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Pfälzer Heform.

Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz war, ob er gleich in Folge der Abkehr seiner fürstlichen Genossen vereinsamt dastand, doch entschlossen, seinerseits an der Naumburger Akte festzuhalten und wenigstens für sein Land die mittlere und vermittelnde Richtung zu retten, die Melanchthon, ein Pfälzer von Geburt, der neuen Glaubenslehre gegeben hatte, und die unter seinem Vorgänger Ottheinrich in seinem Territorium zur Herrschaft gelangt war. Daneben aber machten sich in der Pfalz Einwirkungen der nahen Schweiz und Frankreichs geltend, und auch das strenge Lutherthum gewann einigen Anhang. Alle diese Strömungen liefen zunächst ruhig neben einander her, denn in jenen Jahren war die leidige theologische Händelsucht nach Süddeutschland noch so gut wie gar nicht vorgedrungen.

Das geschah erst, als der Kurfürst auf Melanchthons Empfehlung den Tilemann Heßhus als Pfarrer der Kirche zum heiligen Geist, Professor der Theologie und Generalsuperintendenten nach Heidelberg rief. Dieser junge (1527 geborne) Geistliche, der scheinbar der Richtung Melanchthons folgte, gehörte zu der Klasse jener damals so zahlreichen pfäffischen Zeloten, die es für ihren göttlichen Beruf ansahen, den Glaubensfrieden der Evangelischen zu zerstören. Er ist einer der Widerwärtigsten von ihnen, und man würde dem gelehrten Illyrier, dem es mit seinem Eifern heiliger Ernst war, zu nahe treten, wenn man ihn mit diesem Demagogen des Lutherthums auf eine Stufe stellte. Wohin er kam, gab es sofort Stänkerei und Zänkerei. Mit Schimpfreden und Bannflüchen fuhr er, der es mit Virtuosität verstand sich immer von neuem und immer wo anders in angesehene und einflußreiche Stellung zu bringen, um sich. Wenn man seinen Lebenslauf betrachtet, gewinnt es fast den Anschein, als ob rohe Brutalität dazumal eine empfehlenswerthe Eigenschaft eines Theologen gewesen wäre. Wie in Goslar und Rostock, so hat er auch in Magdeburg, in Wesel, in Jena gewirkt, hat das Bisthum Samland innegehabt und ist, überall Zwietracht säend und Haß erntend, als Helmstädter Professor gestorben.

Dieser Mann kam (1557), erst dreißig Jahr alt, nach Heidelberg und trat sofort mit kirchlichen Reformen im Geiste des strengen Lutherthums hervor, die hauptsächlich das Abendmahl betrafen. Es erhob sich unter den Geistlichen

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eine Opposition, an deren Spize Klebih trat, Diacon der Kirche zum heiligen Geist, also speziellster College von Heßhus, ein leidenschaftlicher, leicht erreg= barer Mann. Die Universität wurde in den ausbrechenden Hader hineingezogen, dem die Gehäßigkeit immer neue Nahrung gab. Daß die theologische Facultät (Februar 1559) den Groninger Gelehrten Stephan Sylvius, einen

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Anhänger der Lehre Calvins, promovirte, erregte Heßhusens höchsten Zorn. Er fuhr auf der Kanzel mit den gemeinsten Schimpfreden um sich: „die Heidelberger Doctoren seien kaum drei Heller werth; Zürich sei ein Esel mit sechs Bibeln auf dem Rücken" und dergleichen. Als Klebih, um als Baccalaureus in den Verband der Universität aufgenommen zu werden, Thesen aufstellte, welche die melanchthonische Abendmahlslehre vertheidigten, drohte Heßhus ihn von der Administrirung des Sakraments auszuschließen und wies von der Kanzel herab auf ihn als einen „Teufel und Arrianer." Wenn er predigte,

hallte die Kirche wieder von dem unfläthigsten Gepolter und den massivsten Flüchen gegen die Sectirer, wobei denn auch die Universität und der Magistrat ihr Theil bekamen; so daß einer seiner bisherigen Anhänger ihn öffentlich mit einer den Weinberg Gottes verwüstenden Sau verglich.

