Barbier, zwan zig Arbeiter klopfen und nähen in der Werkstatt eines Schuhmachers, freundlich breitet ein mohammedanischer Kaufmann auf niederen, breiten Ladentischen seine schönen Tücher aus, die aber faft alle aus Europa ftammen. Japanische Dirnen sizen kauernd am Stein. rand der Goffe und girren wie fette Tauben, aus chinesischen Freudenhäusern glänzt golden der wohlbestellte steife Hausaltar, hoch über der Straße in offenen Veranden hoden alte Chinesen mit kühlen Gebärden und heißen Augen beim aufregenden Glücks. spiel, andre liegen und ruhen oder rauchen und hören der Musik zu, der feinen, rhythmisch unendlich komplizierten und exakten chinesischen Musik. Köche sieden und braten auf der Gasse, Hungrige speisen an langen Brettertischen gesellig und feinschmeckerisch und sicher für zehn Cents nicht schlechter, als ich im Gasthaus für drei Dollar gegessen habe, Fruchthändler bieten unbekannte Früchte an, phantastische Erfindungen einer müßigen, überreichen Vegetation, Reine Buden haben ihre ärmlichen Güter, eine Handvoll getrocknete Fische

oder drei Häuflein Betel, sorgsam mit Kerzen bes leuchtet. Hier wandeln im verschwenderischen Licht, das namentlich der Chinese liebt, unverändert alle Ges stalten der östlichen Märchen, nur die Könige, Wesire und Henker sind zum Teil verschwunden, gleichwie vor Jahrhunderten arbeitet der geschickte Barbier, tanzt die geschminkte Dirne, lächelt ergeben der Diener und blidt stolz der Herr, wie immer kauern wartend die Träger und Arbeitsuchenden, kauen Betel und erzählen einander Geschichten.

Ich besuchte ein chinesisches Theater. Da faßen ftill und rauchend die Männer, ftill und teeschlürfend die Frauen, vor ihrer hohen Empore turnte gefährlich auf schwankem Brett der Teeschenk mit mächtigem Kupferteffel. Auf der geräumigen Bühne saß eine Schar Musikanten, das Drama begleitend und feinen Takt kunstvoll betonend; auf jeden betonten Schritt des Helden fiel ein betonter Schlag der weichtönenden Holztrommel. Es wurde in alten Kostümen ein altes Stück gespielt, von dem ich wenig verstand und nicht ein Zehntel sah, denn das Stück ist lang und wird durch Tage und Nächte fortgespielt. Da war alles ges meffen, studiert, nach alten heiligen Gesetzen geordnet und in rhythmischem Zeremoniell ftilisiert, jede Gebarde exakt und mit ruhiger Andacht ausgeführt, jede Bewegung vorgeschrieben und voll Sinn, studiert und von der ausdrucksvollen Musik geführt. Es gibt in 2 Hesse, Aus Indien

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Europa kein einziges Opernhaus, in dem Musik und Bewegungen des Bühnenbildes so tadellos, so exakt und glänzend harmonisch miteinandergehen wie hier in diefer Bretterbude. Eine schöne, einfache Melodie kehrte häufig wieder, eine kurze, monotone Weise in Moll, die ich mir trog aller Bemühungen nicht einprägen konnte und die ich später tausendmal wieder hörte, denn es war gar nicht, wie ich meinte, stets diefelbe Tonfolge, fondern es war die chinesische Grundmelodie, deren zahllose Variationen wir zum Teil kaum wahrnehmen können, da die chinesische Tonleiter viel Beiner differenzierende Töne hat als unsre. Was uns dabei stört, ist der allzu reichliche Gebrauch von Pauke und Gong; im übrigen ist diese Musik so fein und klingt abends von der Veranda eines festlichen Hauses so lebensfroh und oft so leidenschaftlich, lustbegierig, wie nur irgendeine gute Musik bei uns daheim es tun kann. Im ganzen Theater war außer der primitiven elektrischen Beleuchtung nichts Europäisches und Fremdes; eine alte, durch und durch stilisierte Kunst schwang thre alten, heiligen Kreise weiter.

Leider ließ ich mich verführen, danach auch noch ein malayisches Theater zu besuchen. Da prangten grelle, wahnsinnige Kulissen von grotesker Häßlichkeit, von dem Chinesen Chek May in wohlgeglückter Spekulation auf die Affeninstinkte der Malayen gemalt, eine Parodie auf alle Entgleisungen europäischer Kunst, das

ganze Theater von einer beifelhaften Drolligkeit und Hoffnungslosigkeit, die nach kurzem, krampfhaftem Lach vergnügen unerträglich wird. In üblen Kostümen spielten, fangen und tanzten malayische Mimen in varieteehafter Weise die Geschichte von Ali Baba. Hier wie später überall sah ich die armen Malayen, liebe, schwache Kinder, rettungslos an die bösesten europäischen Einflüsse verloren. Sie spielten und sangen mit oberflächlicher Geschicklichkeit, neapolitanerhaft heftig und manchmal improvisierend, und dazu spielte eine moderne Harmoniummaschine.

Als ich spát die innere Stadt verließ, Blangen und glühten hinter mir die Gassen weiter, noch die halbe Nacht hindurch, und im Hotel ließ ein Engländer zu einfamem Nachtvergnügen ein Grammophon ober bayerische Jodlerquartette spielen.

Spazierenfahren

Nichts Schöneres als bei gutem Wetter in Singa

'pur spazieren zu fahren! Man nimmt ein Rikschawägelchen, setzt sich hinein und hat nun außer der übrigen Aussicht immerzu den beruhigenden Blick auf den Rücken des ziehenden Kuli, der im Takt seines wiegenden Trabes auf und niederhüpft. Es ist ein nacter, goldig gelbbrauner Chinesenrücken und dar unter ein Paar nackte, starke, athletisch ausgebildete Beine von derselben Farbe, dazwischen eine ver waschene Badehose aus blauem Leinen, deren Farbe mit dem gelben Körper und der braunen Straße und mit der ganzen Stadt und Luft und Welt ganz delikat zusammen¤ingt. Daß auch die meisten Straßenbilder delikat und harmonisch aussehen, dafür müffen wir ebenfalls den Chinesen dankbar sein, die sich zu Weiden und zu tragen verstehen und deren hunderttausendköpfiges Gewimmel in Blau, Weiß und Schwarz die Gaffen füllt. Dazwischen schreiten stolz und heldenhaft mit schwarzbraunen, hageren Gliedern und asketischen Augen hochgewachsene Tamilen und andere Indier, deren jeder auf den ersten Blick wie ein entthronter Radscha aussieht, die aber allesamt, nicht besser als die Malayen, mit negerhafter Hilflosigkeit auf jeden Importartikel hereinfallen und sich leiden wie Dienstmagde am Sonntag. Man sieht da wunderschöne,

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