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Sr. Majestät ausgesprochene volle Anerkennung alles dessen, was der Reichstag zur Erhaltung der Ordnung und Sicherheit verfügte, aufzufordern, die Zufuhr von Lebensmitteln nach Wien frei zu geben, indem es sonst dem Reichstage unmöglich wäre, Ordnung und Sicherheit aufrecht zu erhalten.

Der Zusagantrag des Abgeordneten Dilewski: Auch das Ministerium aufzufordern, den commandirenden Generalen die Weisung zukommen zu lassen, die Zufuhr der Lebensmittel nicht abzuschneiden, dann der weitere Zusaßantrag des Abgeordneten Fedorowicz, den commandirenden Generalen zu befragen, ob und von wem er den Befehl habe, die Zufuhr der Lebensmittel nach Wien abzuschneiden, wurden angenommen. Der permanente Ausschuß stellte durch Schuselka den Antrag: Der Reichstag wolle beschließen, daß dem hiesigen Gemeinderath aus den zur Unterstügung der hiesigen Gewerbtreibenden votirten zwei Millionen 200,000 ft. CM. zur Disposition gestellt werden, und daß der Finanz-Minister mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt werde. Sofort wurde eine Adresse der Nationalgarde Gmunden und anderer nahe gelegenen Ortschaften an den Reichstag des Inhaltes verlesen:

„An den hohen Reichstag: Die Kunde von den Ereignissen in Wien am 6., 7. und 8. October hat uns tief erschüttert, denn unsere Blicke sind stets dahin gewandt, wo unsere Vertreter tagen für unsere Freiheit und unser Wohl, und wo die Legion für diese kostbarsten Güter die Waffen trägt. Wien ist das Herz, dessen Schläge auch die Provinzen fühlen. Der Reichstag hat in den Tagen, wo die Freiheit am höchsten bedroht war, da Bürger und Militär gegen ihre eigenen Freiheit begeisterten Brüder wütheten, das Vaterland nicht aufgegeben und nicht verlassen. Er hat die vollziehende Gewalt übernommen. Wir sprechen aber mit Offenheit unsere Mißbilligung über Jene aus, die in eiliger Flucht ihren Siß im Reichstage verließen, und die ihnen anvertrauten Interessen ihres Wahlbezirkes Preis gaben.

Die Ereignisse in Wien haben uns gezeigt, wer die wahren Vertreter des Volkes find. Die Entflohenen sind es nicht (?) und können es nicht mehr seyn.

Wir bedauern, daß der Kaiser abermals seine Residenz verlassen hat. Wie auch der Sieg im Kampfe der Gegenrevolution mit der Freiheit ausfallen mochte, der Kaiser war nicht gefährdet, das Volk weiß zu gut, daß sein Herz voll Güte, aber sein Blick getrübt ist von seiner Umgebung. Bermag sich der Kaiser nicht selbst zu befreien von seinen ärgsten Feinden, so muß ihn das Volk befreien. Wir erkennen alle Errungenschaften der März- und Maitage und alle vom Reichstage bisher entworfenen und angenommenen Gefeße, wir wollen auch ferner uns seinen Entschlüssen unterwerfen, wenn er, wie bisher auf dem Boden constitutioneller Freiheit sich bewegt. Darum, wenn Wien und der Reichstag unser bedarf, find wir bereit, seinem Ruf augenblicklich zu folgen, denn wir sind bereit auf

diesen Ruf mit Gut und Blut die erworbene Freiheit zu vertheidigen, und den Reichstag in seinen Entschlüssen zu schüßen.

Im Namen der Nationalgarde Gmundens und mehrerer anderer Gemeinden." (Folgen die Unterschriften.) Die Drucklegung und Veröffentlichung dieser Adresse wurde beschlossen. Goldmark, als Berichterstatter der Commission zur Redaction der Proklamation an die Völker Desterreichs, verlas den Entwurf dieser Proklamation.

