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ten die Streitkräfte der Wiener, welche doppelte Linien von einigen deutschen Meilen im Umfang beseßt halten mußten, nicht aus. Gegen 2 Uhr war der größte Theil der Landstraße von den Truppen genommen.

Um dieselbe Zeit begann der heißeste Kampf in der Leopoldstadt. Die sogenannte Sternbarrikade*), welche aus einer doppelten steinernen Brüstung bestand, von welchen die vorderste in der Form eines Halbkreises den Zugang vom Plage des Pratersterns in die Jägerzeile vertheidigte, war um 11. Uhr von den Vertheidigern ohne Kampf geräumt worden. Somit nügte diese wichtige Barrikade nur den Belagerern, welche ihre Geschüße hinter dem Steinwalle vortheilhaft aufpflanzen und ihre Artilleristen deden konnten. Wäre an dieser Stelle keine Barrikade gestanden, so hätten die Truppen ihren Angriff gegen die Jägerzeile vom offenen Plag des Pratersterns beginnen müssen und wären dem verderblichen Feuer aus den Häusern der Jägerzeile und der Batterie hinter der großen Barrikade, die nahe an der rothen Sterngasse die ganze Jägerzeile sperrte, schußlos blosgestellt gewesen. Das Preisgeben der Sternbarrikade, ohne sie zuvor zu zerstören, halten wir für den größten Fehler, welchen die Vertheidiger an diesem entscheidenden Tage begangen. Erst um 2, Uhr bewegten sich die Bärenmüßen der Grenadiere vorwärts und schienen jezt mit Verwunderung zu bemerken, daß die starke doppelte Steinmauer verlassen war. Eine Batterie rückte im Galopp gegen die Barrikade an, die Kanoniere stellten ihre Stücke hinter den Schießlöchern auf und eröffneten ein heftiges Feuer, welches zwei volle Stunden ohne Unterbrechung fortdauerte. Es wurde hier meist mit Granaten und Kartätschen geschossen. Das Feuer war gegen die große Barrikade gerichtet, welche auf dieser Seite den Angreifern das leßte Hinderniß entgegenstellte. Das Anrücken der Grenadiere wurde aus den fünf Kanonen bei der Johanneskirche furchtbar begrüßt. - Bem commandirte. Aus den Häusern, die außerhalb der Barrikade standen, wurde fortwährend gefeuert, von den innerhalb derselben Stehenden auf die Steinwände, der Kampf wurde auf der Straße und von den gegenüberstehenden Stockwerken fortgeführt, fort und fort donnerten die Geschüße, knatterten die Gewehre, dazu das Prasseln der Flammen, das Krachen der stürzenden Ballen und Mauern der Häuser, das Geschrei der Kämpfenden, das Geheul der Verwundeten und Sterbenden es war furchtbar! Die Kugeln bestrichen die Praterstraße der ganzen Länge nach. Der hartnäckigen Tapferkeit, die hier die Vertheidiger zeigten, zollen alle Augenzeugen die gerechte Anerkennung. Hinter der Barrikade standen gegen hundert Mann, gemischt aus Neberläufern, Nationalgardisten und Proletariern. In den Häusern der Jägerzeile war ein großer Theil des Freicorps postirt, welche von Zeit zu Zeit aus den Fenstern schossen. *) Solche hatte keineswegs die Form eines Sterns, wie ein auswärtiger Geschichtemacher erzählt, befand sich vielmehr vor jenem Punkte, von welchem siehen Straßen auslayfen und einen Stern bilden,

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Die Munition wurde hier von den Vertheidigern ziemlich gespart bis zum Augenblick, wo die Stürmenden an der rechten Seite der Straße durch die Biegung der Häuserlinie einigermaßen geschüßt vorzurücken versuchten. Alle Versuche, die Barrikade in der Fronte anzugreifen, mißlangen. In den Nebenstraßen wũthete inzwischen der Kampf mit größter Heftigkeit. Die Barrikaden an den Eingängen der Fuhrmanns- und Stadtgutgasse wurden gleichfalls von der Seite der Allee mit Granaten und Kartätschen bestrichen.

