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Kudlich *), Bilinski, Goldmark, Hubicki, Popiel, Krause, Berkowski vorzüglich thätig waren, mit Hohn nachgerufen: „Gehen Sie! Gehen Sie! Sie Präsident!"

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Tom Kriegsministerium aus theilte Präsident Strobach einverständlich mit Smolka die von Zeit zu Zeit erhaltenen Nachrichten den Reichstagsmitgliedern mit, während welcher Zeit abermals eine Deputation der Linken den Präsidenten zur Anordnung einer Sißung zu bewegen suchte, was er in gleicher Weise ablehnte. Zu dieser Zeit hatte die Studentenschaft mittelst eines von einer Deputation vorgelegten Zettels an das Ministerium Wünsche gestellt, welche wesentlich darauf ausgingen, den sogleichen Rückzug des Militärs aus der Stadt anzuordnen, am Schlusse der Wünsche stand: Hoch dem Kaiser! Hoch den deutschen Interessen! Diese Wünsche wurden jedoch vom Minister Bach im Namen des Gesammtministeriums mit Festigkeit abgelehnt.

Bald darauf erhielt Strobach eine neuerliche Deputation von Reichstagsabgeordneten, die ihm eine von etwa 50 Gliedern gefertigte Adresse mit dem Ansuchen um Anordnung einer Sigung übergaben, und zur Begründung des Begehrens vorzugsweise geltend machten, daß die Versammlung des Reihstages beruhigend auf das Volk wirken werde, daß es der Würde des Reichstages entsprechender sey, die Nachrichten über die Vorgänge in einer vollen Versammlung entgegen zu nehmen, und daß nicht zu besorgen sey, der Reichstag werde die Administrativgewalt an sich reißen. Da diese Vorgänge nicht geeignet waren, die früheren Weigerungsgründe zu widerlegen, lehnte Strobach auch dieses Ansuchen ab. Allein gleichzeitig erhielt Strobach durch den Minister Bach ein schon gedrucktes, anonymes Plakat, worin die Mitglieder des Reichstages

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*) Dieser Reichstagsdeputirte sagte bey Gelegenheit, als ihm die Bauern in Wien einen Fackelzug brachten, in einer Rede zu den Bauern: Ihr kennt die alte Geschichte, die sich aufs Neue dort wiederholt, wo man den Kroaten auf den Ungar hegt; wo der Czeche in blinder Wuth den Deutschen anfeindet. Bauers, reicht euch die starken Hände. Schließt einen Bund von Haus zu Haus, von Thal zu Thal, von Land zu Land! Slawen, reicht die Hand dem deutschen Bruder, denn euer Nußen und Schade sind gleich! Dann seyd wachsam! Und wenn der Löwe der Aula wieder ruft bei nahender Gefahr, so laßt die Flammenzeichen rauchen von Berg zu Berg! Ihr werdet kommen und ein Landsturm wird sich erheben, und die Söldner der Tyrannei wie Spreu hinweg wehen! Ihr werdet kommen und nicht dulden, daß man die Studenten, eure braven Jungen, überrumple, daß man über ihre Leichen schreitend, eure junge Freiheit im Schlafe morde!" So sprach Kudlich. Charakteristisch ist die ausgesprochene feindselige Gesinnung gegen die und gleich darauf czechischen Slawen die Slawen sollen den Deutschen die Hände reichen., Hans Kudlich!

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aufgefordert waren, im Reichstage zusammen zu kommen. Da hieraus offenbar ein Umtrieb zu ersehen und zu besorgen war, daß ohne Wissen des Präsidenten und gegen die von ihm abgegebene Protokollar - Erklärung, eine Reichstagssigung dennoch und zwar mit dem weiteren Uebelstande abgehalten werden wird, daß fich Glieder blos einer Partei, Glieder der Reichstags-Minorität versammeln möchten, deren Beschlüsse in der Folge von der Majorität angefochten werden dürften; so entschloß sich Präsident Strobach, eine Zusammenkunft auf 4 Uhr, jedoch mit der Bedingung anzuordnen, daß die Einladung dazu wo möglich allen und jedem der Reichstagsmitglieder zugestellt, und ihm, Präsidenten, vorbehalten bleiben solle, die Sizung zu eröffnen, oder die Eröffnung zu verweigern, worauf die Deputirten Prato, Schufelka, Potocki, Lubomirski nebst andern etwa um 3. Uhr abgingen.

