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Leben fort, in welchem neben dem vollen Humpen die weiblichen Reize eine große Rolle spielten. Im Herbst 1579 näherte er sich der Gräfin Agnes von Mansfeld, Canonissin im freiadligen Stift zu Gerresheim bei Düsseldorf, die sich ohne Langes Zaudern in ein höchst anstößiges Liebesverhältniß mit ihm einließ, von dem die dunklen Laubgänge des Brühler Schloßgartens die ersten stillen Zeugen waren. Allein aus diesem so leichtsinnig angeknüpften Umgang, bei welchem Graf Adolf von Neuenar den Gelegenheitsmacher spielte, entwickelte sich auf beiden Seiten eine tiefe und dauernde Neigung, die sich nur zu bald im Unglück zu erproben Gelegenheit erhielt, und es bedurfte schwerlich erst der Drohung von Agnes' Brüdern, daß Gebhard den Entschluß faßte, die Geliebte zur Gemahlin zu erheben. Ja, er dachte zuerst sogar daran, diesem Entschluß sein Erzbisthum zum Opfer zu bringen und sein Stift, um einen der kräftigen Ausdrücke des Landgrafen Wilhelm von Hessen zu wiederholen, nach dem Beispiel seines Vorgängers Salentin zu „verbuhlen“. Gerade das aber hätte einen argen Strich durch die weitergehenden Projekte seiner evangelischen Umgebung gezogen, die mit Besorgniß voraussah, daß im Fall seines Rücktritts das Erzstift an Bayern kommen würde. Daher bewog sie ihn, der sich bereits durch eifriges Studium evangelischer Schriftsteller von der Wahrheit der evangelischen Lehre überzeugt hatte, zu dem Entschluß, die Confession zu wechseln und zu heirathen, aber die Regierung seines Erzstifts gleichwohl weiter zu führen. Das Beispiel so manches evangelischen Bischofs, namentlich des Markgrafen Joachim Friedrich von Brandenburg, der sich trog seines evangelischen Bekenntnisses und troß seines ehelichen Standes im Erzstift Magdeburg behauptete, mochte auf seinen Entschluß einwirken. Und ebenso die Hoffnung, die seine Freunde ihm auf die Zustimmung des Reichstages machten.

Es war ein Entschluß von weittragender Bedeutung, denn er enthielt nichts Geringeres, als die Umwandlung des Stimmverhältnisses im Kurcollegium zu gunsten der Evangelischen und damit die Anbahnung eines dereinstigen evangelischen Kaiserthums. Nur freilich, daß dieser Entschluß sowohl der im Kölner Erzstift 1463 aufgerichteten Erblandeseinigung wie dem im Reich 1555 aufgerichteten Religionsfrieden widersprach.

Die Erblandeseinigung, das Fundamentalstatut gleichsam für das Erzstift Köln, bestimmte, daß jeder Kölner Erzbischof bei seinem Regierungsantritt die Grundrechte der Kölner Stände zu beschwören habe, und zu diesen war in der Epoche des Interim (1550) die Erhaltung der bestehenden Ordnungen der christlichen katholischen Kirche ausdrücklich hinzugefügt worden. Verlegte er diese Rechte, so war das Capitel zur Berufung der Landstände berechtigt, und die Stände hatten, bis der Rechtszustand wieder hergestellt war ad interim; donec et quousque dominus adimpleverit id quod promisit, juravit et scripsit (art. 21), nicht dem Erzbischof, sondern nur dem Capitel zu gehorsamen. Aber diese zu gunsten des Papismus getroffene Bestimmung ging von einer Voraussetzung aus, die den thatsächlichen Verhältnissen nicht,

Die Kölner Protestanten.

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oder nicht mehr entsprach: die Bevölkerung war nicht ausschließlich papistisch, auch der Protestantismus zählte einen starken Anhang.

