Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Abreise des Kaisers, wohl eine schmerzliche, aber keineswegs für die gedachten Klassen entmuthigende Wirkung, wie am 18. May, hervorbrachte. Die Völker Desterreichs haben ihr Geschick in die Hände ihrer Vertrauensmänner, in die Kraft und Gewalt des Reichstages geseßt!

Auf der Universität befanden sich folgende Gefangene: 10 Pioniere, 2 Mann von Nassau Infanterie, 1 Artillerist, 1 Korporal vom Fuhrwesen, ein kaiserlichgefinnter Nationalgarde, und ein Sicherheitswächter, die angeblich beide vom Fenster auf Garden schoffen, und von Studenten beschüßt, der Volkswuth entrissen wurden; dann eine Kiste mit Papieren und dem Fracke und Hute des Grafen Latour.

Auf den Wällen leuchteten Wachtfeuer durch die Nacht, ringsherum bivouaquirten die Garden. Es waren auch Männer von Besiß und Intelligenz darunter, Doctoren, Hausherren, Beamte, Kaufleute 2c., Männer mit grauen Haaren, aber mit jungen Herzen, ohne politisches Selbstbewußtseyn, ohne ein richtiges Urtheil über die Ereignisse, viele seit 36 Stunden auf den Posten. Einen schmerzlichen Eindruck machte es auf die Umsturzpartei, daß das Landvolk der Hauptstadt nicht zu Hülfe eilte. Die Bauern waren flüger als Viele in Wien.

Sämmtliches Militär, das die Kasernen in der Stadt und in den Vorstädten verlassen hatte, bivouaquirte auf der Höhe des Belveders. „Von dort aus soll die Stadt bombardirt werden," schrieben die radikalen Blätter. „Es mögen an 10,000 Mann dort liegen, doch dürfte es ihnen an nöthigem Geschüß fehlen, da wir die Kanonen aus den Zeughäusern in Besig haben, und das Militär nur das wenige Geschütz besigt, welches sie aus den Vorstadt-Kasernen mitgeführt haben. Wie wir aus zuverlässigen Quellen hören, würden mindestens 14 Tage dazu gehören, um Wien belagern zu können. Bis jezt fehlt es dem Militär an Allem. Ein Straßenkampf ist nun eine Unmöglichkeit. Am Hof haben gestern 200 Mann alles Militär in die Flucht geschlagen und sechs Kanonen erobert! - Mit Bedauern haben wir vernehmen müssen, daß Nationalgarden und Studenten, welche in die Nähe des Belveders gerathen, von Soldaten nicht nur entwaffnet, sondern auch insultirt werden. Traurig wäre es aber, wenn es sich bestätigen sollte, daß ein Student, ein Nationalgarde, und ein bewaffneter Civilist standrechtlich vom Militär erschossen worden sind. Es hat uns schon schmerzlich berührt, daß gestern ein deutscher Grenadier, der vom Nassau-Regimente gefangen genommen wurde, ebenfalls standrechtlich erschossen worden ist.“ — Solche und ähnliche Lügen war der Inhalt der radikalen Blätter.

Die Gloggnißer und Brucker-Bahn war vom Militär beseßt. Die Mödlinger Garde stieg in Meidling ab, und marschirte in die Stadt. Solche, eine starke Compagnie, kam am Josefsplag an, ein Offizier derselben erschien beim Obercommando, und wurde vom Plaß-Offizier Dunder mit um so größerer Freude dem Ober-Commandanten vorgestellt, als die Garde im Zeughause ganz erschöpft,

