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hatte Teplow dann unter dem Schuß der Rasumowskys gemacht, wie er denn auch des Hetmans Führer auf Reisen gewesen war.

Peter zeigte sich in seiner Schwäche und Verwirrung vollkommen unfähig, eine Vertheidigung auch nur zu versuchen, unfähig die mannhaften Rathschläge zu befolgen, die ihm der alte Münnich an die Hand gab. Er brach in den ersten Stunden muthlos zusammen und sendete seiner Gemahlin, als sie mit Heeresmacht gegen ihn heranrückte, um mit ihr zu unterhandeln, Leute entgegen, die sein Vertrauen besaßen, die er für seine Freunde hielt. Die wurden natürlich leichten Kaufs von der Gegenpartei gewonnen und verriethen ihn. Einer von ihnen, und zwar derjenige, auf den er vorzugsweise gerechnet hatte, sein Adjutant, der General Ismailow, kehrte, gehörig bezahlt, von seiner Sendung zur Kaiserin als ihr Sendbote zurück (10. Juli) und legte ihm eine Urkunde vor, durch die er in einer Weise, die ihn entehrte, dem Thron entsagte; und als Peter zögerte zu unterschreiben, verhaftete Ismailow seinen Herrn und Kaiser. Was hätte ihn auch abhalten sollen? Da ihm der Enkel Peters des Großen aller realen Macht entkleidet gegenüber stand, hatte er ihn nicht mehr zu fürchten!

Katherina hatte gesiegt. Peter wurde als Gefangener auf das schimpflichste behandelt, nach dem nahen kaiserlichen Landhaus Ropscha gebracht, und fand dort, wie bekannt, nach wenigen Tagen sein schreckliches Ende.

Am 17. Juli kamen Alexey Orlow und mehrere andere Herren, unter denen sich auch Teplow befand, zu ihm, angeblich ihm seine baldige Befreiung anzukündigen und freundschaftlich sein Mahl mit ihm zu theilen; wie sie ihn in rohester Weise erdrosselten, nachdem ein Versuch, ihn in Burgunder zu vergiften, mißlungen war, ist zur Genüge bekannt. - ES ist viel darüber hin und her gesprochen worden, ob Katherina diese Unthat verfügt hatte, oder ob die Orlows sie auf eigene Verantwortung ausgeführt haben, aber es liegen wohl überwiegende Gründe vor, das Lettere anzu nehmen. Die Orlows kannten ohne Zweifel die Welt hinreichend, um zu wissen, daß Katherina eine solche That zwar wohl nachträglich stillschweigend gutheißen, aber kaum ausdrücklich und in bestimmten Worten anordnen konnte, wenn sie in dürren Worten darum gefragt wurde. Sie wußten, daß sie nichts dabei wagten, wenn sie ihr diese Verlegenheit er sparten und eigenmächtig handelten.

Zwar hat Alexey Orlow selbst in späteren Jahren, als Katherinas Gunst sich bereits von seinem Hause abwendete, den Versuch gemacht, die Kaiserin unbedingt als Urheberin der That darzustellen, sich selbst aber als ein unfreiwilliges Werkzeug; er hat namentlich in diplomatischen Kreisen zu Wien ganz unaufgefordert und ohne eigentliche Veranlassung von Peters III. Tod gesprochen, um sagen zu können, es sei für einen so humanen Mann, wie er sei, sehr traurig, daß er gezwungen worden sei zu thun, was man von ihm gefordert habe (d'avoir été contraint

de faire ce qu'on a exigé de lui).*) Aber was könnte uns wohl bestimmen einen Mann, wie Alexey Orlow, in solchem Fall für wahrhaft zu halten? — Im Uebrigen ist die Ausrede sehr ungeschickt, so daß er wahrlich nichts dadurch gewinnt. Im Gegentheil, wenn er die That ent sclossen als die Seinige anerkannte und erklärte, er habe sie vollbracht, weil er sie für nothwendig hielt, um Rußland neue mögliche Revolutionen und innere Kämpfe zu ersparen, und dieser Rücksicht jede andere aufgeopfert, so hätte sich das immerhin vor der Nachwelt besser ausgenommen, und selbst der Gesellschaft, zu der er sprach, wohl mehr imponirt. — Wofür sollen dagegen Mit- und Nachwelt einen Menschen halten, dem man eine solche That einfach auftragen fann?

