Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Die Aechter.

"

87

einer fast dreißigjährigen unbarmherzigen Haft, die seine Gemahlin Elisabeth, Pfalzgraf Friedrichs III. Tochter, in dem hochherzigen Opfermuth treuer Gattenliebe bis zu ihrem Tode mit ihm theilte, als Gefangener des habsburgischen Kaisers gestorben. Hätten mich," so sprach er, da er abgeführt wurde, zu dem kursächsischen Rathe Christoph von Carlowih, meine ungetrenen Unterthanen nicht verrathen, so sollte es noch manchen blutigen Kopf gekostet haben, ehe ihr in diese Festung hättet kommen mögen." Grumbach und Genossen wurden ausgeliefert und mit dem ganzen Uebermaß blutlechzender Roheit, welche dieses theologisirende Säculum auszeichnet, hingerichtet. Die Henker schnitten aus Grumbach vier Stück,

Nahmen sein ungetreu Herz zu Stund,

Und schlugen's ihm zweimal so frisch um sein Mund."

Rath und Gemeinde von Gotha thaten knieend Abbitte und huldigten Johann Wilhelm als neuem Landesherrn. Der Grimmenstein und die Festungswerke der Stadt wurden geschleift.

[graphic][graphic][subsumed]

"

Medaille auf die Eroberung von Gotha. Originalgröße.

Zahlreiche Lieder über Grumbach und die „Gothische" Katastrophe, die damals durch das Reich verbreitet wurden, beweisen die allgemeine Theilnahme an dieser ganzen Bewegung, die sich an seinen Namen knüpft. Die Meisten nehmen für den theuren Helden" und den Ernestiner, die Opfer der „Pfaffen," Partei, unter ihnen die „Nachtigall," die von dem Heidelberger Wilhelm Klebig, dem alten Gegner von Heßhus, gedichtet war und ohne Namen des Autors zu Frankfurt in Druck erschien. Der Frankfurter Magistrat mußte den Drucker in Ketten geschlossen nach Wien schicken; das Poem wurde in Leipzig durch den Henker verbrannt, vom Kaiser mit scharfen Mandaten verfolgt.

Mit der Katastrophe von 1567 erreichte der Gegensatz im Wettiner Hause nicht sein Ende. Troß eines von August und Johann Wilhelm im Juli 1567 zu Zeit abgeschlossnen Vertrages, der alle seit 1554 zwischen beiden Linien entstandenen Irrungen für erloschen erklärte, war der neue Herzog doch, ungewarnt durch des Bruders Schicksal, entschlossen, dessen Beispiel nachzuahmen.

Er begann seine Regierung mit Maßregeln, die den lutherischen Eiferer zeigten. Er purificirte das Land von allem calvinistischen und melanchthonischen Wesen und erhob den Flacianismus in ihm wieder zur Alleinherrschaft. Die gemäßigten Theologen wie Stößel, Widebram, selbst Selnecker, auch der Jurist Wesenbeck und andere, wurden abgesezt und fanden, aus Jena ausgewiesen, auf Peucers Veranlassung meist in Wittenberg Aufnahme. In ihre Stellen wurden Wigand, Heßhus und andere erprobte Streiter für das orthodoxe Lutherthum berufen. Sogar an die Zurückrufung des Flacius wurde gedacht. Auch behielt Johann Wilhelm französische Bestallung und ist im nächsten Jahre (1568) sogar zur Unterdrückung der Hugenotten nach Frankreich gezogen.

Natürlich, daß die Flacianer sich nicht sobald in dem alten Neste wieder heimisch fühlten, als sie in der alten Weise neu begannen. Von Kanzel und Katheder herab erschollen wieder die maßlosesten Schmähungen auf die Melanchthonianer und auf den Kurfürsten August, ihren Beschüßer. Ein von ihm veranlaßtes Religionsgespräch zu Altenburg (October 1568) mußte abgebrochen werden und steigerte nur die Erbitterung; eine Gesandtschaft, die er nach Weimar schickte, um Abstellung solches Gebahrens zu fordern, richtete ebenso wenig aus wie die Mahnungen anderer Fürsten und wie der kaiserliche Befehl an den Herzog, nicht länger den Protector der aufrührerischen flacianischen Rotte zu spielen.