Während in der Praterstraße der Kampf mit gleicher Tapferkeit ohne Entscheidung fortwüthete, war das Schicksal der Landstraße bereits entschieden. Die Erdberger Linie konnte den Stürmenden nur geringen Widerstand entgegenseßen, weil auf jener Seite der schüßende Wall und Graben fehlt; zwischen der Feldgasse und dem Donaukanal wehren nur die schwachen, hölzernen Zäune der Gärten, die gegen Kugeln nicht schüßen, den Zugang zur Vorstadt. Dort scheinen die Truppen am Ufer des Donaukanals in die Landstraße noch etwas früher eingedrungen zu seyn, als durch das Thor der St. Marrer-Linie. Die Vertheidiger hatten versäumt, diesen völlig wehrlosen Punkt mit starken doppelten Barrikaden zu schüßen, während dieselben anderwärts, wo sie weniger nothwendig waren, in Ueberfluß errichtet worden. Wäre die Hauptstraße der Vorstadt auch hundertmal kräftiger vertheidigt worden, als es geschah, so hätte sie doch nicht Lange widerstehen können. Denn das dem Donaukanal entlang vorrückende GränzBataillon, und eine Gränz-Batterie konnten mit Leichtigkeit alle starken Positionen ihrer Gegner umgehen, und mittelst einer Bewegung durch die Seitengassen die Barrikaden der Hauptstraße im Rücken fassen. Außer den Gränzern war auch anderes Militär in jener Haupt-Sturm- Colonne, die sich, ihren Commandanten an der Spige, durch die Landstraßer Hauptstraße den Weg bis zu dem Glacis bahnte.

Um 3 Uhr stand der FML. v Hartlieb vor dem Invalidenpalais. — Wie hartnäckig und verzweifelt der Kampf besonders gegen die St. Marxer-Linie gewesen, mag der bedeutende Verlust an mobilen Garden und Arbeitern, der bei einer Besagnng von ungefähr zweihundert Mann, achtzig betragen haben soll, beweisen.

Kroaten bildeten den Vortrab der Colonne, deren Spige, durch die Hauptstraße ziehend, um dieselbe Stunde zuerst am Rande des Glacis erschien. Ein Bataillon Gränztruppen marschirte zum neuen Zollgebäude und zwei Compagnien standen hinter demselben, als Geschüße und Mörserbedeckung. Das Feuern aus der Stadt vom Stubenthore und der Biberbastei aus Kanonen und Kammerbüchsen hat nur in sehr geringem Maße stattgefunden, jedoch ohne allen Erfolg, es schwieg nach einigen gut angebrachten Schüssen der Batterie des Oberlieutenants Klee. An Cavallerie befand sich zu der Zeit nur eine halbe Schwadron als Geschüßbedeckung auf der Landstraße.

