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Die Stadt Straßburg stand auf des Brandenburgers Seite. Als ein Lothringischer Trompeter mit dem gedruckten Mandat erschien, in welchem der Cardinal die Besizergreifung des Hochstifts verkündigte, duldete der Magistrat nicht, daß er es an den Thoren affichire: er möge es an den lichten Galgen heften, da sei Plaß genug.

Die Straßburger hatten ein kleines Corps auf den Beinen, das sie dem Brandenburger zur Verfügung stellten. Auch eine Anzahl markgräflich brandenburgisch-ansbachischer Truppen stand für ihn in Bereitschaft. Mit ihnen sezte er sich in den Besit einer Anzahl der in den Händen seiner Gegner befindlichen festen Pläße des Stiftes.

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Johann Georg, Kurfürst von Brandenburg.

Emaillirtes und mit Edelsteinen beseztes Medaillon von 1597. Originalgröße. Berlin, tönigl. Münzkabinet.

bot sich die glänzendste Gelegenheit, die die Freistellung ihre Partei jüngst am

Niederrhein erlitten hatte, wett zu machen, indem sie mit doppeltem Nachdruck für die Sache des ihnen glaubensverwandten Bischofs von Straßburg eintraten. Sie hatten um so mehr Veranlassung dazu, als sie

vor die Wahl gestellt waren, entweder selber eine hochbedeutsame Position am Rhein zu gewinnen, oder es anzusehen, daß sie in die Hände der Papisten und unter ligistischspanischen Einfluß gerieth.

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Allein auch diesmal hielten die kläglichsten Beweggründe sie tief unter der Höhe solcher Aufgabe. Kursachsen, dessen Politik glücklich wieder in dem breiten Bette des Reichspatriotismus schwamm, durfte es nicht mit dem Kaiser und den Papisten verderben; Kurpfalz war seit Johann Casimirs Tod ohne Initiative; Würtemberg mochte sich nicht in eine Angelegenheit mischen, bei welcher der Calvinismus im Spiele war. Vor allem für Kurbrandenburg hätte es nahe gelegen, einzuspringen. Galt es doch, den Enkel des Kurfürsten in seinem neuen Besize zu schüßen. Aber Johann Georg, von ängstlicherem Zartgefühl als vordem Herzog Wilhelm von Bayern, da es sich um seines Bruders Ernst Stellung in Köln handelte, scheute den Vorwurf, einem Vortheil seines Hauses zuliebe zur Zerrüttung des Reiches beigetragen zu haben. So hielten sich die Glaubensverwandten in der Heimath von dem fünfzehnjährigen Bischof fern, nur der Fürst Christian von Anhalt sprang ihm bei. Eben als der Stiftskrieg begonnen hatte, kam er, von König Heinrich IV. abgedankt, mit einem kleinen Rest von 2-300 Reitern auf dem Rückwege

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in die Heimath durch jene Gegend, stellte sich dem Administrator zur Verfügung und übernahm das Commando über dessen Streitkräfte, die etwa 8000 Mann betrugen.

Aber auch sein Rivale sah sich vergebens nach kräftigem Beistand um. Denn so wenig wie die evangelischen Stände mochten die papistischen Holz zum Feuer tragen, und die Truppen des Herzogs von Lothringen wurden von den Franzosen unter Turenne festgehalten und besiegt. Kaiser Rudolf aber gefiel sich darin, seine mattherzige Rolle weiter zu spielen. Wenn er sich gleich von Anfang an auf die Seite der papistischen Domherren gestellt hatte, so stiegen ihm doch Bedenken auf, das wichtige Stift an einen Fremdländer gelangen zu lassen und damit diese rheinischen Gebiete in die französischen Kämpfe zu verwickeln. Auch fürchtete er für die Interessen seines Hauses in den vorderösterreichischen Landen, wenn ein Lothringer die einflußreiche Stellung eines Straßburger Bischofs inne hatte. Und endlich trug er Sorge, sich durch offene Parteinahme für die Papisten die Unterstützung der Evangelischen in dem soeben wieder ausgebrochenen Türkenkriege zu verscherzen. So ver zichtete er denn darauf, aus kaiserlicher Machtvollkommenheit das entscheidende Wort zu sprechen und legte sich auf das Vermitteln. Er befahl bei Strafe der Acht Waffenruhe, und berief eine gleiche Anzahl papistischer und protestantischer Fürsten zu einer Commission, die den Streit der Parteien in der Güte schlichten und bis das geschehe, die Verwaltung des Stifts in ihre Hand nehmen sollte.