mehrmal dringend um Ablösung bat, und die Mödlinger sich zur Verfügung des Ober-Commando stellten. Dunder schlug in Gegenwart des Offiziers dem Ober-Commandanten vor, mit den prächtigen Mödlinger Garden das Zeughaus zu beseßen, dadurch dem Plündern Einhalt zu thun, und zugleich die dort befindliche erschöpfte Wachmannschaft abzulösen, was auch vom Ober-Commandanten gebilligt wurde. Dunder zog an der Spiße der Mödlinger, welche durch die Straßen einen furchtbaren Trommel-Lärm machten, zum Zeughause, löste die dortige Wach-Mannschaft ab, (welches Geschäft beim Andrange beutegieriger WienerGarden, welche in Uniform ohne Waffen eingelassen, und mit Waffen ausgelassen wurden, und bei der Schwerhörigkeit der Gäste, eine peinliche Aufgabe war,) und ließ sie ins Zeughaus hinein. Aber kaum waren die lieben Freunde darin, so warfen sie ihre Gewehre weg, fielen über andere her, gingen damit hinaus, kamen wieder, trugen wieder fort, ungeachtet des ihnen kundgegeben Reichstagsbefehls, bis daß der genannte Plaßoffizier diesen Unfug auf eine geeignete Weise einstellen, das Thor schließen, und den Schlüssel ab= ziehen lassen mußte. Dem Gewehre-Austausch konnte er aber demungeachtet nicht ganz vorbeugen, weil hochgestellte Personen unter anmassenden Aeußerungen den Eingang forcirten, dadurch dienstlose Garden eindrangen, und als das Waffeneintauschen zu hindern der Wachmannschaft zur Pflicht gemacht wurde, erklärten die Mödlinger Garden dem Plaßoffizier Dunder, sie sehen Winzer, wären verheirathet, hätten die Weinlese, und müßten gleich wieder nach Hause, sie könnten nicht in der Stadt bleiben. Das waren die Garden, die sich dem Ober-Commando zur Verfügung gestellt hatten eigentlich sind sie

[ocr errors]

auf Waffen-Erwerb ausgegangen, aber keineswegs um den WienerGarden beizustehen. - Den Offizieren muß aber das Zeugniß gegeben werden, daß fie an jener brutalen Demonstration ihrer Garden schuldlos waren und nur viele der lezteren von Disciplin keinen Begriff hatten. Hoffentlich wird bei der Reorganisirung der Nationalgarde darauf Bedacht genommen werden, daß die Compagnien wohl aus Rotten bestehen, aber nicht die Garden undisciplinirte Rotten roher Hauer ausmachen werden.

Das Drängen in das und aus dem Zeughaus war zwar keine Plünderung mehr aber nicht viel weniger. Bei dem rückwärtigen Eingange hielt eine Vorstadt-Compagnie Wache, und die Straßen-Zugänge waren von den ausgezeichneten beiden Compagnien 12 und 13 der Leopoldstadt wacker besegt. Hier kam kein Plünderer durch. Da das hintere hölzerne Thor gegen die Anhöhe ganz demolirt war, so veranlaßte der genannte Play-Offizier, daß vom Unter-Kammeramte dasselbe, durch die betreffenden Werkleute geschlossen wurde.

Der Plaß-Offizier Dunder, welcher die meisten europäischen Arsenale kennen gelernt, und das Wiener als eines der merkwürdigst en gekannt hat,

:

war bedacht, daß die Waffen nicht in's Ausland wandern. Zu diesem Zwecke machte er den Ober-Commandanten Scherzer darauf aufmerksam, daß Spekulanten die geraubten Schäße des Arsenals über die Gränze schaffen werden wenn solches nicht verhindert würde. Scherzer hat auch wirklich Verfügungen ge, troffen, daß die ärarischen Waffen bei den Linien abgenommen wurden. Daß aber zur Zeit der Wiener Unruhen nur Gutgefinnte nüßliche Verfügungen befolgten, war die Folge der Waffenverschleppung außerhalb Wien und über die Gränze hinaus. In wie weit sich das auserwählte Volk Gottes" hiebei spekulirend bewies wissen die Wiener und die Magharen.

Baron Augustine, Major eines Landwehr-Bataillons aus Böhmen, stellte sich mittelst einer an den Reichstag gerichteten Adresse demselben zur Verfügung, da er von aller Communication entblößt, als selbstständiger Commandant bestand, und feine anderen Befehle erhalten hat.

Die Eisenbahn-Direktion wurde vom Reichstage ermächtiget: die Fahrten herzustellen, um der Hauptstadt die nöthigen Nahrungsmittel zuführen zu können, weil die ärarische Brücke abgebrochen ist. Die Fahrten wurden eröffnet.

Mit heutigem Tage trat der Gemeinderath der Stadt Wien in Folge Beschlusses des Reichstages seine Wirksamkeit an.