Kurfürst August, über das Toben der Flacianer und über die Haltung Johann Wilhelms heftig empört, forderte von allen Geistlichen seines Landes einen Revers, in dem sie zu erklären hatten, daß sie „dem flacianischen illyrischen, fährlichen Irrthum, zänkischen Geschmeiß, giftigen Gebiß und Schwärmerei nicht anhängig wären, auch nicht Gefallen darob hätten, und sich auch mit Gottes gnädiger Hülfe desselben gänzlich enthalten, denselben auch nach Vermögen verhüten wollten."

Schon verlautete, der Kurfürst werde nächstens gegen die herzoglichen Pfaffen mit Waffengewalt einschreiten. Darüber geriethen die Bürger von Jena in große Angst und erklärten, wenn er käme, würden sie ihm die Theologen selber ausliefern. Die Studenten hingegen nahmen für ihre Professoren Partei. An den Straßenecken fand man Plakate affichirt, in denen es hieß: „Wenn wir es merken, daß sie so schelmisch mit unsern professoribus wollten handeln hinter unsers gnädigen Fürsten und Herrn Wissen und Willen, soll uns keiner so lieb sein, wir wollen auch nicht feiern, daß solches Herzog Johann Wilhelm kund werde. Jena, Gott wird dich strafen. Alle Studenten find Lumpenmänner, die nicht mit gerüsteter Wehre auf den Abend um 6 auf dem Markte sind.“

Deutschland und die Anfänge der westeuropäischen Bewegung.

Es waren damals die Jahre, in denen der gewaltige westeuropäische Brand aufloderte, der sich wesentlich an der Religion entzündete und durch ein Menschenalter hin ungelöscht und unlöschbar fortwüthete: ein erster großer „dreißigjähriger Krieg," dessen Hauptheerde Frankreich und die Niederlande bildeten. Wir haben auf seinen Verlauf, da er in einer anderen Abtheilung dieses Werks ausführlich dargestellt ist, nicht nochmals einzugehen. In dem Zusammenhange unserer Betrachtungen aber ist es von Wichtigkeit, zu beobachten, welche Stellung Deutschland zu ihm einnahm.

Als König Franz II. von Frankreich im December 1560 starb und ihm sein zehnjähriger Bruder Karl IX. in der Herrschaft folgte, waren die Verhältnisse für die Protestanten günstig genug. Denn die Königin Mutter Katharina von Medici und der bourbonische Titularkönig Anton von Navarra, welche für den unmündigen Monarchen die Regierung führten, neigten, um sich der Herrschgelüfte der Guisen, der Führer der päpstlichen Partei, zu erwehren, den Hugenotten zu. Wie leicht schien es da den Evangelischen Deutschlands gelingen zu können, das Evangelium in dem Nachbarlande zu befestigen. Sie brauchten nur die Regierung in ihrer Haltung zu bestärken und sie von der Solidarität der evangelischen Interessen aller Orts zu überzeugen. Auf dem Naumburger Convent gelang es dem Kurfürsten Friedrich III., der mehr als irgend ein anderer evangelischer Reichsfürst von Anfang an lebhafte Theilnahme für die hugenottische Sache und ein wirkliches Verständniß für ihren Zusammenhang mit der deutsch-evangelischen Bewegung hatte, die dort versammelten Fürsten zu einem gemeinsamen Schreiben an König Karl IX. zu vermögen, in welchem sie ihn zur Milde gegen seine bisher so grausam verfolgten evangelischen Unterthanen ermahnten; zu einem zweiten Schreiben an Anton von Navarra, in welchem sie ihn zur Standhaftigkeit in der Vertheidigung der reinen Lehre anfeuerten. Aber nur zu bald wurden sie dann durch ihre religiösen Differenzen daran verhindert, auf diesem Wege weiter zu gehen und, dem Wunsche der Hugenotten entsprechend, nachdrücklicher auf die Regierung ihres Landes einzuwirken. Kurfürst August lehnte jede Betheiligung an ge= meinsamen Schritten ab; die engherzigen Lutheraner vom Schlage Pfalzgraf Wolfgangs von Zweibrücken und Herzog Christophs von Württemberg glaubten die Gelegenheit günstig, um die französische Regierung vor dem Calvinismus