Einer „Nebencommission“, die ihr vorausging, gelang es (im Februar 1593) zwischen den beiden Prätendenten einen Stillstand aufzurichten, in welchem sie sich bereit erklärten, die Waffen niederzulegen und sich der Entscheidung der kaiserlichen „Hauptcommission“ zu unterwerfen. Auch wollten sie ihr, sobald sie wegen der Einkünfte eine Vereinbarung erzielt habe, die von ihnen eingenommenen stiftischen Gebiete, die vorläufig in ihren Händen blieben, abtreten, über welche die Commission dann den Sequester übernehmen würde.

Ein Abkommen, von welchem die enragirten Ultramontanen wenig erbaut waren. Am wenigsten Herzog Wilhelm von Bayern, der es ablehnte, für die Beobachtung des Vertrags von seiten des Lothringers Bürgschaft zu leisten, vielmehr verlangte, daß der Kaiser denselben als rechtmäßigen Bischof anerkenne. Denn den Protestanten gelte es bei dem ganzen Handel nur, die langgesuchte Freistellung durchzuseßen. Er aber habe als eifriger Beförderer der katholischen Wahrheit stets widerrathen, was der katholischen Religion zum Nachtheil gereichen könne. Deshalb protestire er gegen den Straßburger Vertrag, der den Protestanten, wenn auch nur einstweilen, den Besitz von Kirchengut und die Ausübung ihres Bekenntnisses gestatte. Würde es doch ein seltsames Ansehen haben, wenn er, der im Kölner Kriege so schwere Opfer gebracht, jezt diesen Vertrag freiwillig guthieße. Und Papst Clemens VII. billigte durchaus diese Weigerung des Wittelsbachers. Jener schmähliche

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Vertrag" so äußerte er- „öffne den Kezern den Weg zur Vernichtung der heiligen Religion im ganzen Reich." Er forderte ihn auf, ihm die Mittel und Wege an die Hand zu geben, die Kirche vor den gewaltsamen Anmaßungen der Brandenburger zu retten, die ganz Deutschland zu bedrängen wagen würden, wenn man es zulasse, daß sie sich so weit von ihrer Heimath fremden Besizes bemächtigten. Denn die Macht und die Wuth dieses unheilvollen Hauses, das der Kirche schon so große Niederlagen bereitet habe, werde sich immer mehr steigern.

Als aber dann die Hauptcommission zusammentrat, scheiterten die Verhandlungen schon in den Anfängen, und die beiden Bischöfe standen nach wie vor mit gezücktem Schwert einander gegenüber.

Gegensburger Heichstag von 1594.

Der Kampf um den geistlichen Vorbehalt hatte nun bereits drei Phasen durchlaufen, aber immer war er bisher localisirt geblieben. Um das Erzstift Magdeburg, dann um das Erzstift Köln und das Hochstift Straßburg war er geführt worden. Nur in Köln hatten die Papisten bisher einen entscheidenden Sieg erfochten.

Jezt aber nahte die Zeit, wo sie sich nicht mehr mit solchen Unternehmungen auf einzelne Positionen begnügten, sondern den Kampf auf der ganzen Linie eröffneten. Sie schritten zum Angriff auf die Gesammtheit der protestantischen Bisthumsinhaber. Das ist die Bedeutung des Reichstags von 1594.

Jahr um Jahr war vergangen, ohne daß Kaiser Rudolf sich hatte entschließen mögen, einen neuen Reichstag zu berufen, obschon die zunehmenden Wirrnisse es dringend forderten. Stand er doch vielmehr in Sorge, daß wenn das Reich beisammen sei, die Gegensäße nicht sowohl ausgeglichen als noch mehr verschärft werden würden. Nicht sie bildeten den Anlaß, daß er sich endlich doch dazu herbeiließ, sondern, wie 1582, wieder die Verlegenheiten, in die er und seine Erblande durch die Türken versezt wurden. Die ihm von den Reichsständen damals auf fünf Jahre bewilligte Türkensteuer lief 1587 zu Ende. Aber die Gefahr vor den Türken blieb, denn ohne Rücksicht auf den Stillstand, der 1574 abgeschlossen und dann mehrfach zuleht 1591 auf acht Jahre verlängert worden war, unternahmen sie immer neue Einfälle in die habsburgischen Territorien. Namentlich seit (1590) zwischen der Pforte und Persien ein Friede zu stande gekommen, und seit der Albanese Sinan, der fanatischste Christenfeind, zum Großwesir ernannt war. Die Einbrüche des bosnischen Pascha Hassan erschienen als das Vorspiel eines neuen Türkenkrieges, dessen Ausbruch man schon im Herbst 1592 erwartete. Schon damals erscholl jeden Morgen in den österreichischen Städten auf kaiserliche Verordnung Glockengeläut, das die Einwohner ermahnte, das Gebet um Abwendung der Türkengefahr zu verrichten.