Was aber den Religionsfrieden betrifft, so ließ sich, wie früher entwickelt wurde, mit der Bestimmung des geistlichen Vorbehalts wohl die Wahl eines protestantisch gesinnten Bischofs, wie des Markgrafen Joachim Friedrich von Magdeburg, vereinigen, nicht jedoch der Uebertritt eines gewählten römischgläubigen zum Protestantismus. Vielmehr ging ein solcher damit, daß er, aus welchen Gründen immer, convertirte, „alsbald ohne einige Verwiderung und Verzug" seiner geistlichen Würden und seiner Herrschaft verlustig. Aber dieser das reservatum ecclesiasticum enthaltende Artikel beruhte, wie wir wissen, nicht auf der für das Zustandekommen eines Reichsgeseßes nothwendigen Vereinbarung der Reichsstände unter einander und mit dem Reichsoberhaupt, sondern auf der Octroyirung von seiten des letteren und war von den augsburgischen Confessionsverwandten von Anfang an als unverbindlich für sie erklärt und behandelt worden. Praktisch wurde die Frage, ob ein zum Bischof gewählter Anhänger der alten Lehre nach seiner Wahl, ohne seines Bisthums verlustig zu gehen, zur neuen Lehre übertreten könne, jezt zum erstenmal. Es wurde also in den großen nordwestdeutschen Bisthumskampf ein neues Moment hineingetragen: zu der Frage des Besizes und der Macht kam die Rechtsfrage hinzu. Und da es sich bei ihr um die rechtliche Grundlage handelte, auf welcher der allgemeine Friede im Reich beruhte, so stand zu erwarten, daß sie das gesammte Reich in Bewegung sehen und die großen Confessionsparteien auf den Plan führen werde. Die auf dem Reichstage unerledigt gebliebene Frage des geistlichen Vorbehalts schien somit in eine neue Phase zu treten.

Damals, im Jahre 1582, da auch anderorts, namentlich in der unfern gelegenen Reichsstadt Aachen, die confessionell gespaltene Bürgerschaft in offener Feindseligkeit mit einander rang, befand sich das Erzstift Köln in heftiger Gährung, bei der, so scheint es, namentlich der Graf von Neuenar seine Hand im Spiele hatte. Die evangelische Partei, die in der Stadt Köln noch von den Tagen Erzbischof Hermanns her bestand und sich seitdem durch den Zuzug niederländischer Emigranten gemehrt, durch die Verbindung mit den „Geusen“ gestärkt hatte, war den größtentheils altkirchlich gesinnten Stadtrath um öffentliche und ungehinderte Uebung ihrer Religion angegangen. Da dieser ihre Bitte rund abschlug, hielt sie auf Veranlassung des Grafen von Neuenar und von dessen Reisigen geschüßt, am 8. Juli 1582 auf einer seiner unfern Köln gelegenen Besitzungen (dem Dorfe Mechteren) einen öffentlichen Gottesdienst. Der Rath beeilte sich, einer Wiederholung solches Unwesens durch Schließung der Stadtthore, Sperrung der Landstraße, strenge Decrete und Strafandrohungen, endlich sogar durch Anwendung militärischer Gewalt und Gefangenseßung evangelischer Bürger vorzubeugen. Zugleich stellte er an den Erzbischof das Verlangen, die evangelische Predigt abzuschaffen. Die evangelischen Bürger Kölns aber, nicht gewillt, sich den Rathsdecreten zu fügen und Beeinträchti

gungen stillschweigend hinzunehmen, wandten sich schußsuchend an den damals in Augsburg versammelten Reichstag. Allein sie erreichten nichts. Denn wenngleich die evangelischen Stände sich ihrer annahmen, so hatte doch weder die dem Kaiser eingereichte Supplication" derselben, noch ihr weitläuftiges „Intercessionsschreiben“ an den Kölner Rath irgend welchen Erfolg. Deshalb gingen nun auch sie, die der reinen evangelischen Lehre zugethane Ritterschaft, Städte und andere Unterthanen des Erzstifts" auf Anregung des Grafen von Neuenar ihren Landesherrn mit der Bitte an, sie in der freien Uebung ihrer Religion zu schüßen. Und Gebhard, dessen Gesandte den Augsburger Reichstag gleichfalls nicht geneigt gefunden hatten, seinem Verlangen entsprechend darein zu willigen, daß ein geistlicher Fürst ohne Verlust seiner Herrschaft und Würde übertreten und heirathen könne, ergriff die Gelegenheit, sich ihrer anzunehmen.

Er lebte ganz in dem Vollgefühl der Rolle, zu der er sich entschlossen hatte oder hatte bestimmen lassen. Aber er war sich klar darüber, daß er von vornherein nicht zu radical vorgehen, und nicht daran denken dürfe, alles, was ihm vorschwebte, auf einmal und sofort zu erreichen. Er schob deshalb seine Verheirathung wie seinen Uebertritt hinaus und dachte „nur schrittweise zur vollen Protestantisirung seines Erzstifts überzugehen“, sich einstweilen darauf beschränkend, neben der päpstlichen Religion dem augsburgischen Bekenntniß freien Raum zu gewähren. In solcher Absicht wurde er von seiner evangelischen Umgebung, mit der er darüber Raths pflog, bestärkt. Und in diesem Sinn entwickelte er schon Anfang Oktober (1582) dem Bremer Erzbischof ein vollständiges Programm seines nächsten Vorgehens.

