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Bedeutung der Kölner Fehde.

337 entbrannt; hier feierte dieses Princip zum ersten Mal einen glänzenden Sieg. Wäre der von seiten des Protestantismus unternommene Versuch, in diesen gegen seine weitere Ausbreitung vor einem Menschenalter zu Augsburg errichteten Wall Bresche zu legen, gelungen, so würde der Bestand des Papismus im Reich überhaupt ernstlich gefährdet gewesen sein. Denn was in Köln geglückt war, hätte auch in anderen geistlichen Gebieten Aussicht auf Erfolg gehabt. Wie denn bereits mancher geistliche Reichsstand nicht ungeneigt schien das Beispiel Gebhards, falls es glückte, nachzuahmen. Eben diese principielle Seite der Angelegenheit wurde in beiden Lagern besonders stark empfunden. Die Evangelischen hatten in ihren schriftlichen Erörterungen immer von neuem betont, daß in Köln ihr Gesammtinteresse auf dem Spiele stände, und daß, wenn die Gegner dort Sieger blieben, andere von ihnen an die Reihe kommen würden. Hingegen sahen die Papisten voraus, daß die Evangelischen, in Köln siegreich, wie Herzog Wilhelm sagte, „alle anderen Erz- und Stifter profaniren und fressen würden." Oder, wie der kaiserliche Rath Dr. Gail sich äußerte: „Die Protestanten gehen mit dem Gedanken um, wie man per indirectum ein Loch in den Religionsfrieden machen und also den Vorbehalt der Geistlichen umstoßen und die Freistellung einführen, und per consequens catholicismum gar ausrotten möchte; das ist der textus cum glossa."

Um so auffälliger erscheint es, daß die ganze Angelegenheit localifirt blieb.

Der Kaiser stand zwar ganz auf seiten des Kölner Capitels und untersagte voller Entrüstung jede bewaffnete Einmischung zu gunsten Gebhards. Er vertrat mit Emphase die Gültigkeit des geistlichen Vorbehalts. Aber er ließ es bei einer verschwenderischen Fülle von Legationen, Episteln und Mandaten bewenden und zeigte nirgends die Entschlossenheit, nun auch seiner Meinung und seinem Willen rücksichtslos Geltung zu verschaffen. Er überließ die Initiative ganz dem Papst und begab sich, indem er sich ihm unterordnete und seine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Reichs gut hieß, ganz der Autorität, die zu behaupten seine kaiserliche Pflicht gewesen wäre. Er sank von der ihm gebührenden superioren Stellung völlig auf einen nicht einmal mit Energie behaupteten Parteistandpunkt herab. Und Herzog Wilhelm von Bayern hatte völlig recht zu klagen: „Man hat zu Hof den Brauch, man will allewegen warten, bis das Wasser ins Maul läuft.“

Nicht minder schlaff aber wie das Haupt zeigten sich die Glieder des Reichs. Die Reichskreise, deren Aufgabe und Pflicht es nach der Executionsordnung gewesen wäre, einem solchen Bruch des inneren Friedens entgegenzutreten, wurden durch den confessionellen Zwiespalt ihrer Angehörigen lahm gelegt, von denen die evangelischen es mit dem Erzbischof, die papistischen es mit dem Capitel hielten. Aber indem sie so an die Stelle ihrer Verpflichtung, das Interesse des Reichs zu wahren, Parteiinteressen seßten, scheuten sie sich doch, für diese mit Entschlossenheit einzutreten. Kurfürst August und die große Schaar seiner lutherischen Anhänger nahm eine Haltung ein, welche

Dropfen, Dreißigjähriger Krieg.

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man als besonders correkt, als reichspatriotisch ausgab, und die doch dem Reiche keinen Nußen und ihrer Confession den größten Schaden brachte. Kurfürst Ludwig mit seinem Anhang aber, der das Interesse der Partei in den Vordergrund stellte, warf zu rasch die Flinte ins Korn. Was wollte da das Einschreiten Johann Casimirs sagen? Es blieb ein wirkungsloses Intermezzo.

