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schweig-Wolfenbüttel, Philipp Sigismund, der sich zur gereinigten Lehre bekannte und bereits Bischof von Verden war, zu seinem Nachfolger gewählt.

Ebenso blieb das Erzstift Bremen auch nach Heinrichs Tod dem Papismus verloren. Der einzige Wandel, der hier eintrat, war, daß an die Stelle des sachsen-lauenburgischen Fürstenhauses die holstein-gottorpische Seitenlinie des dänischen Königsgeschlechtes rückte, indem der zehnjährige Herzog Johann Adolf zum Administrator gewählt wurde, dem bald darauf auch das Lübecker Bisthum zufiel.

In Minden endlich trat der protestantisch gesinnte Herzog Heinrich Julius von Braunschweig, weil er sich vermählen wollte, zurück. Da das Capitel sich über seinen Nachfolger nicht zu einigen vermochte, übertrug Erzbischof Ernst als Metropolitan von Minden (1587) dem papistischen Grafen Anton von Schaumburg das Bisthum.

So waren denn bald nach der Kölner Entscheidung alle westfälischen Stifter mit Ausnahme von Osnabrück und Verden in papistischen Händen, und das Haus Wittelsbach behauptete nicht nur seine gewonnene Stellung im Norden, sondern verstärkte sie noch weiter. Als Erzbischof Ernst (1612) starb, folgte ihm in Köln und in Lüttich wie in Münster und Hildesheim sein Neffe Ferdinand, ein Sohn Herzog Wilhelms V. Und nach Dietrich von Fürstenbergs Tod (1618) gewann Ferdinand auch Paderborn. Später, inmitten der Wirrnisse des dreißigjährigen Kriegs, kamen Osnabrück (1625), Minden (1629) und, wenn auch nur vorübergehend, Verden (1630) an Franz Wilhelm, Grafen von Wartenburg, auch einen Neffen des Erzbischofs Ernst: so daß es also eine Zeit gab, in welcher sämmtliche westfälische Bisthümer mitsammt dem Erzbisthum Köln ein förmliches Bischofsreich wittelsbachischer Hand befanden.

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Weitere Erfolge des Ultramontanişmuş.

Nicht nur das Schicksal Nordwestdeutschlands hing an der Kölner Katastrophe: auch auf den deutschen Süden übte sie einen verhängnißvollen Einfluß aus. Das restaurative System, das sich bisher vorsichtig zurückgehalten hatte, begann sich jezt mit plöglicher Energie über das Reich zu verbreiten. Jezt fand das zunächst vereinzelt gebliebene Beispiel, das Abt Balthasar in Fulda, Erzbischof Daniel von Mainz auf dem Eichsfeld gegeben hatte, in anderen geistlichen Gebieten Nachahmung.

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Der Würzburger Bischof Julius Echter von Mespelbronn eröffnete den Reigen dieser restaurationswüthigen Kirchenfürsten. Jesuiten waren es gewesen, die im Collegium Romanum seinen Bildungsgang beeinflußt, und sich dann für seine Wahl besonders bemüht hatten. Ihnen, die schon seit dem Anfang der sechziger Jahre in Würzburg ansässig waren, schloß sich der junge Bischof aufs engste an. Doch hielt er sich das erste Jahrzehnt seiner Regierung vorsichtig zurück, aus Scheu vor dem Widerstand seiner evangelischen Ritterschaft und seines jesuitenfeindlichen Domcapitels. Er vermied es, in seiner Diöcese gegen die neue Lehre angriffsweise vorzugehen, beschränkte sich vielmehr darauf, die alte zu begünstigen und zu stärken und die einen dereinstigen Angriff vorbereitenden Maßregeln zu treffen. Die Hauptsache in dieser Beziehung war die Gründung der neuen Universität - im Januar 1582 als einer Pflanzschule künftiger Priester und Seelsorger." In ihr, die als streng altkirchliches, ganz unter jesuitischen Einfluß gestelltes Institut errichtet wurde, erhielt die ultramontane Propaganda im Würzburgischen die wirksamste Angriffswaffe. Und als nun bald darauf die Entscheidung in Köln fiel, begann sie ihre Arbeit. Bischof Julius leitete fie in eigener Person, bedient von dem Eifer seiner frommen Patres. Noch im Jahre 1584 unternahm er eine Visitation sämmtlicher Kirchen seines Hochstifts. Von Jesuiten begleitet durchzog er das Land, wies die evangelischen Prediger aus und berief Jesuitenzöglinge an ihre Stelle; desgleichen entfernte er alle Beamte, die sich weigerten, zur Messe zu gehen und ersetzte sie durch zuverlässige Papisten. Ja, jedem evangelischen Unterthan wurde nur die Wahl zwischen Uebertritt und Auswanderung gelassen. So wurde nach dem Vorbilde von Fulda jezt hier im Würzburgischen die Declaration König Ferdinands einfach mit Füßen getreten. Vergebens erhoben die protestantischen