Mittlerweile wurde es in den Straßen tumultuarisch. Massen von Arbeitern mit Krampen, Stangen, Spießen, Gewehren und allerhand Waffen versehen, durchliefen die Gassen und Pläge. Am Stephansplaße schoß Garde auf Garde, der Kampf dehnte sich bis auf den Wildpretmarkt und die Tuchlaubengasse aus, Studenten und Garden von der Wieden hielten förmliche Jagd auf Stadtgarden, das Gewehrfeuer war beiderseits heftig. Studenten *) beseßten, nach Bestätigung des Abgeordneten Tomiček, die Fenster im ersten und zweiten Stock der Häuser gegenüber dem Musikvereinslokale, und Lauerten mit angelegtem Gewehre, wie Menschen in jener Gegend ausdrücklich äußerten, auf die böhmischen Deputirten, deren viele in dem Gasthofe zum Igel zu Mittag zu speisen, und daher das Musikvereinsgebäude durchzugehen pflegten. In den Tuchlauben wurden Barrikaden gebaut, und ein ordentlich gekleideter Mann haranguirte im Angesichte Tomjčeks die Volksmassen, indem er offenen Aufruhr und Haß gegen alle Slawen predigte, hinweisend auf die Begebenheiten im Banate und die Bewegungen der Serben und Kroaten; deutlich war aus seinen Reden seine magyarische Mission zu erkennen.

Der Kampf griff weiter und weiter um sich, am Hofe hörte man Kanonenund Pelotonfeuer, am Kohlmarkt und in vielen andern Straßen wurden Barrikaden gebaut; das bewaffnete Proletariat wuchs zusehends.

Dem Abgeordneten Hawelka wurde durch seine Hausfrau die Kunde gebracht, auf den Straßen herrsche eine außerordentliche, eine schreckliche Aufregung gegen die Czechen, denen man Verrath an der Freiheit zur Last lege; er selbst hörte auf der Straße, wie ein Proletarier dem andern mit Hinweisung auf

*) Sollten das wirklich Studenten gewesen seyn, oder Kossuth's Freunde in akad. Uniform? Legions-Uniform und Calabreser trugen verschiedene Subjekte.

einen Zettel vertraulich mittheilte:,, Die Minister müssen aufgehängt werden, der Präsident werde erschossen, und die Rechte werde gesprengt, zu welchem Behufe man mit Waffen auf die linkseitige Gallerie in die Reichstagssißung dringen werde.".

Indessen wurden Barrikaden fleißig gebaut und zur Mithülfe alle Kräfte aufgefordert, Präsident Strobach selbst hörte, wie Jemand einen Arbeiter zum Barrikadenbau unter Verheißung einer Belohnung von 10 fl. C. M. aufgefordert. Rieger wurde vom Schriftsteller & am bl gewarnt, indem dieser einen Arbeiter an den Barrikaden sagen hörte, wenn wir nur den Rieger bekommen könnten, den möchte ich a bkrageln.

Aber nicht allein das Proletariat, auch die Nationalgarde äußerte offen ihre Mißstimmung über böhmische Abgeordnete. So hat ein Nationalgardist, Wachtposten beim Reichstage, auf die von mehreren Menschen an ihn gestellte Frage, ob die soeben vorbeiziehende Abtheilung der Nationalgarde gutgesinnt sey, zur Antwort gegeben: Wer kann das wissen? Der Reichstag hat zu wenig Sympathie in der Nationalgarde, und dies nur deßhalb, weil er sich von der Rechten terrorisiren (!) läßt. Verlassen wir indessen die Straßen und sehen wir, was im Reichstagsgebäude vorgeht.

