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wenig Anstrengung gekostet hätte, sich mit der voranmarschirenden Abtheilung zu vereinigen.

Hier stellte der Bezirkk-Chef Braun den Garden abermals vor, sie möchten doch, da die Grenadiere nicht da bleiben werden und wollen (?) nach Hause gehen, aber vergebens. Die Nationalgarde marschirte mit, und beabsichtigte einen passenden Punkt zu erlangen, woselbst sie vereint mit den bereits vorausgeschickten Garden und Volksmassen, dem Militär einen entschiedenen Widerstand zu leisten im Stande wäre. Der andere Theil der Grenadiere wurde vom Volfe und Garden dadurch zurückgehalten, daß sie den in ihrer Mitte zu Pferde befindlichen General Bredh anhielten, und durch stürmische Reden zu bewegen suchten, die Grenadiere zurückmarschiren zu lassen. Um 7% Uhr kamen einzelne jener Grenadiere, die schon die Brücke passirt hatten, vom jenseitigen Ufer wieder zurück, und schritten einzeln über die Balken. Das Volk begrüßte sie mit Jubel; dieselben mengten sich unter die Garden, sangen, und tranken den ihnen aus den Gasthäusern herbeigebrachten Wein. Es hieß, eine Deputation sey mit der Bitte, das Bataillon solle in Wien bleiben, in die Stadt gezogen und auf diese werde gewartet.

Während dieses vorfiel, verbreitete sich der Allarm- Ruf theils mit, theils ohne Bezirksbefehl in den Vorstädten; Angst ergriff die Bewohner der Refidenz, nach und nach rückten die Plazoffiziere ein, und stellten sich zur Verfügung des Ober- Commando.

Der Bezirks-Chef der Alservorstadt de Vuco et Branco, und der größte Theil der ihm unterstehenden Garden sammelten sich, tadelten das Beginnen der die Grenadiere unterstüßenden Garden und blieben, mit Ausnahme weniger Individuen, die nichts zu verlieren hatten aber zu gewinnen hofften, im Bezirke zum Schuße desselben. Derselbe Fall trat auch bei den meisten andern Bezirken ein. Am jenseitigen Donau-lfer sammelten sich um 8 Uhr Bauern mit Sensen versehen. Die Leopoldstadt, vornehmlich die Praterstraße wimmelte von Neugierigen.

Um 8. Ühr dröhnte die Allarmtrommel durch die Straßen der Vorstädte, Nationalgarden sammelten sich, die Stadt war in größter Aufregung. Aber immer ahnten die gutgesinnten Bewohner nicht, was die nachfolgenden Stunden bringen werden; es war daher immer noch keine Bestürzung fichtbar. Nur das gewohnte Geifern der bekannten Naisonneure in Wirths- und Kaffehhäusern, oder der zerlumpten und rauschsüchtigen Gassen-Politiker war vernehmbar.

Um 8 Uhr erschien beim Ober-Commando F. M. L. Baron Bechtold in Civilkleidern, und wurde als der neuernannte Ober-Commandant der Nationalgarde den anwesenden Offizieren bezeichnet.

Mittlerweile verbreiteten sich die bedenklichsten Gerüchte: Der Ober-Commandanten-Stellvertreter Streffleur gab dem Plag-Hauptmann du B eine

den Auftrag, sogleich mehrere Plazoffiziere an die bedrohten Punkte zu senden, mit der Weisung, wo möglich vermittelnd einzuschreiten, als auch von Zeit zu Zeit genauen Bericht zu erstatten.

Zu diesem Behuse sandte lezterer die Plag - Offiziere v. Eyselsberg, Player, Fischer und Hohenblum an die Taborlinie.

Um 8 Uhr langte beim Ober- Commando in Anwesenheit des F. M. L. Baron Bechtold ein Erlaß *) des Ministeriums an, daß derselbe von Sr. Ma

*) Der Erlaß lautete wörtlich:

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An Seine des Ober-Commandanten der Nationalgarde F. M. L. Herrn Freiherrn „von Bechtold 2634/M. J. Hoch- und Wohlgeboren! Seine Majestät haben mit Allerhöchster Entschließung „vom 1. d. M. Euer Hoch- und Wohlgeboren unter Beibehaltung Ihres Militär„charakters und der Ihnen diesfalls zukommenden Bezüge zum Ober-Commandanten der Nationalgarde in der Provinz Niederösterreich und in der Haupt- und Residenzstadt Wien zu ernennen geruht.

