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Kundmachung an alle Nationalgarden der Umgebung von Wien. „Mitbürger und Waffenbrüder! Euere Lage ist eine peinliche. Sie ist der vollsten Sorge Eueres Ober-Commandanten nicht entgangen. Bergeßt nicht, daß Ihr niemals und in keiner Gelegenheit von dem Heere der Stadt verlassen seid. Einer für Alle und Alle für Einen ist unser Wahlspruch. Bis jezt hat der hohe Reichstag die ausdrücklichen Versicherungen empfangen, die Truppen des Banus von Kroa tien und die Truppen des Feldmarschall-Lieutenants Grafen Auersperg wűrden nicht angreifen, wenn man sie nicht selbst durch einen Angriff herausfordere. Ich werde mir im Laufe des heutigen Tages von den Absichten des Banus Gewißheit verschaffen, und selbe auch auf den Feldmarschall-Lieutenant Grafen Auersperg ausdehnen. Nach den erhaltenen Aufklärungen, werde ich mit dem Aufgebote aller Kräfte und Mittel handeln.

Mitbürger und Waffenbrüder der Umgebung Wiens! Ihr seid vor den Mündungen der feindlichen Batterien nicht verlassen, das Auge des Ober-Commandanten und seines Generalstabes ruht auf Euch, wie auf der Wache vor dem Gebäude der Reichstagsfißung. Wien, am 16. October 1848.

Messenhauser, m. p., prov. Ober-Commandant."

4 Uhr Nachmittag. Vom Stephansthurm wurde dem Ober-Commando gemeldet: Bei der Spinnerin am Kreuße sieht man deutlich Schanzen aufwerfen. Auf dem Saum des Berges bis zur Larenburger-Allee steht auf 1000 Schritte Entfernung Infanterie. Beim Laaerwald ziehen sich die Truppen des Banus zusammen. Wachfeuer in dem Hohlweg und auf dem Laaerberg sind sichtbar. Am Wiener-Canal ist in der Vorpostens-Aufstellung keine Veränderung eingetreten.

4 Uhr. Vom Studenten-Comitee wurde dem Ober-Commando gemeldet: Heute Vormittag 10. Uhr wurden drei schwer beladene Wagen als verdächtig angehalten, visitirt und mit Pulver und Blei bepackt gefunden.

Ferner wurde angezeigt, daß um dieselbe Zeit vom Laaerberg 200 Packwagen unter starker Bedeckung nach Schwechat abgezogen sind.

4 Uhr. Math. Hausschneider machte beim Ober-Commando die Anzeige: daß aus dem Dornbacherwalde, in der Richtung gegen den Pulverthum auf der Türkenschanze, sich ungefähr 1000 Mann Infanterie mit einigen Wagen hinziehen.

4. Uhr. Vom Stephansthurme langte beim Ober-Commando die schriftliliche Meldung um 12 Uhr Mittags geschrieben an: Ungefähr 1000 Schritte hinter der Spinnerin am Kreuz steht ein Cavallerie-Vorposten, wahrscheinlich von den Auerspergischen Truppen; gegen den Laaerberg zu steht wieder ein Vorposten, und weiter oben wieder einer; dann kommen Infanterie- Vorposten; hinter diesen auf ungefähr 500 Schritte Entfernung Feldwachen in der Stärke von halben Compagnien, vermuthlich Gränzer.

Auf dem Laaerberg ist vom Militär nichts zu sehen. Bei den Ziegelöfen sieht man sehr viele Truppen, auch Kanonen, bei mehreren Lagerfeuern.

Gegen den Neustädter-Canal stehen viele Packwagen mit vielen Truppen. Das Hauptlager ist nicht zu sehen. Im Prater fallen immer noch einzelne Schüsse.

Um dieselbe Stunde wurden drei Burschen auf die Nationalgarde-Hauptwache in's bürg. Zeughaus gebracht, weil sie aus einem in der Nähe des Pulverthurmes befindlichen Gestrüppe auf die Militärposten mit scharfen Schüssen gefeuert haben. Solche wurden der Stadthauptmannschaft übergeben.