Im Reichstage berichtete der Abgeordnete Kudlich, daß im k. Zeughause keine Nationalgarden sich befunden haben, und vom Ober-Commando erfolgte dieserwe gen nachstehende Proklamation, welche durch den Saß: „Vorurtheile, die man Euch nach und nach einzuflößen gesucht hat," bemerkenswerth erscheint :

„Mitbürger! Man sucht unter Euch Uneinigkeit zu streuen, und hat zu diesem Ende das Gerücht verbreitet, daß Nationalgarden der Stadtbezirke dem Militär in der Vertheidigung des k. k. Zeughauses beigestanden seyen. Ich kann Euch versichern, daß an diesem Gerüchte kein wahres Wort sey, indem mich der Abge= ordnete Kudlich, der von 3 Uhr bis 8 Uhr Morgens im Zeughause persönlich zu= gegen war, des Gegentheils versicherte."

„Bürger! In diesen dringenden Momenten thut Einigkeit mehr als je Noth. "Ich fordere Euch daher auf, derlei Verdächtigungen nicht zu berücksichtigen, und die Vorurtheile, die man Euch nach und nach einzuflößen gesucht hat, nun mehr als je bei Seite zu seßen.“

Wien am 7. October 1848. Vom provisorischen Ober-Commando.

Scherzer, m. p."

Mittags. Der Minister Kraus legte in der Reichstagssigung zwei Briefe auf den Tisch des Hauses, wovon der erste von Sr. Majestät des Inhalts:

„Ich habe alle Wünsche meines Volkes zu erfüllen gesucht. Was ein Herrscher an Güte und Vertrauen seinen Völkern erweisen kann, habe ich mit Freude

erschöpft, und durch die Constitution die Selbstständigkeit, die Kraft und den Wohlstand zu erhöhen gesucht.“

,,Obwohl mich die Gewaltthaten des 15 Mai aus der Burg Meiner Väter vertrieben, bin ich doch nicht müde geworden, zu geben und zu gewähren. Auf der breitesten Grundlage des Wahlrechtes ist ein Reichstag berufen worden, um in llebereinstimmung mit Mir die Constitution zu entwerfen. Ich bin in die Hauptstadt zurückgekehrt, ohne eine andere Garantie zu verlangen, als das Rechtsgefühl und die Dankbarkeit Meiner Völker. Allein eine geringe Anzahl Irregeführter bedroht die Hoffnung jedes Vaterlandsfreundes mit Vernichtung. Die Anarchie hat ihr Aeußerstes vollbracht, Wien ist mit Mord und Brand erfüllt. Mein Kriegsminister, den schon sein Greisenalter hätte schüßen sollen, hat unter den Händen meuchelmörderischer Rotten geendet. Ich vertraue auf Gott und mein gutes Recht, und verlasse die Hauptstadt, um Mittel zu finden, dem unterjochten Volke Hilfe zu bringen. Wer Desterreich, wer die Freiheit liebt, schaare sich um seinen Kaiser." Schönbrunn am 7. Oct. 1848. Ferdinand, m, p."

Daneben sey ein Zettel gelegen, den Kraus, so wie den Brief von Sr. Majestät, von einem k. Burgwächter erhalten hat. In demselben ist ihm der Auftrag ertheilt, dieses Manifest Sr. Majestät zu kontrasigniren und zu publiciren. Von dem Grundsaße ausgehend, daß nur dasjenige Ministerium den constitutionellen Anforderungen entspreche, wenn das Gesammtministerium solidarisch haftend ist, habe er getrachtet, mit Doblhoff und Wessenberg Nücksprache zu nehmen, was ihm nicht gelang. Im Einvernehmen mit Hornbostl habe er beschlossen, dieses nicht zu thun, weil es dem Eide zuwider läuft, den er als constitutioneller Minister geleistet. Er überläßt somit die Entscheidung der hohen Kammer. Die Minister Doblhoff, Krauß, Hornbostl wurden vom Reichstage bestimmt, alle Ministerien zu führen, Ordnung und Sicherheit herzustellen, ein neues Ministerium dem Kaiser vorzuschlagen, und mit dem Reichstage in ununterbrochener Verbindung zu bleiben, dann eine Denkschrift an den Kaiser und eine Proklamation an das Volk zu erlassen. Hornbostl gab seine Dimission, der Reichstag nahm solche nicht an.

