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breitet, und auch dem Ausschusse zu Gesicht gekommen sey, welches jedoch als hier nicht officiell bekannt gemacht, auch nicht als hier constitutionell giltig angesehen werden könne.

Der Ausschuß fand es angemessen, es dem Gemeinderathe, der an Fürst Windischgräß gewiesen worden sey, zu überlassen, in Erfahrung zu bringen, auf welche Vollmacht derselbe seine jeßige Stellung gründe; zugleich habe er auch an Minister Krauß, der von einer solchen Vollmacht ebenfalls nichts weiß, ersucht, sich dießfalls um so mehr beim Minister Wessenberg anzufragen, da eine solche Vollmacht von einem einzelnen Minister nicht füglich ausgehen könne; ferner habe man durch Leßteren angefragt, welche friedliche Maßregeln bis jetzt fruchtlos gewesen seyen, da man militärische Maßregeln doch offenbar erst dann ergreifen könne, wenn die friedlichen erschöpft sind.

Der Präsident eröffnete schriftlich, daß wichtige Gegenstände beim permanenten Ausschusse angelangt seyen, welche eine reifliche Berathung erfordern, und vertagte um halb 2 Uhr die Sizung auf 4 Uhr Nachmittags.

Der Präsident nahm die Sißung um halb 5 Uhr wieder auf, und forderte nach der Erklärung, daß die zur Eröffnung und Schlußfassung erforderliche Anzahl vorhanden sey, den Berichterstatter des permanenten Ausschusses auf, seinen Vortrag zu halten.

Abgeordneter Schuselka berichtete, der Gemeinderath habe mitgetheilt: a) Eine Zuschrift des Fürsten Windischgräß an ihn, (Seite 598), und b) eine Proklamation des Fürsten Windischgräß (Seite 560).

Ueber den Inhalt dieser beiden Aktenstücke habe sich der Gemeinderath nun an den permanenten Ausschuß gewendet, mit der Bitte, vom Reichstage als dermalen obersten Behörde einen dießfälligen Beschluß zu erwirken, der die Stadt Wien vor der ihr drohenden Gefahr bewahre. Der Ausschuß habe nun nach Erwägung, was im vorliegenden Falle zu thun seyn dürfte, mit Rücksicht auf die, von den Generalen wiederholt gegebenen friedlichen Versicherungen, mit Rücksicht, daß in Ermanglung einer bereits bestehenden Constitution, die allgemein geltenden constituirenden Principien als Norm dienen müssen, nach diesen ein Belagerungszustand, d. h. die Suspension aller geseglichen Gewalten und Unterordnung aller Behörden unter das Militär, nur unter den legalen Formen geschehen könne; mit Rücksicht auf den Inhalt des Manifestes Sr. Majestät vom 19. d. M., daß den Oesterreichischen Völkern alle Freiheiten unverkümmert erhalten bleiben, und der Reichstag frei und ungehindert berathen solle, der Reichstag unter dem Eindrucke des Belagerungszustandes und Standrechtes aber nur dann unbehindert berathen könnte, wenn derselbe den Belagerungszustand selbst zu seiner Sicherheit angeordnet hätte; mit Rücksicht, daß militärische Maßregeln erst dann angewendet werden können, wenn alle friedlichen erschöpft sind,

und es dann eine Forderung des Rechtes sey, daß man nicht mit den extremsten, sondern mit den milderen Maßregeln beginne, beantragte der permanente Ausschuß Folgendes:

