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ich nicht zu lösen weiß. Nach manchen Nebenumständen kann Katherina diese Dentwürdigkeiten nicht vor dem Jahre 1780 geschrieben haben. Sie wären demnach ein Werk der Zeit, in der sich ihr Geist zu voller Reife entfaltet hatte. Da müßten ste doch jedenfalls das Werk einer eminent gescheidten Frau sein. Das sind sie nun aber ganz und gar nicht. Sie sind vielmehr das Product eines sehr dürftigen Geistes, den feine Schwingen weder sehr hoch noch sehr weit tragen. Nebenher ist auch nicht wohl zu begreifen, was eine so luge Frau, die doch sonst Maß zu halten weiß, bewogen haben sollte, gerade in Beziehung auf die Geburt ihres Sohnes so rücksichtslos wahrhaft zu sein, ohne zu bedenken, welche Gefahren sie dadurch heraufbeschwören konnte. Uebrigens, echt oder unecht, als Quelle für die Geschichte sind diese Denkwürdigkeiten, meines Erachtens, nicht zu gebrauchen.

Beilage II.
Zu S. 218.

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Solcher aufgeklärten Prälaten hat es seitdem immer einige unter den ruffischen Bischöfen gegeben, selbst unter dem Kaiser Nicolaus, als die officielle Strömung eine gerade entgegengesetzte Richtung genommen hatte. Ich wüßte deren zu nennen. Auch bin ich zur Zeit des Kaisers Nicolaus gelegentlich im Namen ruffischer Bischöfe ersucht worden, ihnen Bücher, die sie nicht einfach auf den Wegen des Buchhandels wollten kommen lassen, zu verschaffen und durch befreundete Reisende zu senden. Das waren dann immer Schriften protestantischer Theologen, namentlich Predigten-Sammlungen aus der rationalistischen Periode.

Beilage III.

Zu S. 234.

Bittschrift der polnischen Dissidenten.

Dem Herrn Friedrich v. Smitt ist in seiner Schrift: Frédéric II., Cathérine et le partage de la Pologne, das Unglück begegnet, die Bittschrift, welche die Dissidenten der Kaiserin Katherina im März 1764 überreichten, für eine Note der preußischen Regierung an die russische, wenn auch wohl nicht zu halten, doch auszugeben.

So müssen wir uns leider ausdrücken, denn wer das Aktenstück liest, hat große Mühe zu glauben, daß hier etwa ein wirklicher, nicht absichtlicher Irrthum von seiner Seite walten könnte.

Dem Fürsten Paul Wäsemsky, der das dem Herrn v. Smitt in einem russischen Aufsatz nachgeschrieben hat, kann man eher zutrauen, daß er in gutem Glauben gehandelt hat, denn man ersieht aus seiner Arbeit selbst, daß man von ihm historische Kritif nicht erwarten darf; man könnte ihn in dieser Beziehung unzurechnungsfähig

nennen.

Beilage IV.

Zu S. 245.

Wer die russische Armee zu einer viel späteren Zeit, im gegenwärtigen Jahrhundert, gefannt hat, erkennt in Falkenskiölds Schilderung leicht die Zilge, die auch in solcher Bernhardi, Rußland. II. 2.

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späteren Zeit noch zutrafen, und ist überhaupt durch das, was er selbst noch gesehen hat, überzeugt von der Treue des Bildes, das Falkenskiöld von der ruffischen Arme seiner Zeit entwirft. Ich könnte aus Familienpapieren noch einige interessante Beiträge zur Geschichte des Türkenkriegs liefern, wenn hier der Ort dazu wäre.

Doch mag die eine Notiz hier Plaz finden, daß Rumänzow durch den General Bauer zu der berühmten Schlacht am Kagul gezwungen wurde, während er selbst den Rückzug antreten wollte, um einem erwarteten Lebensmittel- Transport entgegen zu gehen.

Beilage V.

Zu S. 295.

Die Herzogin Auguste von Württemberg.

Helbig deutet in seinem Leben Potemkins Ein und Anderes an, dessen Erklärung er uns schuldig geblieben ist. So finden sich in dieser seiner Schrift (Minerva 1798, 4. Bd., S. 121) in einer Anmerkung über die Herzogin Auguste von Württemberg, geborene Prinzessin von Braunschweig, die eine Reihe von Jahren in Rußland lebte und dort auch 1788 starb, folgende Worte:

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„Am Ende der achtziger Jahre verließ er der Prinz von Württemberg - den ruffischen Hof. Seine Gemahlin aber mußte in Rußland bleiben, und hatte bald_darauf einen traurigen Tod. Wenn sich die Gelegenheit dazu findet, so sprechen wir künftig noch von dieser Prinzessin.“

Gewiß haben viele Leser über diese Zeilen hinweg gelesen, ohne dabei zu verweilen oder sich um ihre Bedeutung zu befragen, wiewohl sie unverkennbar ein ungewöhnliches Ereigniß andeuten. Warum nennt Helbig den Tod der Prinzessin einen traurigen? Nach den officiellen Berichten war sie einfach gestorben, wie das aller Menschen gemeinfames Loos ist.