zu warnen und für die augsburgische Confession zu gewinnen. Nur Friedrich III., und neben ihm Landgraf Philipp von Hessen erhoben sich zu der freieren Anschauung, „daß die Reformation eines solchen gewaltigen Königreichs nicht auf einer oder der andern Confession, sondern vielmehr auf rechtem, wahrem Hauptgrund der evangelischen und prophetischen Schriften geschehen müsse."

So trugen die evangelischen Fürsten Deutschlands, die es in ihrer confessionellen Engherzigkeit nicht verstanden, sich der günstigen Gelegenheit zu bedienen, ihr Theil Schuld daran, daß die noch hin und her schwankende Regierung Frankreichs unter den guisischen Einfluß gerieth, womit denn die Aussicht auf eine friedliche Fortentwickelung der Reformation dort zu Lande dahin schwand. Zwar kam es zunächst noch zu dem Edict vom Januar 1562, das die Existenz der Hugenotten anerkannte und ihnen Duldung gewährte, aber schon am 1. März desselben Jahres wurde in der Scheune zu Vassy durch die Guisen das blutige Signal zum Ausbruch jener Kette von Bürgerkriegen gegeben, deren erster ein Jahr lang wüthete und (im März 1563) in dem Frieden von Amboise seinen Abschluß erreichte.

Friedrich sandte sofort an Katharina die nachdrückliche Mahnung, für die Aufrechthaltung des Januaredicts Sorge zu tragen; an den Prinzen Condé, das Haupt der Hugenotten, die dringende Bitte, festzustehen und auszuharren; an die Eidgenossen das Gesuch, sich am französischen Hof für die Freiheit des Evangeliums zu verwenden; an seinen Schwiegersohn, den sächsischen Herzog Johann Wilhelm, die ernste Warnung, sich nicht an dem Kriege auf Seiten des gottlosen Haufens zu betheiligen: - kurz, er zeigte größten Eifer, der Ausdehnung des innern Krieges, dessen Ausbruch nicht hatte verhindert werden können, vorzubauen. Und deshalb mißbilligte er es auch, daß Pfalzgraf Wolfgang in abenteuerlicher Unternehmungsluft sich an der Spiße eines geworbenen Haufens in diesen Krieg einmischte; deshalb auch lehnte er es ab, Condés Bitte um Unterstützung zu erfüllen. Bewaffneten Arms einzugreifen war er nicht gewillt, denn er fürchtete, daß durch directe Betheiligung Deutschlands an jenen blutigen Wirren der Religionskrieg auch im Reiche losbrechen würde. Seine Theilnahme für die Hugenotten aber, denen es mehr ernst sei als den Deutschen, demnach sie in der Persecution bestanden" und im Blutbade gesessen," wuchs in demselben Maße wie die Entfremdung zwischen ihm und den streng lutherischen Fürsten Deutschlands. Er öffnete den hugenottischen Werbekommissaren seine Lande und verschloß sie den von der französischen Regierung geworbenen Mannschaften.

"

Es ist bekannt, wie das von Frankreich gegebene Beispiel auf die erregten Gemüther der benachbarten Niederländer wirkte. Die Opposition der Provinzen. gegen das despotische und inquisitorische Vorgehen der spanischen Regierung schwoll von Tag zu Tag mehr an. Daß Granvella (im März 1564) abberufen wurde, daß die Statthalterin Margarethe, in gutem Einvernehmen mit den Adelshäuptern, extreme Maßregeln vermied und sich in betreff der alten Keßeredicte tolerant zeigte, verhinderte zunächst noch den Ausbruch der

Revolution.