In Betracht, daß die Herstellung der Ruhe und Ordnung, wo sie wirklich gefährdet seyn sollten, nur den ordentlichen constitutionellen Behörden zukommt, und nur auf ihre Requisition das Militär einschreiten darf; in Betracht, daß nach wiederholtem Ausspruche des Reichstages und des Gemeinderathes die bestehende Aufregung in Wien nur durch die drohenden Truppenmassen unterhalten wird; in Betracht endlich, daß das kaiserliche Wort vom 19. d. M. die ungeschmälerte Aufrechthaltung auer errungenen Freiheiten, so wie ganz besonders die freie Berathung des Reichstages neuerdings gewährleistete; erklärt der Reichstag die vom Feldmarschall Fürsten Windischgräß angedrohten Maßregeln des Belagerungszustandes und Standrechtes für ungeseßlich *), und bemerkt schließlich, daß, da von den sich widersprechenden beiden Manifesten möglicherweise das eine ungeseßlich proklamirt, und das andere vielleicht nicht hinreichend bekannt worden sey, so habe der Ausschuß den Herrn Minister Krauß veranlaßt, das Manifest vom 19. October und die Zuschrift der Reichs-Commissäre an den Reichstags-Vorstand, durch einen Courier an den Fürsten Windischgråß zu schicken.

Der obige Antrag des Ausschusses wurde bei Anwesenheit von 197 Mitgliedern angenommen; es wurde ferners über Bemerkungen der Abgeordneten U mlauft und Löhner beschlossen, diesen Reichstagsbeschluß allgemein kund zu machen, dem Minister Wessenberg und dem Feldmarschall Fürsten Windischgräs speciell bekannt zu geben, und es dem Vorstande zu überlassen, die Reichs-Commission von selben in Kenntniß zu seßen.

Nachdem der Präsident schließlich noch das Haus in Kenntniß seßte, daß der Abgeordnete Leeb für Budweis in Böhmen sein Mandat zurückgelegt habe, vertagte er die Sigung auf den folgenden Tag.

4 Uhr Nachmittag. Doctor Schwarz, Mitglied der Permanenz des Verwaltungsrathes, zeigte beim Ober-Commando an, daß er an diesem Tage Vormittags in Klosterneuburg gewesen, nach Beendigung seiner Geschäfte in dieser Stadt zum Pionier-Corps-Commandanten, Obersten Schön, gewiesen wurde, um seinen Geleitschein contrafigniren zu lassen; als Schwarz in das Zimmer desselben kam, war der Oberst in Gesellschaft zweier Offiziere. Schwarz ersuchte nun um die Vidirung des Geleitscheines, wurde aber grob behandelt, und nachdem der Obrist einige Male: Hinaus, Hinaus!" gerufen hatte, entfernte fich ersterer und hörte noch die Worte: „Ein fatales Gesicht."

*) Diesen Beschluß verbreiteten Ultraradikale und Schwachköpfe als ein großes, rühmliches, glückliches Ereigniß. Die Gallerien waren überfüllt.

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Schwarz gelangte dessenungeachtet unangefochten nach Wien, und berichtete ferner: daß zwei Batterien und 8000 Mann Militär in Klosterneuburg wären. Daß Wien von den deutschen Truppen mehr zu fürchten habe, als von den slawischen. Auch habe er 18 beladene Pulverwägen gesehen. Die Truppen sollen schon den Befehl zum Marsche nach Wien erhalten haben; die Pioniere schlagen die Schiffbrücke.

7 Uhr Abends. General Bem ersuchte die Permanenz des Verwaltungsrathes, ihm 60 Stück Picken zu besorgen. Auf die getroffenen Anordnungen der Permanenz wurden diese Picken aus dem k. Zeughause abgeholt, und in das Hauptquartier im Belvedere übesendet.

Kundmachung. Mitbürger! Ein Plakat, gezeichnet „Fürst zu Windischgräs, Feldmarschall“ ist heute an den Straßenecken auf kurze Zeit gesehen worden. Der hohe Reichstag, getreu seiner Aufgabe: das constitutionelle Wohl der Völker zu vertreten, hat das Mandat des Fürsten Windisch gräß mit dem angedrohten Belagerungszustand und dem daran sich knüpfenden Standrechte für ungeseglich, folglich für ungiltig erklärt. Wir müssen erwarten, ob der Ausspruch der, aus unserer freien Wahl hervorgegangenen Vertreter und Geseßgeber von dem Minister Herrn Wessenberg zu Olmüß und von dem Herrn Fürsten Windischgrät respectirt werden wird.