Wenn der Kaiser und die deutschen Papisten mit ihren Glaubensgegnern an Thatenlosigkeit wetteiferten, so wurde das durch das Eingreifen der beiden ultramontanen Mächte Europas und des mit ihnen verbundenen Bayernherzogs reichlichst aufgewogen. Dieser namentlich entwickelte einen Eifer, der den bayrischen Kanzler Wimpfeling zu den Worten begeisterte: „Die ganze Erhaltung unseres echt christlich-katholischen Glaubens und des heiligen Reichs meiste Wohlfahrt beruht in dieser Zeit auf dem hochlöblichen christlich-eifrigen bayrischen Blut."

Wo aber dem Papst, Spanien und Bayern gegenüber sich kaum eine Hand rührte, war der Sieg des Ultramontanismus von vornherein so gut wie entschieden. Fürwahr, an diesen Mächten lag es nicht, daß um Köln nicht ein europäischer Krieg entbrannte, sondern an den Mächten des Widerstandes. Daß die deutschen Evangelischen, obschon sie wußten, was alles für fie auf dem Spiele stand, nicht zum Schwert griffen, daß das evangelische Ausland nicht einsprang, hielt den Kölner Handel in dem bescheidenen Rahmen einer Stiftsfehde eingespannt, einer Fehde von localem Charakter und höchst simplem Verlauf, doch aber von weittragenden Folgen, die sie zu dem überragenden Ereigniß in der deutschen Entwickelung jener Jahre machen. Denn sie gab dem Papst seinen alten Einfluß auf das Reich zurück; sie führte die Spanier über die Reichsgrenzen; sie verstärkte die für die spanisch - päpstliche Propaganda so wichtige Stellung Bayerns im deutschen Nordwesten; sie sicherte den geistlichen Vorbehalt; sie hintertrieb die Bildung einer protestantischen Majorität im Kurcollegium. Sie brachte in die altkirchliche Restaurationsbewegung frisches Leben und höhere Zuversicht.

Die Entscheidung über den nordwestdeutschen Episcopat.

Mit der Kölner Entscheidung begann sich das Schicksal Nordwestdeutschlands zu vollenden.

Sobald Bayern sich im sichern Besiz von Köln sah, schritt es — im Frühjahr 1584 zu neuen Bemühungen um das Stift Münster. Die jülichsche Administration desselben erschien wie eine Vorstufe des bayrischen Episcopats. Es galt, den nunmehrigen jülichschen Thronerben Johann Wilhelm zu verheirathen, was dann seinen Verzicht auf seine Stellung in Münster bedingte. Und so stark war der wittelsbachische Einfluß auf Jülich, daß nicht der regierende Herzog, der seine Töchter an protestantische Fürsten vermählt hatte, dem Sohne die Braut auswählte, sondern im Einverständniß mit dem Papste, dem Kaiser und dem Könige von Spanien Herzog Wilhelm von Bayern. Die Wahl fiel auf die Prinzessin Jacobe, die dem erst durch Bayern zum Papismus bekehrten Fürstenhause von Baden-Baden angehörte. So schlug man zwei Fliegen mit einer Klappe: man knüpfte das Herzogthum Jülich noch enger an das bayrische Interesse und machte in Münster den Plaz für Ernst frei.