4. Uhr. Josef Landl, wohnhaft in der Alservorstadt, zeigte beim OberCommando an, daß die Vertheidigungsanstalten in der Währingergasse sehr schlecht seyen, keine Barrikaden gebaut werden, und die Garden zum Dienste sehr schwach ausrücken.

4. Uhr. Josef Mink, Garde-Lieutenant, meldete beim Ober-Commando, daß er an diesem Tage Mittags in der Vorstadt Landstraße, in der t. t. ArtillerieCaserne mehrere Kisten mit 6- 12pfündigen Kartätschenbüchsen gefunden habe.

5 Uhr Ab. Franziska Vogl, von Fünfhaus, zeigte beim Ober-Commando an, daß 500 Arbeiter und 4 Studenten über den Semering von Mürzzuschlag in Baden ankamen, nach Wien wollten, und alle, sammt ihrem Bruder, dort in einer Reitschule eingesperrt wurden, und zwar von Jellačič'schem Militär, und es wurde ihnen bedeutet: die Wiener, dieses Gefindel, brauchen keine Hülfe mehr. 6 Uhr. Wurde beim Ober-Commando gemeldet, daß Fürst Windischgräß in der hintern Brühl, in seinem eigenen Hause gesehen worden sey.

63 Uhr. Eduard Pisko von der 6. Compagnie des Juristen-Corps, be= richtete beim Ober-Commando, daß in Wülfersdorf 800 mährische Jäger und 6 Kanonen heute Nacht einquartirt worden, und in Doppelmärschen nach Wien zu gehen beordert seyen. In Nikolsburg sey starke Einquartirung mit 18 Kanonen angesagt. In Gaunersdorf waren Soldaten des Beschäll-Departements abmarschirt, und sollen von den Ungarn abgeschnitten seyn. Der Berichterstatter kam aus jener Gegend, war beordert den dortigen Landsturm zu organisiren und bürgte für die Wahrheit seiner Angaben.

,,Telegraphische Depesche von Olmüß nach Floridsdorf. Reichstags-Deputirter Fischer an den permanenten Ausschuß des hohen Reichstages. Gestern um 6 Uhr 30 Minuten Abends war die Audienz. Seine Majestät gab der Deputation folgende Antwort: Aus der mir überbrachten Adresse des Reichstages ersehe ich mit Vergnügen, daß derselbe das Gesammtwohl aller Völkerschaften des österreichischen Kaiserstaates vor Augen habe, und die Bemühungen des Reichstages, der drohenden Anarchie entgegen zu wirken, erhalten meine vollkommena Anerkennung. Ich werde meinerseits alles aufbieten, um die so nöthige Ruhe und Sicherheit in der Hauptstadt wieder herzustellen, und den constituirenden

Reichstag die mögliche Gewährschaft für seine ferneren ungestörten Berathungen zu verschaffen. Floridsdorf, am 16. October 1848. Nachmittags 2 Uhr.

A. Schefsit, m. p., Ingenieur-Assistent der Nordbahn.“

In der Nachmittags-Sißung der Reichsversammlung theilte der Präsident Smolka mit, daß bereits 221 Quittungen über, für die zweite Hälfte Octobers von Abgeordneten zu beziehende Taggelder eingelaufen gewesen, und auf 202 die Geldbeträge bereits behoben worden seyen, daß daher jedenfalls eine mehr als beschlußfähige Anzahl von Mitgliedern in Wien anwesend seyn müsse; und daß sich der Finanzminister einverständlich mit der permanenten Commission des Reichstages veranlaßt gefunden habe, wegen Mangel einer Antwort von der neuerlich an Se. Majestät gesendeten Reichstags-Deputation, eine neuerliche Vorstellung durch den Abgeordneten und Schriftführer Wiser abzusenden, welcher Lestere mit einem Seperat-Train bereits abgegangen sey; seitdem sey übrigens auch von der Deputation selbst Nachricht eingelangt.

Abgeordneter Schuselka berichtete darauf Namens der permanenten Commission: Von der Reichstags-Deputation sey folgende telegraphische Depesche eingelangt: Der Abgeordnete Schneider habe von Bieliz aus der Commision berichtet, daß die dortige Einwohnerschaft das vollste Vertrauen zu den Verfügungen des Reichstages hege; die Städte Komotau, Leitmerig und Rzeszow hatten drei Adressen eingesendet. (Siehe Seite 348, 349, 385.)