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Bei dem Stande seiner Finanzen war der Kaiser auf fremde Hülfe angewiesen, um die ausreichenden Streitkräste an der Grenze aufzustellen, das nöthige Kriegsgeräth zu beschaffen und die Festungen in Vertheidigungszustand zu sehen. Er wandte sich mit seinem Gesuch an den Papst, an Spanien, an

Droysen, Treißigjähriger Krieg.

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die Staaten Italiens; auch an die einzelnen Kreise des Reichs. Diese jedoch zeigten wenig Neigung zu einer Beisteuer, die gegen das Herkommen im Reich verstieß und keine Gleichmäßigkeit der Belastung garantirte.

Als aber seinen Bemühungen, den Frieden zu erhalten, zum Troß im Sommer 1593 auf das Drängen Sinans die Kriegserklärung Sultan Murads III. erfolgte, da sah er sich doch in die Nothwendigkeit versezt, den Reichstag um sich zu versammeln.

Das Ausschreiben erfolgte am 10. Januar 1594 (n. St.) auf den 7. (17) April nach Regensburg. Die Türkengefahr war in ihm ganz in den Vordergrund gestellt und ins einzelne ausgemalt. Was für Erfolge der Sultan davongetragen; wie er für das nächste Frühjahr „zu einem noch mächtigeren Feldzuge dies- und jenseits Constantinopel aus Asia und Europa einen größeren Haufen sammt einer gewaltigen Menge der unmenschlichen Tartaren aufgeboten habe, in der Meinung, nicht allein den noch übrigen geringen Theil der ganz abgematteten ungarischen und angrenzenden österreichischen Länder unter sein viehisches Joch zu beugen, sondern auch nach Erreichung seiner Absicht, Wiens, der Hauptstadt von Desterreich, welche Sinan Pascha nicht unbillig das Thor zu Deutschland nenne, sich zu bemächtigen, alsdann mit Heereskraft in das Herz Deutschlands einzudringen und nach seiner blutgierigen Hoffnung die ganze Christenheit zu Grunde zu richten.“ Es war ein Appell an die alte abendländische Türkenfurcht; ein Aufruf zur vereinigten, opfermuthigen Abwehr des Erbfeindes der Christenheit.

Wie aber hätte es die Evangelischen nicht mit Besorgniß erfüllen müssen, daß das Ausschreiben eine Abhülfe all' der Beeinträchtigungen auf religiösem Gebiet, über die sie sich zu beschweren und wiederholt beschwert hatten, mit keinem Wort in Aussicht stellte. Und wie hätte es anders sein können, als daß die Kürze des für den Reichstagsbeginn bestimmten Termins ihnen den Argwohn erweckte, daß es gelte, ihnen die Gelegenheit voraufgehender Verständigung abzuschneiden. Lag darin nicht eine zwiefache Mahnung für sie, auf der Hut zu sein und zusammenzutreten, um auf dem Reichstage geschlossen für ihre Interessen einzustehen?

Auch diesmal wieder, wie schon vor früheren Reichstagen, war Kurpfalz von der Aufgabe durchdrungen, die Glaubensverwandten in dem Entschluß zu einigen, die Beschwerden, die sie alle gleichmäßig zu erheben hatten, an den Reichstag zu bringen und die Bewilligung der Türkensteuer von ihrer Abhülfe abhängig zu machen. Aber die meisten standen zu sehr unter dem Bann dieser der ganzen Christenheit drohenden Gefahr, als daß sie sich hätten entschließen mögen, dem Hülferuf des Kaisers gegenüber mit unerschütterlichem Troß auf ihren Forderungen zu beharren und sich damit dem Vorwurf auszusehen, das Reich an den Erbfeind der Christenheit verrathen zu haben. Kursachsen aber und die ihm anhingen, würden es auch ohnedem nicht über sich vermocht haben, einen Plan ausführen zu helfen, der von Kurpfalz ausging. So kam es, daß die Versammlung, die sich auf Kurfürst Friedrichs An

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