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kriechen der Garden, war höchst tragi-komisch. Messenhauser war daselbst nicht zu finden; Weißenberger eilte in das Gasthaus „zur Stadt Frankfurt“, fand ihn jedoch auch hier nicht. An einem Tische in diesem Gasthofe saßen acht Magyaren, unterhielten sich in magyarischer Sprache auf die empörendste Art, machten Lärm, lachten, brachten Toaste aus, und kümmerten sich wenig um den Donner der Kanonen. Weißenberger war empört über diese Ba= chanten und sagte zu einem Anwesenden: „Dieß sind die Lumpen, die uns die Suppe eingebrockt haben; könnten nur Alle, welche sich von ihnen bethören und bestechen ließen, sie jezt sehen.“ Weißenberger war gefaßt, von den Ungaren zur Rede gestellt zu werden; allein nicht eine Stimme erhob sich, jeder that, als hätte er ihn nicht verstanden; er verließ unangefochten das Gasthaus und sah Messenhauser nicht vor dem Abend.

Gegen Abend, als gar Viele aus der Volkswehr in den Vorstädten ihre Waffen niederlegten, (so sollen im Lichtenthal in den Gassen tausende von Gewehren an den Mauern der Häuser angelehnt gefunden worden seyn), bemächtigten sich viele Frauen derselben und riefen: „Schämet Euch, Ihr feigen Männer, sehet, wir übernehmen Eure Stelle!" Sie theilten sich darauf in Compagnien, wählten Anführerinnen aus ihrer Mitte, oder stellten sich unter das Commando eines Mobilen, durchzogen noch denselben Abend die Gaffen der Stadt, und beseßten einzelne Posten. Des anderen Tages waren sie bereits vollkommen organisirt, nur hie und da sah man unter einer Abtheilung Mobilgarden eine einzelne Amazone mitziehen. Bis zum 31 war die Anzahl der Amazonen auf mehrere Hundert angewachsen, und schon waren Viele, außerdem daß fie sämmtlich mit Gewehren bewaffnet waren, auch noch mit Pistolen versehen. Einige trugen auf dem Kopfe Calabreser von gefallenen oder verwundeten Studenten.

Nach dem Verluste der Jägerzeile wurde der ganze übrige Theil der Leopoldstadt von den Vertheidigern geräumt. Die, welche aus den Häusern geschofsen, fanden den Rückzug in die Fuhrmannsgasse noch frei, und konnten sich ohne weiteren Verlust nach der Stadt zurückziehen. Die große Barrikade am Ausgange der Stadtgutgasse gegen den Prater, welche von Technikern und Studenten lange mit Erfolg vertheidigt wurde, ward nun gleichfalls aufgegeben. Von 4 Uhr an hatte man bereits viele bewaffnete Schaaren, welche weniger. standhaften Muth zeigten, als die Vertheidiger der Jägerzeile, über die Ferdinandsbrücke nach der Stadt fliehen gesehen. Von 51⁄2 Uhr an wurde dieser Rückzug allgemein und eine große Anzahl Gewehre flog ins Wasser hinab.

In dem weiten Halbkreise zwischen der Nußdorfer und St. Maryer-Linie wurde der Kampf zwar großentheils nur mit grobem Geschüß geführt; doch näherten sich die Truppen dem Linienwall auch von der Südseite und drangen bis zur Mazleinsdorfer-Linie an verschiedenen Punkten in die Vorstädte ein. Bei

