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Granaten und Kartätschenbüchsen abgefeuerten Raketen bewährten sich an diesem Tage als ein sehr ausgiebiges Mittel zur Vertreibung der Vertheidiger von den Wällen und aus den Barrikaden. *)

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Abends wurde Oberlieutenant Weißenberger beauftragt, zu dem abzuhaltenden Kriegsrathe auch den Vertheidigungsleiter, Johann Moser, des Wiedner Bezirkes, zum Ober-Commandanten Messenhauser abzuholen. Auf der Wieden, im Hauptquartier des Bezirkes (Theresianum) angelangt, fand derselbe den Bezirks-Chef, Theodor Hirn, mit einer starken Verlegung im Gesichte, (durch einen Sturz vom Pferde) und erkundigte sich nach dem Vertheidigungsleiter Moser. Doch dieser war nicht mehr aufzufinden. Die anwesenden Garden und Bewaffneten aber schrien fortwährend nach Moser. Ein Bewaffneter, mit dem Gewehrkolben immerfort auf den Fußboden stoßend, schrie: „Die Lumpen haben uns schändlich verrathen, verkauft; wo war ein Commando bei der Vertheidigung, wo waren Sie, Herr Bezirks-Chef?" Hirn, der krank und sehr ergriffen war, sagte mit einer Gelassenheit, wie man sie suchen müßte: „Sie wissen ja, daß ich krank bin, daß ich das Commando des Bezirkes dem Vertheidigungsleiter, Johann Moser, auf Anordnung Messenhausers übergeben habe." Wo ist Moser?" schrien Mehrere, „den müssen wir aufhängen, oder wenn Sie es nicht sagen wollen, hängen wir Sie auf." Mit Hülfe der Plaß- und anderen im Hauptquartiere anwesenden Offiziere und Garden, gelang es endlich, die immer größer werdende Rotte der Bewaffneten damit zu beschwichtigen und zu entfernen, daß gesagt wurde, Moser sey wahrscheinlich durch einen früheren Befehl zum OberCommando berufen worden, und dürfte dort zu finden seyn.

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Bezirks-Chef Hirn schickte hierauf den Ordonnanz- Offizier Carl Wallner zu Messenhauser mit der mündlichen Anzeige, daß er als BezirksChef der Wieden von nun an als selbstständiger und alleiniger Commandant handeln werde, und als solcher durchaus keine Befehle mehr zur Wiedereröffnung der Feindseligkeiten anzunehmen gesonnen sey. Wallner fand den OberCommandanten nach längerem Suchen in Giacomozzi's Südfrüchten-Handlung, wo er ihm Hirn's Gesinnung berichtete. Messenhauser war Anfangs über das Gehörte aufgebracht; nach einigem Zögern jedoch sagte er: es läge natürlich in der Macht des Bezirks-Chefs, den Bezirk zu übergeben oder nicht!

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In der Dämmerung bestieg Oberlieutenant Weißenberger den Thurm der Peterskirche, wo er, in der Gallerie umhergehend, ein Feuermeer sah. Es war zwar ein schöner, aber das Herz durchschneidender Anblick.

Ein Radikaler, und wie es schien, wüthender Barrikadenkämpfer, war

*) Vergl. Anonym. Die militärischen Operationen gegen Wien.

auch in der Gallerie, derselbe war empört über die Grausamkeit und Barbarei (wie er sich ausdrückte), die vom Fürsten Windischgräß ausgeübt werde, und äußerte sich, daß es kaum denkbar sey, daß ein Mensch so grausam seyn kann. Weißenberger entschuldigte das Benehmen des Fürsten, allein je mehr er es that, um so wüthender wurde sein Zuhörer.

