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Dr. L. A. Frankl. Auf den Allarmschlag in der Leopoldstadt um 7% Uhr eilte Frankl auf den Sammelplaß seiner Compagnie in die Stadt in den Margarethenhof. Kein Garde da; er ging auf die Aula, wo Legions-Commanda nt Aigner nicht an die Taborbrücke rücken wollte, und erst als die mittlerweile Erschienenen sämmtlich erklärten, allein hinziehen zu wollen, indem die Nationalgarde es als feig und perfide ansehen würde, wenn die Legion nicht erschiene, führte er zu Pferde etwa zwei gemischte Compagnien in den Nordbahnhof, dann bis an die Taborbrücke an. Hier übergab er das Commando dem prov. Corps-Commandanten der Mediziner Dr. Graf, und ritt in die Stadt zurück, wie es hieß, Befehle beim Kriegsminister einzuholen. Jenseits der Brücke, vor derselben war die bereits erwähnte schwache Barrikade - erfuhr Frankl erst, daß die deutschen Grenadiere zum Abmarsch nach Ungarn beordert, von den Nationalgarden zurückgehalten werden, und sich zurückhalten lassen. Die Grenadiere standen auf der großen Taborbrücke, die Schienen waren, wie bereits erwähnt, herausgehoben und die Telegraphendrähte zerrissen.

An der Eisenbahnbrücke redeten Magyaren zu dem Volke: die Kroaten find geschlagen, der Jellačič gefangen, laßt die armen Grenadiere gegen die Ungarn nicht marschiren, denn alle werden niedergemacht von den mächtigen Ungarn. —

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Die etwa 200 Mann starke Abtheilung Legionäre und die NationalgardeCompagnien der südlichen Bezirke waren ohne eigentliches Commando, eine hinund herziehende Horde. Die Legionäre stellten sich auf den Damm zwischen dem Bahnhofe und der ersten Bahnbrücke in der Nähe derselben auf. Hier fand der Plazoffizier Dunder den Lieutenant Dr. Frankl, und konnte als Freund nicht unterlassen lezteren darauf aufmerksam zu machen, daß es ein Unsinn sey, den dichten Haufen der Studenten, ohne höheren Befehl, am Damm aufzustellen, um daselbst für eine schlechte Sache wie doch die eidbrüchige Abmarschweigerung der deutschen Grenadiere genannt werden muß zusammengeschossen zu werden. Dr. Graf übergab das Commando der Legion weiter an den Hauptmann Kaiser, der einen Zug über die Brücke schickte, um die Grenadiere aufzufordern, mit den Legionären und Nationalgarden nach der Stadt zu ziehen. Kürassiere hielten die Linie besegt, und außerhalb derselben nahe an der ersten Taborbrücke stand das Bataillon von Nassau Infanterie mit einem Stabsofficier und Adjutanten, dann der General Bredy und einige Kürassiere um ihn. Das Volk haranguirte mit drohenden Fäusten den gedachten vor der Gewehr bei Fuß stehenden Infanterie zu Pferde fißenden Stabsoffiizer Oberstlieutenant Klein, und in der Nähe waren Pulverkarren zu sehen. Der Plaßoffizier Dunder sprach sowohl mit General Bredy, als auch mit dem Oberstlieutenant Klein über den Stand der Sache. Dieselben ahnten, in welch' furchtbarer Situation sie sich befinden; gegen das Volk, sagten sie, wollten sie nicht einschreiten, aber die meuterische Abmarsch

Berweigerung Set Grenadiere fönnten fle noi weniger angeben laffen, es märe ihnen lieber feindliche Batterien zu stürmen, als hier zu stehen und sich insultiren zu lassen. Eine furchtbare Situation!

Legions-Hauptmann Wutschel kam zu der Legion aus der Stadt zurück, es wurden Patronen ausgetheilt und die Gewehre geladen. —

Blutiger Kampf an den Taborbrücken.

