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Ergänzungen und Berichtigungen zur omajjadischen

Numismatik.

Von

D. Stickel.

Auch in der Numismatik vererben sich, wie in anderen Wissenschaftsgebieten, unablässig mancherlei Unrichtigkeiten und Irrthümer von Geschlecht zu Geschlecht, deren Beseitigung, auch wenn sie unerheblich scheinen, immerhin als eines Verstosses gegen die Wahrheit angestrebt werden muss. Wenn der erste Erklärer einer schwierigeren und etwa nur an einem einzigen Orte bewahrten Münze sich ein Versehen hat zu schulden kommen lassen, so wird bei Ermangelung weiterer Controle, der Irrthum um so zuversichtlicher von Buch zu Buch fortgetragen werden, je grösser die Autorität seines Urhebers war. Die Schwierigkeit oder Unmöglichkeit, das Original selbst zu prüfen, sichert die Fortdauer des Fehlers, aus dessen Giltigkeit möglicher Weise andere, neue sich erzeugen.

Solche Erwägung hat mich vermocht und wird es rechtfertigen, die nachfolgenden Bemerkungen zu veröffentlichen. Sie boten sich bei einer Revision und Katalogisirung des Gesammtvorraths an omajjadischen Prägen im hiesigen Grossherzogl. Cabinet dar, wie solcher aus der Zwick'schen, dann aus der Soret'schen Sammlung, ferner durch Ankäufe, Tausche und Schenkungen im Laufe der Jahre bis zu der bedeutenden Zahl von fast vierhundert Stücken angewachsen ist, die byzantinisch- und pehlevi-arabischen ungerechnet. Er stellt die ganze Jahrreihe der Dynastie vollständig, ohne eine Lücke dar.

Wenn unsere nachfolgenden Berichtigungen zum öfteren gegen Angaben in von Tiesenhausen's Monnaies des Khalifes Orientaux gerichtet werden, so verwahren wir uns auf das bestimmteste hiermit dagegen, als ob wir Versehen dieses hochverdienten Numismatikers selbst verbesserten; er war ja bei Abfassung seines überaus nützlichen und mustergiltigen Werkes ganz von seinen Quellenangaben abhängig und kann für diese auf keinen Fall verantwortlich gemacht werden. Wir führen nun die bemerkenswerthen Stücke nach der Numerirung im jenaischen Katalog auf.

Bd. XXXIX.

2

اثنتين

No. 15. Ein Dirhem aus Bassra vom Jahre 82 soll nach Frähn's Rec. S. 7 No. 21, Tornberg, Num. Cuf. S. 302 No. 6 und daher bei Tiesenhausen a. a. O. S. 36 No. 298 das Einheitszahlwort in der Form bieten; das jenaische Exemplar hat dagegen wie das in der Guthrie'schen Sammlung (Catalog v. Lane Poole I S. 8 No. 47) und im Britischen Museum (Catal. S. 11 No. 65) , und zwar nach der von L. Poole bemerkten Gestaltus. Diese selbige Zahlform, die in Frähn's Rec. gar nicht vorkömmt, trägt auch ein, in Tiesenhausen's Werk noch nicht verzeichneter Dinar vom J. 82 (Guthrie und jenaische Sammlung). Und weiter bieten in diesen beiden Sammlungen die Dirhemexemplare aus Damaskus v. J. 82 wieder, nicht wie in der Rec. S. 7 No. 22 oder wie in Tornberg's Symbol. III S. 5 No. 2. Ich zweifle nicht, dass eine Revision der Exemplare in Petersburg, Stockholm, Upsala eine Uebereinstimmung mit unseren Vorlagen darthun werde, wodurch dann freilich die Verlässlichkeit der Lesungen dieses Zahlworts von Seiten sonst glaubwürdigster Numismatiker erschüttert würde. Ein urkundliches, den Münzen entnommenes Material über den Gebrauch der beiden Formen wird als Beitrag zu der gründlichen Abhandlung Philippi's, das Zahlwort Zwei im Semitischen (D. morg. Ztschr. XXXII, 21 ff.) nicht ganz überflüssig sein. In der Beschränkung auf die Omajjadenzeit und nur auf die in der grossherzl. Sammlung vorliegenden Originale ergibt sich folgendes: haben die Münzen vom J. 82 in Gold ohne Prägeort, in Silber al-Bassra, Dimeschq, vom J. 92 in Gold, in Silber Darabdscherd, Dschai, Sabur, vom J. 102 ̊ A al-Andalus, Æ Dimeschq (Inedit.), AR Arminia, Afriqija, vom J. 112 A Afriqija

ثنتين

und

اثنين

dagegen auf den Pragen vom اثنتين oder اثنين ثنتى عشرة

J. 92. AR Istachr, Wasit, Menadsir, Ramhormuz, Mahi (vgl. dazu L. Poole, Catal. of the Coll. Guthrie S. 24) und ein E vom J. 122 AR Wasit, al-Rai. Im allgemeinen lässt sich wahrnehmen, dass während des ersten Jahrhunderts der Hedschra, späterhin

haufiger gebraucht, bis endlich das letztere, mit انتين oder اثنين

wenigen Ausnahmen, das herrschende wurde.