Nachts kam der Gemeinderath Anton Winter zu Messenhauser, bei dem gerade der größte Theil seines Generalstabes versammelt war, mit der Mission, daß zu Folge Beschlusses der Gemeinderaths-Permanenz, das Hauptzollamts-Gebäude, in welchem sich Waaren von ungeheurem Werthe befinden, nicht beschossen, und der Gefahr eines Brandes ausgesezt werden dürfe, und forderte den Ober-Commandanten dringend auf, hierwegen an die Garden alsogleich den Befehl zu erlassen, und die Schonung dieses Gebäudes auch bei dem F. M. 2. Hartlieb zu vermitteln. - Wie wüthend stürzten nun mehrere Generalstabs-Offiziere über Winter her, mit der Erklärung, daß nicht die Garden auf dieses Gebäude feuern, sondern daß die dort befindlichen Kroaten zuerst schießen, wodurch natürlich erstere herausgefordert, das Schießen erwidern. Winter ließ sich jedoch durch die ihm beigefügten Rohheiten nicht einschüchtern, und machte den Ober-Commandanten im Namen des Gemeinderathes für jede Beschädigung dieses Gebäudes verantwortlich.

Abends waren sämmtliche Vertheidigungsleiter und Commandanten beim Ober-Commando in der Stallburg versammelt. Messenhauser ergriff das Wort und sagte, daß nach dem, was heute vorgefallen, von einer weiteren Vertheidigung nicht mehr die Rede seyn könne; er segte die Unzulänglichkeit der Vertheidigungsmittel, namentlich den sehr fühlbaren Mangel an Munition aus einander. Es gäbe nur ein Mittel, aber dieses könnte man nur von einer gut organisirten und wohldisciplinirten Truppe erwarten, und dieses bestände darin, auf den Wällen und der Brustwehr Laufgräben zu machen, das Militär bis an die Thore kommen zu lassen, selbes, so zu sagen, Bresche schießen, ihre Schüsse beinahe gar nicht zu erwiedern, sondern sie nur mit wenigen wohlgezielten Schüfsen zu begrüßen, sie auf diese Art in die Stadt zu locken, und in den Straßen einen wüthenden Kampf aufzunehmen. Dieses wäre die einzige Möglichkeit noch zu fiegen, aber mit einer Truppe, wie die unserige, gar nicht zu wagen. Er stimme also dafür, einen nochmaligen Versuch zu machen, den Fürsten durch eine Deputation in Verbindung des Gemeinderathes zu bewegen, doch halbwegs (wie er sich ausdrückte) menschliche Bedingungen zur Unterwerfung zu stellen. Der größte Theil der Anwesenden, mit Ausnahme der Mobilgarde-Commandanten, war mit diesem Vorschlage einverstanden; es trat jedoch einer von den leßtern hervor mit den Worten: „Ich rathe Ihnen, so etwas nicht zu thun, denn derjenige, welchen ich meinem Bataillon

bezeichne, oder den es sich selbst bezeichnet, wird ein Opfer werden." Messenhauser wies ihn mit einem Muthe und einer Energie zurück, welche ihm die Achtung aller Anwesenden erwarben.

Messenhausers Antrag wurde somit angenommen, und als Mitglieder der Deputation Schaumburg, Haug, Jelovicki und Naessel ge= wählt. Bei dieser Gelegenheit sagte Messenhauser Folgendes: „Ich muß gegen die Wahl Schaumburg's protestiren, da er die be kannte Adresse gegen den Reichstag angetragen. Einen Menschen, der solche Zweifel hegt, wie er, kann ich mit so einem Auftrage nicht betrauen." Doch die Anwesenden bestanden auf der Gültigkeit von Schaumburg's Wahl, und er wurde nur durch einen Zufall verhindert, an der Deputation Antheil zu nehmen.

Sehr gerne hätte sich Messenhauser dieser Deputation angeschlossen; er kämpfte lange mit sich, was er thun solle, und es scheint, nur der Reichstags-Ausschuß habe ihn von seinem schon gefaßten Beschlusse abgebracht.

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Ehe die Leopoldstadt eingenommen war, flüchteten sich die dortselbst wohnenden fremden Gesandschaften in die Stadt, darunter auch die türkische und württembergische. Zum Schuße der leßteren, welche am Judenplaß im Esterhazy'schen Hause Nr. 343 ihr Quartier aufschlug und um Schuß ansuchte, begab sich in der Nacht der Plaß-Oberlieutenant Dunder auf die Hauptwache, führte persönlich einen Wachposten vor das Hotel und ließ einen Schußbrief ans Thor nageln, wodurch aller Gefahr vorgebeugt ward.

