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In Folge der im Innern der Stadt geschehenen Gräuel, erschien nachfolgende Proklamation :

,,Nationalgarden! Das Ministerium hat mit dem schmerzlichsten Bedauern vernommen, daß Nationalgarden gegen Nationalgarden, Bürger gegen Bürger im Kampfe stehen, ohne daß hiezu auch nur der geringste Grund vorhanden wäre. Aus einem solchen Kampfe kann nur Anarchie hervorgehen.

,,Das Ministerium ist daher fest entschlossen, die Ruhe, Ordnung und gesetzliche Freiheit aufrecht zu erhalten, und fordert diejenigen Garden, die das Ministerium in seinem Bestreben unterstüßen wollen, auf, sich gegenseitig durch weiße Armbinden kenntlich zu machen. Wien am 6. Oktober 1848.

Der Minister ra th."

Diese an sich sehr gute Verfügung hatte keine Folgen, indem man unter den Garden annehmen mußte, daß die Umsturz-Partei keine Mittel scheue, in Wien eine Revolte hervorzurufen und auch die weißen Armbinden mißbrauchen werde, um Verwirrung hervorzurufen.

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Der Kampf vor und in der Stephanskirche war die Ursache, daß sich die Stadtgarden größtentheils von jeder Theilnahme an den Ereignissen fern hielten, und somit der Alles überstürzenden Parthei freieren Spielraum überlassen mußten.

In das Spital der barmherzigen Brüder in der Leopoldstadt wurden 15 Todte überbracht; Verwundete 95, wovon zwei Drittheile tödtlich.

Halb 2 Uhr. Beim Schottenthor wurde um halb 12 Uhr Mittags, wie bereits erwähnt, durch die dort wachhabenden Schottenviertler gegen Vorweisung eines Befehls vom Kriegsminister das Militär, bestehend aus drei Compagnien Pionieren, eingelassen. Sie beseßten Anfangs den Plag am Hof, dann den Graben und Stock im Eisen-Plag. Von einer andern Seite rückten Eisenbahnarbeiter mit langen eisernen Spießen ein; das Militär begann zu tirailliren. Am Stock im Eisenplag stand ungefähr eine halbe Compagnie Pioniere. Diese wurden vom Volke und Garden insultirt. Das war das Signal zum Kampfe. Von Fenstern und Dächern, aus den Seitenstraßen, und zu den Kellerlöchern wurde heraus geschossen; Garden, Studenten und Arbeiter rückten mit wahrer Todesverachtung gegen das Militär an; ein wüthender Kampf entbrannte; das Militär wurde zurück gedrängt, und mußte sich auf den Hof zurück ziehen. Gegen das vordringende Volk wurde aus den Kanonen mit Kartätschen, aber hoch geschossen. Die aufgefahrenen Geschüße am Graben wurden ununterbrochen abgefeuert. Die Kartätschen flogen über dem ganzen Plaz, und drangen zu Hunderten mit furchtbarer Gewalt durch die eisenbeschlagenen Kaufläden und in die Mauern. Auch in der Bognergasse wurde mit Kartätschen gefeuert. Viele Garden stürzten am Graben und hier als Opfer der magyarischen Banditen-Politik eines Kossuth's, als weitere Folge des meuterischen

Schußes meuterischer Grenadiere. Die Kanonen wurden vom Volke genommen. Auf beiden Seiten viele Todte und Verwundete. Der Kriegsminister hatte den Obersten Stockau auf den Plaß geschickt, um dem Feuer Einhalt zu thun; aber es kam zu spät diese Maßregel. Die Wuth des Volkes war aufs Höchste gestiegen. Am Hofe endete der Kampf mit dem Rückzuge des Militärs.