Als der neue Kurfürst Friedrich III. vom Augsburger Reichstage (von 1559) nach Heidelberg heimkehrte, war die Wirthschaft der Frommen im Lande so toll geworden, daß er allen Geistlichen bei Strafe der Amtsentseßung jedes weitere Gezänk verbot. Sie sollten lieber bestrebt sein, aus bösen Menschen gute Christen zu machen. Er befahl ihnen, sich beim Abendmahl der veränderten, freieren Fassung der Bekenntnißformel zu bedienen. Aber Heßhus schlug solchen Befehl in den Wind. Er war wüthend, daß sein neuer Herr nicht blindlings für ihn Partei nahm und fuhr, ein würdiges Vorbild seiner Trabanten, fort, auf der Kanzel zu toben. Die veränderte augsburgische Confession nannte er einen Stiefel und weiten Mantel, hinter welchem sich der Herr Christus und der Teufel bequem verbergen könnten. Er nahm den Kampf mit dem Kurfürsten selbst auf, warf ihm einmal in dem Vollgefühl pfäffischer Ueberlegenheit in der Kirche vor versammelter Gemeinde höhnisch die Frage hin: „Du willst mir das Maul zubinden?" und bewies den andächtig Versammelten, daß ihr Herr von dem wahren evangelischen Bekenntniß abgefallen sei.

Daneben fuhr er mit seinen Angriffen auf Klebig fort, verbot ihm jede Amtsverrichtung, that ihn sogar förmlich in den Bann. Worauf denn dieser troß seines dem Kurfürsten gegebenen Versprechens auch nicht schwieg und sich an dem Herrn Amtsbruder dadurch rächte, daß er ihm auflauerte und beim Austritt aus der Kirche auf offnem Markte über ihn herfiel.

Der Kurfürst wollte vor allem Ruhe im Lande haben. Dieses höchst unwürdige Theologengezänk, in das sich auch die übrigen Geistlichen einmischten, verpestete die ganze Atmosphäre. So machte er denn endlich kurzen Proceß und seßte Heßhus und in milderer Form Klebitz ab.

Heßhus wandte sich in andere Gegenden, um dort seine widerliche Rolle weiter zu spielen. Mit seiner Absetzung war der Versuch einer orthodoxlutherischen Umwälzung in der Pfalz gescheitert. Der Kurfürst gab den Befehl, daß in seinem Lande das Abendmahl nur noch in melanchthonischem Sinn gereicht werden sollte. Denn er stand fester und bestimmter als irgend ein anderer deutscher Fürst auf dem Boden der vermittelnden Lehre Melanchthons, in deren Annahme und Verbreitung er das beste Mittel sah, den kirchlichen. Frieden zu wahren.

Aber wir wissen schon, daß dieser gemäßigte und aufgeklärte Standpunkt dem orthodoxen Lutherthum auf das Höchste mißfiel. Theologische Pamphlete verkündeten, daß der Pfälzer Kurfürst sectirerische Neigungen hege. Heßhus, den es drängte, seine Wuth über seine Abseßung auszutoben, wetterte in Flugschriften über das Umsichgreifen der zwinglischen Lehre vom Abendmahl und stellte den Pfalzgrafen als Apostaten an den Pranger. Zum Jubel natürlich

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der Thüringer Theologen, die in diesen Ton einzustimmen eilten. Die Gegner blieben die Antwort nicht schuldig. Selbst Calvin und Beza griffen in die Polemik ein und Klebiz brach in seiner Broschüre Sieg der Wahrheit und Ruin des sächsischen Papstthums" eine Lanze für Friedrich III. und sein Vorgehen.

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Eine Disputation pfälzischer und thüringischer Theologen, die im Juni 1560 zu Heidelberg stattfand, trug nur dazu bei, den Kurfürsten in seiner Hinneigung zu der mittleren Glaubensrichtung und in seinem Verlangen, für sie einzutreten,

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Kurfürst Friedrich III., der Fromme," von der Pfalz.