Nachts um 10 Uhr begab sich der Plaß-Oberlieutenant Dunder, in Begleitung des Scharfschüßen Pachner, ebenfalls eines Leopoldstädters, auf die Rothenthurm-Bastei. Oben angelangt, waren sie Zeugen eines heftigen gegenseitigen Feuerns. Kurz darauf gelang es Dunder, solches einzustellen. Doch das dauerte nicht lange; denn bald sah Dunder, daß ein Frauenzimmer über die Schlagbrücke gegen die Stadt eilte, in welchem Momente von den auf den Basteien zahlreich postirten Mobilen auf dasselbe eine Decharge von beiläufig sechzig Schüssen abgefeuert wurde. Der herzzerreißende Ruf desselben: „Jesus, Maria!" bewog den genannten Offizier, das Feuern einzustellen, was ihm jedoch nur mit der größten Mühe gelang. Er mußte mit mehr als gewöhnlichen Ausdrücken auf die, meistens betrunkenen, entmenschten Vertheidiger einwirken. Einzelne derselben erkannten seine Vorstellungen, sagten jedoch, es seyen keine Offiziere anwesend, die meisten der Arbeiter wären betrunken, die schwarzgelben Hunde in der Leopoldstadt müsse man aber vertilgen u. dgl. Dem Frauenzimmer geschah nichts. Während dem Dunder noch weiter zu den Mobilen sprach und das Feuer unterblieb, lief ein Pudel beim Mezel'schen Kaffeehause vorüber

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und es erfolgte ein abermaliges Feuer aus mehr als sechzig Gewehren auf denselben. Zu gleicher Zeit bemerkte man in der durch die Feuerlohe der brennenden Gebäude bei der Franzenskettenbrücke erzeugten Beleuchtung eine Bewegung bei genannter Brücke. Auch dahin flog eine große Anzahl Kugeln ungeachtet die Distanz mehr als 1000 Schritte beträgt. Dunder konnte sich nicht enthalten, den Schüßen seine Verachtung über solch' besoffenes Treiben zu erkennen zu geben - worauf das Schießen unterblieb, und er, entseßt über dies feuerliche, grause Schauspiel bei und in der Leopoldstadt, zum Ober-Commando zurückfehrte. Unterwegs erlebte derselbe noch das Abenteuer, daß ihn ein N.G.Offizier niederstechen wollte.

Um 11 Uhr begab sich Dunder, in Begleitung des Hauptmanns A. Schindler abermals auf die Rothenthurm-Bastei, das Feuern war abermals eröffnet, und nur mit der größten Mühe, ja mit Lebensgefahr, gelang es den beiden Offizieren, die blutdürstige Menge zu bereden, und das Feuer einzustellen.

Bis 12 Uhr Nachts waren in der Jägerzeile schon sämmtliche gegen die Donau und Rothenthurmthor-Bastei gelegenen Wohnungen mit polnischen Grenadieren beseßt. In einer an Wollers Kaffeehaus gränzenden Wohnung ereignete sich Folgendes: Es wurden acht bis zehn Mann von Mazzuchelli-Grenadieren von der Compagnie des Hauptmanns Kamptner, in ein Zimmer, welches gegen die Rothenthurmthor-Bastei liegt, commandirt; wovon jedoch kurz darauf drei Mann in eine andere Etage abberufen wurden. Der Eigenthümer dieser Wohnung hatte selbe aus dieser Veranlassung bereits ganz geleert, nur vergaß er seine goldene Cilinderuhr sammt Kette, welche in einem Uhrbehälter neben dem Bette stand, wegzuräumen, und als er nun auch diese zu sich nehmen wollte, war selbe schon von einem der abberufenen Grenadiere entwendet worden. Der Verlusttragende machte hievon sogleich die Anzeige dem Hauptmann; doch die Grenadiere marschirten ab, und wurden durch Fürstenwärther-Infanterie erseßt. Zur Ehre dieser Grenadier-Compagnie jedoch, welche diesen Schandfleck auf sich nicht belassen wollte, seh es gesagt, daß die braven Grenadiere bald darauf den Thäter ausfindig machten; denn als acht Tage später dieselbe Compagnie wieder in Wien in die Heumarktkaserne einrückte, war Hauptmann Kamptner so gefällig, die Uhr in die Wohnung des Betheiligten persönlich zu überbringen.

