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Collegien (denen der Kurfürsten und der Fürsten) begnügten die Evangelischen sich damit, daß in dem Bericht an den Kaiser bescheidentlich an die Abstellung ihrer Beschwerden erinnert wurde.

Als man aber dann der Frage über die Höhe der Steuer näher trat, begann ein widerliches Feilschen, denn der Kaiser konnte nicht Geld genug bekommen, und die Stände auch die papistischen mochten nicht den

Säckel zu weit öffnen.

Mitten in diesem Schacher erneuerte sich der Kampf um den geistlichen Vorbehalt.

Als die magdeburgischen Gesandten darauf verzichteten, an den Verhandlungen des Reichstages theil zu nehmen, thaten sie es unter der Bedingung, daß ihrem Herrn die Entscheidung vorbehalten bliebe.

Kaiser Rudolf hatte sich deshalb beeilt, den Reichshofrath Freiherrn von Schleinig zum Administrator Joachim Friedrich zu schicken, um ihn zu bewegen, definitiv auf die Session zu verzichten. Der aber wollte davon nichts wissen. Er ertheilte seinen Gesandten ,,einen ernstlichen Verweis," daß sie in der Sessionssache, statt seinem Befehle zu folgen, nachgegeben hätten, und wies sie an, auch wenn die Entscheidung des Kaisers, dem gegebenen Versprechen zuwider, während des Reichstages nicht erfolge, dennoch die Session zu nehmen.

Dem entsprechend erschien der Kanzler Dr. Meckbach, der erste unter den magdeburgischen Gesandten, am 3. (13.) Juli, als gerade die Collegien sich versammelten, um die Triplik des Kaisers auf ihr letztes Angebot betreffs der Türkenhülfe entgegenzunehmen, im Versammlungszimmer der Fürsten, trat dann mit diesen in den Hauptsaal ein, wo die Kurfürsten bereits ihre Pläße eingenommen hatten, und setzte sich neben den Bischof von Würzburg. Sofort forderte der Erzbischof von Salzburg ihn mit lauter Stimme auf, sich zu entfernen, da ihm keine Session gebühre. Meckbach weigerte sich; es kam zu einem heftigen Wortwechsel. Endlich faßte der aufgeregte Bischof ihn am Mantel, um ihn von seinem Size zu ziehen. Doch dann besann er sich, erklärte, nicht neben ihm sizen zu wollen und forderte seine Glaubensgenossen auf, mit ihm den Saal zu verlassen. Da Meckbach sich auch dadurch nicht einschüchtern ließ, erhoben sich, auf nochmalige Aufforderung des Erzbischofs, die geistlichen Kurfürsten und alle übrigen Papisten und gingen unter Protest gegen die Gültigkeit der Session, und ohne der Bitte Meckbachs um Gehör zu achten, hinaus. Der Administrator von Sachsen schloß sich an. Doch da seine Räthe nicht folgten, kehrte er etwas verdrießlich" in den Saal zurück.

Die Papisten aber ließen sich zur Rückkehr von den zurückgebliebenen Evangelischen nicht bewegen, die denn nach mehrstündigem vergeblichen Verhandeln mit jenen endlich gleichfalls heimgingen.

Nun stockten die Berathungen; die Sizungen hörten völlig auf. Die Auflösung des Reichstages, dessen Eröffnung schon so große Schwierigkeit verursacht hatte, schien bevorzustehen.

Vergleich über die Session Magdeburgs.

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Allein es zu diesem Aeußersten kommen zu lassen, waren die magdeburgischen Gesandten von ihrem Herrn nicht ermächtigt. Sie ließen sich mit dem Kaiser in Unterhandlung ein. Der fand ihre Erbietungen unannehmbar. Aber er wünschte doch die Mißhelligkeit" zu beseitigen und beschloß das, wie er es ursprünglich geplant hatte, durch ein Decret zu thun. Die papistischen Stände freilich wollten selbst von der geringsten Nachgiebigkeit des Kaisers und von irgend welchen Verhandlungen mit den Magdeburgern nichts wissen. Die Folge würde nur sein, daß auch die anderen evangelischen Administratoren mit dem gleichen Begehren kämen und so die höchst schädliche Freistellung, deren man sich bisher mit so schwerer Mühe erwehrt, in kurzer Zeit allerorten im Reich eingeführt und damit der Anfang zum Untergang der wahren, alleinseligmachenden katholischen Religion und zur Ausrottung aller Katholischen im ganzen Reiche gemacht werden würde." Das Verlangen der Magdeburger gehe gegen den Religionsfrieden, deshalb müsse der Kaiser „einen rechten kaiserlichen Ernst gebrauchen“ und sie zwingen, sich ihres unbefugten Beginnens zu enthalten." Die Enragirtesten unter ihnen, wie namentlich der Kurfürst Ernst von Köln, sprachen sogar davon, daß der Kaiser, wenn kein anderes Mittel verfinge, den magdeburgischen Kanzler gefangen sehen müsse. Daß der Kaiser die Magdeburger nicht unbedingt abwies, erbitterte sie. Sie ereiferten sich über seine „Lauheit in Religions- und Gewissenssachen,“ über seine Heuchelei." Das Decret, dessen Entwurf er ihnen übersandte, fanden sie der katholischen Religion und dem Religionsfrieden ganz nachtheilig und präjudicirlich." Sie waren entschlossen, „das Aeußerste vor die Hand zu nehmen. und Protest zu erheben, falls der Kaiser den Magdeburgern seinem Eidschwur und dem Religionsfrieden zuwider das Geringste einräumen würde." Und der Bayernherzog Wilhelm beschwor in einem eigenhändigen Schreiben den Kaiser, ,,den unverschämten und vermessenen Knechten des Teufels nichts wider den Religionsfrieden zu bewilligen."