Papst Gregor, von den Jesuiten bearbeitet, erklärte sich für Ernsts Candidatur. Das Ungesetzliche einer solchen Pfründenhäufung in einer Hand kam so schwerwiegenden politischen Vortheilen gegenüber nicht weiter in Betracht. Auch die Mehrheit des Capitels war für Ernst; doch fehlte es nicht an Gegenbestrebungen und Gegenbewerbern. Vor allen war es der Erzbischof Heinrich von Bremen, der seine Bemühungen auch um dieses wichtigste westfälische Bisthum fortsette. Ein Theil der Capitulare dachte an den protestantischen Bischof von Halberstadt, Herzog Heinrich Julius von Braunschweig. Die Niederländer bemühten sich zu verhindern, daß Spaniens treuester Genosse seine Herrschaft nun auch noch über Münster ausdehne. Auch der abgesezte Kölner Erzbischof erhob nachdrücklichen Protest dagegen, daß die „Hispanisirten“ den Bayern auf den münsterschen Bischofsstuhl erhöben. Und selbst die Stadt Münster, so sehr sie gleich für die Wahl einer „gut katholischen Person“ war, richtete doch an das Capitel die Bitte, von der Wahl Ernsts abzusehen, da man keinen Bischof wolle, der mit fremdem Kriegswesen zu schaffen habe.“

Als das Capitel in Folge solcher Gegenströmungen zu zögern begann, sandte Papst Gregor ihm die Mahnung, rasch zur Wahl zu schreiten, und zwar

zur Wahl des Kölner Erzbischofs Ernst. Und der Kaiser säumte nicht, solche päpstliche Mahnung zu unterstützen.

Daß eben damals im Frühjahr 1585 Erzbischof Heinrich starb, erleichterte es dem Capitel, ihr zu folgen. Drei Wochen nach seinem Tode wurde, dank den Bemühungen des Domdechanten Gottfried von Raesfeld, Ernst einstimmig zum Bischof von Münster gewählt.

Mit dem Besiz von Münster erst gewann die bayrisch-papistische Position in Nordwestdeutschland ihre völlige Arrondirung. Jezt war alles deutschniederländische Grenzland vom Dollart bis hinüber nach Frankreich, soweit es geistlich war, im Besiß Bayerns, und die hineingesprengten cleveschen Lande standen unter seinem Einfluß.

Daß mit diesem wittelsbachischen Regierungsantritt in Münster die dort bisher nur zaghaft betriebene papistische Reaction in kräftigere Strömung gerieth, verstand sich von selbst. Uebrigens hatte Ernst in seiner Capitulation ausdrücklich versprochen, in seinem Stift den Kampf gegen alle Sekten und aufrührerischen Neuerungen nach bestem und äußerstem Vermögen aufzunehmen. Bald tauchten, auf Ernsts Veranlassung, ein paar Kölner Jesuiten in dem Nachbarstift auf. Mit den Capitalien, die ihnen der im Oktober 1586 gestorbene Domdechant Raesfeld testamentarisch vermacht hatte, richteten sie sich häuslich ein. Sie gaben in ihrer eignen Schule Unterricht und predigten in ihrer eignen Kirche. Nach ein paar Monaten begannen sie auch im Dom zu predigen. Wieder um einige Monate später war die Leitung des Gymnasiums in ihrer Hand, das namentlich durch den Zuspruch aus weiter Umgegend an Schülerzahl rasch bedeutend stieg. Freilich fehlte es in der Bevölkerung nicht an Widerstand gegen die von oben her begünstigten jesuitischen Restaurationsbestrebungen. Zeitweilig trat ihnen sogar die Mehrheit des Capitels entgegen. Das erste Decennium des neuen Jahrhunderts sah die heftigsten Zerwürfnisse und Kämpfe. Aber als die von den Jesuiten ausgestreute Saat in ihren Zöglingen aufgegangen war, behauptete der Ultramontanismus das Feld.

Erzbischof Heinrich von Bremen war im April 1585 in Folge eines Sturzes vom Pferde, noch keine 35 Jahre alt, gestorben. Seine leßten Worte enthielten den Dank gegen Gott, daß er ihn so tief gedemüthigt" habe. Gleichsam das resignirte und ergebene Eingeständniß unerreicht gebliebener, weitausgreifender Entwürfe. Einer jener in der damaligen Zeit so zahlreichen Kirchenfürsten, die sich durch Verleugnung ihrer religiösen Ueberzeugung in den Besitz von Pfründen sezten, und sich hernach, in ihrem Besiz, mit ihrer Ueberzeugung hervorwagten, ohne doch dann auch den Muth zu haben, deren volle Consequenzen zu ziehen und zu dem Bekenntniß, dem sie anhingen, auch

Paderborn und Osnabrück.