Als die voranmarschirte Abtheilung Grenadiere mit ihrem Major zurückkehrte, hieß es allgemein, vom Ministerium sey der Befehl gekommen, daß das Grenadier-Bataillon wied.r in Wien bleibe. Nun jubelte Alles und war froh, daß die Sache so gut abgelaufen sey. Alles ordnete sich frohen Muthes zum Rückmarsch. Ein Unteroffizier der Nationalgarde kam zu Braun und sagte: Nun geht doch Alles gut, troß ihrer schlechten Prophezeihung; es war doch gut, daß wir ihnen nicht nachgaben, denn sonst hätten die armen Grenadiere wegmarschiren müssen. Braun gab keine Antwort. Der Rückmarsch begann; Arbeiter voraus, dann Grenadiere, Garden und Volk.

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10 Uhr Vormittag. Von Seite des Ministeriums langten mittlerweile die Aufträge an den Ober-Commandanten ein, ungesäumt genaue Mittheilungen über die Sachlage dem Ministerium zu erstatten, zu welchem Behufe der PlagHauptmann Br. du Beine dahin beordert wurde.

Halb 11 Uhr Mittags. Derselbe fand auf dem Hofe vor dem Kriegsgebäude eine Compagnie Infanterie, Pioniere, die gewöhnliche Hauptwache, und innerhalb des Kriegsgebäudes ungefähr zwei Züge Grenadiere vom Bataillon Schwarzel, in den Vorzimmern eine bedeutende Zahl Adjutanten aller Waffengattungen und einige, Staabsoffiziere; in den Zimmern des Kriegsministeriums aber den gesammten Ministerrath versammelt, nämlich den Minister des Aeußern v. Wessenberg, des Innern B. Doblhoff, der Justiz Dr. Bach, des Krieges Grafen Latour, des Handels Hornbostel, den Ministerialrath Dr. Fischhof u. a. m., dann die Generale Grafen Auersperg, Cso= rich, Cordon, Frank . .

Nachdem der Plaz-Hauptmann mehrere an ihn gerichtete, auf die Tagesbegebenheiten Bezug habende Fragen beantwortet, und den abverlangten Bericht erstattet hatte, stellte noch der Kriegsminister die Frage, in wie fern man sich im äußersten Falle auf die Garde verlassen könne, und wie stark dieselbe sey; Fragen, deren Beantwortung auf die weiteren Ereignisse des Tages einen wesentlichen Einfluß zu haben schienen.

In möglichster Kürze brachte du Beine jene Begebenheiten, welche seit den Maitagen auf die Garde nicht nur entmuthigend, sondern sogar demoralifirend eingewirkt haben, dem Kriegsminister in Erinnerung, wies auf die Ereig

nisse des heutigen Tages hin, als Beleg des Mangels aller Disciplin, und sprach sich dahin aus, daß seinem Erachten nach, auf eine kräftige Mitwirkung der Nationalgarde wohl kaum zu rechnen seyn dürfte.

Was die Stärke derselben anbelange, so wiesen die May-Register über 40,000 Mann, die September-Register nur mehr 18,000 Mann nach, und wirklich ausrückende, für die gute gesetzmäßige Sache einstehende Garden dürften kaum 6000 gerechnet werden können, und diese in kurzer Zeit konzentriren zu machen, dürfte in Folge der auf die Garde einwirkenden, sie zerseßenden Einflüsse, eine Unmöglichkeit seyn.

Diese Aeußerung machte auf die ganze Versammlung einen Eindruck, der dem Auge des Gefragten nicht entgieng, worauf nach einer Weile der Kriegsmister sich dahin äußerte, daß ihm somit vor der Hand nichts erübrige, als das Militär vor der Stadt zu konzentriren, bis jene Truppen eingelangt seyn werden, welche er für nöthig gehalten hat, hieher zu beordern, um die geseßliche Ordnung wieder herstellen zu können.

Kurz nach Beendigung dieser Verhandlung erschien auch eine Deputation der Nationalgarde, Studenten und Bürger mit dem Ansuchen an den Kriegsminister, er möge den Abmarsch-Befehl des deutschen Grenadier-Bataillons zurücknehmen, welches er jedoch entschieden zurückwies, und der Deputation erklärte, daß wenn sie nur einige militärische Kenntnisse besäße, sie einsehen müßte, daß dieses zu thun nicht in seiner Macht stehe, indem er wohl einer Truppe nach befolgtem Befehle Contre-Ordre geben könne, aber aufständischem Militär einen Befehl wegen Weigerung des Vollzuges zurück zu nehmen, würde alle Bande der Disciplin vernichten.