Nach dem Verlust jener wichtigen Position am rechten Ufer des Donauka

nals hielt sich die Leopoldstadt noch eine volle Stunde, obwohl dieselbe in der östlichen Flanke blosgestellt war. Die Nothbrücke war bereits zwei Tage zuvor abgebrannt, die Franzensbrücke stand noch unversehrt, trog dem verheerenden Feuer in der nächsten Nachbarschaft. Ueber leztere Brücke sind die Stürmenden zuerst in das Innere der Leopoldstadt eingedrungen; die dortige Barrikade wurde nach geringem Widerstande geräumt. In der Jägerzeile dagegen, tobte der wüthende Straßenkampf um 5 Uhr fort. Dort floß das meiste Blut. Die ungemein solid gebaute, große Barrikade, auf welcher eine deutsche und eine unga= rische Fahne flatterten, hielt sich verzweifelt ungeachtet des fürchterlichsten Kartätschen-Feuers und der Granaten, die hinter ihr in Menge auf dem Straßenpflaster plaßten. Der polnische General Bem befand sich, von einem Dußend polnischer Uhlanen begleitet, in der Nähe. Außer dem demokratischen Freicorps fämpfte dort auch ein Theil der Freischaaren von Graz, Brünn und Linz. Der `Anführer der Legtern wurde durch eine Kugel niedergeschmettert. Endlich wurde diese starke Barrikade, die dritthalb Stunden einem verheerenden Geschüßfeuer getrogt, von der Seite der Czerningasse umgangen und von den Truppen im Rücken angegriffen. Ein Theil der Soldaten war durch die Seitengassen in die Häuser eingedrungen, und feuerte auf die Vertheidiger, die aus den gegenüberstehenden Fenstern schossen. Aus allen Oeffnungen der Häuser sprühete nun ein fürchterliches Rottenfeuer, das aber nur ganz kurze Zeit dauerte, denn Häuser und Barrikaden wurden bald von den Bertheidigern in Masse verlassen. Mehrere Kanonen fielen in die Hände der Truppen. Unter allen friegerischen Szenen dieses Tages bildet das blutige Gefecht in der Jägerzeile bei weitem die denkwürdigste Episode. Mancher heiße Kopf, manches begeisterte Herz verhauchte dort auf dem Granitpflaster den leßten Seufzer. Es waren junge Männer darunter, ehrliche Enthusiasten, welche in dem Glauben, daß ihr Kampf einer gerechten und heiligen Sache gelte, wie Helden fochten. Ihnen, welchen die aufregenden Ereignisse dieses Jahres die Sinne berauscht, ihnen, welche in einem schönen Wahne den Tod gefunden, wollen wir gerne eine Thräne des aufrichtigsten Mitgefühls weihen. Daß dieses glühende Blut nicht für eine reinere Sache, nicht zur Vertheidigung des Vaterlandes und der Freiheit gegen auswärtige Feinde, sondern im traurigsten Bürgerkriege fließen mußte, - das beklagen wir tief! Auch jene Gefallenen, welche von Ursache und Ziel der October-Revolution gar keinen klaren Begriff hatten und doch im Kugelregen muthig Stand hielten, fie bilden gewiß die große Mehrzahl der Vertheidiger werden wir immer bedauern. Von den Wortführern der Clubbs und der Gassenblätter, welche eine alte erprobte Armee mit Deklamationen und Zeitungsphrasen so leicht vernichten zu können glaubten, ward uns nicht Einer genannt, der in der Jägerzeile oder anderwärts die Mårtyrerkrone gesucht, oder auch nur ein Tröpfchen Blut versprigt hätte. —

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Nachmittags traf Anton Hofmann, Garde der 5. Compagnie, VII. Bezirks, auf der Favoritenstraße in der Nähe der Mittelgasse mehrere Menschen versammelt, welche sehr aufgeregt, unter einander debattirten. Dadurch zogen fie die Aufmerksamkeit der zufällig vorübergehenden, oder an den nächstgelegenen Barrikaden postirt gewesenen Bewaffneten auf sich, welche sodann sich ihnen zugesellten. Ein schon ziemlich bejahrter Mann stand in der Mitte der Versammlung und eiferte sie an, Rache zu nehmen an der Militär-Polizei-Mannschaft, weil sie aus der in der Mittelgaffe befindlichen Caserne auf vorübergehende Garden schieße, und auch schon mehrere derselben verwundet habe. Die Versammlung schenkte dem Erzähler unbedingten Glauben, und es wurde unter den wüthendsten Ausbrüchen beschlossen, die Mannschaft, welche sich in der genannten Caserne befinde, ohne Barmherzigkeit nieder zu machen. Schon wollten sie sich in die Caserne begeben, um den gefaßten Beschluß auszuführen, da trat Hofmann den Wüthendsten aus der Versammlung mit Entschiedenheit entgegen, um sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Er sagte ihnen, daß die von dem alten Manne vorgebrachten Beschuldigungen unmöglich wahr seyn können, indem es bekannt ist, daß die Polizei-Mannschaft vor mehreren Tagen entwaffnet worden, daher auch nicht auf Garden schießen könne. Schwer konnte sich der Redner Gehör verschaffen, und wäre nicht Insulten entgangen, wenn er nicht das Abzeichen der Verwaltungsraths-Permanenz umgehängt gehabt hätte, welches die Wüthenden doch zu einiger Rücksicht veranlaßt zu haben schien. Diesen Umstand benüßte er auch, und berief sich auf seine Stellung als Verwaltungsrath mit dem besten Erfolge. Hofmann machte dem Volke den Antrag, daß sie mit ihm in die Caserne gehen möchten, um sich zu überzeugen, ob dort Waffen vorhanden sehen oder nicht. Dieser Antrag wurde angenommen, und die ganze Gruppe trat den Weg zur Caserne an. In der Nähe der Feldgasse angelangt, hieß es auf einmal: Eine Musketenkugel!" und wirklich sahen alle dieselbe auf dem Wege hinrollen. Kaum gelang es ihm die wieder mehr aufgeregte Versammlung für seine Behauptung, daß nämlich die Kugel vom Linienwalle durch die Feldgasse hierher gelangte, zu stimmen, als wieder eine Kugel von derselben Gegend an ein Haus anflog, und somit die frühere Behauptung Hofman n's sich bestätigte. — Hierauf verstummte die Aufregung, die Leute kamen zur Erkenntniß, und mehrere von ihnen dankten ihm mit Rührung, daß er sie von ihrem furchtbaren Vorhaben abgehalten habe.