Nachbarfürsten Einsprache. Jesuiten bearbeiteten mit ihren Belehrungskünsten die Menge; unter ihnen jener Pater Gerhard Weller, in dem das Volk „den bösen Geist mit einem Bocksfuß“ sah. Ein paar Jahre weiter und die Arbeit war der Hauptsache nach beendet. Der größte Theil der Bevölkerung hatte sich gefügt: das Stift war von allem evangelischen Wesen so gut wie völlig gesäubert. Es folgte das leichtere Stück Arbeit: die Wiederbelebung des altkirchlichen Sinnes. Auch da entwickelten die Jesuiten ihre erprobte Virtuofität. Der ganze lockende und blendende Apparat von Wallfahrten, Processionen, frommen Brüderschaften, Gnadenbildern, Wunderwerken, Muttergottesandachten u. s. w. kam zur Verwendung. Mit päpstlicher Erlaubniß bezog Bischof Julius aus allen Himmelsgegenden Reliquien, deren Cult mit jenem raffinirten Pomp in Scene gesezt wurde, der seines Eindrucks auf die blöden Gemüther der Massen nie verfehlte. Die Klöster wurden neu bevölkert, neue Pfarreien errichtet, neue Kirchen - man giebt ihre Zahl auf 300 angebaut. In Rom war man über solche Leistungen in freudigstem Erstaunen und kargte nicht mit Worten der bewundernden Anerkennung.

Bischof Ernst von Mengersdorf, Julius Echters geistlicher Nachbar in Bamberg (von 1583-1591), stellte es sich zur Aufgabe, solchem leuchtenden Vorbilde zu folgen.

Eben jezt (1582) erhielten durch die Freigebigkeit der Fugger die Jesuiten zu Augsburg ein Collegium. Ein paar Jahre später (1585) wurde von dem augsburgischen Bischof an der Universität Dillingen ein päpstliches Seminar geründet, und bald galten die Dillinger Jesuiten den Evangelischen als die „allergefährlichsten im Reich." Auch in dieser Diöcese war die nächste Folge der jesuitischen Ansiedelung das Vorgehen gegen die evangelischen Einwohner, und auch diesmal bildete wieder die Ausweisung der evangelischen Prediger den ersten Act.

In Salzburg residirte seit 1580 der Erzbischof Georg von Khuenburg; seit 1587 der junge Wolf Dietrich von Reichenau: beide, gleichwie Bischof Urban, ihr geistlicher Genosse in Passau, Fanatiker der römischen Restauration. Namentlich das Vorgehen Wolf Dietrichs war von einer Brutalität, die zu einer ersten „salzburgischen Emigration" führte: denn die meisten Bürger seiner Hauptstadt zogen das Elend der Verbannung dem Abfall von ihrem Glauben vor und verließen ihre schöne Heimath, welcher der Erzbischof ein ganz römisches Ansehen zu geben bemüht war.