Troß dieser enragirten Haltung der ihm glaubensverwandten Stände traf der Kaiser ein Abkommen mit den Magdeburgern. Sie erklärten sich bereit, sich der Session Jhrer Kaiserlichen Majestät zu unterthänigten Ehren und Gefallen, auch damit in vorstehender großer Türkengefahr dem gemeinen. Wesen und Reichsversammlung keine Ungelegenheit verursacht würde, bei diesem währenden Reichstage, doch auf Ratification, zu enthalten." Dagegen erklärte der Kaiser, daß diese Sessionsenthaltung weder „dem Primat und Erzbisthum Magdeburg an seinem Stand, Rechten und Gerechtigkeiten," noch dem Administrator an seinen Prätensionen - tam in petitorio quam possessorio-nachtheilig sein sollte." Er schied also zwischen dem Erzstift und dessen gegenwärtigem Besizer. Daß dieses nach wie vor im Besiz der Reichsstandschaft sein und bleiben solle, war außer Frage und vom Kaiser selber schon vordem dadurch bewiesen, daß er das Capitel, obschon es ganz protestantisch war, zum Reichstage geladen hatte. Jest gab er die ausdrückliche Erklärung, daß der gegenwärtige Verzicht auf die Session die Reichsstandschaft des Erzstifts überhaupt nicht beeinträchtigen.

solle. Hingegen war die Reichsstandschaft des Markgrafen Joachim Friedrich, als gegenwärtigen Inhabers des Erzstifts, Gegenstand des Streites. Er selber behauptete, zu ihr berechtigt zu sein und sie bereits früher unbestritten ausgeübt zu haben. Daß der Kaiser so wenig wie die papistischen Stände diese Ansicht theilte, bewies er schon dadurch, daß er ihn weder als Bischof noch als Administrator, sondern nur als Inhaber des Erzstifts" titulirte, worüber die Magdeburger sich schon früher beschwert hatten. Aber während die papistischen Stände verlangten, daß ihm seine Ansprüche auf die Reichsstandschaft ein für allemal rundweg abgesprochen würden," ließ Rudolf die ganze Frage in der Schwebe und sagte nur, daß der diesmalige Verzicht des Administrators auf die Session seinen Prätensionen gegenüber von keinen Consequenzen sein solle. Alles, was er ihm zugestand, war die seinem Decret zum Schluß angefügte Phrase: er wolle,,mit allem Fleiß daran sein, daß dies Wesen baldigst (,,unvorlengig") zu endlicher Richtigkeit gebracht werden möge.“

Endgültig entschieden war also diese brennende Frage jezt so wenig wie auf dem Reichstage von 1582. Aber jezt zum zweiten Male war der Administrator in dem einzelnen Falle gewichen. Seine Gesandten waren, wie die Parteigenossen urtheilten,,,mit großem Schimpf von ihrem stattlich angefangenen Vornehmen abgestanden."

Nachdem Magdeburg verzichtet hatte, nahm der Reichstag die Verhandlungen wieder auf. Die evangelischen Administratoren betheiligten sich nicht mehr an ihnen. Jezt wurden die Berathungen über die Türkenhülfe zu Ende geführt. Eine Summe, höher als jemals zuvor achtzig Römermonate, d. h. etwa fünf Millionen Gulden zahlbar in den nächsten sechs Jahren (bis 1600), wurden dem Kaiser bewilligt. Er hätte gern noch mehr erhalten, doch erklärte er sich zufrieden gestellt. Der evangelischen Beschwerden war sowohl in der Quadruplik der beiden oberen Stände als auch in der Schlußschrift des Kaisers nur in allgemeinen Wendungen gedacht; und nur die Reichsstädte blieben fest auf ihrem Standpunkte, nichts zu bewilligen, wenn nicht den Beschwerden noch auf dem gegenwärtigen Reichstage abgeholfen würde. Allein die beiden oberen Collegien lehnten es ab, die Erklärung der Reichsstädte ihrer Quadruplik einzuverleiben, und der Kaiser nahm, da die Städte ihm dieselbe nun in einer besondern Schrift überreichten, keine Rücksicht auf sie. Er fand, daß der Bürgerstand an die Beschlüsse der beiden oberen Stände gebunden sei.

