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Versammlung der Evangelischen zu Torgau (Anfang 1591). 371

immer feindseliger zuspißten, waren der zu Plauen und zu Cassel getroffenen Abrede gemäß die dort beisammen gewesenen Fürsten bemüht, ihre fürstlichen Genossen für die bewaffnete Unterstüßung Heinrichs IV. und die im plauenschen Abschiede bezeichneten zugleich für den evangelischen Sonderbund zu gewinnen. Und nachdem sie sämmtlich, wenn auch unter mancherlei Bedenken und Widersprüchen, ihre Zustimmung gegeben hatten, lud der Kurfürst von Sachsen sie (am 20. Dezember 1590) auf Ende Januar 1591 nach Torgau.

Es fanden sich Gesandte der drei evangelischen Kurfürsten ein, dazu von den Brandenburgern in Ansbach und in Magdeburg, von den drei hessischen Landgrafen von Braunschweig-Wolfenbüttel und Mecklenburg.

Nur die Gesandten des alten, streng lutherischen Herzog Ulrich von Mecklenburg-Güstrow machten Schwierigkeiten. Stand er doch noch ganz auf dem Standpunkte, den er 1561 auf dem Naumburger Fürstentage eingenommen hatte, wo er neben Johann Friedrich dem Mittleren den Abschied zu unterschreiben ablehnte, weil nicht die Calvinisten und andere Frrgläubige ausdrücklich in ihm verdammt wären. Seine Gesandten erklärten, daß ihr Herr sich nur einer Verbindung, in der keiner einer anderen kirchlichen Richtung angehöre, anschließen könne. Und auch dann nur, wenn der Bund keine großen Kosten verursache, und sich deshalb nur auf den Schuß gegen kirchliche Uebergriffe beschränke. Da die anderen auf solche Forderungen keine Rücksicht nahmen, reisten die Mecklenburger aus Torgau ab.

Zwischen den Zurückbleibenden aber war sehr rasch in den beiden Angelegenheiten, die auf der Tagesordnung standen, eine Verständigung erzielt.

Es kam zu einer vorläufigen Einigung der Gesandten über ein deutschprotestantisches Bündniß und dessen Verfassung. Dasselbe sollte fünfzehn Jahre lang währen, doch wurde alsbald seine Verlängerung in Aussicht genommen. Die Mitglieder sollten sich gegenseitig gegen widerrechtliche Gewalt schüßen, und zwar nicht nur in ihrem Besiz, sondern auch in ihren Anwartschaften. Der definitive Abschluß der von ihnen entworfenen Union aber sollte bei ihren Herren liegen und von der Beitrittserklärung weiterer evangelischer Stände abhängig sein.

Auch in betreff der französischen Hülfe entsprach, was man beschloß, der vorausgegangenen pfälzisch-kursächsischen Abrede. Man kam in der Errichtung eines deutschen Heeres unter einem deutschen Fürsten überein, und zwar dachten die meisten an Christian von Anhalt. Man bestimmte den Geldbeitrag, den jeder einzelne Theilnehmer beizusteuern habe. Die Bestimmung über die Stärke des Heeres sowie die Wahl des Oberbefehlshabers machte man von weiteren Verhandlungen mit Frankreich abhängig.

Die Torgauer Beschlüsse, wenngleich mit schwerwiegenden Vorbehalten gefaßt, waren ein bedeutsamer Schritt vorwärts: das Resultat der endlich erreichten Einigkeit der Protestanten unter Johann Casimir und Christian I. und das Zeichen der Gemeinsamkeit ihrer Interessen.

Kurz nach dem Torgauer Abschied erschien Herr von Turenne als französischer

Gesandter in Dresden. Er war vorher in England gewesen, wo die Königin ihm ein Hülfscorps und einen beträchtlichen Geldzuschuß für die deutsche Werbung versprochen hatte; von da war er nach den Niederlanden gegangen, wo ihm Prinz Moriz 2000 Mann versprach, mit der Verpflichtung, deren Besoldung für zwei Monate zu übernehmen. In Dresden nun trat er mit Anhalt über den Oberbefehl in Verhandlung. Anhalt erklärte sich ohne Langes Zögern zur Uebernahme desselben bereit. Größere Schwierigkeit hatte es, für das Corps, das aus etwa 8000 Mann Infanterie und 6000 Mann Cavallerie bestehen sollte, die nöthigen Gelder flüssig zu machen. Die in Torgau in Aussicht genommenen Beiträge hätten kaum für die Anwerbung und den ersten Monatssold ausgereicht. Deshalb bemühten sich die fürstlichen Unterzeichner des Torgauer Abschiedes sowie Christian von Anhalt und Turenne an den protestantischen Höfen um weitere Beiträge. Allein sie fanden nur wenig Entgegen= kommen. Bald bildete die Armuth, bald die Sparsamkeit, bald die Scheu vor der Einmischung in die große Politik den Entschuldigunsgrund. Endlich aber war doch eine ausreichende Summe beisammen und im Juni 1591 konnten die Truppen angeworben, im August bei Hochheim gemustert werden. Dann überschritten sie den Rhein, zogen durch Lothringen nach Frankreich, um hier, von Heinrich IV. fast ganz ohne Sold gelassen, eine ebenso entbehrungsvolle als ruhmlose Rolle zu spielen, bis sie dreiviertel Jahr nach ihrem Einmarsch (im Juli 1592) von ihm abgedankt und für den rückständigen Sold mit Schuldverschreibungen abgespeist wurden, von deren Einlösung niemals die Rede war.

