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Ostsee zeigte. Der junge Ernestiner hat sich schon früher mit der Partei der Mißvergnügten unter dem fränkischen Adel eingelassen, die sich gleich ihm durch die bestehenden Verhältnisse beeinträchtigt und geschädigt erkannten, und hat hernach Hand in Hand mit ihnen dem Kaiser Maximilian, den auch persönliche Freundschaft mit Kurfürst August verband, Troz geboten. Selbst die Religion mußte ihm, der über Glaubensdinge persönlich nichts weniger als gleichgültig dachte, als Mittel zu diesem Zwecke dienen. Er brachte es fertig, in derselben Zeit, da er mit König Heinrich von Frankreich und den Guisen, den unerbittlichen Verfolgern der Hugenotten, gemeinsame Sache machte, sich auf den Vertheidiger und Vertreter des strengen. Lutherthums gegen alle Abweichungen hinauszuspielen. Der Grund davon lag auch hier nicht zum wenigsten in seiner systematisch betriebenen Oppositionsmacherei gegenüber dem Meißner Vetter, der sich zunächst in jener mittleren, melanchthonischen Glaubensrichtung hielt, in der sich die meisten hervorragenderen deutschen Fürsten bewegten.

Schon der verstorbene Johann Friedrich der Großmüthige, der „geborene Kurfürst," hatte den Plan gefaßt, gegenüber dem albertinisch gewordenen Wittenberg eine Landesuniversität in Jena zu errichten und sie zum Mittelpunkt des evangelischen Wesens zu machen: denn darauf wenigstens, daß in den ernestinischen Landen die eigentliche Hochschule des Protestantismus Liege, und daß die ernestinischen Fürsten seine eigentlichen Vertreter seien, wollte er nicht verzichten. Die ersten Schritte zur Gründung der Universität geschahen noch von ihm. Der Sohn vollendete das vom Vater begonnene Werk. Durchaus nicht in antimelanchthonischem Sinn, sondern nur in antialbertinischem war diese Gründung ursprünglich gedacht. Denn zunächst ging das Streben darauf, Melanchthon selber nach Jena zu ziehen, was denn freilich einer Auswanderung des gemäßigten philippistischen Geistes von Wittenberg gleichbedeutend gewesen wäre. Erst als Melanchthon den Ruf ablehnte, und damit der Versuch, Jena an die Stelle Wittenbergs zu seßen, gescheitert war, galt es, Jena zum Centralpunkt des theologischen Gegensazes zu Wittenberg zu machen. Das heißt, der dort festgewurzelten und von dort aus herrschenden aufgeklärten melanchthonischen Richtung gegenüber an der Saale eine feste Burg der lutherischen Orthodoxie zu errichten. Ueber die Wahl der rechten Vertreter dieser Richtung konnte Johann Friedrich nicht in Zweifel sein. Er berief (1557) neben andern wie Johann Wigand, Matthäus Judex, Simon Musäus, den Flacius aus Magdeburg, dessen Name bereits längst in aller Munde war. Auch sonst umgab er sich mit bewährten Gegnern Melanchthons und besezte die bedeutendsten Kanzeln seines Landes mit Flacianern.

So erstand, während rings umher in Deutschland die mittlere Richtung Melanchthons mehr und mehr das Uebergewicht gewann, im Thüringer Land die Citadelle des strengen Lutherthums, deren theologische Besaßung geübt war, in Vertheidigung wie im Angriff scharfe und verlehende Waffen zu führen.

Haltung der protestantischen Fürsten.

Die Selbstverstümmelung der evangelischen Partei im Reich begann unter Umständen, die ihre feste Geschlossenheit doppelt nothwendig erscheinen ließen. Noch war über ihr Verhältniß zu den Anhängern des Papstthums nichts entschieden, vielmehr in dem Reichstagsabschiede von 1555 „die Vergleichung der spaltigen Religion" gelegenerer Zeit vorbehalten worden. Die Thatsache, daß innerhalb eines Staatsverbandes mehrere Religionsgesellschaften zu gleichem Recht bestanden, war noch zu neu und ungewohnt, als daß man auf den Gedanken an die Möglichkeit ihrer Wiedervereinigung so schlechthin hätte verzichten können. Schon im voraufgehenden Jahrhundert hatte es populare Oppositionen innerhalb der alleinherrschenden Kirche gegeben; damals war durch allgemeine Kirchenversammlungen die Gefahr der Religionsspaltung aus dem Wege geräumt worden. Was hätte näher gelegen, als auch jezt die eingetretene Spaltung der Religion durch ein Concil zu heben!

