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„Bekanntmachung. Um den häufigen Nachfragen um Waffen und Munition, welche angeblich im Schottenstift niedergelegt seyn sollen, zu begegnen, wird hiermit ämtlich erklärt, daß bereits durch eine Commission die strengste Nachsuchung stattgefunden, und sich dabei durchaus kein Vorrath irgend einer Art ergeben hat. Wien, den 13. October 1848.

Vom Ober-Commando der Nationalgarde.“

An diesem Tage verweigerte man an der Gumpendorfer Linie, da die Mariahilferlinie gesperrt war, den ankommenden und abgehenden Post-Conducteuren, trog der gedruckten Passirerlaubniß des Reichstages die Passage, und führte einen Conducteur unter Todesandrohungen als Spion auf die Aula.

Die in Prag anwesenden Reichstags - Deputirten haben folgende, in jeder Hinsicht merkwürdige, höchst ausgezeichnete Erklärung abgegeben:

,,Wir gegenwärtig in Prag weilenden Abgeordneten des constituirenden österreichischen Reichstages, halten es unseren Comittenten und den annoch in Wien verbliebenen Vertretern des österreichischen Volkes gegenüber, für eine unabweisliche Pflicht, zu erklären, warum wir im gegenwärtigen Augenblicke unsern Sig im Reichstagssaale nicht einnehmen, und wie wir unsere Stellung zu den Beschlüssen, die jezt von dort ausgehen, auffassen. Vor Allem erklären wir, daß wir den gegenwärtigen Aufruhr in Wien für ein Werk fremder, nicht zu verkennender Umtriebe halten, keineswegs aber für den Ausdruck der Gesinnung der biedern und loyalen Bevölkerung Wiens.

Wir halten diesen Aufstand für einen verbrecherischen, weil durch denselben unter Mord und Gewaltthat ein Ministerium gestürzt wurde, welches die Majorität der Vertreter des österreichischen Gesammtvolkes für sich hatte, und wenn man auf deren vorher gefaßte Beschlüsse Rücksicht nimmt, auch in Uebereinstimmung mit denselben verfuhr.

Wir verwahren uns daher auf das Feierlichste gegen die in einer Namens des Reichstags erlassenen Proklamation ausgesprochenen Ansicht, als sey der Mord des Kriegsministers und der gewaltsame Sturz des Gesammtministeriums nichts Anderes, als ein von bedauerlichen Umständen begleiteter Act der SelbstHilfe des Volkes.

Wir müssen unser Bedauern ausdrücken, daß der Reichstag, anstatt pflichtgemäß seine tiefste Indignation über eine solche Unthat unverhohlen auszusprechen, diesen Ausdruck gewählt hat, der eine Gutheißung, wo nicht der That selbst, so doch des Erfolges ausspricht, welche mit der unbezweifelt ehrenhaften Gesinnung der an diesem Beschlusse Theil habenden Reichstags-Mitglieder und mit den früheren Beschlüssen des Gesammtreichstags selbst so sehr im Widerspruche steht, daß schon hieraus hervor

geht, daß diese Proklamation nicht als der autere Ausdruck vollkommen freier Willensmeinung angesehen werden könne.

Wir wollen nicht darauf hinweisen, wie gefährlich, wie verwerflich es ist, einer solchen Mordthat, einer solchen Barbarei mit so schlüpfrigen Rechtsbehelfen das Wort zu reden, aber wir erklären es für eine dem Reichstage selbst angethane Beschimpfung, wenn man eine aufrührerische Volksmasse für das Volk selbst erklärt und ihr als Ausfluß des Rechtes auf Selbsthilfe das Recht zuspricht, Ministerien, die ihr mißliebig sind, zu stürzen und allenfalls andere nach ihrem Belieben einzusehen, während doch ein auf breitester demokratischer Basis aus dem Gesammtvolke hervorgegangener Reichstag da ist, welcher allein das Recht und auch die Pflicht hat, ein Ministerium, das nach seiner Ueberzeugung dem wohlverstandenen Interesse des Gesammtvolkes von Oesterreich entgegen handelt, durch eine zweideutige Aeußerung seiner Meinung von seinem Posten zu verdrängen.