Nachts verließen angeblich die bei der kleinen Nußdorfer-Linie stationirten Legionäre ihre Posten, und flüchteten sich in das Kloster der P. P. Serviten in der Rossau. Später führte man die aufgestellten Kanonen nach der Stadt, und die wenigen Mobilgarden sollten nun diese Linie allein beseßt halten. Doch die Proletarier der Roffau, meist der gemäßigteren Partei angehörig, wurden dadurch entmuthigt, und beschlossen die Waffen nieder zu legen. In Folge dessen wurde

eine Anzahl Gewehre in das Haus des Hauptmanns Steinböck der 5. Compagnie Rossau gebracht; doch die daselbst wachhabende Ordonnanz, nicht wissend, was dies bedeuten solle, wollte selbe nicht annehmen; da seßte man ihr das Bajonet auf die Brust, und drohte ihr, im Falle sie sich weigere, die Gewehre zu übernehmen, sie erschossen werden würde. So kam es, daß in kurzer Zeit schon bei 500 Gewehre aller Art im Hose des genannten Hauptmanns lagen. Doch Thomas Schweizer, magistratischer Holzsezer, reizte durch fanatische Reden dieses nur zu leicht zu bethörende Volk dergestalt auf, daß sich Mehrere wieder entschlossen, die Waffen zu ergreifen, und dem schon eindringenden Militär den möglichsten Widerstand zu leisten. Dieser Aufrührer schrie auf allen öffentlichen Pläßen: „Brüder, greift zu den Waffen, noch ist es Zeit; alle müßt ihr zum Militär, wenn Windisch gräß siegt, alle eure Häuser werden mit den größten Steuern belastet, darum auf Brüder! greift zu den Waffen!"

In der Vorstadt Hundsthurm und Mazleinsdorf. In der Johannagasse nächst dem Linienwalle stand eine Kanone, National- und Mobilgarden hatten den Wall im Rayon dieser beiden Vorstädte beseßt. Alle waffenfähigen Männer wurden auch daselbst zum Kampfe gepreßt, und man nannte dieses barbarische Verfahren Garden-Herauskißeln;" und so geschah es, daß eine Rotte Bewaffneter in der Johannagasse in die Wohnung des Fischer Edlen von Röslerstamm gewaltsam eindrang, dessen ein und zwanzigjährigen Sohne Oskar ein Gewehr und eine Patrontasche aufgedrungen wurde, und er mit auf den Wall gehen mußte. Eine Masse Militär mit Kanonen zog sich vom Südbahnhofe zwischen den Meidlinger- und MazleinsdorferBahnhof, und faßte daselbst Posto. Es war das Lager des Generalen Grafen Colloredo-Mannsfeld. Eine andere Militär-Abtheilung kam von Wilhelmsdorf, und stellte sich nicht fern vom Hundsthurmer-Kirchhofe auf; sie hatte einige Kanonen bei sich, und machte einige Schüsse gegen die Hundsthurmer-Linie. Die Garde glaubte sich auszeichnen zu müssen, und feuerte einen Schuß aus der, in der Johannagasse aufgestellten Kanone auf die kaiserlichen Geschüße ab. Das Militär, welches diese Kanone früher nicht bemerkt hatte, zog sich nunmehr gegen den Bahnhof, und gelangte dadurch in die Verlängerung der langen Johannagasse, auf welche nun losgefeuert wurde; und obwohl die Kanone am Walle noch zwei Schüsse machte, so wurde sie doch bald zum Schweigen gebracht, und der Kanonier entfloh. Nach einigen Kartätschenschüssen des Militärs, wovon die Kugeln an den Häusern abprallten, und auf die Garden flogen, nahmen diese Reißaus, und binnen wenigen Minuten war der Wall, so weit man sehen konnte, von Menschen entblößt, die alle durch die Gärten liefen, theils die Gewehre wegwarfen, theils sich in den Glashäusern, und sonst wo immer möglich, verbargen. Auch der junge Fischer kam nach Hause, und stellte sein Gewehr ruhig zur Seite. Von der Wall-Be

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