Mitbürger! Noch ist der Kampf nicht unvermeidlich, noch ist eine friedliche Lösung der Dinge möglich; aber das Wohl unserer schönen Stadt, die Zukunft seiner Bewohner vom absterbenden Greise bis zum bewußtlosen Kinde, unsere Ehre, unsere Freiheiten erfordern doppelte Wachsamkeit, verdoppelten Eifer.

Jeßt erst trete ich in den Mittelpunkt meines Auftrages: die Stadt Wien sammt Umgebung in Vertheidigungszustand zu sehen. Mitbürger! Es werden die größten und umfassendsten Maßregeln genommen werden. Jedes Zaudern, jede Halbheit fällt hinweg. Sie wäre unser offenbares Verderben. Was nur meine aufrichtige Friedensliebe Versöhnliches an die Hand gab, ist von allen unseren Körperschaften versucht worden. Blickt auf das Beispiel der heldenmüthigen Bewohner von Budapest! Männer, Frauen, Kinder, aller Alter und Geschlechter, haben gezeigt, wie man zwischen Morgen und Abend Wälle baut.

Hauptquartier Schwarzenberg-Palais, am 22. October 1848.

Messenhauser, m. p., prov. Ober-Commandant.“

Der Vice-Präsident theilte dem Gemeinderathe eine Zuschrift des Fürsten Wind is ch grä ß mit, worin derselbe den Gemeinderath unter persönlicher Verantwortung beauftragt, das beigeschlossene kais. Manifest vom 16. October I. J. (Seite 600) *) und seine Proklamation, worin Belagerungszustand und Standrecht

*) Diese Plakate waren nur kurze Zeit angeschlagen, und wurden wieder herabgenommen.

verkündet wird, zu publiciren. Be er und Schiffner theilten mit, daß, während sie sich zum Reichstags-Ausschusse begeben hatten, um dort anzufragen, ob der Gemeinderath dem Verlangen des Fürsten entsprechen solle, obige Plakate unbegreiflicher Weise dennoch affichirt worden seyen, hierauf wurde nach Sy lvester's Antrag das Permanenz-Protokoll verlesen, woraus hervorgeht, daß die aus Olmüß zurückgekehrte Nationalgarde-Deputation die Plakate der Permanenz übergeben, und dann von einem magistratischen Stadtdiener, ob mit oder ohne Auftrag, zum Unterkammeramte getragen, und von da wie gewöhnlich affichirt worden seyen. Auf Ma tyr t's Antrag wurde eine Commission, bestehend aus Wessely, Freund, Kubenik, Felder und Maher zur strengen Untersuchung dieser eigenmächtigen und voreiligen Publicirung niedergeseßt, und ein Plakat darüber beschlossen. - Die Affichirung geschah nicht vom Unterkammeramte aus.

Im Gemeinderathe wurde privative die Nachricht gebracht, daß der Reichstag das Verfahren des Ministers Wessenberg und Fürsten Windischgräß als illegal erklärt, und dagegen protestirt habe, wornach über Bernbrunn's Antrag, den Reichstags-Ausschuß auf offiziellem Wege über die Richtigkeit dieser Beschlüsse zu befragen, eine Commission aus den Herren Kaiser, Bernbrunn und Beer als Deputation bestimmt wurde, dieses zu vollführen.

Im Gemeinderathe erschien der Ober-Commandant mit sämmtlichen Bezirks-Chefs und stellten das Ansuchen, daß drei Mitglieder des Gemeinderathes ihrer Deputation zum Minister Krauß sich anschließen möchten, um denselben zu befragen, in wessen Händen eigentlich die Exekutivgewalt sey, und ob der Reichstag die volle Verantwortlichkeit übernehmen werde, worüber nach längerer Debatte beschlossen wurde, keine gemischte Deputation abzusenden.

Fleischer's Antrag, daß auch der Gemeinderath einen Protest gegen Fürst Wirdischgräß einlegen solle, wurde vom Antragsteller über mehrere gegründete Einwürfe wieder zurückgezogen.