11 Uhr. An den Taborbrücken. Nachdem die Pioniere die Barrikade abzureißen und die Brücke herzustellen begonnen hatten, bemerkte der Plaßoffizier Reisser am Standpunkte der Legion einen alten Mann (Grigner), mit einem Calabreser auf dem Kopfe, wie er einige Arbeiter anstiftete, und dabei auf die Kanonen mit der Hand hinwies. Daraus besorgte Reisser einen Anlaß zu einem Conflicte mit dem Militär, und zog sich in Folge dessen über die Eisenbahnbrücke zurück; während dem aber sah Reisser schon einige Arbeiter und anderes Volk auf die Kanonen zustürzen und mit einem Pulverkarren davon eilen. Der commandirende Artillerie-Offizier eilte ihnen eine Strecke nach, kehrte aber wieder um, und die Arbeiter wiederholten den zweiten Angriff, um dem Militär eine Kanone wegzunehmen; als sie aber die Kanone pakten und damit davon rennen wollten, kommandirte General Bredy, Feuer! Nassau- Infanterie gab eine Decharge; im Nu lagen Verwundete und Todte am Plaß und am Damm. Die Legionäre erwiederten die Decharge. Bei dem ersten Dechargieren fiel General Bredy vom Pferde, welcher mit dem Rücken gegen die auf der hölzernen

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Brücke stehenden Grenadiere gekehrt war, durch einen Schuß eines unter ihnen stehenden Studenten von rückwärts durch den Kopf, und einen Schuß in die linke Seite.

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Alles floh mit Geschrei theils über die Brücken zurück, theils rechts von der Brücke gegen den Eisenbahn-Damm, die meisten rückwärts zu den Holzhütten und Bäumen, und es begann ein mörderisches Plänkeln. Ein unbewaffneter Volkshaufe, der zwischen diesem Feuer stand, entfloh und warf die auf dem Damme stehenden Garden der akad. Legion in den Graben. Hinter dem Damme, durch denselben geschüßt, unterhielten die Garden der akad. Legion ein heftiges Feuer gegen das Militär. Ein Mann (angeblich der ehemalige Offizier Unter... ) feuerte eine der genommenen Kanonen mittelst eines Zündfidibus gegen das Militär ab.

Das Militär wollte den Damm mit Sturm nehmen, wurde jedoch zurückgeworfen, und gleichzeitig im Rücken von den vom linken Ufer der Donau über die beiden Brücken heranrückenden Nationalgarden und Grenadieren angegriffen. Ein Legionär sank neben Frankl todt nieder, ein zweiter ward zweimal durch den Arm geschossen, und während die Feuer kreuzten, wurde Frankl von zurückdringenden Garden vom Damme heftig hinunter geworfen. Sein linker Arm war gelähmt. Ein Mann lag ohne Uniform durch die Brust geschossen todt. Ein Grenadier lag da von einer Kugel getroffen, Frankl rief seinen Kameraden Windberg, der zog die Kugel, die zwischen Rippen und Haut gefahren war, heraus. Ein Theil der jenseits der Brücke befindlichen Grenadiere, ungefähr zwei Züge bildend, zogen sich, sowie auch der Plaß-Offizier Reiffer in die Au zurück, um am Kampfe keinen Antheil nehmen zu müssen. Legterem wurden zwei Kugeln nachgesendet. Die deutschen Grenadiere, Garden und Legionäre unterhielten eine halbe Stunde lang ein so lebhaftes Feuer, daß sich das Militär mit Verlust dreier Kanonen zurückziehen mußte.

Die Nachricht verbreitete sich blißschnell in der Stadt. Gleich nach Beginn des Feuers fuhr ein Mann in Legions-Kleidung in einem Fiaker in Cariere durch die Jägerzeile und Bischofgasse und schrie, mit der einen Hand eine Kanonenkugel herauszeigend:,,Sie schießen mit Kanonen, Volk von Wien, akademische Legion, zu den Waffen!"

