Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

ständische Majorität für die Fortsetzung des Krieges und für die Gewährung neuer Unterstützungen entscheiden, so hatten die salzburgischen Gesandten Befehl, nur die geringe Summe von acht Römermonaten zu bewilligen.

Nach dieser Instruktion traten die Salzburger gegen die Fortseßung des Krieges und gegen die fernere Hülfsleistung des Reiches auf, und die meisten protestantischen Mitglieder des Fürstenraths, an ihrer Spize Pfalz-Lautern, schlossen sich an. Sie gingen noch einen Schritt über Salzburg hinaus, indem sie erklärten, daß überhaupt von neuen Bewilligungen nicht eher die Rede sein könne, als ihre Beschwerden abgestellt wären. Allein die von den papistischen Ständen gebildete Majorität stellte sich auf den Standpunkt der kaiserlichen Proposition, welche diese Beschwerden auf einen Deputationstag verwies und begann die Berathung über die Höhe der Türkenhülfe. Da erhob sich Salzburg mit der Erklärung: in Geldsachen gälten keine Majoritätsbeschlüsse; jeder sei nur in dem Maße seiner freiwilligen Erbietungen verpflichtet. Jubelnd traten ihr die Protestanten bei, und gaben ihr eine noch größere Ausdehnung, indem sie dasselbe Princip auch für Religionssachen in Anspruch nahmen. Auch in ihnen verpflichte die Mehrheit nicht.

Dagegen erklärte sich vor allem Bayern. Nur für Gewissenssachen erkannte es diesen Grundsatz an. Ebenso Desterreich. Und protestantischerseits wurde diese Auffassung von Kursachsen und Pfalz-Neuburg unterstüßt. Aber Salzburg und die von Lautern geführte Opposition bestanden auf ihrer Erklärung.

Die Wirkung ihres Widerstandes war, daß Matthias nicht die kaiserlichen Anträge aufrecht zu halten wagte, sondern sich befriedigt erklärte, wenn je 30 Monate oder an deren Statt 15 000 Mann zu Fuß und 5000 zu Roß auf drei, mindestens aber je 25 Monate auf vier Jahre bewilligt würden.

Mehr noch als das Auftreten der Protestanten, das immerhin erklärlich war, hatte bei den Papisten das ihres salzburgischen Glaubensgenossen böses Blut gemacht. Durch seine immer neuen Protestationen thue er dem gemeinen Werk großen Schaden, klagte Matthias. Sie sprachen es aus, daß „das Stift Salzburg durch sein Votiren den weltlichen Ständen zu widerseßlicher Nachfolge nit geringe Ursache gegeben."

Um so mehr überraschte es, daß der Erzbischof dann plößlich umschlug. Seine Gesandten mußten mit Gründen, die zum Theil sehr gesucht waren, ihr bisheriges Auftreten entschuldigen, und die Erklärung abgeben, daß sie hinfort mit der Majorität und mit Desterreich gehen würden. Allein diese Schwenkung machten die Pfälzer und ihre Genossen nicht mit. Vielmehr waren sie entschlossen, in der Stellung, zu der sie sich nun einmal, von Salzburg fortgerissen und unterstüßt, emporgerafft hatten, zu verharren. Bis zu vierzig Monaten waren die Evangelischen gegangen. Ihre Erklärung, daß sie über ihre Bewilligungen hinaus keine Verpflichtung anerkennten, wurde von seiten der papistischen Majorität einfach ignorirt. Das Ende war, daß die Mehrheit aller drei Collegien dem Kaiser sechzig Römermonate bewilligte, die auf die nächsten drei Jahre vertheilt werden sollten. Erzherzog Matthias erklärte sich mit

[blocks in formation]
[graphic]

Dominic. Cuftodis fcalptor Jins Celsitudini hamillime DD:a. j597.

Erzbischof Wolf Dietrich von Salzburg.

Facsimile des Kupferstiches von Dominicus Custodis (1560-1612).

dieser Leistung einverstanden, und so tam sie denn in den Reichsabschied (6. April), der zugleich die in der Zahlung fäumigen Stände mit der Acht und einer hohen Geldstrafe bedrohte.