Nach einem gleichzeitigen anonymen Gemälde in der Sammlung des Herrn Rechtsanwalts Mays in Heidelberg.

zu bestärken. Er hatte, wie wir sahen, die erhebende Genugthuung, ihr auf dem Naumburger Fürstentage zu einem glänzenden Siege zu verhelfen. Aber dann folgte jene Abkehr der soeben glücklich Geeinten von ihm und der von ihm vertretenen Richtung. Und das erst war es, was ihn weiter und in die Bahnen des Calvinismus trieb. Nicht als ob er, um sich nur in der Opposition halten zu können, gleichsam aus Nothwehr, das äußerste Extrem ergriff. Das ist es, was diesen Mann so bewundernswerth macht, daß er in einer Zeit, in welcher die Heiligkeit der Religion aus Unverstand oder Mißachtung

vielfach in den Schlamm des Parteigetriebes hinabgezogen wurde, in welcher sich die Fürsten von ihren Hoftheologen ihre religiöse Ueberzeugung vorschreiben ließen, nicht aufhörte, in Glaubensdingen nur der Stimme seines frommen und lauteren Herzens zu folgen, mit peinlichster Gewissenhaftigkeit sich in die confessionellen Controversen zu versenken und sich nach eigenem besten Wissen und Gewissen zu entscheiden. Da vermochte er denn weder die in dem ursprünglichen Bekenntniß der Protestanten enthaltene Auffassung vom Abendmahl zu theilen, weil sie „papistisch“ erscheine, noch die unbedingte Autorität Luthers anzuerkennen, weil auch er nur allmählich zur Wahrheit vorgedrungen und in der Abendmahlslehre hartnäckig auf seinem „papistischen" Standpunkt stehen geblieben sei. Zwar fuhr er fort, für sich die Zugehörigkeit zur augsburgischen Confession in Anspruch zu nehmen, aber nur soweit sie „aus dem Grund göttlicher, prophetischer und apostolischer Schrift gleich als aus einem lebenden Brunnen geschöpft sei;" auch hörte er nicht auf, die gewaltige Gestalt des Reformators-und die Größe seiner That zu bewundern, aber ohne einen Engel oder Propheten aus ihm zu machen, dem ohne Zeugniß des Wortes Gottes etwas zu glauben wäre, und der unter dem Gold und Edelgestein nicht auch etwas Holz und Stroh mit unterbaut hätte." Er war nunmehr durchdrungen davon, daß Luther die Erneuerung der Kirche im gereinigten Evangelium unvollendet hinterlassen habe, und daß seiner Zeit die Aufgabe vorbehalten. sei, sein Werk zu vollenden.

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An diese Aufgabe machte er sich mit dem ganzen Ernst seines gläubigen Herzens. Von wahrer und tiefer Religiosität erfüllt, erkannte er in ihr den Beruf seines Lebens. Er trat in nähere Beziehung zu Bullinger, Beza. und anderen Calvinisten und begann sich der reformirten Richtung mehr zuzuwenden, ohne doch gemeint zu sein, sich von dem gemäßigten Lutherthum zu trennen. Aber in dem calvinischen Lehrsystem entdeckte er, je mehr er sich in dasselbe versenkte, dessen Uebereinstimmung mit der Heiligen Schrift. Er sah die Reformirten nicht wie die Lutherischen in den Hauptlehren in Zwiespalt unter einander und ihre Abendmahlslehre fest und sicher der papistischen entgegen gesezt. Auch die calvinische Tendenz, die irdischen Verhältnisse mit der Glaubenslehre in Uebereinstimmung zu sehen, sagte seinem praktischen Sinn mehr zu, als die überwiegend contemplative Art des Lutherthums. Calvins strenge Kirchendisciplin entsprach ganz seinem sittlichen Standpunkt. Und nicht gemeint, den Zusammenhang mit den außerdeutschen Evangelischen aufzugeben, widerstrebte es ihm, mit den lutherischen Eiferern die Hugenotten nicht mehr als Glaubensgenossen anzuerkennen.

Kaum ein Jahr nach dem Naumburger Fürstentage begann Friedrich damit, die Kirche seines Landes im reformirten Sinne umzugestalten. Er erneuerte den Cult: die Bilder und Orgeln wurden aus den Kirchen entfernt, der Altar durch einen einfachen Tisch ersezt, der Abendmahlskelch mit einem gewöhnlichen Becher vertauscht, statt der Vertheilung der Hostie das wirkliche Brodbrechen eingeführt. Außendinge, von denen namentlich das lezte vielfach

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