Noch trostloser gestaltete sich das Schicksal des andern Torgauer Beschlusses. Im August 1591, als das evangelische Hülfscorps im Aufbruch war, hatten nicht nur alle in Torgau vertreten gewesenen Fürsten außer Mecklenburg und Braunschweig-Wolfenbüttel, sondern auch eine ganze Anzahl anderer, die Ernestiner, Braunschweig-Grubenhagen, Zweibrücken und Baden-Durlach ihren Beitritt zu der Union erklärt; und Kurfürst Christian, der die Leitung der Verhandlungen führte, dachte nur noch auf die Beitrittserklärungen von Neuburg, Würtemberg und Braunschweig-Wolfenbüttel zu warten, um dann, ohne weiter auf den starrköpfigen Mecklenburger Rücksicht zu nehmen, zum definitiven Abschluß des Bundes zu schreiten. Allein sie zeigten, namentlich aus religiösen Gründen wenig Neigung zum Beitritt, so daß Kurfürst Christian gegen Johann Casimir in die Klage ausbrach, er sehe wohl, daß eine solche Verbindung nie zu stande kommen werde, es würden denn die Protestanten durch die höchste Noth dazu gezwungen.

Möglich jedoch, daß ihre Bedenken mit der Zeit überwunden worden wären. Allein eben jezt, wo das Heer des protestantischen Deutschlands in Frankreich einmarschirte, und der Abschluß einer deutsch-protestantischen Union in das Bereich der Möglichkeit gerückt schien, traten mehrere Todesfälle ein, die offenbarten, wie dieser ganze Aufschwung der evangelischen Partei nur an ein paar Persönlichkeiten geknüpft gewesen war.

Neue Spaltung unter den Evangelischen.

2m 25. September (5. Oktober) 1591 starb Kurfürst Christian von Sachsen im Alter von einunddreißig Jahren.

Sein Tod war ein unermeßlicher Verlust für die unionistische Partei, deren Seele er neben Johann Casimir gewesen war, nachdem er sich einmal entschlossen hatte, ihr zuzugehören. Und nicht minder wurde sein Tod für Sachsen verhängnißvoll. Denn die Vormundschaft über den achtjährigen Kurprinzen Christian (II.) und dessen jüngere Geschwister kam zugleich mit der Regentschaft an das verwandte Haus der Ernestiner und zwar an den Herzog Friedrich Wilhelm, den nachmaligen Stifter der altenburgischen Linie, seinen nächsten Agnaten. Zwar hatte der verstorbene Kurfürst, um den Einfluß des streng lutherischen Herzogs abzuschwächen, den Kurfürsten von Brandenburg den Großvater des Thronerben mütterlicherseits, zum Mitvormund bestellt. Allein seine Absicht wurde vereitelt, denn die beiden Vormünder verglichen sich dahin, daß der Herzog die Verwaltung des Landes allein führen und nur in wichtigen Fällen den Rath des Kurfürsten einholen sollte.

Damit gab es einen neuen Beleg für den Unsegen des Cujus regio ejus religio. Natürlich, daß alle streng lutherischen und conservativen Elemente, die über die kirchliche Haltung und über die äußere Poltik des verstorbenen Kurfürsten und seines allmächtigen Kanzlers voll verhaltenen Grolls waren, den ihnen gesinnungsverwandten Administrator mit lebhafter Freude begrüßten. Sie sahen den Tag der Rache gekommen. Die altadligen Landstände, die der starke Arm Crells bei Seite geschoben und niedergehalten hatte, wurden aus einer Oppositionspartei die Partei der Regierung und spornten den Administrator an, mit der ganzen Crellschen Wirthschaft aufzuräumen. Und so unternahm. er es denn, die gesammte kursächsische Politik wieder auf die Grundsäße Kurfürst Augusts zu stellen.

Das erste Opfer dieses jähen Umschlags war der Kanzler Crell selber, den der Administrator auf das Drängen des landständischen Adels schon im Oktober 1591, am Tage vor dem feierlichen Leichenbegängniß seines verstorbenen kurfürstlichen Gönners, plößlich verhaften und in Anklagezustand versezen ließ. An seiner Statt rückte wieder David Pfeifer in die Kanzlerwürde ein.