Der kaiserlichen Proposition entsprechend wurde von der papistischen Majorität beschlossen, daß die Angelegenheiten, die auf dem leßten Reichstage unerledigt geblieben waren, abermals einem Deputationstage zur Entscheidung unterbreitet werden sollten. Die Pfälzer und im Anschluß an sie eine ganze Reihe evangelischer Stände hatten sich dagegen mit Nachdruck erhoben. Ein Deputationstag, auf dem nur ein Theil der Stände Siß und Stimme habe, sei kein Ersaß für den Reichstag, der von allen gebildet werde. Nur auf ihm dürften die allgemeinen Angelegenheiten zur Berathung kommen. Sie drangen darauf, daß das noch auf dem gegenwärtigen Reichstage geschehe. Andere verlangten wenigstens, daß binnen kurzem ein neuer Reichstag berufen werde. Sollte aber ein Deputationstag beschlossen werden, so forderten sie paritätische Zusammensetzung desselben. Allein sie drangen mit keiner dieser Forderungen durch. Und ebenso vergeblich suchten sie zu verhindern, daß der Deputationstag wieder mit einer außerordentlichen Visitation des Reichskammergerichts, und nunmehr auch ausdrücklich mit einer Revision seiner angefochtenen Entscheidungen betraut würde.

Den um Pfalz gescharten Evangelischen blieb nichts übrig, als sich gegen solche Beschlüsse, die nicht auf Vereinbarung beruhten, sondern nur den Willen der Majorität darstellten, zu protestiren. Es geschah, indem ihre Gesandten sofort dem Erzherzoge eine schriftliche Verwahrung einhändigten, und indem sie hernach (im August) selber ein Schreiben an den Kaiser sandten: Solche Ueberstimmung in betreff dieser Hülfe, die er selber als eine freiwillige Leistung bezeichnet habe, sei der deutschen Freiheit zuwider, beschwere sie und ihre Unterthanen weit über Vermögen und würde ihnen bei der Nachkommenschaft zu beständigem Vorwurf gereichen. Die allgemeine Noth der Christenheit und sonderlich des Vaterlands liege ihnen am Herzen, und deshalb seien sie nicht gemeint, den Kaiser zu verlassen. Aber sie könnten über ihre bereits gethanen ansehnlichen Bewilligungen hinaus unmöglich ein mehreres thun, würden sich auch, wenn dergleichen vom Fiskal gefordert werden sollte, in nichts einlassen, noch zugeben, daß man sie unter dem Vorwande einer durch Stimmenmehrheit geschehenen Bewilligung weiter beschwere. Wie sie denn den Reichsabschied in den bemerkten Punkten nur so weit, als ihre eignen Bewilligungen gingen, für fie bindend halten könnten. Dazu hielten sie sich für um so mehr berechtigt, als sie sich nicht die geringste Hoffnung machen könnten, eine Minderung geschweige denn eine gänzliche Abhülfe ihrer Beschwerden zu sehen.

Ein ganz anderes Gesicht als die beiden voraufgehenden zeigte dieser Reichstag. Die Frage nach der Reichsstandschaft der Administratoren, die vordem so viel Staub aufgewirbelt hatte, beschäftigte ihn nicht mehr. Sie war, wenn auch wieder nur für den einzelnen Fall, im Vorwege entschieden, und wieder im Interesse der papistischen Partei. Aber die Gefahr, daß sich diese Einzelfälle mehr und mehr zu dem von ihr verfochtenen Princip verdichteten, wuchs mit jedem neuen Fall. Der Schwerpunkt dieses Reichstages ruht darin, daß der Grundsaß, der sich bisher nur gelegentlich und schüchtern vorgewagt

Bedeutung des Reichstages von 1598.