Ein Landmann aus Markersdorf in Nieder-Desterreich habe den Betrag von 58 fl. 28 kr. als Ergebniß einer Sammlung im Orte für mittellose Studenten und Nationalgarden in die Commission gebracht, und eine Frau 10 fl. CM. für verwundete Studenten eingesendet.

Der Berichterstatter versicherte ferner, daß troß dieser vielen Beweise von Anerkennung und Sympathie, die Commission sich habe nicht einschläfern oder abhalten lassen, Alles anzuwenden, was zur kräftigsten Bertheidigung von Wien dienlich seyn könnte; die Commission habe sich rein auf Vertheidigungs - Maßregeln beschränkt, da sie vor Allem das Prinzip einer aufrichtigen Politik festhalte, welche nicht den Angriff bereite, während sie über Friedens-Maßregeln verhandle; nach der Aussage von Sachverständigen sey Wien bei einem kräftigen Zusammenhalten aller Wehrhaften auch beinahe unüberwindlich (?); hingegen wäre es aufs Tiefste zu beklagen, wenn die Kampfluft einzelner Körper zu einem angriffsweisen Verfahren hinreißen sollte, da in diesem Falle ein günstiges Resultat nicht gewärtiget werden könnte *).

Die Armeen vor Wien hätten ihre Stellungen nur höchst unbedeutend geändert, die ungarische Armee habe die Gränzen nicht überschritten; über den In

*) Während Offiziere des Generalstabes die Ueberzeugung hatten, daß Wien nicht zu halten sey, sagte Schusella das Gegentheil.

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halt der Sendung, welche vor einigen Tagen von der ungarischen Armee in das Lager des Commandirenden, Grafen Auersperg, abging, sey der Commission nichts bekannt geworden. Schließlich empfahl der Berichterstatter eine DisciplinarVerordnung für die neugebildeten mobilen Corps. Diese erschien am 18. October.

Die Bemerkung des Abgeordneten Polaczek, daß wegen der durch die Berichte der czechischen Deputirten in ganz Böhmen hervorgerufenen Aufregung es nöthig seyn dürfte, eine getreue Darstellung der in den leßten Tagen vorgefallenen Thatsachen und eingetretenen Verhältnisse in allen Ländern der österrei chischen Monarchie in den dort gangbaren Sprachen zu veröffentlichen, wurde durch den Präsidenten dahin beantwortet, daß, falls der Herr Abgeordnete dießfalls einen schriftlichen Antrag zu stellen für nöthig fände, solcher auf die nächste Tagesordnung zu stellen seyn dürfte. Der Präsident verlas sodann eine Adresse des permanenten Ausschusses des provisorischen Landtages in Kärnthen (siehe Seite 349.), welche, nachdem ein Antrag des Abgeordneten Borrosch auf dieselbe eine Erwiederung zu erlassen, in der Minorität blieb, zur Kenntniß genommen wurde.

Am 16. kam die Präsidentin des ersten demokratischen Wiener Frauen-Vereins, Caroline Perin geborne Pasqualati, in Begleitung zweier Damen des genannten Vereins in das k. k. Tabak- und Stämpel-Administrationsgebäude, und forderte die daselbst auf der Wache befindlichen Garden des Stuben-Viertels auf, ihre Frauen zu bewegen, daß solche eine Petition an die hohe Reichsversammlung wégen Aufbiethung des Landsturmes unterzeichnen möchten. Dieses absurde Anfinnen wurde jedoch von allen Garden unter dem Vorwande abgelehnt, daß sie unvereheligt sehen. Diese Petition wurde jedoch am 17. October dem Reichstage unterlegt.