341 in aller Form überzutreten, wie es Erzbischof Gebhard von Köln that. Auch dieser Lauenburger auf dem erzbischöflichen Stuhl von Bremen hatte den Vortheilen seiner Stellung und dem sicheren Besitz zuliebe Scheu davor getragen, ganz offen Farbe zu bekennen. Mit solcher unwahrhaften Halbheit war denn freilich den evangelischen Interessen auch nur halb gedient, und dem aus ihr entspringenden Zwitterzustande gegenüber hatte der Ultramontanismus, sobald er fest und geschlossen vorging, leichteres Spiel als da, wo der Bischof eines evangelischen Landes, unbekümmert um die Folgen, unter Nichtachtung des geistlichen Vorbehalts das augsburgische Bekenntniß annahm.

Mit Heinrichs Tod waren außer seinem Bremer Erzstift zwei westfälische Bisthümer erledigt: Paderborn und Osnabrück.

In Paderborn hatte sich schon bei seinen Lebzeiten (1580) im Domcapitel eine papistische Partei zusammengeschlossen, an deren Spiße der junge Dompropst Dietrich von Fürstenberg stand; ein Mann von ebenso großer Verschlagenheit wie Thatkraft, der mit festem Beharren sein Ziel verfolgte und entgegenstehende Hindernisse klug umging, ohne es aus den Augen zu lassen. Er war es, der (im Juli 1580) die Bestimmung durchgesezt hatte, daß fortan nur noch Papisten in das Capitel aufgenommen werden sollten.

Auf seinen Betrieb waren im Jahre 1580 die ersten Jesuiten von Heiligenstadt nach Paderborn gekommen, die auch hier anfangs mit um so größeren Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, als unter der Einwirkung der Kölner Bewegung in den Städten des Bisthums eine von Heinrich begünstigte, auf Freigebung des evangelischen Bekenntnisses gerichtete Agitation einseßte. Daher wurde das Schicksal Gebhards von großer Einwirkung auf Paderborn. Das Capitel gewann neuen Muth, der Orden Jesu reichere Erfolge. Mitte 1585 war er im ausschließlichen Besiz des Paderborner Gymnasiums. Da war denn freilich wenig Aussicht vorhanden, daß nach Heinrichs von Bremen Tod ein Nachfolger von seiner Richtung gewählt werden würde. Auch hier trat Ernst, der an seinen fünf Bisthümern noch kein Genüge hatte, als Bewerber auf. Allein das Capitel zog es vor, einen Einheimischen zu wählen: und zwar den Führer der altkirchlichen Partei, Dietrich von Fürstenberg, der, unbekümmert um den heftigen Widerstand seines fast ganz evangelischen Sprengels, von den Jesuiten aufs beste unterstüßt, die Restauration des Papismus energisch in die Hand nahm. Noch im Jahre 1590 hielt die Bevölkerung der fünf Bauerschaften" von Paderborn standhaft an dem evangelischen Glauben fest, so daß die Jesuiten über den dürren Paderborner Acker klagten, der ungemeine Mühe mache und doch keine Früchte trage -: aber anderthalb Jahrzehnte weiter, und der Protestantismus war so gut wie völlig ausgerottet.

Auch um das erledigte Osnabrück bewarb sich Fürstenberg. Allein ohne Erfolg. Die Wahl fiel auf den Grafen Bernhard von Waldeck, einen Kölner Domherrn, der zwar die alte Religion begünstigte, doch der neuen freien Lauf ließ. Und als er starb, wurde der Sohn des Herzogs Julius von Braun

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