Ordner des Hauses, Jelen, publizirte in der Vorhalle das im Vorstandsbureau aufgenommene Protokoll in Betreff der Nichtabhaltung einer außerordentlichen Szung und ließ den Sißungssaal schließen. Aber Hubicki, polnischer Abgeordneter von der Linken, ließ den Saal wieder öffnen mit dem Rufe, Jedermann habe nun freien Eintritt in den Saal, und Jelen habe nichts weiter zu befehlen. Dazu kommt Scherzer, gleichfalls ein Abgeordneter der Linken, und raisonnirt: Was liegt Strobach daran, daß die Stadt zu Grunde gerichtet und Bürgerblut vergossen wird, wir werden Sißung halten, wir wissen schon, was Ihr Böhmen gegen uns vorhabt*) — Hiebei stand Dr. Schilling mit einem Haufen bewaffneter Fremden und äußerte:,,Ich weiß von Frankfurt her, wie man in einer sol chen Lage zu handeln hat; rechnen Sie ganz auf uns, wir wollen Alles niederschlagen **).“

*) Es wäre doch interessant zu wissen, was denn die Böhmen gegen Scherzer und seire Partei vor hatten? Ohne Zweifel wollten die Böhmen nicht den Sturz der Dr. Gesammtmonarchie.

**) Darunter wurde wohl gemeint, die bedeutendsten Capacitäten der Rechten, so wie Lichnowski und Auerswald zu beseitigen; für einen Gesetzgeber etwas zu radikal — unmoralisch.

Dr.

Während dessen schickte Scherzer Reichstagsdiener aus, um Deputirte und Stenographen in den Reichstagssaal zu holen, und übergab dem Abgeord neten Mayer eine Vorladung (nämlich jene, die abgedruckt im Kriegsgebäude, wie oben erwähnt, dem Präsidenten Strobach wieder in die Hände kam, um selbe drucken und vertheilen zu lassen.) I el en, der die Zeit durch anwesend war, hielt Scherzer die gegen die Böhmen gefallenen Vorwürfe vor, und schloß mit den Worten: „Unter solchen Drohungen, da bewaffnete Fremde im Vorsaale sind, kann ich und kein Böhme mit Beruhigung beiwohnen." Allein Scherzer läugnete Dr. Schilling zu kennen. Noch bevor die auf 4/2 Uhr vom Präsidenten angeordnete Versammlung der Reichstags-Deputirten Statt fand, war eine große Zahl der Deputirten im Vorsaale versammelt, und Jelen mußte die Aeußerung ruhig anhören: Die Böhmen seyen Verräther, Strobach sey ein Lump; was Scherzer mit dem Beisage bekräftigte, bevor nicht drei von ihnen hängen, fey feine tuhe zu erwarten ! Hierauf begaben sich die Deputirten, etwa 60 an der Zahl, in den Sigungssaal. Viele forderten, es solle gleich eine wirkliche Reichstagssigung gehalten werden. Da aber weder der Präfident, noch einer von den Vicepräsidenten anwesend war, und mehrere Abgeordnete deshalb auf die offenbare Unmöglichkeit einer wirklichen Sißung hinwiesen, betrat man den Ausweg, sich als eine Privatversammlung anzusehen, und es wurde durch einen verworrenen Ruf Pillersdorff zum Präsidenten und Goldmark zum Schriftführer erwählt, worauf Pillersdorff mit ausdrücklicher Verwahrung, daß die Versammlung kein Reichstag sey, den Präsidentenstuhl einnahm. Jemand von der Linken stellte den Antrag, Journalisten und Galleriegäste zuzulassen; dagegen opponirte Tomek, indem dies keine öffentliche, sondern eine Privatversammlung sey. Sogleich eiferten aber dagegen mehrere von der Linken auf einmal, man sey den Völkern darüber, was da verhandelt wird, Rechenschaft schuldig.