Eine telegraphische Depesche der Südbahn meldete, daß 1200 Arbeiter um 4 Uhr Nachmittags nach Wien fahren wollen; nach Neustadt wurde aber Befehl gegeben, daselbst Vorkehrungen zu treffen, sie um keinen Preis nach Wien abfahren zu lassen. Am Hof flatterte noch einer der beiden Riemen von dem Gaskandelaber, worauf den Tag zuvor der Kriegsminister aufgehangen wurde.

Beim N. G. Ober-Commando kamen aus der Umgebung Wien's Garden mit der Anfrage an, ob der von mehreren Seiten angeregte Landsturm in die Stadt ziehen solle, was aber so wie gestern, von Seite der anwesenden Offiziere abgelehnt wurde.

Beim Reichstage wurde die Meldung gemacht, Auersperg habe eine sehr drohende Stellung eingenommen, weßwegen große Erbitterung herrsche.

Der Abgeordnete Umlauft stellte in der Reichstagssigung den Antrag, bis Montag den Entwurf des Nationalgarde-Geseßes vorzulegen. Kraus erkannte die Wichtigkeit eines solchen Gesezes, meinte aber, die Arbeit sey sehr beschwerlich, da sich mit dieser Aufgabe das Kriegs-, Justiz-, Finanz- und mehrere Ministerien beschäftigen müssen. Ionak trug an, das Ministerium habe sogleich ein provisorisches Nationalgarde-Geseß zu erlassen; aber Borrosch war dagegen, und er sagte: Die Bestimmungen über die Nationalgarde machen einen Theil der Gemeinde-Ordnung aus, man möge unterdessen ein Reglement wie in Böhmen erlassen. Sierakowski stellte den Antrag, eine Proklamation an die Armee zu erlassen, die von fünf Deputirten auszuarbeiten wäre, und ferner die Kapitulation auf drei Jahre herabzuseßen, Körperstrafen abzuschaffen, Inhaberstellen aufhören, und die Beförderungen nur vom Verdienste abhängig zu machen. Er führte an, daß durch unsere Errungenschaften Jeder außer dem Soldaten gewonnen habe. (Herr Sierakow 8 ki ignorirte alle Jene, die durch die sogenannten Errungenschaften viel — sehr viel verloren haben.) Borrosch warnte, sich in undurchführbare Pläne einzulassen, und bemerkte: Stehende Heere seyen ein Theil des Staates - der zu demokratifiren sey. Kudlich machte aufmerksam, die Wichtigkeit des Augenblicks erfordere, daß der Reichstag Herr der Bewegung bleibe, daß Scherzer, prov. Ober- Commandant der Nationalgarde, sich beschwere, daß seine Kräfte der Arbeit nicht gewachsen seyen, weil die Garde schlecht organisirt ist. Es sey sohin dem Oder-Commandanten Scherzer ein Generalstab mit der Autorität des Reichstages zur Seite zu geben, um so mehr, als die Furcht, daß bald ein Konflikt Statt finden werde, nicht ungegründet ist. (Dieser Antrag Kudlich's hat durch die später erfolgte Bildung eines Generalstabes der Nationalgarde seine verderbliche ErLedigung erhalten.)

Es wurde beschlossen, dem permanenten Ausschusse militärkundige Reichstags-Deputirte beizugeben, die eine eigene Section bilden. Hiezu wurden ernannt: Catinelli, Schneider, Zbyszewski, Stobnicki und Müller.

Der Oberstlieutenant Klein starb bei den barmherzigen Brüdern in der Leopoldstadt, in Folge der am Labor erhaltenen Schußwunden.

Von Seite des Ober-Commando der Nationalgarde ist in Folge des gestrigen Kampfes zwischen Garden, folgendes Aktenstück veröffentlicht worden: „Hiermit fühle ich mich verpflichtet, der Wahrheit gemäß zu erklären, daß die in der Gassenzeitung *) gegen den IV. Bezirk Stubenviertel ausgesprochene Beschuldigung: es sey von den Garden des IV. Bezirkes auf uns

[ocr errors]

*) Eines der verbreitetsten Schandblätter, welche vom Pöbel verschlungen wurden.

« ZurückWeiter »