Der Zusagantrag des Abgeordneten Polaczek, es möge in der Proklamation ausdrücklich die Erklärung des Reichstages enthalten seyn, daß er in diesen Tagen der Gefahr nicht aufgehört habe in seiner beschlußfähigen Anzahl und frei von jeglichem Einflusse (!) zu tagen, wurde zwar gehörig unterstüßt, blieb aber bei der Abstimmung in der Minorität. Der Antrag des Abgeordneten Ambrosch, die Proklamation in allen Sprachen der bei diesem Reichstage vertretenen Nationalitäten zu überseßen, wurde angenommen, und die dießfallsigen Translatoren bestimmt.

„Völker Desterreichs! Durch Euer Vertrauen zu dem friedlichen Werke der Constituirung unserer Freiheit berufen, ist der Reichstag durch die Gewalt der Ereignisse plöglich mit in den Kampf der Zeit gestellt. Der Reichstag mußte in diesem Kampfe vor Allem seinem Friedensberufe getreu bleiben, deßs halb hat er bis zu dieser Stunde alle seine Kräfte aufgeboten, um das Losbrechen des Gewaltkampfes zu verhindern und aus den verworrenen Verhältnissen des Augenblickes den Pfad der Versöhnung und des Friedens zu finden und zu zeigen. Die Bemühungen des Reichstages sind bis jest ohne den erwünschten Erfolg geblieben. Zwar hat das edle Volk von Wien seine Erbitterung und Kampfeslust bezähmt, und den Angriff auf die offenbar feindlich verfahrenden Truppen vermieden, zwar haben selbst Se. Majestät der Kaiser Allem, was der Reichstag zur Hintanhaltung der drohenden Anarchie verfügt, die volle Anerkennung gezollt, aber nichts desto weniger ist Wien noch immer in derselben kriegerisch bedrohten Lage, und nur dadurch allein ist die Möglichkeit aufrecht erhalten, daß der blutige Kampf, und in Folge dessen die Auflösung der geseglichen Ordnung losbreche. Der Einmarsch des, dem constitutionellen Boden Oesterreichs fremden kroatischen Heeres bedrohte unmittelbar die Thore Wiens; vergebens bot der Reichstag, unter Mitwirkung des verantwortlichen Ministeriums Alles auf, den Rückzug dieses Heeres durchzuseßen, vielmehr bildete dasselbe nur den Vortrab immer größerer Truppenmassen, welche bereits die Hauptstadt Wien eng umschlossen haben. Ihre Vorposten dringen bis in die Straßen der zu Wien gehörigen Ortschaften, bis an die Linien der Stadt; die auf des Kaisers Wort geseßmäßig organisirte Nationalgarde der Umgebung Wiens wird entwaffnet, friedlich Reisende werden gefänglich zurückgehalten,

Briefe erbrochen und vorenthalten, die Zufuhr von Lebensmitteln abgesperrt; Kanonenkugeln flogen bereits in die Straßen der Vorstädte, ja selbst Abgeordnete zum Reichstage wurden festgehalten und unwürdig behandelt, kurz, mit jedem Tage erfährt Wien mehr und mehr das schwere Verhängniß einer belagerten Stadt. Vergebens hat der Reichstag mit dem ganzen Gewichte seines Ansehens dagegen protestirt; solchen Thatsachen gegenüber mußte der Reichstag das Bestreben des Wiener Volkes, sich in Vertheidigungszustand zu verseßen, als eine Nothwendigkeit anerkennen. Wien ist die, durch das Ansehen der Jahrhunderte geweihte Hauptstadt des Reiches, und keine andere Stadt kann es seyn; Wien ist der Mittelpunkt der Interessen aller Völker Oesterreichs, und jedes Unglück, welches Wien trifft, wird bis in die fernsten Theile des Reiches schmerzlich nachempfunden; Wien ist der einzig mögliche Sig eines Reichstages, welcher der Gleichberechtigung so verschiedener Völker entsprechen soll; Wien ist die Wiege und die Burg unserer Freiheit. Völker Desterreichs! Ihr alle seyd in der Bevölkerung Wiens vertreten, Wien ist Euch allen stets eine gastliche Hauptstadt gewesen. Wer aber für das Vaterland, wer für den constitutionellen Thron, wer für die Volksfreiheit stets einig ist, der muß für Wien seyn. Der Reichstag erkennt es daher als seine heilige Pflicht, sowohl der Reaction als der Anarchie entgegenzuwirken; die Reaction soll uns nicht den kleinsten Theil unserer Freiheit rauben, die Anarchie nicht den ganzen Schaß derselben vernichten. Dieß will der Reichstag, dieß will er für alle Völker und für alle Stände des Volkes, für den freien Bürger wie für den tapfern Krieger des Vaterlandes. Aber um dieses vollbringen zu können, muß Wien gerettet, muß es in seiner Kraft, Fülle und Freiheit erhalten werden. Völker Oesterreichs! vertrauet denen, die Ihr zur Wahrung Euerer und Euerer Kinder Rechte erwählt; vertrauet denen, die Eueren Boden von Robot und Zehent und allen übrigen drückenden Lasten befreiten, und die so eben im Begriffe find, jene Geseße zu schaffen, durch welche Euere volle Freiheit auf fester Grundlage gesichert wird, kräftiget uns daher mit Euerer ganzen moralischen Macht für das bedrängte Wien; unterstüßt unser offenes Wort durch Allgewalt Euerer Stimme, helft uns den Kaiser beschwören, daß er durch Einseßung eines neuen volksthümlichen Ministeriums, durch Zurückziehen der Truppen aus Niederösterreich, durch Beeidigung des Militärs auf die freien Volksrechte, der Stadt Wien und dem Reiche den Frieden gebe, mit im Segen des Friedens das neue Heil des Vaterlandes gedeihe. Vom constituirenden Reichtage. Carl Wiser, m. p.,