Denn nur der gesammte frei tagende Reichstag ist der rechtmäßige Vertreter des österreichischen Volkes, er allein ist der Träger seiner Souveränität.

Wir können nicht anders glauben, als daß die Mehrzahl der vernünftigen, Ordnung und gesegliche Freiheit liebenden Bevölkerung Wiens, die Anmaßung einer faktiosen Minorität von ihr, sich selbst für das souveräne Volk zu erklären, und durch Entfernung eines vom Vertrauen der Majorität des Reichstages ges tragenen Ministeriums über ihn zu stellen, mit Umwillen zurückweisen wird.

Und sollte auch wirklich die Bevölkerung Wiens in ihrer Mehrheit einer solchen Meinung huldigen, so würden wir im Namen unserer Committenten, im Namen aller Völker der Gesammtmonarchie Desterreichs, gegen eine solche Anmaßung einer einzigen Stadt, Protest einlegen. Wien ist nicht Oesterreich, wohl aber ist das richtig erkannte Interesse von Wien, als Hauptstadt der Monarchie mit dem Interesse derselben untrennbar verbunden. Was also die Vertreter der Völker Oesterreichs im freien Rathe beschließen und gutheißen, kann auch der Hauptstadt und ihrer Bevölkerung nur Segen bringen. Wenn daher ein Deputirter sich nicht entblödet, diesen Aufruhr als eine glorreiche Revolution zu preisen, so nehmen wir hingegen keinen Anstand, ihn als einen verbrecherischen Angriff auf die Autonomie des Reichstages, dem allein das Ministerium verantwortlich ist, als eine Beleidigung der Majestät des Volkes in seinen freigewählten Vertretern zu bezeichnen.

Die Theorie, daß hinter der Minorität des Reichstages die Majorität des Volkes stehe, erklären wir in einem Staate, wo jeder Staatsbürger wählbar und wahlberechtigt ist, sich also auch der wahre Volkswille durch die Wahl unzweifelhaft ausspricht, für eine verbrecherische, in gerader Richtung zur Anarchie führende, wir erklären fie für eine Lehre des stationären Umsturzes, der ewigen Gewaltherrschaft, für einen Sohn gegen die Gefeße der Vernunft, für eine Re

bellion gegen das Prinzip der Volksherrschaft, deren unerschütterliche und unentbehrliche Basis die Herrschaft der Majorität ist.

In Konsequenz mit diesen Grundsägen potestiren wir gegen alle Beschlüsse, die jezt im Reichstagssaale zu Wien von einer Minorität des Reichstages, oder doch von einer nach den Regeln des Hauses nicht stimmfähigen Anzahl, also mit Außerachtlassung der durch den Reichstag in seiner Gesammtheit angenommenen Gefeße gefaßt werden, oder gefaßt werden könnten. Namentlich protestiren wir gegen die Beschlüsse vom 6., welche ein in nicht stimmfähiger Anzahl versammelter Theil des Reichstages, ungeachtet der Verwahrung seines selbstgewählten Präsidenten, gefaßt hat.

Wir protestiren gegen alle Beschlüsse, wodurch der Reichstag Oesterreichs in Ueberschreitung seines Mandats und in Außerachtlassung seiner hohen Mission die Exekutivgewalt an sich gerissen und als bloßer Sicherheitsausschuß für die Stadt Wien fungirt hat.

Durchdrungen von der Ueberzeugung, daß die Beschlüsse des Reichstages den wahren Willen der Völker Oesterreichs nur dann aussprechen können, und deren Bedürfnissen nur dann vollkommen entsprechend und wahrhaft segenbringend werden können, wenn sie der Ausfluß reiner Selbstbestimmung sind und also ganz unbeirrt von jedem bestimmenden oder nöthigen Einflusse einer in Aufruhr begriffenen Bevölkerung angenommen werden, protestiren wir gegen alle Beschlüsse, welche der Reichstag, sey es auch in beschlußfähiger Anzahl, jest während der Dauer des Aufruhrs, wo alle Organe der Verwaltung und gefeßlis cher Ordnung außer Wirksamkeit sind, gefaßt hat, und so lange nicht der Zustand der geseglichen Ordnung wieder hergestellt ist, noch fassen wird.