Dann scheint auch aus Katherinas eigenem Betragen hervorzugehen, daß sie in dem Augenblick, wo ihr das Ereigniß bekannt wurde, eine solche Nachricht nicht erwartete. Sie erfuhr was geschehen, durch Alexey Orlow selbst in einem Augenblick, wo sie sich ihrem Hof in festlicher Haltung zeigen mußte, und hätte den glänzenden Schwarm wohl nicht zu sich beschieden, wenn sie einer solchen Nachricht gewärtig gewesen wäre. Auch hätte sie dann gewußt, wie sie sich benehmen wollte, und keines Raths bedurft; jezt fragte sie ihre Vertrautesten; Panin gab den Rath, den Tod des Kaisers bis zum folgenden Tage zu verheimlichen, und Katherina zeigte in bewunderungswürdiger Weise, daß sie unter allen Bedingungen Herrin ihrer Haltung sei. Unerschüttert kehrte sie in der heitersten und liebenswürdigsten Stimmung in die Gesellschaft zurück. Am anderen Tage aber, als sie gleich der Hauptstadt in aller Form die Nachricht erhielt, daß der Kaiser in der Nacht an einem Uebel gestorben sei, das ihn schon öfter befallen habe da zerfloß sie in Thränen, aufgelöst in Somerz. Selbst ein Zögling der Hofkreise Ludwigs XV., der französische Gesandte Baron Breteuil, kann nicht umhin in seinen Berichten des Eindrucks zu gedenken, den ihm diese Scene macht.

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Von ihrem eigenen Hof dagegen wurde Katherina trefflich unterstüßt in Allem was der Anstand erforderte. Wie die Protokolle der SenatsSigungen bezeugen, trug Panin - der schon im ersten Augenblick einen je zweckmäßigen Rath gegeben hatte am 19. Juli dem versammelten Senat vor: die Kaiserin, die alles Vergangene was hier bedeutet alle gegen fie begangenen Unthaten ihres Gemahls - verziehen und der Vergessenheit übergeben hat, hört nicht auf sich zu grämen und Thränen zu vergießen, seitdem sie die Nachricht von dem so plöglichen und so ganz unerwarteten Tode des gewesenen Kaisers erhalten hat; bei alle dem (das heißt wohl trog ihres leidenden Zustandes) habe sie den festen Entschluß gefaßt, sich zum Begräbniß des Verstorbenen in das Newskysche Kloster zu begeben. Obgleich nun er Panin gemeinschaftlich mit dem

*) Raumers Beiträge III. 307.

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Hetman Rajumowsky der Kaiserin vorgestellt habe, sie möge aus Liebe zum russischen Vaterlande ihre Gesundheit schonen und vieler unangenehmer Folgen wegen diesen Vorsag aufgeben, habe Ihre Majestät doch nicht ge= ruht, sich zustimmend zu äußern.

Darauf begab sich der gesammte Senat in corpore nach dem kaiserlichen Palast und bat die Kaiserin auf das Allerdringendste, dem Gang in das Newskysche Kloster zu entsagen. Sie ließ sich lange bitten und als sie endlich nachgab, dankte der Senat sehr angelegentlich für diejen ihm gewährten ganz besonderen Beweis ihrer landesmütterlichen Gnade. Panin aber durfte sich wohl sagen, daß er die Kaiserin in tactvollster Weise aus einem peinlichen Dilemma befreit habe.

Breteuil hatte wohl nicht unrecht seinem Hof zu berichten, Rußland biete zur Zeit ein wunderbares Schauspiel; der Enkel Peters des Großen sei vom Thron gestoßen und ermordet, der Enkel des Zaren Iwan Alexeyewitsch schmachte lebendig begraben im Kerker- und eine Fremde, eine Prinzessin von Anhalt, trage die Krone dieser Fürsten und herrsche unumschränkt über Rußland.

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Sechstes Capitel.

Katherinas schwierige Lage;
Einziehung der Kirchengüter;
- Absetzung des Bischofs von Rostow; — Beschränkung des Senats;
des geheimen Staatsraths; deutsche Colonien im Innern Rußlands;
gebende Versammlung zu Moskau.

Umtriebe der Fürstin Daschkow; — Verschwörungen;
Mirowitsch, Versuch Zwan Antonowitsch zu befreien;

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Einrichtung die geset=

Katherinas Stellung auf dem russischen Thron war eine unendlich schwierige; um sehr viel schwieriger als die der beiden vorhergehenden Kaiserinnen, die sich wenigstens darauf berufen konnten, daß sie aus dem Hause der Romanows seien, während Katherina als Fremde selbst ein Scheinrecht auf die Krone gar nicht haben konnte. Auch nicht durch den seltsjamen Artikel ihres Heirathscontracts, der ihr die Regierung zusicherte für den Fall, daß der Kaiser vor ihr stürbe, ohne Kinder zu hinterlassen. Es war ein Sohn da!