Bernbrunn brachte die Abschrift des heutigen Reichstagsbeschlusses und berichtete, daß die zwei Repräsentanten der Centralgewalt bei dem Kaiser und Windischgrät für so lange Verwahrung gegen jede Feindseligkeit eingelegt haben, bis die Vermittlungs-Vorschläge des E. H. Johann eingelangt find, und daß der Ausschuß gleichzeitig den Wunsch ausgesprochen habe, daß die Mitglieder des Gemeinderathes in ihren Bezirken die Willensmeinung ihrer Comittenten einholen mögen, um die Totalstimmung der Stadt Wien darnach beurtheilen zu können.

Hütter wollte die Antwort des Gemeinderathes an Fürst Windischgräß sogleich entwerfen, und Maurer beantragte, darin zu erklären, daß der Gemeinderath dem Reichstage und Ministerium des Innern unterstehe, und daher alle ihm allein auferlegte Verantwortung ablehnen müsse, welches mit der von

Stifft, Sütter und Maurer verfaßten Antwort genehmiget, und gleichzeitig bestimmt wurde, den Beschluß des Reichstages sowohl als diese Antwort zur Veröffentlichung zu bringen.

Im Gemeinderathe wurden folgende Anträge genehmiget:

1. An die deutsch-katholische Gemeinde die Antwort zu erlassen, daß die Gemeinde kein zum Gottesdienste geeignetes Lokale besige. 2. Müller's Antrag, noch einige 1000 Exemplare des kais. Manifestes vom 19. zu ver öffentlichen. 3. Sylvester's Antrag, an den Reichstag eine Dankes- und Vertrauens-Adresse zu richten.

Auf eine in den Gemeinderath gelangte Zuschrift des Handelsstandes, daß das Hauptzollamt nicht hinlänglich geschüßt sey, wurde nach Hütter's Vorschlag, eine ganze Compagnie dazu zu verwenden, das Ober-Commando verständiget.

Folgende Anträge wurden im Gemeinderathe angenommen: 1. Würth's Antrag, der Vice-Bürgermeister möge baldigst ein Verzeichniß aller von Wien fich entfernt haltenden Magistrats-Beamten vorlegen. 2. Bernbrunn's Antrag, daß bei dem Umstande, als die zur Pacificirung abgegangenen Vertreter der Centralgewalt, die gegenseitige Einstellung von Feindseligkeiten zur Bedingung gestellt haben, das Ober-Commando zu befragen sey, ob dasselbe die nöthigen Anordnungen getroffen. 4. Hütter's Vorschlag, daß die Schriftführer die Berichte aus dem Reichstage täglich übernehmen sollen.

Braun theilte dem Gemeinderathe mit, daß Minister Krauß der Deputation der Bezirks - Chefs gerathen habe, der Gemeinderath und die Vertreter der Nationalgarde möchten zu Fürst Windischgräß eine Depu tation absenden, und zwar in keine Unterhandlung treten, aber anfragen, welche Maßregeln er gegen Wien, und warum einschlagen wolle. Hütter's und Röde's Antrag, die Antwort des Gemeinderathes durch eine Deputation zu übersenden, wurde verworfen, nach einer langen und heftigen Debatte, an welcher sich Braun, Bernbrunn, Folwarzny, Sylvester, Wazdorf, Maurer, Wessely, Klobasser und BrodHuber betheiligten, wurde Freund's Antrag, keine Mitglieder dieser Deputation beizuordnen, zur Abstimmung gebracht, und zwar, ohne der zu= künftigen Geschäftsordnung vorzugreifen, durch namentliche Abstimmung.

Nach dieser wurde Freund's Antrag mit 31 Stimmen gegen 14 Stimmen angenommen, und fünf Mitglieder gaben ihr Separatvotum zu Protokoll für die Uebergabe der Antwort durch eine Deputation.

Nachstehende Plakate waren in großer Anzahl an allen Straßenecken angeschlagen: „Antwort des Gemeinderathes der Stadt Wien an Se. Durchlaucht Herrn Fürsten Windischgräß, Feldmarschall."

„„Der Gemeinderath der Stadt Wien hat am heutigen Tage die Zuschrift

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