Wir können unmöglich Beschlüsse für freie ansehen, die gefaßt werden, während die aufrührerische Menge die Gallerien füllt, ihre Waffen nach den Sißen der Deputirten richtet, und die Versammlung durch ihr Geschrei oder ihre den Volksvertretern bekannten Absichten und Gelüfte terrorifirt; wir können Beschlüsse nicht für frei anerkennen, die angenommen werden, während und nachdem die Bürger einer und derselben Stadt im verheerenden Parteikampfe gegen einander die tödtenden Geschoße gerichtet; wir können Beschlüsse nicht für frei halten, die gefaßt werden in einer Stadt, wo alle Bande der gesellschaftlichen Ordnung so vollkommen aufgelöst find, daß kein Befehl einer Behörde, selbst jene des Reichstages nicht mehr befolgt werden, in einer Stadt, die angefüllt ist mit Barrikaden, bewacht und besezt von einer zügellosen Menge von verzweifelten, durch falsche Vorspiegelungen ehrloser, erkaufter Parteigänger bis zum Aeußersten aufgehegten Proletariern, die den friedlichen Bürger unter Verhältnissen, wo selbst eine demüthige Bitte zur gebietherischen Forderung wird, brandschaßen, die gegen Bürger, ja selbst gegen Deputirte Drohungen ausstoßen, die

nach den gräulichen Vorgängen im Kriegsgebäude besorgen lassen, daß dem schrecklichen Worte die noch schrecklichere That folgen dürfte.

So lange dieser Zustand nicht aufgehört hat und die gesegliche Ordnung nicht hergestellt ist, so lange dem Reichstage in seiner Gesammtheit und den einzelnen Mitgliedern nicht hinreichende Garantien der persönlichen Sicherheit geboten werden, glauben wir unsere Pflicht gegen unsere Comittenten durchaus nicht zu verlegen, wenn wir unsere Siße im Reichtagssaale nicht einnehmen, und alle daselbst gefaßten Beschlüsse für null und nichtig erklären. Wir würden es sogar für eine arge Verlegung unserer Pflicht halten, wenn wir unsere Stimmen zu Beschlüssen hergeben, die unter dem Terrorismus einer rebellischen Volksmenge gefaßt werden, wenn wir Beschlüssen, die unter solchen Umständen gegen das wahre Wohl unserer Comittenten gefaßt werden könnten, durch unsere Gegenwart, somit durch stillschweigende Beistimmung unfreiwillig ein moralisches Gewicht beilegten, in einem Augenblicke, wo lebensgefährliche Drohungen selbst den edelsten Deputirten abhalten können, seine Stimme in Vertretung seiner innersten Ueberzeugung zu erheben.

Wir wollen die constitutionelle demokratische Monarchie; wir erwarten von dem constituirenden, dem unauflösbaren Reichstage, diejenigen Institutionen, die das Heil, die Freiheit unseres Volkes und aller Völker des großen Völkerbundes Oesterreichs begründen sollen. Nur dem Reichstage in Vereinigung mit dem constitutionellen Monarchen können wir das Recht zugestehen, allgemein verbindliche Geseße zu erlassen; aber auch nur dem Reichstage in seiner Gesammtheit, dem Reichstage, in voller Freiheit der Selbstbestimmung, unbeirrt von dem Terrorismus einer Partei; wir werden nicht dulden, daß ihm dieses Recht benommen, oder auch nur im Mindesten beschränkt werde. Wir, die wir uns als treue Vertreter des Volkes verpflichtet halten müssen, unsere Stimme dagegen zu erheben, wenn der Reichstag unter Militärdespotismus gestellt würde, müssen es umsomehr gegen den Despotismus zügelloser bewaffneter Massen.

Wir werden, wir müssen jeden Versuch, den Reichstag seiner souveränen Macht zu berauben, von welcher Seite er immer auch ausgehen möge, sey es von einer Faktion, die in vollständiger Anarchie ihre Vortheile sucht, sey es von einer Partei, der nach den alten Absolutismus gelüftet, für einen Verrath an der Volksfreiheit, für eine Beleidigung der Majestät des Volkes erklären.