ihrer Annäherung verließen die Vertheidiger den Wall. Der Gloggnißer Bahnhof, das Belvedere, und ein Theil der äußersten Barrikaden wurden von den Truppen genommen. Die Hauptbarrikaden aber vertheidigten sich dort mit Erfolg, und die Angreifer begnügten sich mit einer Beseßung der wichtigsten Punkte zwi schen der Belvedere- und Maßleinsdorfer Linie. Die Erstürmung des Gloggnißer Bahnhofes kostete viel Blut. Sämmtliche Vertheidiger, meistens Studenten und Proletarier, sollen abgeschnitten und theils getödtet, theils gefangen worden seyn. Den Bahnhof erstürmten und beseßten zwei Compagnien Gränztruppen und eine Batterie Raketen der Division des F. M. L. v. Hartlieb. Am schwächsten war das Geschüßfeuer gegen die Nußdorfer und Währinger-Linie und an der Nord-und Westseite der Leopoldstadt, wo nur wenig Pulverrauch gesehen wurde. Gegen die Mariahilfer-Linie wurde zwar kein ernstlicher Angriff versucht, aber die auf einer erhöhten Position gegenüberstehenden Batterien donnerten auf diese Vorstadt mehrere Stunden lang ein verheerendes Feuer herab, welches bedeutende Verwüstungen anrichtete und viele Häuser in Brand steckte. Vom St. Stephansthurme wurden um 7 Uhr Abends an 26 Punkten Feuersbrünste signalisirt, von welchen der Brand in der Franzensbrückengasse den größten Umfang hatte. Von nahmhaften Gebäuden find das Odeon, das Universum, der Gasometer und ein Theil des Gloggnißer Bahnhofes in Flammen aufgegangen. Das Belvedere war vom Feuer nicht bedroht, denn G. M. von Karger hatte dieses, die Linie und das Schwarzenbergische Palais schon um 6% Uhr in seinen Händen. Von dominirenden Punkten herabgesehen, zeigte das kriegerische Schauspiel dieses Tages in und um Wien ein über alle Beschreibung furchtbarprächtiges Bild. Wären es nicht Scenen von einem Bürgerkrieg der traurigsten Art gewesen, wir hätten sie dem Pinsel eines genialen Schlachtenmalers empfehlen mögen. Ueber der Jägerzeile sahen wir manchmal den Pulverdampf in so dicken Wolken schweben, daß selbst mit dem Fernrohr Einzelnheiten nicht beobachtet werden konnten. Das dumpfe Getöne der Sturmglocken, deren eherne Stimme von den Thürmen der Stadt und Vorstädte ohne Aufhören zum Kampfe riefen, das Wirbeln vieler Trommeln, einzelne Trompetenstöße und von Zeit zu Zeit das Geschrei der Streitenden oder Fliehenden in den Gassen. — All' das trug nicht wenig dazu bei, die Spannung und Aufregung auch derer, welche keinen thätigen Antheil am Kampfe nahmen, zu erhöhen. Zu diesem großartigen Kriegsgemälde, den Kampfscenen, dem Getümmel in hundert Gassen, denke man sich noch den Anblick der 26 Feuersbrünste, von welchen mehrere eine bedeutende Ausdehnung hatten, und deren Ueberschau gegen Abend einen Eindruck von schauerlichster Wirkung machte. Die Helle dieser Brände beleuchtete bis in die tiefe Nacht hinein all' die grauenhaften Details der Kampfschaupläge und Verwüstungen, und ihr Refler färbte Wolken und Donaustrom mit einer Röthe,

deren Tinten an manchen Stellen wechselten, vom düstern Gelbroth übergehend in die dunkelrothe Farbe des Purpurs und Blutes.

Die Vorstadt Landstraße und alle Vorstadttheile vom Donaukanal bis zur Heugasse auf der Wieden wurden ganz allein von der Division des F. M. L. v. Hartlieb genommen, und bei dieser befanden sich außer Gränztruppen nur ein Bataillon italienischer Grenadiere und eine Division Jäger. Diesem eben so tapferen, als klugen und ruhigen Commandanten verdankte an diesem Punkte der Kaiser und die österr. Staatenunion den Sieg. Ein jüngerer Hartlieb zeichnete sich am heutigen Tage aus und der Schwiegersohn des Generals fiel als Held in der Praterstraße.