Mir fielen seine Worte auf, weil ich sie zu verstehen glaubte; alte Erinnerungen, fast aus meiner Knabenzeit, erwachten, als ich fie las. Die Herzogin Augufte war nämlich 1788 gestorben, aber bis in das zweite Jahrzehend dieses Jahrhunderts nicht begraben. Ihre Leiche war beigefeßt in der Kirche des alten Deutsch-Ordens - Schlosses Lohde in Ehstland, wo die Fürstin im Sommer gelebt hatte.

Im zweiten Decennium dieses Jahrhunderts es mag im Jahr 1818 gewesen sein erging, ich weiß nicht auf welche Veranlassung, aus Petersburg der Befehl, sie nun endlich zu begraben. Eine Deputation der ehstländischen Ritterschaft, der damalige Ritterschafts-Hauptmann Hr. v. Baer-Huthorn (Vater des berühmten Naturforschers), an der Spitze, ging zu diesem Behuf nach Schloß Lohde und die Herren lehrten sehr ernst und schweigsam von dieser Expedition zurück. Bald aber ging, in Beziehung auf das, was sie in Schloß Lohde erlebt hatten, eine gar seltsame Sage geheimnißvoll durch die Adelskreise der Provinz.

-

Der Sarg der Fürstin war geöffnet worden, um das Dasein der Leiche zu conftatiren, und es hatten sich darin so sagte man zwei Skelette vorgefunden -: das der Herzogin und das eines ungeborenen Kindes. Die ältere Generation wollte sich nun manches verdächtigen Umstands erinnern. Die Prinzessin, hieß es, war guter Hoffnung; der Kammerherr, der ihr beigegeben, wie die herkömmliche Redeweise lautet, den Dienst bei ihr hatte, eigentlich ihr Gefängnißwärter war, fürchtete schlimme Folgen für sich selbst und soll eine längere Ohnmacht der unglüdlichen Frau benügt haben, um sie für todt auszugeben vielleicht geradezu zu erstiden

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verschlossenen Sarge in der Kirche beiseßen zu lassen, die er dann ebenfalls sorgfältig verschloß.

So lautet die örtliche, jezt wohl nur noch wenigen bekannte Sage, die noch dazu den Kammerherrn selbst zu dem begünstigten Geliebten der Fürstin macht. Da jezt in Rußland selbst die neuere Geschichte des Reichs mit großem Eifer durchforscht wird, erhalten wir vielleicht auch über diesen dunklen Punkt bestimmtere Auskunft.

Beilage VI.
Zu S. 376.

Araktscheyews erster Beschüßer, der General Milesfino, wird in den meisten älteren Quellen-Schriften ein Grufiner genannt; so auch in dem russischen militär- encyklopädischen Wörterbuch in dem Artikel „Araktscheyew“, dessen Verfasser General Danilewski ist. Darauf hin hatte auch ich, in Tolls Biographie, ihn als Grusiner bezeichnet. Nach den genaueren Ermittelungen, die neuerdings bekannt geworden sind, war er aber griechischer Abkunft; doch wie es scheint, in Rußland geboren. Sein Vater hatte als Arzt in Venedig gelebt, war aber von dort, schon zur Zeit Peters des Großen, nach Rußland gekommen.

Der General selbst war ein bemerkenswerth schöner Mann, geistreich, elegant und vielseitig unterrichtet, aber auch von lockeren Sitten, Verschwender und nichts weniger als gewissenhaft in der Verwaltung öffentlicher Gelder. Sein Streben, sich den ruffischen Magnaten als ihres Gleichen anzuschließen, scheint gelegentlich verspottet worden zu sein. Die Zeitgenossen nannten den immer wieder verarmenden Verschwender und mißglückten großen Herrn, panier percé und grandseigneur manqué.

Beilage VII.

Die Bourbons in Mitau.