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Dr. Brauner, Abges. f. d. Bez. Prestic. Dr. Anton Strobach, Abg. f. Prag. Al. Jelen, Abg. f. d. Bez. Wlaschim. — Jos. Alex. He lfert, Abg. f. Tachau. Ig. Hauschild, Abg. f. Hohenmauth. - Dr. Professor Joh. Kaubek, Abg. f. Pisek. Wenzel Pulpan, f. d. Bez. Pardubic.-Georg Reichert, Abg. f. d. Bez. Königgraß. -Ant. Przibyl, Abg. f. Beneschau. Wenzel Frost, Abg. f. Weiswasser. — J. U. D. Kiemann,

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Abg. f. Winterberg. Felix Scherl, Abg. f. Schüttenhofen. Anton Kut shera, Abg. f. Przibram. - Waclaw. Tomek, poslanec okr. Opočenskeho. — Fr. Plaček, poslanec ok. Chrudimskeho. — K. Hawljček, Abg. f. Humpolez. - W. Nebesky, Abg. f. d. Bez. Benatek. — J. Kaj. Till, Abg. f. d. Bz. Unhost. Dr. Josef Hamrnik, Abg. f. Neuhaus. Med. Dr. Kral, Abg. f. d. Bez. Rakoniß. — Karl Stiebiß, Abg. f. d. Bez. Plaf. — Leop. Schediwy, Abg. f. d. Bez. Ričan. - Dr. F. Rieger, Abg. v. Eisenbrod. Dr. Stanek, Abg. f. Zlonic. Dr. Pinkas, Abg. f. Prag. — Konrad Weznicky, Abg. f. Nachod. — Franz Palacky, Abg. f. Prag. — Math. Sawelka, Abg. f. Czaslau. Dr. Karl Tomiček, Abg. f. d. Bez. Starfenbach. - Dr. Joh. S. Pres1, Abg. f. d. Bez. Neuknin. Joh. Krato chwile, Abg. f. d. Bez. Breznic. Dr. Reiß, Abg. f. Trautenau. K. Winarzicky, Abg. f. Jungbunzlau. — J. Er. Wocel Abg. f. Polička. -J. Czejta, Abg. f. Bidschow. Anton v. Stark, Abg. f. Mies."

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Diese vorstehende Erklärung der Abgeordneten Böhmens erregte in Wien die größte Sensation, und bleibt der Geschichte als ein Denkwal und Beweis einer herrlichen, politischen Gesinnung.

Hohe Reichstags-Versammlung !

„Mit tiefem Schmerze beklagen wir die blutigen Ereignisse des 6. Octobers in Wien, um so bedauernder, wo durch Verirrungen Bürgergarde einer Stadt gegen Bürgergarde im Kampfe einander gegenüber standen, und den Altar des Domes mit Bruderblut bedeckten. Schon seit Wochen zogen gewitterschwangere Wolken über den Himmel der Freiheit zusammen, und eine Nacht der Verzweiflung gähnte entmuthigend entgegen. In dieser Nacht strahlte ein Sternenkranz von Männern unseres Vertrauens, unseres hohen Reichstages mit wohlthuendem Lichte uns entgegen, von Männern, die da Rath wußten, wo unheilvolle Verwirrung drohte, die das eigene Leben boten, um an dessen Wärme das stockende Blut des Staates zu erglühen, die im Sturme des heißen Kampfes das Ruder mit fester Manneshand führten, um an der Klippe des Zwiespaltes das Staatsschiff vom Scheitern zu retten.

Mit Bewunderung sprechen wir der hohen Reichstags-Versammlung unser hohes Vertrauen in ihre Einsicht, in ihren Muth, in ihre Vaterlandsliebe mit der Zusicherung aus, daß auch wir ihrem ermunternden Beispiele folgend in der Stunde, wo das Vaterland uns ruft, nicht zurück bleiben werden, für das heilige Wohl des freien Vaterlandes Gut und Blut einzuseßen.

Vom Bürger-Ausschuß, Komotau den 13. October 1848."

(Folgen die Unterschriften.)

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