411

hatte, daß in Geld- und Religionssachen die Minderheit nicht an die Beschlüsse der Mehrheit gebunden sei, jezt zum ersten Mal vor versammeltem Kaiser und Reich laut und entschieden verkündet wurde. Es war ein radicales Mittel, zu dem Pfalz und seine evangelischen Genossen griffen; es verstieß gegen die überlieferten Einrichtungen des Reiches, es rüttelte an den Grundquadern seiner Einheit. Aber ihre Gegner, der Kaiser an der Spiße, waren daran, auf diese Einrichtungen gestüßt, sie rücksichtslos zu majorisiren. Die Pflicht der Selbsterhaltung erheischte es von ihnen, daß sie sich gegen Verfassungsformen auflehnten, die, von einem durch seine Ueberzahl mächtigeren Gegner zu seinem Vortheil verwandt, sie um ihre großen Errungenschaften der lezten Epoche, ja um ihre politische Existenz zu bringen drohten. Was bedeutete diese ganze Verfassung noch, sobald sie nicht mehr allen Theilen gleichmäßig zu gute kam; was dieser Religionsfriede, sobald er nicht mehr alle Theile gleichmäßig band; was das Reichsrecht, sobald es nur im Interesse des einen Theils functionirte? Das Reich mußte in ein neues Model" gegossen werden. Und wenn das nicht geschah : nun dann mochten, dann mußten die Schwerter aus der Scheide fahren.

[ocr errors]

"

Der Vierklosterstreit und die Reichshofrathṣmandate.

Gleich nach dem Schlusse des Reichstages erhob der Kaiser die Hand zu einem Schlage, den er bisher immer noch gescheut hatte. Nachdem all' seine Mandate, durch die er seit dem Reichstage von 1582 bemüht gewesen war, die Alleinherrschaft des Papismus in Aachen herzustellen, an der festen Haltung der Bürgerschaft und der Verwendung der evangelischen Reichsstädte gescheitert waren, erklärte er am 30. Juni 1598 die Stadt in Acht und beauftragte den Kurfürsten Ernst von Köln, den der Kurfürst von Trier, der Herzog von Jülich und der Erzherzog Albrecht, der belgische Statthalter, dabei unterstützen sollten, mit ihrer Vollstreckung. Nun rückte jülichsches und spanisches Kriegsvolk heran; kurkölnische Commissäre erschienen in ihren Mauern. So war denn rasch der Wandel vollzogen: der protestantische Rath abgeseßt, die vertriebenen altkirchlichen Rathsherren, Geistlichen und Bürger zurückgeführt, alle Aemter durch Papisten besezt; mit einem Wort, die ganze Stadt zum Papismus zurückgezwungen, und so mitten im Frieden ein Act der Vergewaltigung vollzogen, der offenbarte, weß man sich protestantischerseits des weiteren von seinen Glaubensgegnern zu versehen hätte.

Kein Zweifel, daß dieses Unternehmen, wodurch die die Straße von Belgien zum Rhein beherrschende Position in die Gewalt der Papisten gelangte, mit dem großen Wandel der westeuropäischen Verhältnisse, der mit dem Frieden von Vervins einseßte, in Zusammenhang stand. Mit ihm, der im Mai 1598 abgeschlossen wurde, trat Frankreich vom Kampfe zurück. Den Holländern fehlte hinfort dieser wichtige Bundesgenosse gegen die spanische Uebermacht, die nun um so kühner zu neuen Unternehmungen ausgreifen konnte. Den Rhein hinauf waren seit diesem Friedensabschlusse die evangelischen Reichsstände in größter Sorge, daß Spanien sich nun mit verdoppelter Macht auf die Niederlande werfen und zugleich mit größerem Ernst daran gehen werde, sich auch in die deutschen Verhältnisse einzumischen. In Heinrich IV. hatten sie ihren natürlichen Beschüßer gegen die von Spanien drohenden Gefahren gesehen, hatten mit ihm wiederholt um Hülfeleistung und Bündniß verhandelt. Jezt trat er, der erst kürzlich das Bekenntniß gewechselt hatte, bei Seite: und eben jezt entstand eine neue Gefahr.

An der Spize eines mehr als 20000 Mann starken spanischen Heeres, das vielen Troß mit sich führte, brach im Herbst 1598 Franz Mendoza, Admiral

« ZurückWeiter »