No. 19. Ein Ineditum in Gold mit den gewöhnlichen omajja dischen Dinarlegenden und im Jahre 85, ohne 3, wie auf den Damaskus-Münzen vom J. 81 an abwärts. Dass der nicht genannte Prägeort Damaskus war, zeigt auch das charakteristische mit dem nach unten gerichteten Schwänzchen; s. Lane

Poole, Mint characteristics of Arabic coins S. 2 f. Noch ist die Münze besonders beachtenswerth wegen des über dem > von befindlichen Punktes; soweit meine Beobachtung reicht, das einzige Beispiel dieser Art. Unter steht ein Punkt auf der spanischen Omajjadenmünze Abd-ul-Rahman's I aus Andalus J. 165 im hiesigen Cabinet und bei Codera, Numism. ArábigoEspañola, Lam. III No. 6 und noch unter

حمس

auf dem Dinar خمسين

vom J. 158 bei Lane Poole, Catal. S. 50 No. 81.

No. 24. Ein zweites Exemplar des im Britischen Museum bis dahin als Ineditum bewahrten Dinar vom Jahre 87, welches vom Hrn. Rohlfs für die grossherzogl. Sammlung erworben wurde. Der Punkt über in und unter von deutlich als diakritisches Lesezeichen.

ضرب

A

سبع

dient hier

No. 44. Die älteste unter dem Khalifen Walid I geschlagene Kupfermünze, bis jetzt ein Unicum, mit Soret's Sammlung hierher gelangt, ist in dessen Lettre à Frähn S. 6 No. 1 und daher bei Tiesenh. No. 344 insofern nicht ganz richtig beschrieben, als am Ende des Glaubenssymbol das nach keineswegs so sicher fehlt, wie behauptet wird (il n'y a pas de trace de "), vielmehr scheint es in der breiten und undeutlichen Schrift mit dem vorangehenden Element zusammengeflossen zu sein, und das Symbolum des Rev. ist anders abgetheilt und vollständiger als Soret es darstellt, deutlich genug also lesbar:

بسم

الله

الله احد الله

الصمد لم يلد

ولم يولد

Um der Legende der Umschrift, welche Soret Ut

ضرب

list, ganz sicher zu sein, ware ein zweites هذا الفلس سنة تسعين

deutlicheres Exemplar erwünscht.

No. 54. Ein Dinar vom J. 92 () soll nach Lane Poole (Catal. d. Brit. Mus. S. 3 No. 14, Cabin. Guthr. No. 11) unter einen Punkt haben; auf dem jenaischen Exemplar ist er nicht vorhanden und auf dem in Marsd. Num. Or. Pl. I No. IV ebenfalls nicht.

صرف

No. 65. Dirhem aus Istachr vom J. 93, beschrieben von Soret in d. Lettr. à Dorn S. 11 No. 2 (Tiesenh. No. 386), hat vor im die von S. ausgelassene Präposition ġ, wie alle übrigen Prägen dieser Stadt bei Lane Poole I S. 8 f., in der Recens. und bei Tiesenhausen.

No. 73. Ein in mehrfacher Hinsicht merkwürdiges Kupferstück, ein Unicum, welches in der Sammlung Soret's hierher gekommen und in dessen Lettre à Sawelief S. 5 No. 3 besprochen, auch abgebildet ist. Die Schrift ist ein derbes, noch unbeholfenes Kufisch der alterthümlichsten Art; bei der Zehnzahl, wie schon Soret bemerkt, graphisch durchaus nicht zu unterscheiden, ob gemeint sei, denn die vier Zacken zu Anfang haben ganz dieselbe Höhe. Die Präposition in der Legende des Adv. erinnere ich mich nicht, anderwärts in der Münzterminologie wie hier gebraucht gefunden zu haben; sie kann

oder تسعين

من

من

أهل مصر

,partiti gemeint sein ضرب oder مما أمر به hier nicht, wie in

sondern könnte, weil die Ausmünzung von Kupfer nicht zu den Prärogativen des Regenten gerechnet wurde, möglicher Weise den Ursprung dieser Münzsorte von den Bewohnern Aegyptens angeben, oder steht hier U, zur Anzeige der Ursache, von wegen, wonach Soret den Sinn wiedergibt: pour la population, ou bien, à l'usage des habitans de Misr".

من

n

Abgesehen von der arabischen Sprache der Inschrift und der Datirung nach Jahren der Hedschra weist nichts auf moslemischen Ursprung; die Abwesenheit der durch Abd-ul-Melik eingeführten Glaubenssymbole würde gestatten, die Entstehung vor der in Aegypten durchgeführten Münzreformation dieses Khalifen anzusetzen, welche nicht, wie irrthümlicher Weise noch hie und da geschrieben wird, im Jahre 76, sondern erst 77 d. H. statt hatte. Vgl. m. Hdbch. z. morgenl. Mzk. II S. 45. Sonach wäre die Lesung des Datum nicht unzulässig.