"Wegen Anweisung der oben erwähnten Bezüge und eines entsprechenden Quar„tiergeldes wird Euer Hoch- und Wohlgeboren die weitere Mittheilung zukommen. "Ich gebe mir die Ehre Euer Hoch- und Wohlgeboren zu ersuchen, den Ihnen von „Seiner Majestät anvertrauten Posten sobald als möglich anzutreten, sich aber „früher an mich zu wenden, damit ich Euer Hoch- und Wohlgeboren dem Verwaltungsrathe der Nationalgarde und dem bisherigen Ober-Kommandanten-Stellvertreter "vorstelle.

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„Genehmigen Euer Hoch- und Wohlgeboren die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung.

„Wien, 3. October."

Ein anderer Erlaß enthielt wörtlich Folgendes:

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Doblhoff. m. p.

An Seine des Herrn F. M. L. Freiherrn v. Bechtold, Hoch- und Wohlgeboren. 2634/M. J.

"Hoch- und Wohlgeborner Freiherr."

"Seine k. t. Majestät haben mit Allerhöchster Entschließung vom 1. d. M. den t. t. Major Johann Schönberger zum Oberstlieutenant zu ernennen, und den „selben bis zu jenem Zeitpunkte, in welchem durch ein aus dem Reichstage hervor„gehendes Nationalgarde-Gesez über die künftige Wahl ohne Ernennung der leiten„den Organe der Nationalgarde eine bleibende geseßliche Norm festgestellt seyn wird, der Nationalgarde in Niederösterreich als Chef des Generalstabes mit Beibehaltung seines Militärcharakters und der ihm zukommenden Bezüge mit der vorzugsweisen Bestimmung, die Organisirung und Ueberwachung der Nationalgarde in den Pro„vinzialstädten und am flachen Lande zu übernehmen, zuzutheilen geruht.

"Es hat übrigens der gegenwärtige General-Adjutant der Nationalgarde, Major „Streffleur, welcher sich bereits das Vertrauen und die Achtung der National„garde erworben hat, auch ferner Eurer Hoch- und Wohlgeboren unmittelbar zur „Seite zu stehen, und im Falle Ihrer Abwesenheit oder Verhinderung auch künftig "Ihre Stelle zu vertreten.

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jestät als Ober- Commandant der Nationalgarde ernannt sey, worauf derselbe erklärte, den andern Tag das Ober-Commando zu übernehmen.

Der Plaß-Offizier, Oberlieutenant Dunder des V. Bezirkes wurde von dem anwesenden F. M. L. Baron von Bechtold an die Nordbahn und Umgegend, und der Ordonanz-Offizier Morawsky jenseits der Taborbrücken zum Rekognosziren beordert. Von Seite des Ober-Commando hingegen erfolgten die geeigneten Befehle an sämmtliche Bezirks-Commandanten, die Garden auf die verschiedenen Sammelpläße zu berufen.

9 Uhr Vormittag. Die Universität war in großer Bewegung. „Die bekannten Manifeste haben (sagt der „Freimüthige“) alles erbittert." Die akademische Legion und mehrere Abtheilungen der Nationalgarde marschirten zu den Donaubrücken; man spannte ein Wagenpferd aus, und wollte, der Bezirkschef Braun solle es besteigen und das Commando übernehmen. Er lehnte es aber ab. Am andern Ufer war keine Kanone noch. Alle Gewölbe der Stadt und Vorstädte wurden geschlos= sen. Bei der Eisenbahn forderte die Kavallerie vergeblich die Grenadiere zum Abmarsche auf.