Auch sollte sie das Bedenkliche ihrer Lage bald genug und immer von neuem empfinden. Es war ihr nicht, wie vor Allen der Kaiserin Elisabeth, blos um den Genuß der Herrschaft zu thun, blos um die Freude, sich überall und immer wieder unterthänig huldigen zu lassen, jede Laune befriedigen, sich immerdar mit einer verschwenderischen Pracht umgeben und maßlojem Sinnengenuß überlassen zu können. Was man auch sonst von Katherina sagen mag, ihr Ehrgeiz war von einer höheren und besseren Art. War ihr auch nicht, wie ihrem Zeitgenossen Friedrich von Preußen, in redlichem Pflichtgefühl an den Dingen selbst gelegen, sondern nur an der Verherrlichung der eigenen Person, so suchte sie diese Verherrlichung, die eigene Befriedigung doch in dem Streben, eine glänzende und ruhmreiche Regierung zu führen. Sie wollte von Mit- und Nachwelt als große Regentin bewundert sein, und dazu gehörte, daß sie Civilisation und Bilbung, wie sie selbst und ihre Zeit sie verstanden, im weiten russischen Reich mit Macht zu fördern suchte, oder wo das nicht gehen wollte, wenigstens den Schein dieser Bildung, den ihre Zeit ohnehin oft genug für das Wejen nahm. Gern hätte sie ohne Zweifel ihre ganze Geisteskraft und Aufmerksamkeit diesen Bestrebungen zugewendet, aber sie wurde schon in den ersten Wochen ihrer Regierung und dann immer wieder in sehr unzweideutiger Weise daran gemahnt, daß auch für sie, wie für ihre Vor

gängerinnen, die Hauptaufgabe war und blieb, sich selbst auf dem unsicheren Thron und im Besitz der Gewalt zu behaupten. Die Selbstherrschaft wenn auch unendlich besser verwendet als unter den beiden früheren Regierungen blieb doch auch in ihren Händen zuerst und vor allem ihr eigener Zweck, wie sie es seit drei Jahrzehnten und darüber gewesen war. Alles Andere konnte erst in zweiter Linie berücksichtigt werden.

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Panin sah seine Regentschaftspläne und das Streben nach einer aristokratischen Verfassung, die damit zusammenhing, beseitigt, ohne daß sie auch nur zur Sprache gekommen wären; er sah die Kaiserin, sich selbst und seinen vornehmen Verbündeten gegenüber auf einen Schwarm junger, bis dahin für unbedeutend gehaltener Offiziere gestüßt, ihm gegenüber unabhängig dastehen. Indessen, so unangenehm ihn das auch berühren. mochte, war doch von ihm keine Gefahr zu besorgen, denn er war vorsichtig und zögernd von Natur, wenig zu Wagnisssen geneigt und wußte sich in die Umstände zu fügen. Er machte zwar noch einen Versuch seine Pläne zu verwirklichen, aber nur mit sehr geringem Ernst und Nachdruck, nämlich er legte der Kaiserin jezt, nach dem Siege, den Plan vor, sich mit einem Reichsrath nach schwedischem Vorbild zu umgeben, und hoffte sie dadurch für diesen Plan zu gewinnen, daß er vorschlug, den Günstling Gregor Orlow an die Spitze dieses Reichsraths zu stellen. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Katherina auch nur einen Augenblick im Zweifel darüber war, wie sie diesen Vorschlag aufnehmen wollte. Sie war zu scharfsinnig, um nicht zu sehen wohin er führte, und zu eifersüchtig auf ihre Unabhängigkeit bedacht, um darauf einzugehen. Aber es scheint bei ihr, besonders während dieser ersten Zeit, Grundsaß gewesen zu sein, wenn sie einem bedeutenden Mann, der geschont werden mußte, eine abschlägige Antwort zu geben hatte, dies scheinbar niemals aus eigenem Antrieb zu thun; sich im Gegentheil das Nein! das gesagt werden mußte, stets von anderen bedeutenden Männern dringend anrathen zu lassen. So fragte sie, scheinbar zweifelnd, auch jetzt andere ihrer Vertrauten um ihre Meinung, und General Villebois, der Sohn eines unter Peter dem Großen eingewanderten Franzosen, der eine kurze Zeit über bei ihr in Anschen stand, machte sie vor allem in einem ausführlichen Gutachten darauf aufmerksam, daß die Mitglieder des Reichsraths sehr leicht aus Rathgebern zu Mitregenten werden könnten. Der Entwurf blieb auf sich beruhen und Panin fand gerathen ihn auch seinerseits fallen zu lassen zufrieden mit der glän zenden Stellung, dem bedeutenden Antheil, den er an der Leitung der aus wärtigen Angelegenheiten nehmen durfte, den hohen Würden und Reichthümern, die ihm zu Theil wurden.

Nicht so die unruhige Fürstin Daschkow, deren reger Geist sich nicht mit dem Schein leerer Hofgunst begnügen, die es nicht ertragen konnte, daß der maßgebende Einfluß nicht an den Familienkreis gekommen war, den sie beherrschte, sondern an die Brüder Orlow, in denen sie nur unter

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