In den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts waren in Liefland und Kurland mancherlei Anecdoten in Umlauf, die Ludwigs XVIII. Leben in Mitau, das Treiben und die Aeußerungen der Herren seiner Umgebung betrafen. In diesen Aeußerungen zeigte sich meist neben einer oft überraschenden Unwissenheit, in Beziehung auf Alles, was außerhalb des alten Frankreichs lag, ein Dünkel, der nicht selten naiv wurde. Es war für diese Herren selbstverständlich, daß nicht etwa Frankreich überhaupt, sondern das von ihnen vertretene Frankreich insbesondere von rechtswegen maßgebend sei, für die gesammte gebildete Welt.

So erzählte man, Ludwig XVIII. habe einst einen älteren Cavalier seiner Umgebung in irgend einem Auftrag nach Petersburg an den Kaiser Paul gesendet. Dieser Cavalier besuchte unterwegs,,pour la rareté du fait" bas Theater in Riga, und erzählte dann seine Erlebnisse: „La salle n'est pas grande mais assez gentille - et le public paraissait très-bien composé; il y avait dans les loges des femmes charmantes, des toilettes très-convenables; enfin, je vous assure, tout cela avait l'air d'être de fort honnêtes gens - la toile se lève, un acteur pa

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Sollte diese Anecdote unwahrscheinlich scheinen, so erinnere man sich der Reden, die Beugnot ein Jahrzehend später als westphälischer Minister an die Herren vom hessischen Adel richtete, und in denen er ihnen auseinanderseßte, welche Vortheile es für fie habe, daß sie nun gezwungen seien, französisch zu sprechen; sie würden dadurch aus

der hemmenden Isolirtheit herauskommen, in der ihre Sprache sie mitten in Europt zurückhalte. (Votre langue vous isole au milieu de l'Europe!)

Es war in Beugnots Augen ein Zeichen von Berkommenheit, daß Deutsche der höheren Stände unter einander deutsch sprachen, nicht französisch, wie die Polen unt Ruffen.

Beilage VIII.

Zu S. 423.

Der erste Verbündete des Grafen Panin war der Admiral Ribas, ein ungemein treuloser und verschlagener italienischer Abenteurer, der sich in Rußland empor gedient, und um die seemännischen Anlagen zu Cherson und in der Krimm auch wirkliches Verdienst erworben hatte. Man sagt sogar, daß der Gedanke einer Verschwörung, die den Kaiser Paul beseitigen und Alexander auf den Thron erheben sollte, zuerst von ihm ausgegangen sei; daß Er den Grafen Panin dafür gewonnen habe. Wir haben seiner im Text nicht gedacht, weil er dann doch in dem weiteren Gang der Dinge keine hervorragende Rolle gespielt hat; es fehlten ihm die dazu unerläßlichen Beziehungen zum Hof und zu der kaiserlichen Familie, und er starb vor der Ausführung.

Im Uebrigen kennzeichnet ihn ein Wort Suworows. Um von Kutusows Scharfsinn und gewandter, umsichtiger Schlauheit einen Begriff zu geben, sagte Suworow: Den Kutusow könnte selbst Ribas nicht betrügen!"

Beilage IX.
Zu S. 456.

Zur Zeit als der Fürst Adam Georg Czartoryski geboren wurde, war seine Mutter ganz offen und unverhohlener Weise, die erklärte Geliebte des Feldmarschalls Fürsten Repnin, und in Rußland geht in den wissenschaftlichen wie in den Hoffreisen das Gerücht, die Familie Repnin sei im Besiß eines Briefwechsels zwischen dem Feldmarschall und dem jungen Czartoryski, in dem die beiden Herren sich gegenseitig mit ,,mon fils" unb ,,mon père" anreden. Ein solches Gerücht beweist natürlich nichts, und um so weniger, da des Fürsten Adam Georg in Rußland natürlich nicht mit Wohlwollen gedacht wird. Das Dasein dieses Briefwechsels müßte erst in authentischer Weise dargethan sein.

Für die Geschichte wäre der Umstand auch dann ziemlich gleichgültig, denn welcher Herkunft der Fürst Adam Georg auch in Wirklichkeit gewesen sein mag, er fühlte sich durchaus als Pole nicht nur, sondern auch als Erbe und Träger der Pläne, welche die Familie Czartoryski nun schon so lange unermüdlich verfolgt ihres Strebens nach der Krone.