Am Hofe stand der Bürger-Commandant Schaumburg, der Hauptmann Knoth und eine kleine Anzahl Garden des Bürgerregiments. Knoth hat es nämlich auf Aufforderung der betreffenden Behörden für angemessen gefunden, alle öffentlichen Gebäude und Kassen durch eine Abtheilung der Bürgergarden beschüßen zu lassen, wodurch die Anzahl der am Hof anwesenden vermindert wurde. Das am Hof befindliche Militär wurde unruhig und versuchte eine Flankenbewegung, worauf sich die Bürgergarden, da sie nicht wußten was das Militär beabsichtige, ins bürgerl. Zeughaus zurückzogen. Hierauf begann ein heftiges Kleingewehr- und Kanonenfeuer iu der Nähe des Kriegsgebäudes. Die Grenadiere und Pioniere feuerten wie bereits oben erwähnt gegen die Bogner gasse, leştere mit Kartätschen. Nach ungefähr zwanzig Kartätschen-Schüssen retirirte das Militär gegen die Freiung. Der Plag war gänzlich leer; gleich darauf sammelten sich ungefähr hundert Personen, welche bei einem Fenster des Kriegsgebäudes standen, woselbst ein Student eine Schrift herab las. Die Volksmenge machte verneinende Bewegungen es war die Schrift wegen Einstellung aller Feindseligkeiten. Das Volk konnte aber nicht mehr beschwichtiget werden.

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Um dem Leser auch die anderweitigen Ereignisse zeitgerecht vorführen zu können, müssen wir einen Blick auf die Mitglieder des Reichstages werfen.

Terrorismus und Zerwürfnisse unter den Reichstags-Abgeordneten.

Während an den Taborbrücken geschossen wurde, und in der Stadt und den meisten Vorstädten eine große Aufregung herrschte, und in der Stadt Blut floß, fiel unter den Mitgliedern des Reichstages Folgendes vor, was einen tiefen Blick auf alle Jene gestattet, welche unter den Parteien am geseßlichen Boden wandelten, welche die Umstürzlinge waren, und endlich, welche in offen ausgesprochenem Sasse gegen die slawischen Nationalen Terrorismus übten und als Volksvertreter erscheinen.

Im Lesesaal und der Vorhalle des Reichstages waren viele Deputirte versammelt, und die Mitglieder der Linken: Löhner, Hubicki, Borkowski, Goldmark u. a. sprachen von der zu haltenden außerordentlichen Reichstagssigung. Einige Abgeordnete aus Böhmen erklärten sich dagezen, weil unruhige Auftritte in der Stadt wohl die Thätigkeit der Executivgewalt, nicht aber jene des konstituirenden und legislativen Reichstages erheischen. Löhner forderte die andern auf,

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zum Ministerium zu gehen, und als Klaudy und auch Rieger und Brauner diese Aufforderung in Gegenwart des Abgeordneten Hawelka ablehnten und fortgingen, rief er: „D, ihr Czechen! also ihr geht nicht mit! da steht auch ein Czeche, Hawelka! Czeche! kommt mit!" Da es hieß, daß man beim Ministerium nur über den wahren Sachverhalt der unruhigen Vorfälle Auskunft einholen wolle, schloß sich Hawelka an, und es gingen um 11 Uhr Mittags Löhner, Pillersdorff nebst mehreren andern Deputirten, zumeist von der Linken, zum Ministerrath. Es wurde am Wege ausgemacht, daß man sich lediglich auf Anfragen über den Stand der Dinge beschränken, nnd auf keine Art in eine Debatte einlaffen werde. Beim Ministerrath ertheilte der Kriegsminister Latour auf die von Pillersdorff vorgetragenen Fragen die Auskunft, daß dem Krawall eine bloße Widerseßlichkeit eines Bataillons zu Grunde liege. Dieses sey commandirt, an die ungarische Gränze zu marschiren, wolle aber nicht folgen; es sey natürlich, daß eine solche Gehorsams-Verweigerung nicht geduldet werden dürfe, ansonst alle militärische Disciplin vernichtet, und das gesammte Militär dadurch demoralisirt würde; er glaube daher, als General und Kriegsminister innerhalb seiner Verantwortlichkeit und recht zu handeln, daß er ein anderes Militär aufbot, um das widerseßliche Corps zum Gehorsam zu zwingen, und auch jene Rationalgarden, die sich hindernd hineinmengten, abzuschaffen. Hierauf sprachen mehrere Mitglieder der Linken, Brestel, Prato in dem Sinne, als seh es nicht recht, dem Willen des Volkes entgegen zu handeln; das Volk könne es nicht glelchgültig ansehen, daß hierseitige Truppen gegen Ungarn ziehen sollen, daß man den Bruder zwinge, gegen den Bruder zu kämpfen; insbesondere aber sprach Löhner in einem vorwurfsvollen höhnischen Tone in gleichem Sinne und stellte Fragen an das Ministerium, so daß er von einigen Deputirten erinnert wurde, man stehe nicht im Reichstage, es sey daher nicht am Plage, Interpellationen zu stellen.