Wien, am 20. October 1848. Franz Smolka, m. p.,

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da:

Gleispach, m. p.,

Schriftführer."

,,Kundmachung. Der Gemeinderath der Stadt Wien hat in seiner Plenarfigung vom 19. October die Absendung einer Deputation an Se. kaiserliche

Hoheit, den Herrn Erzherzog Johann beschlossen, welche bereits am 20. d. M. abgegangen ist, und nachstehende Adresse zu überreichen hat:

„„Eure kaiserliche Hoheit! Eure kaiserliché Hoheit haben an dem Tage Ihres Abschiedes von Wien die Bürger Wiens aufgefordert, wenn immer ein Anliegen fie bedrücke, sich vertrauensvoll an Euere kaiserliche Hoheit zu wenden. Dieses Wort ist tief in das Herz der Bürger Wiens gegraben, und nur zu früh ergab sich der Anlaß, der seine Erfüllung in's Leben rief. Der Gemeinderath der Stadt Wien hat in der, Euer kaiserl. Hoheit nicht unbekannten traurigen Lage der Commune eine Deputation an Se. Majestät den Kaiser abgesandt, welche demselben eine Adresse zu überreichen hat, in welcher der Zustand der Stadt Wien geschildert und an Se. Majestät jene Bitten gestellt werden, welche die Wiederherstellung der bürgerlichen Ordnung anbahnen, der Monarchie und der Stadt Wien einen dauernden Frieden zusichern, sie seiner Zeit neuer Blüthe entgegenführen sollen. Der Gemeinderath erlaubt sich die besagte Adresse zur näheren Einsicht beizuschließen. Eure kaiserliche Hoheit haben durch ein fleckenloses und rühmliches Leben das Vertrauen des Bürgers und die Achtung ihrer Standesgenossen zugleich erworben. Ihre echt deutsche freiheitsliebende Gesinnung ist längst erprobt. Bereits einmal hat Wien den segensreichen Einfluß Ihrer Vermittlung in Anspruch genommen, und es sind ihm jene Tage unvergeßlich, da Eure kaiserliche Hoheit die Pforten der Freiheit durch Eröffnung des constituirenden Reichstages erschlossen. Es waren Tage der Ruhe für Wien, Tage, seit welchen ein unauflösliches Band die Person Eurer kaiserlichen Hoheit und die Bürger Wiens, ein Band der Liebe, die leßteren hoffen es, Beide umschlingt. Jene schönen Hoffnungen, welche damals erblühten, haben sich seitdem verdüstert.