6 Uhr Abends. In der Jägerzeile entstand ein schreckliches Geschrei. Die Soldaten kamen, wie bereits erwähnt, aus der Czerningasse in den Rücken der Vertheidiger. Das Geschrei ließ nach, man hörte nur einzelne Schüsse. Die Barrikade bei der Johanneskirche war genommen, die Vertheidiger geflohen. Die Truppen säuberten Gassen und Fenster. Vor dem Pfarrhofe stand eine Abtheilung von Nassau Infanterie; auf diesem Gebäude flatterte die gelbe Spitalsfahne. Der Commandant dieser Abtheilung verlangte eine Bahre für einen verwundeten Lieutenant, welche auch beigestellt wurde. Plöglich kam der General Frank, for: derte Rechenschaft wegen vermeintlich in der Kirche aufgestellt gewesenen Kanonen, und nahm den Pfarr-Provisor M. Terklau und den Cooperator Pawlik als Geißeln für die Versicherung, daß solche weder darin sind, noch darin waren. Nach der vorgenommenen Untersuchung der Kirche, wobei sich der religiöse Sinn der Soldaten und ihrer Führer auf eine erhebende Weise kund gab, wurden die beiden Geißeln wieder in Freiheit gesezt und bewirtheten dann das Militär mit Wein. Aber plöglich wurde ein Kanonier vorbeigeführt der ganz zusammengekrümmt über Vergiftung klagte. Keiner der neu hinzu gekommenen Offiziere wollte trinken, bevor nicht die Geistlichen zuerst getrunken. Grenadiere kamen in den Pfarrhof mit Krügen um Wein zu holen; doch im Pfarrhofe befand sich nur mehr Ein Eimer. Die Wirthe ringsumher hatten schon den ganzen Tag nichts mehr. Dieser leßte Eimer wurde Preis gegeben. Die von den Bränden der großen Häuser in der Franzensallee und an den beiden Praterecken herabstürzenden Balken verursachten ein dem Kanonendonner ähnliches Getöse. Die Offiziere vermeinten eine Kanonade im Rücken, doch alsobald klärte sich's auf.

Die Pfarrgeistlichkeit ging, um die auf der Eisenbahn liegenden Soldaten mit den Sterbsacramenten zu versehen, unter Begleitung von Grenadieren dahin. Die Soldaten, und vornehmlich die Kroaten streckten sich die Reihen entlang auf ihre Knie hin. General Frank kam wieder zur Kirche und erquickte sich ruhend auf der steinernen Stiege vor der Kirche.

Es kam die Nachricht, daß aus dem Odeon geschossen werde; und wirklich

hat der Pfarr-Verweser M. Terklau eine Frau mit den Sterb-Sacramenten versehen, die aus dem Odeon einen Schuß in's Knie bekam. Da commandirte der General Frank eine Compagnie Grenadiere, die das Odeon mit Sturm einnahmen, und 300 Bündel Stroh vom Lager, das die Mobilgarden darin hatten, auf den Dachboden zusammentrugen und es anzündeten.

Es muß zur Steuer der Wahrheit bemerkt werden, daß in der Leopoldstadt die muthigsten Streiter im Kampfe standen. Der größte Theil der Wiener, Grazer, Brünner und Salzburger Studenten, mit Abtheilungen des mobilen und demokratischen Corps kämpften hier mit einer Todesverachtung, die am geseglichen Boden des größten Ruhmes würdig wäre.

Es kamen Mobile und Garden in das Leopoldstädter Gemeindehaus und wollten die Fenster desselben besegen, um aus denselben auf die im Anrücken begriffenen kais. Truppen zu feuern; zwei Garden wollten Pechkränze, um das Gasthaus zum Elefanten in Brand legen zu können, weil in demselben kais. Truppen sich befanden. Der Gerichtsschreiber J. Ley, und W. Woller, Lieutenant der 3. Compagnie und bürglicher Kaffehsieder, boten Alles auf dieses zu verhindern, beschwichtigten die Leute nicht ohne Gefahr, welche sich mit der Drohung entfernten, die Häuser längs dem Donaukanal in gleicher Absicht zu beseßen. Die Leopoldstädter Garden waren auf den verschiedenen Wachposten bereits fünf Tage und Nächte unausgeseßt im Dienste.