Aehnlich war es in den meisten anderen geistlichen Gebieten bestellt. Zwar trat wohl hier und da, wie in Bamberg und Salzburg unter schwankenden Nachfolgern ein Stillstand, wohl gar ein Rückschritt in der restauratorischen Bewegung ein. Aber das war nur vorübergehend. Und wenn in einzelnen dieser Gebiete die Bewegung erst später einsette, so war sie doch zu Ende des Jahrhunderts allgemein im Gange und vielerorts bereits glänzend durchgeführt.

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Indeß reifte Bayern unter Herzog Wilhelm V. immer mehr zum Hort des Ultramontanismus heran. Das Land stand ganz unter dem Einfluß der Jesuiten, die in dem Landesherrn einen Zögling besaßen, den sie zu ihren begeistertsten Verehrern rechnen durften. Wie er sie denn häufig an seine Tafel zog, an der er ihnen den Ehrenplaß einräumte; ihnen die Ueberwachung der Erziehung seiner Kinder anvertraute; aus ihrer Mitte seinen Hofprediger und Beichtvater wählte. Er gab seinem ganzen Leben einen jesuitischen Zuschnitt. Täglich eine Stunde war den geistlichen Betrachtungen gewidmet, vier Stunden dem auf den Knieen verrichteten Gebet. Mit der Lectüre ultramontaner Schriftsteller wurde alle freie Zeit ausgefüllt. E3 verging keine Woche, in der er nicht beichtete und communicirte. Mit größtem Eifer betheiligte er sich an Processionen und Wallfahrten, und machte, in rauhes Gewand gekleidet, die härtesten Bußübungen durch. In kostspieligen Beweisen seiner Verehrung für die frommen Väter konnte er sich kein Genüge thun. Er stiftete ihnen zu ihren Collegien in München und Ingolstadt neue zu Regensburg und Altötting, baute ihnen in München ihre erste Kirche, die Michaeliskirche (1582), und einen glänzenden Palast, bereicherte sie mit immer neuen Dotationen und Stiftungen. Er war der Erste, der dem Loyola einen Altar errichtete. Ueberhaupt scheute er keine Ausgabe, wo es kirchlichen Zwecken galt. Und bei seiner Prachtliebe und seinem Kunstsinn einem Erbtheil seines Hauses waren es ungeheure Summen, die seine Kirchenbauten, seine Reliquieneinkäufe, seine Weihgeschenke verschlangen; Summen, die das Land, das er von seinem Vater tief verschuldet überkommen hatte, finanziell noch weiter herunter brachten. Allein was fragte sein bigotter Sinn danach. Wenn nur sein Bayerland zum Paradiese des Ultramontanismus wurde.

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Denn dem Ultramontanismus hatte er sich ganz geweiht, und die Wiederherstellung der alten Kirche, die Vernichtung der neuen bildete den Mittelpunkt all' seines Strebens. Wir wissen bereits, wie er seinen Bruder Ernst drängte, sich um das Erzstift Köln zu bewerben und den Kampf für das Papstthum dort aufzunehmen, und wie er ihn dabei troß seiner Schulden nach Kräften unterstüßte. Auch sonst trat er für die kirchliche Restauration in fremden Ländern mit fanatischem Eifer ein: er half in Eichstädt und Augsburg die Wahl gutpapistischer Bischöfe betreiben; er ermuthigte den Würzburger Bischof in seinem Vorgehen gegen die Keßerei, und feuerte den Bamberger an, dessen Beispiel zu folgen. Er drang in seinen Schwager, den Erzherzog Karl, die Restauration in Niederösterreich zu beginnen. Er sezte die Bemühungen seines Vaters um die Erweiterung der Landsberger Vereinigung zu einem papistischen Bündniß fort. Nach allen Seiten hin correspondirte er im Interesse der Propaganda. Und wenn er unausgesezt bemüht war, seinem eignen Hause immer neuen geistlichen Besiß zu verschaffen und auf seine jüngeren Söhne immer neue Pfründen zu häufen, so trieb ihn dazu freilich zunächst wohl die Sorge um seine Familie, und das Verlangen nach

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