Eure kaiserliche Hoheit sind Bürgerfreund. Es ist die bürgerliche Ordnung in Wien gestört, es ist theilweise das Recht des Bürgers verlegt worden, sie wieder herzustellen, seine Thätigkeit ist gelähmt.

Wenden Eure kaiserliche Hoheit, von dem hohen Standpunkte, auf welchen Sie das Vertrauen der deutschen Männer berief, Ihren Blick auf jene Stadt, welche auch die Wiege der deutschen Freiheit war. Sie ist schwer bedroht in den innersten Räumen ihres einst so fröhlichen Lebens. Das Wort, der Rath Eurer kaiserl. Hoheit ist von hoher Bedeutung in der kaiserlichen Burg, wie im Frankfurter Parlament, Europa blickt auf Sie und ehrt Ihr Handeln, ehrt Ihre Beschlüsse. Verwenden Sie Ihren schüßenden Einfluß für Ihre zweite Vaterstadt, für die Monarchie Ihrer Ahnen, unterstüßen Sie mit Ihrem gewichtigen Einfluffe die Bitten, welche die Bürger Wiens ihrem Kaiser vorzutragen sich gedrungen fanden. Ihr Andenken wird in Oesterreich nicht verlöschen, und Ihr Ruhm, zum neuen deutschen Reich den Grundstein gelegt zu haben, verherrlicht werden

durch die nicht minder bedeutungsvolle That, Oesterreich und Wien, Freiheit und Friede zurückgegeben zu haben. Wien, am 20. October 1848.

Vom Gemeinderathe der Stadt Wien.""

Nachstehende Proklamation gelangte nur in einigen Exemplaren nach dem nun ganz cernirten Wien, und ist vom Ober-Commando nicht veröffentlicht worden. Solche lautet wörtlich:

,,Zum Andenken soll Jeder das Blatt aufbewahren.

Wien im Belagerungszustand.

An die Bewohner Wiens! Von Sr. Majestät dem Kaiser beauftragt und mit allen Vollmachten ausgerüstet, um dem in Wien dermalen herrschenden geseklosen Bußtand ohne Beitverlust ein Biel zu seßen, rechne ich auf den aufrichtigen und kräftigen Beißtand aller wohlgefinnten Einwohner.

Bewohner Wiens! Eure Stadt ist befleckt worden durch Gräuelthaten, welche die Brust eines jeden Ehrenmannes mit Entseßen erfüllen. Sie ist noch in diesem Augenblicke in der Gewalt einer kleinen, aber verwegenen, vor keiner Schandthat zurückschaudernden Faction. Euer Leben, Euer Eigenthum ift preisgegeben der Willkühr einer handvoll Verbrecher. Ermannt Euch, folgt dem Rufe der Pflicht und Vernunft! Ihr werdet in mir den Willen und die Kraft finden, Euch aus ihrer Gewalt zu befreien und Ruhe und Ordnung wieder herzustellen. Um diesen Zweck zu erreichen, werden hiemit die Stadt, die Vorstädte, und ihre Umgebung in Belagerungszustand erklärt, sämmtliche Civilbehörden unter die MilitärAutorität gestellt, und gegen die Nebertreter meiner Verfügung das Standrecht verkündigt. — Alle Wohlgesinnten mögen sich beruhigen, Die Sicherheit der Person und des Eigenthums zu schirmen, wird meine vorzügliche Forge seyn. Dagegen werden die Widerspänstigen der ganzen Strenge der Militärgeseße verfallen. Fundenburg, den 20. October 1848. Fürst zu Windisch-Oräß, m. p., Feldmarschall.“

October 1848. Gedruckt bei M. Lell."

Durch die Cernirung fing der Mangel an Milch empfindlich zu werden an. Die Melange-Trinker, die Kaffehschwestern und die Kinder schrieen Zetter — jeder nach seiner Art. In den Kaffehhäusern mußte man statt Kaffee mit Rahm, Chokolade mit Wasser nehmen. - Der Zorn der Belagerten war deshalb furchtbar. Die Bauern kamen bisher nicht als Landsturm, sondern mit Lebensmitteln auf den Markt, und ungeachtet der Auflassung der Verzehrungssteuer haben die,,hochherzigen Brüder Bauern" die alten Preise aus der Zeit

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