Ueberhaupt kehrten nun all' die von Crell vertriebenen Geistlichen, Polycarp Leyser, Aegidius Hunnius, Martin Mirus, Georg Mylius, wieder

in ihre alten Stellen zurück, während die in jener abgethanen kurzen freisinnigen Epoche Angestellten, wie die Hofprediger Salmuth und Steinbach, Superintendent Pierius in Wittenberg, Dr. Gundermann in Leipzig, sich der

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rücksichtslosesten Behandlung ausgesezt sahen. Vielfach war mit ihrer Entlassung ihre Gefangenseßung verbun= den. In so jähem Wechsel verlief das Schicksal der damaligen überzeugungsstarren Theologen.

Natürlich, daß die Concordien= formel jest wieder zu hohen Ehren kam. Es wurde eine allgemeine Kirchenvisitation ange

ordnet und eine Reihe von Artikeln entworfen, die ganz auf je nem Canon des Lutherthums fußten und die calvinischen Lehren verdammten. geistlichen

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und weltlichen Beamten mußten fie unterschreiben, wer sich weigerte, wurde abgesezt und Lan

des verwiesen. Zwar lautete die Weisung, daß glimpflich verfahren und zunächst das Mittel gütlicher Belehrung versucht werden sollte. Allein das war nur Phrase: es wurde mit unerhörter Strenge vorgegangen; mit leidenschaft

Johann Casimirs Tod.

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licher Erbitterung gegen das verfluchte und verdammte calvinische Seelengift" gewüthet; in Leipzig sogar der Thurmknopf der Nicolaikirche nach calvinischen Schriften durchsucht. Und der lutherische Pöbel ersah jede Gelegenheit, wo er sich in rohen Tumulten gegen alles, was calvinisch war, ergehen konnte.

Dem kirchlichen Umschwung ging der politische zur Seite. Dem Verlangen der Stände entsprechend brach der Administrator jede Verbindung mit den Pfälzern ab und richtete sein Streben darauf, wieder freundschaftliche Beziehungen zu den papistischen Reichsständen und zu dem habsburgischen Kaiserhause anzuknüpfen.

Der alte albertinische Reichspatriotismus und das orthodoxe Lutherthum standen in dem Kurstaat wie über Nacht in neuer Blüthe.

Der Tod des ernestinischen Administrators (1601) brachte keine Aenderung, denn der junge albertinische Kurfürst Christian II., der nun die selbständige Regierung antrat, „das fromme Herz", steuerte denselben Kurs. Seine erste Regierungshandlung war, daß er den Kanzler Crell, der während eines zehnjährigen skandalösen Processes wie ein gemeiner Verbrecher in elendem Kerker geschmachtet hatte, aufs Schaffot brachte. Als auf dem Marktplag zu Dresden, in Gegenwart der Kurfürstin Sophie sein Haupt fiel, rief der Scharfrichter aus: „Das war ein calvinischer Streich; seine Teufelsgesellen mögen sich wohl vorsehen, denn man schont allhier keinen.“

Mit diesem Justizmord war die Trennung der sächsischen und pfälzischen Politik besiegelt.

Auch jest wieder folgte eine ganze Reihe evangelischer Stände, Kurbrandenburg voran, dem leuchtenden Beispiel der lutherischen Vormacht. Andere aber, die sich mit Eifer für den Abschluß der Union bemüht hatten, erkannten sie nunmehr für aussichtslos und zogen die Hand von dem Werke zurück.

Nur Johann Casimir arbeitete immer noch an ihrem Zustandekommen. Erst als selbst Landgraf Wilhelm von Hessen und Markgraf Georg Friedrich von Baden auszuweichen begannen, erkannte er die Aussichtslosigkeit seines Beginnens. In dem schmerzlichen Gefühl, die Aufgabe seines Lebens nicht erfüllt zu haben, brach er zusammen. Am 16. Januar 1592 schloß er die Augen.

Mit ihm verlor die evangelische Partei ihre eigentlich schöpferische und vorwärtstreibende Kraft. Wie Großes hätte sie erreichen können, wenn sie sich seinem Rath und seiner Führung willig anvertraute, opferbereit all' ihre Kraft daran sezte, seine Ideen zu verwirklichen. Aber Zaghaftigkeit, Bedenken, Eifersucht, Rivalität verhinderte, daß dem einsichtigen Rath des einzelnen die entschlossene That aller auf dem Fuße folgte. Um seine Pläne allein zu verwirklichen, war die Macht, über die er verfügte, zu gering. Und da seine Mitstände zögerten, ihm ihre Macht zur Verfügung zu stellen, blieb es ihm versagt, zu dem Heldenthum der That emporzusteigen. Die Unzulänglichkeit nicht der Einsicht und des Entschlusses, aber der Mittel und der Macht, dieses traurige Verhängniß so manches deutschen Fürsten jener Jahrhunderte, war auch der Fluch dieses gut evangelisch und patriotisch gesinnten, weit

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