Allein daran war unter den damaligen Verhältnissen nicht zu denken. Kurz vor dem Abschluß des Augsburger Religionsfriedens hatte (im Mai 1555) Johann Peter Caraffa unter dem Namen Paul IV. den päpstlichen Stuhl bestiegen, der unduldsamste, tyrannischste, grausamste Papst, den das Jahrhundert gesehen hat, der Wiederhersteller der Inquisition. Es kochte in ihm vor Wuth gegen alles Kezerthum und selbst gegen die freisinnigeren Regungen innerhalb der römischen Kirche ging er mit unerbittlicher Rücksichtslosigkeit vor. Dem Hause Habsburg stand er in Haß und Feindschaft gegen= über; er hat bis zu seinem Tode weder die Abdication Karls V. noch die Wahl Ferdinands I. anerkannt. In seinem Streben, die päpstliche Allgewaltwieder herzustellen, die römische Kirche wieder zur alleingeltenden zu machen, entwickelte er bei seinen achtzig Jahren das Feuer ungebändigter Jugendkraft. Wie hätte ein solcher Mann sich auf Bemühungen einlassen können, die einen Ausgleich zwischen der alten und neuen Lehre zum Ziel hatten, er, der die Anhänger dieser als Kezer verfolgt und vernichtet wissen wollte; wie hätte er auch nur dem von der römisch-katholischen Welt selbst laut ausgesprochenen allgemeinen Verlangen nach Reform der römischen Kirche durch ein allgemeines Concil entgegen kommen sollen, er, der wollte, daß nicht durch conciliare. Beschlüsse, sondern durch päpstliche Decretale die Christenheit regiert würde.

Es blieb somit, wenn anders König Ferdinand und die altgläubigen Stände des Reichs den Versuch eines kirchlichen Ausgleichs nicht bis nach

Droysen, Dreißigjähriger Krieg.

dem Tode Pauls IV. verschieben wollten, nichts anderes übrig, als den conciliaren Gedanken, den Ferdinand von Karl V. gleichsam geerbt hatte, fallen zu lassen. Und so kam es denn auf dem Regensburger Reichstage von 1557 zu dem Beschluß, die Vergleichung der Religionsparteien, die freilich „am ordentlichsten und richtigsten“ auf einem general-freien christlichen Concil" herbeigeführt würde, da zu einem solchen gegenwärtig keine Aussicht vorhanden sei, ähnlich wie das in den lezten Jahrzehnten wiederholt versucht worden war, durch ein Religionsgespräch anzubahnen, das am 24. August 1557 in Worms eröffnet werden sollte. Die eigentliche Entscheidung blieb dem Reichstage vorbehalten, dem die Resultate des Colloquiums zu unterbreiten wären. Ein bedeutsamer Schritt zur Loslösung der kirchlichen Interessen Deutschlands von dem römischen Einfluß! Wie zuvor der Religionsfriede, so sollte nun auch die religiöse Wiedervereinigung der deutschen Nation vom Reiche selbst, mit Umgehung des Papstes, durchgeführt werden. Das Reich wurde als befähigt und berechtigt angesehen, seine kirchlichen Verhältnisse für sich selbst und selbständig zu ordnen.

In einem anderen Punkte freilich gingen die Stände beider Confessionen auf diesem Reichstage weit auseinander, und schon das mußte die Möglichkeit des confessionellen Ausgleichs mehr als zweifelhaft erscheinen lassen. Die Evangelischen nämlich forderten schon jezt die Aufhebung des geistlichen Vorbehalts, die Römisch - Katholischen und noch entschiedener König Ferdinand lehnten diese Forderung ab, worauf dann jene erklärten, daß sie sich an den Vorbehalt nicht gebunden hielten.

Gegenüber den Haß und Zwietracht säenden evangelischen Theologen stand ein Kreis hervorragender evangelischer Fürsten, die von der Ueberzeugung durchdrungen waren, daß es der territorialen Zergliederung gegenüber doppelt nothwendig sei, die religiöse Einheit, die sie noch sämmtlich umschließe, zu erhalten und zu kräftigen. Sie erkannten, daß sie, wenn sie den RömischKatholischen gegenüber etwas erreichen wollten, geschlossen, als eine feste kirchlichpolitische Partei auftreten mußten. In dem Bewußtsein dieser Aufgabe lebten sie: sie fühlten sich im Gegensatz zu den Theologen, diesen Repräsentanten der evangelischen Meinungsverschiedenheiten, als die wahren Vertreter des protestantischen Einheitsgedankens.

Ende Juni 1557 fand sich eine Anzahl von ihnen, an ihrer Spize der Kurfürst Ottheinrich von der Pfalz, der Landgraf Philipp von Hessen und Herzog Christoph von Württemberg, in Frankfurt zusammen, um für das Wormser Colloquium eine gemeinsame Haltung zu verabreden. Man einigte sich auf der Grundlage der Heiligen Schrift und der augsburgischen Confession und faßte den Beschluß, bis zu einer später zu berufenden allgemeinen evangelischen Synode allen Streit unter den Glaubensverwandten ruhen zu lassen.

Flacius war über solches Vorgehen aufs höchste ergrimmt. Er sah in ihm einen Verrath an der Kirche. Das Licht werde dadurch zur Finsterniß gemacht. Er vermißte unter den zu Grunde gelegten Bekenntnißschriften die

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