Ueber andere älteste

arab. Münzen aus Aegypten mit dem Glaubenssymbol in lateinischer Uebersetzung, vgl. die scharfsinnige Abhdlg. des Hr. Karabacek, Kritische Beiträge zur latein.-arab. Numismatik.

Die Erwähnung der Bewohnerschaft von Missr ist ein Vorkommniss, für welches ich sonst kein Beispiel auf moslemischen Münzen kenne, mag der Ursprung oder die Bestimmung des Stückes gemeint sein. Zur Erklärung dieser seltsamen Erscheinung kann vielleicht dienen, dass Münzen von Alexandrien aus der Zeit der Römerherrschaft, des Nero, des Aelius (s. Mionnet, Descript. de Médaill. ant. VI S. 64. 206) und vieler anderer Provinzen ein HMO und ДHM. EZOYC. YILAT. bieten (s. Rasche, Lexic. univers. rei num. II S. 199); nimmt man dazu, dass die Alexandrinischen Prägen auch sehr gewöhnlich das Jahr ihrer Ausmünzung benennen, wie ΕΤΟΥΣ. ΔΕΚΑΤΟΥ, ΕΝΔΕΚΑΤΟΥ, so hat man hier gerade dieselbigen Angaben, wie sie den Inhalt der arabischen, uns vorliegenden Legende machen. Auch lassen sich Gründe vermuthen, warum die, noch eines geordneten Münzwesens entbehrenden Araber

مصر

lieber an ältere Vorbilder sich anschlossen, als an die der Byzantiner, mit denen sie um diese Zeit in Nordafrika in Fehde lagen. Unter ist übrigens in dieser Zeit al-Fostat (Alt-Qahira) als Residenz zu verstehen; s. Lane Poole, The name of the twelfth Imám S. 8 ff. Im Jahre 74 aber hatte der Statthalter Abd-ulAziz seinen Aufenthalt in Hulwan, s. Wüstenfeld, D. Statthalt. v. Aegypten S. 35. Jedenfalls haben wir hier die älteste arabische Präge aus Aegypten vor uns, um 19 oder 39 Jahre älter, als die früheste Kupfermünze aus Missr (J. 113) bei Tiesenhausen, welcher die unsrige gar nicht erwähnt.

Der Grund zu solcher Auslassung war jedenfalls der Zweifel Soret's, ob das Stück eine Münze sei. Er schreibt: J'ignore s'il faut y voir un poids ou bien un sceau; des filets recourbés et qui peut-être formaient anciennement des anneaux, se voient encore aux côtés opposés de cette pièce qui a été coulée et non pas frappée ils servaient sans doute à la suspendre." Ich stelle dies alles, den Guss ausgenommen, in Abrede. In der Angabe vom Ort und Jahr seines Ursprungs hat das Stück die charakteristischen Merkmale einer Münze; eine Gewichtsbezeichnung enthält es nicht, somit ist es kein Gewicht. Als Schmuckstücke werden bekanntlich Gold- und Silbermünzen angehängt, von kupfernen ist es mir nicht wahrscheinlich '). Auch war es kein Amulet, denn es entbehrt der frommen Sprüche oder kabbalistischen Zeichen. Mit den angeblichen Ringelchen, durch welche die Vermuthung des Anhängens nahe gelegt wurde, hat es eine ganz andere Bewandtniss. Es sind nicht, wie bei Münzen von Silber angelöthete, frei abstehende Ringe oder Oesen, durch welche ein Faden gezogen werden kann, sondern aus dem Metallkörper mittelst einer Oeffnung im Rande ausgeflossene Drähte derselben Substanz, die am Rande lockenförmig angedrückt festliegen.

Nur der rohe Schrötling war gegossen, noch ohne die Legenden. Die Drähte an beiden Seiten weisen darauf hin, dass mehrere solcher Schrötlinge an einander hingen. Indem solchergestalt eine aus mehreren, unter einander verbundenen Höhlungen bestehende Form mit einem Guss gefüllt wurde, vollzog sich die Herstellung mehrerer Schrötlinge ungleich schneller und müheloser, als wenn für jedes einzelne Stück eine besondere Form herzurichten und die beiden Theile zusammen zu klappen und nach der Füllung wieder auseinander zu nehmen waren. Ein ähnliches, aber doch noch verschiedenes Verfahren können wir bei dem Guss der marokkanischen Kupfermünzen erweisen. Von solchen liegt mir im hiesigen

1) Allerdings kömmt es auch vor, dass ärmste Weiber, Mädchen oder Kinder in Ermangelung von Gold- oder Silbergeld sich auch mit Kupfermünzen begnügen (vgl. Reise einer Wienerin in d. heil. Land v. J. Pfeiffer I S. 89, 4. Afig.), allein, dass hierfür eine besondere Ausmünzung stattgefunden habe, bleibt immer unwahrscheinlich.

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