Um halb 6 Uhr Abends fingen die verschiedenen Garden an sich einzeln zurückzuziehen; im Gemeindehause waren der Gerichtsschreiber J. Lev, W. Woller, Lieutenant der 3. Compagnie, und Franz, Lieutenant der 11. Compagnie versammelt, und theils bemüht von den rückkehrenden Garden die Waffen zu sammeln oder dieselben zur Ablegung aufzufordern. Woller wäre bei dieser Gelegenheit durch einen Mobilen beinahe um das Leben gekommen; die Leopoldstädter Garden sammelten sich nach Ablegung der Waffen im Gemeindehause, die Mobilen aber zogen sich theils durch die Schiff- und Ankergasse über die Kettenbrücke gegen die Stadt zurück. Diesen auf dem Fuße folgte das Militär, und auf dem Karmeliter-Plage vor dem Gemeindehause stand bereits eine Compagnie unter Commando des Hauptmann Rossig von Schönhals Infanterie, welche die Garden, die Waffen ablegen wollten, ruhig in das Gemeindehaus gehen ließen. Ley und Woller mit weißen Tüchern winkend, gingen mit einer schnell improvisirten weißen Fahne auf den die Avantgarde commandirenden Hauptmann Rossig zu, und übergaben das Gemeindehaus, woselbst dieser Hauptmann mit diesen beiden die Fahne beim Gemeindehause aussteckten. Nachher verfügte sich Woller unter Militär-Begleitung zum F. M. L. Ramberg und eröffnete ihm, daß 1200 Lib Brot und 15 Eimer Wein im Gemeindehause noch erliegen,

und stellte es zur Verfügung des Generals, welcher ihn freundlich empfing, und befahl mit zwei Wagen, welche Direktor Carl Bernbrunn mit seinen Pferden bespannen ließ, diesen Proviant abführen zu lassen.

General Bem wohnte in der Jägerzeile im Hause beim Pferdehändler Markus Straß bis zum 28. October. In der Sterngasse an der neuen Kirche stand während des Angriffes am 28. sein Wagen, er saß im heftigsten Feuer auf einen Stuhl hinter der Barrikade. Die Mobilen ließen ihm durch einen Offizier melden, sie wollten die Dampfmühle anzünden, er hat es untersagt mit der Bemerkung, daß ohnehin schon Schaden genug geschehen sey. Der Feind, sagte er, brennt ohnehin an allen Ecken, wir werden nicht noch anzünden. Während des Feuerns um 5 Uhr herum, fuhr Bem gegen die neue Brücke. Da hat ein Artillerie-Offizier die neue Brücke anzünden lassen wollen, auch dieses hat er untersagt, und Barrikaden zu bauen befohlen. Dann fuhr er gegen die Reiterkaserne, daselbst konnte er in der Richtung hinter derselben nicht durchkommen, weil das Militär eingedrungen war. Die daselbst breunenden Holzgestätten wollten die Anwesenden löschen, er untersagte dieß, ließ Barrikaden machen und auf diejenigen, die löschen wollten, schießen. Valentin war Adjutant von Bem. Dann begab er sich in die Jägerzeile zu der Barrikade, befahl der Nationalgarde in die Wohnungen zu gehen und aus den Fenstern zu schießen. Daselbst bekam er einen Prellschuß der ihn nicht verwundete. Als die Barrikade bei der Kirche gewonnen war, ist er aufgesessen, eilte bis in die Nähe des Weishappelschen Kaffehhauses, daselbst bekam er einen Kanonenstreifschuß in die linke Hüfte, dem ungeachtet stieg er nicht vom Pferde. Dann ist er von dem Kaffehhause aus ins Kriegsgebäude gefahren, um 8 Uhr beiläufig. Um 1 Uhr Nachts ist er mit einem Fiaker Nr. 492 vom Kriegsgebäude fortgefahren und ist von den daselbst wachhabenden Bürger-Grenadieren gesehen worden. Sein eigener Wagen ist zurückgeblieben und Adjutant Valentin führte ihn auf die Wieden ins Gasthaus zum Apfel. Bem wohnte noch zwei Tage beim Lamm auf der Wieden. Anton Zimmert war sein Leibkutscher.

Zwei Sträflinge, gewesene Advokaten, der eine aus Ungarn, der andere von Wien gebürtig, machten dem Strafhaus-Verwalter den wiederholten Antrag, er möchte sich beim Gemeinderathe verwenden, daß sie unter die Mobilgarde eingereiht werden, oder unter ihm für die Freiheit des Volkes fechten möchten. Das erstemal erhielten sie zur Antwort, daß eine ähnliche Bitte den Individuen des Zwangsarbeitshauses abgeschlagen worden sey. Das zweitemal, daß sie sich bis gegen Ende der nächsten Woche gedulden möchten. Am 28. October aber gegen die Abenddämmerung, wurde das Strafhaus durch Hauptmann August Rossig von Schönhals Infanterie beseßt, und die daselbst befindlichen Nationalgarden, fünfundzwanzig Mann, und neunzig gepreßte Garden

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