Hawelka erklärte alles Geschehene für bloße Einzelmeinungen, und äußerte seine Gegenmeinung ungefähr dahin: daß jedenfalls das Ministerium die Widerseßlichkeit des Militärs mit allen angemessenen Mitteln zu bewältigen zu suchen hätte, da sonst unabsehbare Wirren daraus entstehen müßten, ähnlich jenen von Spanien, mo das Bajonnet eines Corporals dem Lande die Verfassung dic tirte, und wo sich dann Revolution auf Revolrtion häufte. Nach derart gewechselten Reden gieng man in großer Aufregung fort in das Reichstagsgebäude. Daselbst forderten die Mitglieder der Linken mit Ungestüm vom Präsidenten Strobach die Anordnung einer außerordentlichen Sigung.

Strobach wurde schon früher einmal durch einen Reichstags-Deputirten

aufmerksam gemacht, daß die Linke mit der Abficht umgehe, irgend eines schicklichen Tages sich zu einer außerordentlichen Sizung zu konstituiren, und ihn zum Vorsiße dabei zu vermögen, um durch ihre Prävalenz in legaler Art Beschlüsse nach ihren Wünschen zu erzielen.

Am 6. October wurde Strobach schon um 10 Uhr vom Schriftführer Strett eröffnet, daß die Linke eine außerordentliche Sißung des Reichstages haben wolle; Strobach entfernte sich daher, wurde aber von Trojan aufgesucht und darauf aufmerksam gemacht, seine Abwesenheit vom Präsidenten-Bureau würde als Verhinderung des Präsidenten angesehen, und der Zweck der Linken dann durch Eröffnung einer Sißung unter dem Vorfiße des Vice-Präsidenten Smolka leicht erreicht werden. Dieserhalb gieng Strobach wieder in sein Bureau. Als nun um die Mittagszeit das obbesagte ungestüme Begehren von Mitgliedern der Linken gemacht wurde, hat Strobach die Anordnung einer außerordentlichen Sizung standhaft verweigert. Lärmend wurde ihm zugerufen, er werde für alle die schrecklichen Folgen dieser Weigerung verantwortlich seyn. Präsident Strobach beharrte doch bey seiner Weigerung, ließ über diesen Vorgang ein Protokoll *)

*) Dieses merkwürdige Document lautet:

Protokoll, aufgenommen am 6. October 1848 im Bureau des Reichstags-Vorstandes. Anwesende: Die Gefertigten. Es erschienen rachbenannte Reichstags-Abge= ordnete: Umlauft, Bilinski, Kudlich, Riegler, Zimmer, Goldmark, Prato, Demel, Hubicki, Janko, Ziemialkorsti, Kobilica, Schneider Adolf, Hodurek, Mynarzik Mario, Meindl, Wazel, Smolka, Popiel, Androvich, und stellten aus Anlaß des gehörten Pelotonfeuers am Tabor an der Reichstags-Präsidenten Strobach das Begehren, die Reichstagsmitglieder zu einer abzuhaltenden außerordentlichen Reichstagêsigung am heutigen Tage einzuberufen, allfällig durch Plakate.

Präsident Strobach erklärte, daß er zwar nicht verhindert sey, die dem Präsidenten obliegenden Verpflichtungen am heutigen Taze zu erfüllen, daß er aber auf keinen Fall eine außerordentliche Sigung auf heutigen Tag anordnen werde, weil die Feststellung des Tages zur Sigung des Reichstages nur im Einvernehmen mit dem Reichstage selbst geschehen darf, und die Einladung der Reichstagsmitglieder zu einer außerordentlichen Sigung nicht in der Art erfolgen kann, daß sie zur Kenntniß aller Reichstagsglieder gelangen könnte, die unterlassene Einladung einzelner Reichstagsglieder aber zur Anfechtung der gefaßten Beschlüsse führen würde. Uebrigens liegt auch kein Grund vor, aus Anlaß der eben angeregten Umstände eine außerordentliche Sigung einzuberufen, weil sie wohl die Thätigkeit der Administrativgewalt in Anspruch zu nehmen geeignet seyn dürfte, aber keineswegs jene des Reichstages als eines constituirenden und legislativen Körpers.