So hatte Rudolf denn erreicht, um was allein es ihm zu thun gewesen war. Zwar kam noch der zweite Punkt seiner Vorlage, der die Handhabung des Landfriedens und die Vermittlung des Friedens zwischen Holland und Spanien betraf, zur Erledigung. Aber damit war seine Geduld zu Ende. Er sehnte sich hinweg, und auch die Stände, des kostspieligen Lebens in Regensburg überdrüssig, mochten nicht länger verweilen. Viele waren bereits abgereist, andere rüsteten zur Abreise. Daher wurde beliebt, daß das Justizwesen und die übrigen Punkte der Proposition, namentlich auch die Revision

Reichstagsschluß.

395 der Reichsmatrikel, die voraussichtlich zu langen Verhandlungen geführt hätten, auf einen im Juli 1595 zu eröffnenden Deputationstag verschoben werden sollten. Und jezt stimmten auch die Evangelischen dem bei, obschon sie es nicht durchzusetzen vermochten, daß derselbe gleichmäßig aus Anhängern der neuen und der alten Lehre zusammengesezt werde. Auch standen sie von ihrer Forderung ab, daß die ordentlichen Visitationen des Reichskammergerichts wieder in Gang gebracht würden und fügten sich dem Majoritätsbeschluß, daß der Deputationstag eine außerordentliche Visitation desselben vornehmen solle.

Am 9. (19.) August 1594 wurde der Reichstag geschlossen.

Für die Evangelischen bedeutete er eine neue Niederlage. Ihre Partei in sich gespalten, ihren Beschwerden nicht abgeholfen, Magdeburg und die übrigen evangelischen Administratoren von der Session ferngehalten, die paritätische Vertretung am Deputationstage abgelehnt, eine außerordentliche Kammergerichtsvisitation durch denselben beschlossen. Doch aber war die definitive Entscheidung der Frage, um die es sich vor allem handelte, wieder nicht erfolgt. Sie war von neuem vertagt, aber nicht gelöst.

Speirer Deputationstag von 1595.

Dem in Regensburg beschlossenen Deputationstage waren Aufgaben zugedacht, die dem Reichstage zukamen, aber von ihm bei Seite gelassen waren. Gewann er somit die Wichtigkeit eines solchen, so war es doch kaum anders möglich, als daß sich auch der dort herrschende Unfrieden auf ihn übertrug. Für die Evangelischen aber lagen die Verhältnisse hier noch ungünstiger als auf dem Reichstage. Denn bildeten sie schon auf diesem die Minorität, so zählten die Papisten unter den zwanzig Ständen, die dem Herkommen nach zu den Deputirten gehörten, doppelt so viel Anhänger als sie. Es war also vorauszusehen, daß sie in allen Fällen überstimmt wurden und somit nur die Wahl hatten, sich den Beschlüssen der Majorität zu fügen, oder dieselben nicht anzuerkennen.

Als nach mehr denn dreiwöchentlicher Verzögerung die vorbereitenden Verhandlungen der von den Kreisen nach Speier entsandten Bevollmächtigten über die Reichsmatrikel ihren Anfang nahmen, bei welchen Verhandlungen es sich um die „Moderation" der zu hoch eingeschäßten Stände handelte, die dann für die Mitglieder der Reichsdeputation die Unterlage bildete, erschien, von seinem Herrn entsandt, Kanzler Meckbach, um an ihnen theil zu nehmen. Die Papisten waren nicht gewillt, ihm die Theilnahme zu gestatten. Der Administrator von Magdeburg sei auf dem letzten Reichstage ausgeschlossen worden, und diese Versammlung sei nur ein Anhang zu ihm. Ließe man ihn zu, so würde man in der Sessionsfrage der endgültigen Entscheidung, die dem Kaiser und den Ständen vorbehalten bleiben müsse, vorgreifen. Meckbach, von seinen Confessionsverwandten unterstüßt, protestirte. Die Sessionsenthaltung seines Herrn auf dem leßten Reichstage dürfe nicht angezogen werden, denn der Kaiser habe ausdrücklich erklärt, daß sie seinen Ansprüchen keinen Eintrag thun solle. Sein Herr habe sich in den 28 Jahren seiner Regierung als ein vom niedersächsischen Kreise von Alters her ordentlich deputirter Stand wiederholt an Moderationstagen betheiligt. Er habe den rechtlichen Anspruch, und der Ausschuß der deputirten Stände sei nicht in der Lage, ihn desselben zu berauben. Die Papisten ließen sich nur zu dem Zugeständniß herbei, daß durch die Verzichtleistung Meckbachs auf seine Betheiligung den Ansprüchen seines Herrn kein Eintrag geschehen solle. Darauf ging der Kanzler nicht ein. Vielmehr erschien er in der nächsten Sizung und behauptete,

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