Gegen 30 Todte lagen am Plage zwischen den Brücken am rechten Ufer der Donau. Oberstlieutenant Klein stürzte tödtlich verwundet vom Pferde. Nassau erlitt einen bedeutenden Verlust, und es wurden den Gefallenen viele Gewehre abgenommen. Ebenso bedeutend war der Verlust der Garden und Legionäre. Eine Kanone wurde von Arbeitern ins Wasser gestürzt. Schaudervoller Anblick! Der Plaß war mit Leichen und Verwundeten der Soldaten, NationalGarden, Studenten und Volk bedeckt! Gräßliche Folgen der Aufwieglung

magyarischer Emissäre, und des demokratischen Clubbs, der Widerseßlichkeit der Grenadiere, der Undisciplin der Garden und verblendeten studierenden Jugend! Zwei Kanonen auf denen verwundete Studenten lagen, wurden von Nationalgarden umgeben, im Triumph durch die Leopoldstadt in die Stadt gefahren, und die Grenadiere zogen mit den Legionären und Nationalgarden, den Generals-Hut Bredy's auf der Spiße eines Bajonettes vor sich tragend, ebenfalls in die Stadt zurück. Aus gewissen Häusern wurden Tücher geschwenkt, un' so die Gräuel als Glorie betrachtet.

Von Kugeln durchbohrt fielen General-Major Hugo von Bred y todt, und Oberst-Lieutenant Klein tödtlich verwundet, als Opfer ihrer Pflicht und Treue!

Wahr ist es, ein Schwanken in den Dispositionen des Generals Bredy, der sich zu einem ernsthaften Einschreiten zu rechter Zeit nicht entschließen konnte, und sich und den Truppen den Schwarm des Volkes so auf den Leib kommen ließ, daß es sich in die Abtheilungen eindrängte, und ihre freie Bewegung hinderte, muß mit als eine der Hauptursachen der Nachtheile betrachtet werden, welche das Militär an diesem Tage der bewaffneten Uebermacht der Garden gegenüber erlitt und es endlich zum Rückzuge auf das Glacis der Stadt nöthigte, bei welcher Gelegenheit in der Augarten- und Taborstraße aus vielen Fenstern auf die Truppen geschossen worden seyn soll.

In Folge der Vorgänge in der Leopoldstadt, am Tabor und beim Bahnhofe wurden nach und nach alle Truppen der Garnison theils nach Schönbrunn, theils in genannte Borstadt gesendet, und zum Schuße der inneren Stadt, als Hilfe der gutgesinnten Stadtgarden blieben bloß ein Bataillon Nassau und drei Compag= nien Pioniere zurück.

Als die vom Ober-Commando abgeschickten Plazoffiziere: von Eyselsberg, Player, von Fischer und von Hohenblum gegen den Prater kamen, hörten sie schon schießen, und es kamen Bewaffnete und Unbewaffnete auf der Flucht entgegen. Sie seßten ihren Weg fort, in der Hoffnung noch wirken zu können, und giengen durch den Bahnhof auf der Fahrstraße vorwärts.

Etwa 300 Schritte auf derselben entfernten sich Hohenblum und Fischer, Player und Eyselsberg beredeten die Bewaffneten, sich in die Stadt zurückzuziehen und ruhig zu verhalten, was ihnen großentheils gelang, und so erreichten sie den Spiß. Das Feuer war so ziemlich eingestellt, nur beim Universum hörte man einzelne Wechselschüsse. Player und von Eyselsb erg suchten auch dort Ferneres zu behindern, und die Bewaffneten zum Nachhausegehen zu bewegen, während sie anderseits den Verwundeten beider Parteien die nöthige Hülfe angedeihen zu lassen versprachen. Da die Sendung der beiden Plazoffiziere ihren Zweck nicht erreichte, so bemühten sie sich Wagen und Tragen aufzutreiben. Außer der Taborlinie stieß

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