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Kaum vergingen einige Augenblicke, so bemeisterte sich der Versammlung abermals eine Aufregung, welche jedoch dem alten Manne galt, welcher sie — Rache zu nehmen beschworen, und zu einem so furchtbaren Unternehmen angeeifert. Alles eilte auf den früheren Plaß in der Favoritenstraße in der Meinung, dort noch immer den alten Mann zu finden; allein dieser war glücklicherweise nicht mehr gegenwärtig, und das Volk ging drohend und fluchend auseinander.

Nachmittags, während des Kampfes in den Vorstädten, wurde aus dem Hause der Dominikaner auf die auf der Bastei aufgestellten Garden geschoffen. Ein wilder Volkshaufe drang sogleich in dieses Gebäude, ergriff den k. k. Beamten, Anton Staffer, den er als Thäter bezeichnete, und wollte ihn unter furchtbaren Drohungen ins Stadt-Convict-Gebäude bringen, wo mehrere Gefangene untergebracht waren. Allein am Universitätsplage wurde er durch Kolbenstöße derart mißhandelt, daß er, aus mehreren klaffenden Kopfwunden blutend, in das Aushilfs - Spital in einem Flügel des Stadt-Convictes gebracht werden mußte. Nachdem dieser Beamte unter Betheuerung seiner Schuld losigkeit verbunden war, drang ein Offizier der academischen Legion mit gezücktem Schwerte, und acht Garden mit gefälltem Bajonete wuthentbrannt und mit fürchterlichem Geschrei ins Krankenzimmer, um blutige Rache an dem bezeichneten Beamten zu nehmen, und an ihm ein warnendes Beispiel zu statuiren. Hier war es, wo der im Spitale angestellte Chirurg, Moriz Auspiß, mit Todesverachtung sich den Wüthenden entgegenstellte, sie versichernd, nur über seine Leiche führe der Weg zu den Verwundeten, in das Spital dürfe kein Bewaffneter eindringen, viel weniger die Lynch-Justiz ausgeübt werden. Nach mehrere Minuten langem Widerstande entfernten sich endlich die Eindringlinge. Zwei Stunden später wurde Staffer von Seite des Studenten-Comites als vollkommen schuldlos erkannt und erklärt, und konnte mit Erlaubniß — desselben in seine Behausung gebracht werden.

Um 4 Uhr Nachmittag saß der Nationalgarde - Artillerie-Feuerwerker Ludwig Ružiczka mit einem Juristen im Gasthause zum „Winter,“ als gerade zwei Reichstags-Deputirte, die Herren Haimerl und Wojtech vom Volk zum Waffendienst gepreßt wurden, ungeachtet sie die Medaillen der Reichstagsabgeordneten an sich trugen; fie flüchteten sich in das Haus zum Winter", wo sie wohnten, und das Volk, angeführt von einem Nationalgarde - Adjutanten, stürmte nach. Nur mit Mühe gelang es dem genannten Ružiczka, diese beiden Abgeordneten zu retten, welche entrüstet waren, daß man sie der Feigheit beschuldigte, da sie doch keine Geflüchteten seyen. Hiernach wurde die Ausfertigung der Sicherheits-Karten für die Abgeordneten veranlaßt.

Solche wurden bedroht niedergeschoßen zu werden, und erst als Ružiczka ihnen eine Sicherheits-Karte gebracht hatte, gingen sie in den Reichstag.

Zu dieser Zeit wurde Oberlieutenant Weißenberger vom ad latus Schaumburg mit einer dringenden Depesche an Messenhauser geschickt, mit der Weisung, daß derselbe auf der Rothenthurm-Bastei zu treffen sey. Daselbst angelangt, sah Weißenberger, wie die zur Vertheidigung der Leopoldstadt bestimmten Garden laufend und mit wildem Geschrei gegen die Stadt retirirten. Das immerwährende sich auf die Erde werfen und auf dem Bauch fort

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