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Obwohl es außer Zweifel stand, daß selbst, wenn er mit diesem bescheidenen Programm hervortrat, das Domcapitel und die rheinischen Stände in ihrer Mehrzahl sich ihm mit allen Kräften widersehen würden, so sagte es ihm dann doch nicht zu, lange um den Brei zu gehen." Ohne daß er von irgend einer Seite thatkräftiger Unterstüßung versichert war, wagte er, alle Warnungen in den Wind schlagend, den Tanz zu beginnen". Mit rasch angeworbenen Truppen eilte er, sich der Hauptpläße seines Landes zu versichern. Anfang November (1582) sette er sich in den Besitz von Bonn, der zweiten Stadt seines Kurfürstenthums, in der sich das Archiv des Erzstiftes befand. Dazu fuhr er fort, durch Werbungen seine Mannschaft zu vermehren. Er war gutes Muths. Da seine papistischen Gegner in ihren Rüstungen noch weit zurück wären, so thäte es, wie er meinte, nicht einmal noth, „fürerst einen gar so großen Kessel überzuhängen, wenn man nur den Vorsprung inne behalte“. „Bin ich von Gott verordnet, das Werk durchzuführen, gut; wo nicht, aber gut; will mich nach meinem Talente gebrauchen und gebe mich ganz und gar mit unerschrockenem Herzen in seinen göttlichen Willen. So sauer kann es nicht ausgehen, es muß mir alles gut bekommen.“

Das Domcapitel, geführt von dem jungen Chorbischof Friedrich, einem

Gebhards Uebertritt.

319 gebornen Herzoge von Sachsen-Lauenburg, dem jüngeren Bruder des Bremer Erzbischofs, nahm den hingeworfenen Fehdehandschuh auf. Es eilte auch seinerseits Rüstungen zu veranstalten, und da Gebhard auf die Anfrage, wie es sich mit dem Gerücht von seinem Uebertritt und seiner Vermählung eigentlich verhalte, eine dunkle und zweifelhafte" Antwort gab, so griff es, gleich als habe er die Erblandeseinigung bereits verlegt, zu dem Recht, das sie ihm in diesem Falle zusprach: es berief eigenmächtig die Stände des Erzstifts auf Ende Januar 1583 zu einem Landtage nach Köln, in der Hoffnung und Erwartung, daß sie sich gegen den Landesherrn erklären und auf die Seite des Capitels stellen würden.

Da zögerte Gebhard nicht länger. Um Weihnachten 1582 verkündete er öffentlich seinen Uebertritt.,,Gott habe ihn aus der Finsterniß des Papstthums errettet und zur wahren Erkenntniß seines heiligen Wortes gebracht." Zugleich veröffentlichte er sein Programm: daß er die freie Ausübung beider im Religionsfrieden anerkannten Bekenntnisse zulassen wolle; daß es aber nicht in seiner Absicht liege, sein Erzstift erblich zu machen; daß er vielmehr das Wahlrecht des Domcapitels durchaus anerkenne.

Dann erklärte er auch dem Papste, der ihn gemahnt hatte, von seinem Vorhaben, von welchem ihm das Gerücht zugekommen war, abzustehen, rund heraus, daß er, da er sich durch eigne Prüfung von dem Verfall der römischen Kirche überzeugt habe, zur neuen Lehre übergetreten sei und den Seiner Heiligfeit vormals geleisteten Eid für unverbindlich ansehe, sowie er das Verbot der Priesterehe bestreite.

Auf diesen Act eröffnete der kriegerische Chorbischof, dem das Capitel den Oberbefehl über seine Truppen übertragen hatte, mit dem Beginn des neuen Jahres die Feindseligkeiten, ermuthigt durch die Nähe einer spanischen Truppenabtheilung, welche die Maas überschritt und sich in der Aachener Gegend lagerte.

Das trieb nun Gebhard wieder einen verhängnißvollen Schritt weiter. Mitte Januar 1583 bewilligte er durch ein öffentliches Edict denjenigen seiner Unterthanen, die sich zur augsburgischen Confession bekannten, freie Religionsübung.