Gerüchte eines spanisch-papistischen Bundes.

"

91

Aber als dann die Tridentiner Beschlüsse verkündigt wurden, und die Inquisition nun aufs grausamste mit Feuer, Wasser und Schwert" zu arbeiten anfing, da begann das niederländische Trauerspiel." Erst allgemeine Bestürzung, sprachloses Erstarren, verhaltene Wuth in den Tiefen der Gemüther; darauf das Emporzüngeln der ersten Flammen: der Compromiß der Adeligen, die Ueberreichung der Bittschrift an die Regentin, die Gründung des Geusenbundes; und, indem die Bewegung dann von der Nobilität auf das Volk übersprang, die Feldpredigten des Sommers 1566, gleich darauf der von Antwerpen aus über das Land dahinbrausende Bildersturm. Und darauf dann zunächst Ruhe - die unheimliche Stille vor dem Gewitter →→ jene schwülen Monate, in welchen Spanien seine Streitkräfte sammelte, mit denen von Alba der vernichtende Schlag gegen die kirchlichen und politischen Freiheiten der Niederländer zugleich geführt werden sollte.

Während des Jahres 1566 wandten sich reformirte Gemeinden wiederholt an Friedrich III. mit der dringenden Bitte, sich im Verein mit andern. deutschen Fürsten bei der Statthalterin und den Herren der Regierung dafür zu verwenden, daß sie nicht ungehört gerichtet würden. Und Friedrich ließ es an sich nicht fehlen. Auf dem Reichstage von 1566 trat er mit Nachdruck für die evangelischen Brüder im Auslande ein. Aber wenngleich er zu Augsburg seine Glaubensgenossen dazu vermochte, sich einer „Generalcondemnation“ aller Evangelischen, die von dem Augsburger Bekenntniß abwichen, zu widersehen, so gelang es ihm doch bei seiner isolirten Stellung weder auf diesem noch auf dem Regensburger Reichstage des folgenden Jahres (1567), sie zu gemeinsamen Schritten bei der Gubernantin zu bewegen. Sie trugen eben Scheu, mit ihm, dem Calvinisten, gemeinsame Sache zu machen.

Indeß mehrten sich die Gerüchte von der Gründung eines großes päpstlichen Bundes zum Zwecke der Ausrottung aller evangelischen Keßerei, die zuerst schon bald nach dem Abschluß des Augsburger Religionsfriedens aufgetaucht waren und natürlich seit dem Abschluß des Tridentiner Concils und der beginnenden Bewegung in Frankreich und in den Niederlanden an Glaub würdigkeit bedeutend zunahmen. Was hier wie dort päpstischerseits geschah, erschien wie eine erste Ausführung dessen, worüber die Regentin Katharina von Medici mit ihrer Tochter, der spanischen Königin Elisabeth im Beisein des Herzogs von Alba jüngst (Juni 1565) in Bayonne übereingekommen Schon circulirten in den evangelischen Fürstenkreisen Deutschlands abschriftlich die Artikel einer großen „Verbundnus," die von dem Kaiser und dem Papst, von den Königen von Spanien und von Portugal, von den Herzogen von Baiern und von Savoyen zur Vernichtung aller Evangelischen abgeschlossen sei, und für die man auch den französischen König zu gewinnen hoffe. Es sollte zunächst die Niederlande gelten, dann auch Deutschland. Da sollte mit der Absetzung der Kurfürsten von der Pfalz und von Sachsen, an deren Stelle man Söhne des Kaisers zu erheben gedachte, der Anfang gemacht werden; die päpstliche Kirche sollte auch hier wieder aufgerichtet, die

« ZurückWeiter »