Ueber diese Erklärung haben die obigen Herren den Präsidenten für alle Folgen der Verweigerung, eine außerordentliche Sigung einzuberufen, verantwortlich erklärt. Vorgelesen und von den Anwesenden gefertigt.

Anton Strobach, Präsident.

aufnehmen,worin er auf das Begehren, aus Anlaß des gehörten Pelotonfeuers am Tabor, die Reichstagsmitglieder zu einer abzuhaltenden außerordentlichen Reichstagsfizung am heutigen (6. October) Tage allfällig durch Plakate einzuberufen, erklärte: daß er zwar nicht verhindert sey, die dem Präsidenten obliegenden Verpflichtungen am heutigen Tage zu erfüllen, daß er aber auf keinen Fall eine außerordentliche Sigung auf den heutigen Tag anordnen werde, weil die Feststellung des Tages zur Sigung des Reichstages nur im Einvernehmen mit dem Reichstage selbst geschehen darf, und die Einladung der P. T. Mitglieder zu einer außerordentlichen Sigung nicht in der Art erfolgen kann, daß sie in Kenntniß aller Reichstagsmitglieder gelangen könnte, die unterlassene Einladung einzelner Reichstagsmitglieder aber zur Anfechtung der gefaßten Beschlüsse führ en würde ; übrigens liege auch kein Grund vor, aus Anlaß der eben angeregten Umstände eine außerordentliche Sizung einzuberufen, weil sie wohl die Thätigkeit der Administrativgewalt in Anspruch zu nehmen geeignet seyn dürfte, aber keineswegs jene des Reichstages, als eines constituirenden und legislativen Körpers.

Während der Aufnahme des Protokolls erhielt Präsident Strobach ein Schreiben des Ministers Hornbostel mit der Einladung, in den Ministerrath ins Kriegsgebäude zu kommen, wo ihm nicht unwichtige Mittheilungen gemacht werden würden. Die Mitglieder der Linken verlangten stürmisch die Mittheilung des Schreibens. Die Erklärung Strobach's, er werde in Folge des Schreibens in den Ministerrath gehen, rief unter den Mitgliedern der Linken die höchste Aufregung und die Leußerung hervor, der Präsident habe vom Ministerium keine Weisungen zu erhalten, und ungeachtet Strobach wiederholte, er wolle sich in den Ministerrath bloß zur Einholung offizieller Auskünfte über den Stand der Dinge in der Stadt begeben, ließ sich die Aufregung nicht beschwichtigen, ja man er. klärte kühn, daß man ihn, Präsidenten, nicht fortgehen lasse. Strobach erklärte mit Festigkeit, eine jede derartige Hinderung werde er für ein Attentat auf seine Person erklären, worauf ihm möglich wurde, fortzugehen. Strobach nahm den Vice-Präsidenten Smolka mit, und beim Weggehen haben ihm mehrere von der Linken, von denen bey diesem Vorfalle Löhner, Umlauft, Prato, Zimmer,

Johann Umlauft, R. Brestel, Johann Krause, Dr. Betkowski, Dunin Borkowski, Math. Brandl, Dr. Löhner, Sherzer, Riegler Johann, Joh. Makuch, Johann Micewski, Josef Purker, Ernst Violand — ich verwahre mich gegen die, Folgen dieser Verweigerung des Präsidenten Sizung zu halten; Karl Zimmer, Franz Schafelka, Durbasierig, Radmilli, Alois Jelen als Zeuge, Dogauer, Stradal, Sontag, Lagel, Fischhof, Skoda als Zeuge, Hodurek, Trojan als Zeuge, Egid Fritsch, Füster, Josef Fischer, Marin, Mich. Meyer, Georg Meyer, Wagel, Krainski, Longchamps, Carl Wieser, Schriftführer, Carl Ullepitsch, Schriftführer, Richter als Zeuge, Joh. Eichler, Herzig, Bilinski, Hubicki, Smrecker, Giovani a Prato, Hans Kudlich, Jos. Konopka, Felix Stobnicki, Böse, Kanski, Jaruntowski, Skrzynski, Geier, Meindl, Langie, Smarzewski, Noskowέfi,

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