Es ist eine große Erfahrung, daß die magyarischen Anarchisten auf die blöde Leichtgläubigkeit des Wiener Volkes spekulirten, um sich so schnell als möglich der sie hart bedrängenden Armee Jellačič's in der Nähe ihrer Hauptstadt zu entledigen; es ist eine große Erfahrung, daß Wien in die Falle ging. Mit der October - Revolution lockten die Ungarn den Ban von Pesth weg vor die Mauern von Wien; und wenn diese Erfahrung unvergessen bleibt, so wird das Wiener Volk die erste aller politischen Tugenden, das Mißtrauen gegen die Gassenkönige und politischen Marktschreier sich erworben haben. Hierzu gehörte auch die Perin. Wenn fremde und einheimische Emissäre Unruhe zetteln, wird das Volk wissen, daß es nur der Narr fremden Eigennuges, fremder Zwecke sey, und daß diejenigen, welche immer sich mit des Volkes Wohl den Mund am meisten voll nehmen, dabei auf des Volkes Unwohl hinarbeiten. Nachdem die Wiener in die Falle gegangen sollten auch noch die Bauern in die Falle gehen und als Landsturm kommen! B. 3.

Von den Gemeinden Ober-Sulz, Bockflüß und Wolfpassing liefen an die Approvisionirungs-Commission beim Gemeinderathe Lieferungen vonViktualien undGeldbeträge ein, für welche in der Wiener Zeitung der Dank öffentlich ausgedrückt wurde. Der Gemeinderath beschloß, die Cammer al-Gefällen-Verwaltung zu ersuchen, die Einfuhr aller Viktualien bei allen Linienämtern an sich selbst einlaufen zu lassen, um einen genauen Ausweis darüber erhalten zu können.

Stifft theilte mehrere Privat-Mittheilungen aus dem Reichstags-Ausschusse dem Gemeinderathe mit, worauf Freund erinnerte, daß der Ausschuß ersucht werden möge, alle derlei Nachrichten dem Gemeinderathe sogleich mitzutheilen, um sie, nach Würth's Vorschlag, veröffentlichen zu können.

Das im Gemeinderathe eingelangte Ansuchen des Ober-Commando um 4000 Laib Brod kam nach Angerer's Aussage für heute schon zu spät; über das weitere Ansuchen um Tabak und Cigarren wurde nach Braun's Antrag beschlossen, Limito-Tabak zn verabreichen, und Planker erbot sich, den Preis wie für das Militär zu erwirken, worauf Wessely seinen früheren Antrag zurückzog, einen Accord mit einem Groß-Trafikanten auf Lieferung zu schließen, indem er Cigarren für höchst überflüssig und kostspielig erklärte.

Auf das vom Ober-Commando an den Gemeinderath eingelangte Ansuchen um Reitpferde, wurde an alle Vorstadt-Gemeinden um einen Ausweis über die vorhandenen Pferde geschrieben, und deren Bericht auf Winter's Antrag sogleich dem Ober-Commando übergeben.

Die erzherzoglich modenesische Haus-Direktion machte dem Gemeinderathe die Anzeige, daß im erzherzoglichen Hause in der Rabengasse ein Spital errichtet wurde, eben so langte auch die Anzeige ein, daß Fürst Liechtenstein sein Haus in der Schenkenstraße zur Verfügung stelle. Der Berwaltungsrath ersuchte um Anschaffung von chirurgischen Instrumenten für den 9. und 10. Bezirk, in welchen, wie Braun meldete, auch mehrere Spitäler errichtet worden sind.

Die an den Gemeinderath eingereichte Klage des Zimmermeisters Groß, daß ihm alles Holz weggetragen wurde, wurde an das Ober-Commando gewiesen. An den Gemeinderath langte der Auftrag vom Reichstags-Ausschusse ein, derselbe solle dem Ober-Commando jede (!) demselben zu seiner Disposition nöthige Summe zur Verfügung stellen.

Wessely beantragte: Forderung eines neuen Vorschusses vom Finanzminister, worüber Brödhuber meinte, der Gemeinderath wäre nun aller Sorge überhoben, während Gråff nicht einsah, wo der Gemeinderath das Geld hernehmen sollte. Bernbrunn beantragte, dem Reichstags-Ausschusse zu berichten, daß der Gemeinderath alle dem Ober-Commando unbedingt auszubezahlende Gelder von den erhaltenen Vorschuß-Kapitalien leisten, diese Ausgaben aber bei Verrechnung der Vorschuß- Kapitalien als Staatsausgaben betrachtet werden.

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