Unterdessen war das zum Abmarsch beorderte Militär noch immer von den Garden und einer bedeutenden Anzahl Volkes begleitet, an der Taborbrücke angelangt, fand aber schon von den vorangeeilten Volksmassen das hölzerne Gitter geschlossen. Das Militär, auf Befehl des commandirenden Generals abgesendet, um den abmarschirenden Grenadieren Luft zu machen, (bestehend aus einem Bataillon von Nassau - Infanterie und einigen Eskadrons Mengen - Kürassieren und Wrbna Cheveaurlegers mit drei Kanonen), brach die vor ihnen marschirende Masse durch, ohne von den Waffen Gebrauch zu machen, sprengte das Gitter und zog auf diese Weise durch die Taborlinie durch.

Die Nationalgarde und das Volk, welches durch diese Forcirung hinter das Militär zu stehen kam, drang in ein nächst der Linie befindliches Haus, zertrümmerte die Planken, und eilte auf Seitenwegen dem marschirenden Militår voran, stellte sich vor demselben auf, während gleichzeitig alle auf der Straße befindlichen Lastwagen umgestürzt, Planken und Balken quer über die Straße geworfen wurden, um dem Militär den Marsch neuerdings zu erschweren, damit die bereits weiter vorangeeilten Garden und Volksmassen Zeit gewinnen, die Taborbrücke theilweise abtragen zu können.

"Ich habe die Ehre, Eurer Hoch- und Wohlgeboren hievon mit dem Beifügen „in Kenntniß zu segen, daß ich unter Einem das Geeignete an den Verwaltungs„rath der Nationalgarde, an den Herrn General - Adjutanten Streffleur, und „an den Oberstlieutenant Schönberger erlasse. Genehmigen Euer Hoch- und "Wohlgeboren die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung."

Wien, den 3. October 1848.

Doblhoff m/p.

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Mittlerweile kamen auch Arbeiter mit Spießen und Brechstangen versehen herbei und schloßen sich der Nationalgarde und dem Volke an. — Bon dem vorangeeilten Volke und der Nationalgarde waren schon einige Balken der großen Taborbrücke abgetragen; das Militär, welches befürchtete, auch hier den Uebergang zu verlieren, brach in Sturm durch die ihnen in Weg gelegten Hindernisse, und ein Theil desselben seßte über, blieb jedoch auf der andern Seite unentschlossen stehen.

9 Uhr. Große Massen Nationalgarden zogen zur Eisenbahn hinab, den deutschen Grenadieren zu Hilfe. Von Seite des Militärs waren Kanonen und Munitionswagen aufgeführt. Zwei Kanonen blieben vor der ersten Taborbrücke und eine war auf dem anderen Ufer nebst einer Militär-Abtheilung aufgestellt. Die zweite Taborbrücke war beinahe abgetragen. Es kamen drei Studenten, die eine schnell aus einem herbeigeschafften Wagen gemachte Tribune bestiegen, und durch ihre geifernden Reden das Volk und die Soldaten haranguirten. Sie sprachen von dem Willen des souveränen Volkes, mit dem der Soldat Hand in Hand gienge, und der durchgesegt werden müsse; das Volk und der Soldat seyen nur Eins, die Camarilla und alle Volksfeinde müßten unterliegen, und noch mehr derlei an der Tagesordnung und in der Presse gewesenen Gemeinpläße floßen von ihrem giftspeienden, meuterischen Munde. Zwei davon waren Israeliten. Niemand kannte fie, und sie waren von Massen der Nationalgarde, der Arbeiter und Grenadiere so umstellt, daß es Niemand wagen konnte, ihnen die aufregenden Reden zu untersagen oder sie gar zu arretiren. —

Der General-Major Hugo von Bredy hielt eine Rede an das versammelte Volk und die Nationalgarde, worin er begreiflich zu machen suchte, daß es vergeblich sey, das Militär vom Marsche abhalten zu wollen, und daß dasselbe unbedingt den Befehlen seiner Obern gehorchen müsse. Man wollte den Generalen vom Pferde reißen und mißhandeln, welchem er nur dadurch entging, daß er versicherte, zum Kriegsministerium sich verfügen zu wollen, um dort die neueren Befehle einhohlen zu können.