An sich aber ist ein Briefwechsel in solchen Formen gar nicht so unmöglich, wie man wohl glauben könnte, wenn man den Maßstab anderer Länder und anderer Zeiten für anwendbar auch auf die damaligen polnischen Zustände halten wollte. Derartige Verhältnisse wurden in dem damaligen Polen mit einer überraschenden Unbefangenheit behandelt. Auch Graf Igelström z. B. hatte unter den schönen polnischen Gräfinnen eine Geliebte bie, beiläufig bemerkt, ihn und seinen Einfluß benüßte, um mehr oder weniger gerechte Processe gegen ihre Landsleute zu gewinnen. — Als Igelström starb, hinterließ er ein Rittergut Meyerhof in Liefland den beiben Söhnen dieser Dame, und führte dabei in seinem Testament als Grund dieses Vermächtnisses an, diese

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beiden jungen Herren seien seine Söhne. Die Mutter der beiden jungen Leute lebte zur Zeit noch, und ebenso der Gemahl dieser Dame, deffen Namen die jungen Leute trugen. Dennoch wurde das Legat ohne Bedenken angenommen.

Beilage X.

Zu dem Feldzug 1807. Kamensky, Knorring, Bennigsen.

Kamenskys Auftreten und Gebahren möchte wohl kaum jemals ihres Gleichen gehabt haben. Alle bisher veröffentlichten Darstellungen des Feldzugs 1807 in Preußen gehen leicht darüber hin; nur der Prinz Eugen von Württemberg hat in seinen, nach seinem Tode (1862) herausgegebenen Memoiren ausführlicher Auskunft darüber gegeben. Doch wäre aus den Aufzeichnungen eines unmittelbaren Zeugen von Bedeutung, der den Feldzug in Bennigsens Umgebung mitgemacht hat, mithin den Dingen sehr nahe stand, wohl noch einiges ergänzend, zum Theil verstärkend, hinzuzufügen. Indeffen würde das Bild des narrenhaften Treibens Kamenskys, der grenzenlosen Verwirrung, die er durch die unsinnigsten Befehle hervorrief, des ganz unnöthigen und dabei unheilvollen Rückzugs, den er herbeiführte, nicht wesentlich geändert werden. Wir ersehen aus den Denkwürdigkeiten auch, daß dieser wahnsinnig gewordene Feldmarschall nicht blos den Pawlowschen Grenadieren in Ostermanns Division zurief, fie seien verrathen und verkauft, fie thäten am besten, nach Hause zu laufen, er selber laufe voran! Er wiederholte diesen wohlgemeinten Rath auch gegen andere Truppentheile, und forderte namentlich Sackens Division auf, die Tornister abzuwerfen, um behender nach Haus laufen zu können.

Was den würdigen General Gotthart Johann v. Knorring betrifft, so hat Danilewsky eine Caricatur aus ihm gemacht. Er hat ihn, in seiner Geschichte des Kriegs in Finnland, als einen durchaus, ja bis zur Verächtlichkeit unbrauchbaren Mann geschildert, aus keinem anderen Grunde, als weil Knorring ein ehstländischer Edelmann, ein Deutscher war. Um was es sich zwischen diesem General und dem Kaiser Alexander eigentlich handelte, daß Knorring einen bestimmten, kategorischen Befehl haben wollte, den Marsch über das Eis anzutreten, der Kaiser aber einen solchen nicht geben, sondern sich immerdar auf Wünsche und Winke beschränken wollte, das natürlich berichtet Danilewsky nicht. Andere ruffische Geschichtschreiber sind seitdem seinen unzuverlässigen Spuren gefolgt. Um gerecht zu sein, hätten sie wenigstens Knorrings zur Zeit von der gesammten russischen Armee einstimmig und laut anerkannte Verdienste bei Eilau nicht mit Stillschweigen übergehen dürfen.

Da die bisherigen Darstellungen des Feldzugs in Preußen einer Berichtigung und Ergänzung bedürfen, möge es gestattet sein, hier Ein und Anderes, zum Theil aus handschriftlichen Nachrichten, einzuschalten.

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Dem Kriegsrath zu Nowgorod am Narew, am 2. Januar, wohnten die Generale Knorring als der Aelteste im Rang Buxhöwden, Bennigsen, Graf Tolstoy, Steinheil, Tutschkow und Fürst Galizyn bei. Beschlossen wurde, das Heer auf das rechte Ufer des Narew und demnächst nach Johannisburg in Ostpreußen zu führen, um die Offensiv-Operationen Napoleons in dieser Provinz aufzuhalten, und den Feind von der russischen Grenze abzuwehren.

Bennigsen, der den Erfolg seiner in Petersburg angesponnenen Intriguen erwartete, sagte zu Allem ja, verzögerte daun aber die Vereinigung seines Heertheils, mit dem unter Burhöwdens unmittelbaren Befehlen stehenden, so viel er konnte. Er hatte nämlich über seinen „Sieg“ bei Pultusk mit großer Uebertreibung an den Kaiser berichtet, und zugleich über Burhöwden geklagt; der habe ihn nicht unterstüßt und da

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