So hatte der Gegensatz zwischen dem Erzbischof und dem Capitel feste Gestalt angenommen, und es schien, daß er durch kein anderes Mittel zum Austrag zu bringen sei, als durch die schon zum Kampf erhobenen Waffen. Wenn die Stände des Erzstifts, wenn der Kaiser und die Papisten im Reich, wenn Spanien sich, wie zu erwarten stand, auf die Seite des Capitels stellten, war für Gebhards Sache wenig Aussicht, es sei denn, die Glaubensverwandten im Ausland und vor allem die evangelischen Stände im Reich zeigten sich entschlossen, zum Schwert zu greifen.

Diese zu gewinnen hatte Gebhard es von Anfang an nicht an eifrigen Bemühungen fehlen lassen. Aber mußte er nicht in demselben Maß, als er mit der reformirten Richtung, der er sich angeschlossen hatte, hervortrat, die

nunmehr in der Concordie geeinten Lutheraner von sich stoßen? Und deren Beistand war für ihn der weit werthvollere. Denn seine drei weltlichen Mitkurfürsten standen in den Reihen der Concordisten voran, zumal der mächtige Kurfürst August von Sachsen mit seinem starken Einfluß auf den Kaiser, der fast einer Bevormundung glich. Und Kurfürst Ludwig von der Pfalz war ihm am nächsten gesessen, um Schuß zu gewähren, namentlich auch gegen seine beiden geistlichen Collegen am Main und an der Mosel. Gebhard versuchte es, beide Richtungen an sich zu fesseln. Den Concordisten spiegelte er vor, daß er sich zu ihrem Lutherthum bekehrt habe, und gab ihnen die Versicherung, daß ihm die calvinischen Lehren vom Abendmahl und von der Prädestination zuwider seien, er vielmehr ganz auf dem Standpunkt der unveränderten Augustana stehe. Der Zwinglianismus, und was demselben anhängig, sei," so erklärte er dem Herzoge von Würtemberg,,,Gottes Wort entgegen, aber er könne ihn zu Anfang nicht neben Ausrottung des päpstlichen Greuels beseitigen." Hingegen gestand er den Reformirten, wie dem streitbaren Johann Casimir, der erklärte, daß er für die Invariata nicht zu Pferd steigen würde, er wolle mit dem Concordienwerk nichts zu schaffen haben," doch könne er,,mit Rücksicht auf die augsburgischen confessionsverwandten Stände nicht schon jezt mit seinem Calvinismus hervortreten." Er bat ihn deshalb, sich mit einer geheimen schriftlichen Versicherung zu begnügen, daß er sich, sobald es so weit sei, für das reformirte Glaubensbekenntniß erklären würde. Dem Einwurf von Johann Casimirs Gesandten, dem Burggrafen Fabian von Dohna, „daß unser Herr Gott mit solcher Tergiversation nicht zufrieden sein würde," begegnete er mit der Bitte, „jeßund keine Trennung zu machen, sondern das beste in der Sache zu thun."

Doch fand er dank solcher Tergiversation Sympathien bei den Anhängern beider evangelischer Richtungen.

Allein von Sympathie und Theilnahme bis zu offenem und thatkräftigem Beistand war es für die evangelischen Fürsten ein weiter Schritt. Mochten sie gleich erkennen, daß Gebhards Sache die Sache ihrer aller sei und deshalb das Verlangen hegen, ihr zum Siege zu verhelfen, so lag ihnen doch der Gedanke an Gewalt noch ganz fern. Selbst ein so entschlossener Mann wie Landgraf Wilhelm von Hessen bangte vor einem neuen schmalkaldischen Kriege angesichts der Spaltung und der Kleinmüthigkeit seiner Glaubensverwandten, die sich „in Erinnerung jenes Krieges vor ihrem eignen Schatten fürchteten". Und Johann Casimir, der stürmische, stets zum Handeln bereite Pfälzer, dessen Gesandte soeben erst mit so großer Unerschrockenheit die Opposition am Reichstage geführt hatten, und der Gebhard ermahnte, sich „durch der Welt und Teufel Larven und böser Leute Praktiken“ von seinem Vorhaben nicht abschrecken zu lassen, mäßigte sein Ungestüm zu dem Rathe, daß Gebhard, bis er die Mittel beisammen habe, um den Kampf aufzunehmen, was eine geraume Zeit erfordern werde, in betreff seiner weiteren Absichten ,,dissimuliren" solle.

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