Während seiner Abwesenheit wurde den Soldaten vom Volke immer mehr und mehr zugesprochen in Wien zu bleiben, und viele versprachen es; indessen wurde die Taborbrücke immer mehr zerstört.

Die Pioniere wollten die abgetragenen Brückenjoche wieder herstellen; aber Nationalgarden, Bürger, Studenten, Arbeiter mit Spießen hinderten sie daran. Jenseits der Donau hörte man Sturmgeläute.'

General Bredy kam mit dem Befehl des Kriegsministers zurück, das Militär müsse marschiren, und begab sich deßhalb zu Fuß auf die andere Seite der Brücke, um es auch jenem Theile des Militärs, welcher diese bereits überschritten

hatte, mittheilen zu können. Als er aber zu Fuß zurückkehrte, und auf den ein

zelnen Balken herüberschritt, wäre er von einem Manne beinahe in die Donau geworfen worden, wenn ihm nicht ein Rittmeister vom Kürassier-Regiment Mengen und der Plazoffizier Reisser beigestanden wären.

10 Uhr Vormittags. Nationalgarden und Studenten besezten den Eisenbahndamm. In der Tiefe stand die Infanterie vom Regiment Nassau, dann Pioniere und Kürassiere. Sie führten drei Kanonen mit sich. Die Generale Bredy und Frank langten mit denselben an. Das Bataillon deutscher Grenadiere stand auf der großen Laborbrücke inmitten von zahlreichen Nationalgarden. Sie waren gegen 1020 Mann stark.

Auf die erfolgten aufrührerischen Studentenreden schrieen die Massen, es müßten die Grenadiere, die bereits zur zweiten Taborbrücke voranmarschirt waren, zurückgeholt werden. Diese Mission muthete man Braun zu, die er aber ablehnte, worauf Studenten und Garden solches zu thun übernahmen.

Das Militär, welches am rechten Donauufer aufgestellt war, erklärte offen nicht marschiren zu wollen, daher nichts anders erübrigte, als den Rückmarsch anzutreten.

Unterdessen war die Legion am Eisenbahndamme heraumarschirt, um das Militär in die Stadt zu geleiten; allein jener Theil des Militärs, welcher fortmarschiren wollte, vereint mit den Garnisonstruppen, wollte den Weitermarsch erzwingen.

Das Militär, welches den Befehl des Kriegsministers befolgen wollte, die Nationalgarde und die Legion waren am linken Donauufer und der Rückmarsch war bereits beschlossen; allein ein Stabsoffizier, Major Richter, welcher mit einer Abtheilung Grenadiere mit der Fahne vorausgeeilt war, mußte erst berufen werden, indem die anderen Grenadiere ohne ihrer Fahne den Rückmarsch durchaus nicht antreten wollten.

Der besagte Stabsofficier mußte daher erst zum Rückmarsch bewogen werden, welches eine bedeutende Verzögerung herbeiführte, indem sich derselbe durchaus nicht dazu herbeilassen wollte, aber sich endlich doch dazu entschloß.

Am Damm standen, als der Plaz-Offizier Dunder dahinkam, ungefähr 200 Legionäre bewaffnet *) vor der Eisenbahnbrücke aufgestellt, darunter Lieutenant

*) Am Tabor standen an diesem Tage unter Waffen gegen 2000 Mann Militär, die meuterischen Grenadiere inbegriffen. Die bewaffneten Garden und Legionäre zählten weit über 3000 Mann, die bewaffneten Arbeiter nicht mitgerechnet. In Leipzig erschien eine Broschüre:,,Ursache und Geschichte der Octoberereignisse, von einem Augenzeugen"; dieser Leipziger Augerzeuge erzählt, es hätten sich an der Taborbrücke am 6. October 150 Mann Nationalgarde, Akademiker und Arbeiter zusam mengefunden, von welchen jedoch nur die Akademiker bewaffnet waren. Den Leips ziger Augenzeugen muß ich als wirklicher, genannter Augenzeuge auf die zahlreichen Unwahrheiten und Unrichtigkeiten seiner Broschüre mit dem Bemerken aufmerksam machen, daß er durch den Titel „Augenzeuge" als Lügner erscheint. Anmerkung des Verfassers.

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