Borrosch insbesondere äußerte: Allerdings find wir die ordentliche(?), Sizung des Reichstages; denn der Reichstag ist vom Präsidenten einberufen, wir sind die ersten Anwesenden u. s. w. Hierauf wies Tomek auf die Uhr hin, welche erst 1⁄4/ auf 4 Uhr zeigte, während vom Präsidenten die Versammlung der Deputirten erst um 4'/, Uhr bestimmt sey. Zu dieser Zeit brachte der Publizist Häfner bie Mairicht, bag Barden gegen Garden fämpfen. Ïn Anbetraht solcher Zustände, wo ein schrecklicher Bürgerkrieg heftig aufzulodern begann, stellte der böhmische Abgeordnete Weznicky den Antrag, sechs Glieder der Versammlung abzusenden, welche sich mit weißen Fahnen, als Mahnungszeichen der Versöhnung an die Standpunkte des Kampfes zu begeben, und durch ihr Einschreiten dem Bergießen des Bürgerblutes Einhalt zu thun hätten — indem

er zur Begründung anführte, daß bei dem Umstande, wo in Wien alle executive Gewalt gebrochen sey, und nur der Reichstag noch einige Achtung genieße, gegründete Hoffnung vorhanden sey, daß die Kämpfenden einer versöhnenden Mahnung folgen werden, und man in solcher Art, wenn man auch nur das Leben eines einzigen Bürgers rettet, dem Vaterlande einen großen Dienst erweise *). Nach einstimmiger Annahme dieses Antrages wählte man zu dieser Commission Violand, Schufelka, zwei noch andere Mitglieder der Linken, einen Bürger Wiens, und den Antragsteller Weznicky, dessen Protestation, daß er für die zu versöhnende Bevölkerung ein unbekannter Fremder sey, mit dem Vorgeben beseitigt wurde, daß er einer der Gemäßigten fey, eben deshalb daher mitgehen müsse. Zur weiteren Effektuirung dieses Be schlusses riß man die weißen Fenstervorhänge herab, und fertigte daraus Fahnen mit der Inschrift: „Reichstagsglieder **).“

Während sich die Commission zum Kriegsgebäude begibt, müssen wir den Leser zum Zeughause führen, und ihm anschaulich machen, was zur selben Zeit daselbst geschah.

Im Zeughause. Der blutige Zusammenstoß zwischen den k. Truppen und den Garden am Eisenbahndamme am Tabor mit seinem einzigen Kanonenschuß, war das Signal für bereits weit blutigere Conflicte geworden, und die bekannten Tendenzen der akademischen Legion und der Umsturz-Partei, für sich und für die Magyaren Waffen zu bekommen, ließen für die drei k. Zeughäuser in der Renngasse und Zeughausgasse das Schlimmste befürchten.

Es wurden daher schon bei Zeiten alle Anstalten getroffen, um das vordere Thor des großen Armatur-Zeughauses in der Renngasse und das hintere gegen die Schottenbastei gelegene, sorgfältig zu verrammeln, zwei Kanonen bei denselben aufzustellen, und die Besagung, bestehend aus der Wachmannschaft von Kaiser-Infanterie-Grenadieren, einer halben Compagnie von Erzherzog_Ludwig Grenadieren unter Commando des Hauptmanns Joseph von Möse, und gegen achtzig Mann der Zeugs-Compagnie zweckmäßig gegen alle Angriffe aus den umliegenden Häusern zu vertheilen.

Im Ober-Arsenale, wo das Wohngebäude für Offiziere und Mannschaft steht, und aus dessen Hof man durch die rechte Flanke des eben erwähnten Armatur-Zeughauses in selbes, und vorne in der Nähe des Thores über eine breite Stiege in das untere Arsenal gelangen kann, waren die Vertheidigungs-Maßregeln blos auf die Schließung seines sehr schwachen Thores, durch welches man geradeaus in die Wipplinger-Strasse gegen die hohe Brücke zu, und rechts in die

*) Dieser Antrag des böhmischen Deputirten stimmt mit der vorhergehenden Beschuldidigung Scherzers nicht überein.

**) Vergl. Wiener Zeit, Beilage 295.

Dr.

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