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SVP. AVSTRIA

Rudolfs Charakter.

KEPPLERVS,
S.
CAS.
MAIEST.

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KEPPLERI qua nomen habet. cur peccat imago?
Qua tanto error caussa fubesse potest?
Scilicet eff TERRA, KEPPLERI regula, CVRSVS:
Per vim hic fculptoris traxerat erro manum.
Terra utinam nunquam currat, semperq quiescat:
Quo sic KEPPLERI peccet imago minus.

Johannes Kepler.

Th. Lanf

Facsimile des Kupferstiches von Jakob van der Heyden (1570-1637).
Speculation so dienstbeslissen dem menschlichen Aberglauben zur Verfügung stell-
ten, besaßen in ihm den eifrigsten Anhänger. Er berief Tycho de Brahe zum
Director seiner Sternwarte und ernannte Johann Kepler zu dessen Nachfolger.

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Seine Sammelwuth erstreckte sich auf alles und kannte keine Grenzen. Bücher und Bilder, Münzen und Edelsteine, Antiquitäten und Curiositäten speicherte er mit Kenntniß und mit Geschmack auf dem Hradschin auf, der zugleich wie eine Einsiedelei, zugleich wie ein Museum erschien. Auch mit wundervollen Parkanlagen schmückte er die Felsenhöhe: denn er verstand sich auch auf die Gartenkunst und die Blumenpflege. Stundenlang verweilte er in seinem Marstall und ergözte sich an dem Anblick der herrlichen Pferde, ohne doch je eines von ihnen zu besteigen. Kurz: die Opulenz alles dessen, was ihn umgab, war für seine bis zur nervösesten Empfindlichkeit gesteigerte Feinfühligkeit ein unabweisliches Bedürfniß, zu dessen Befriedigung ihm keine Ausgabe zu groß war. Und gebrach es im Staatsschaß an Geld, so dachte er auf alchymistischem Wege die Retorten mit Gold zu füllen.

So brachte dieser körperlich zarte Herrscher in der von dem süßen Gift ästhetischer Genüsse und eines raffinirten Luxus geschwängerten Athmosphäre, die jedem von der Außenwelt herandrängenden Luftzug ängstlich abgeschlossen blieb, die Jahre hin, und kein Wunder, daß eine so ausgestaltete Einsamkeit das ihrige dazu beitrug, seine von Haus aus empfindsamen Nerven zu überreizen und seine krankhafte Anlage zu einem wirklichen Krankheitszustand zu steigern. Mit dem Beginn des neuen Jahrhunderts, in welchem die Verwirrung im Reich und in den habsburgischen Erblanden aufs höchste stieg, beobachtete man an ihm zu Zeiten eine ausgesprochene Gemüthsstörung, die sich wiederholt in förmlichen Tobsuchtsanfällen äußerte. Er glaubte sich verfolgt, von geheimen Nachstellern in seinem Leben bedroht. Von solchen Hallucinationen erfaßt, fiel er dann wohl seine Umgebung an, oder suchte Hand an sich selbst zu legen. Von da ab ist sein Leben Krankheitsgeschichte, der gegenüber das Mitleid fast das Urtheil verstummen macht. Wie lange er aber schon unter dem Druck dieses Leidens stand, bevor es zum Ausbruch kam, wer wäre im stande, das zu entscheiden. Etwas stark Pathologisches liegt von Anfang an in den Mängeln seines Charakters, wie selbst in der Fülle seiner Begabungen. Die Indolenz, die schon früh an ihm auffiel, gestaltete sich immer mehr zu einem Zustand abstoßender Apathie; seine unmännliche Unentschlossenheit zu einem erbarmungswürdigen Schwanken. Heute sagte er Ja, um morgen Nein zu sagen. Er widerrief kaum Gewährtes und während er einen Schritt that, bereute er ihn schon. Wie kläglich schwankte er in selbstquälerischer Weise zwei Jahrzehnte lang her und hin, ob er die Infantin Jsabella, Philipps II. Tochter, heirathen solle oder nicht. Es reizte ihn, sich dem Gedanken hinzugeben und dann scheute er sich doch, ihn zu verwirklichen. Und das war noch in den Jahren, wo seine geistige Gestörtheit nicht zum Ausbruch gekommen war. Kaum jemals in seinem ganzen Leben, daß er an einmal Beschlossenem mit Consequenz festhielt, vielmehr beherrschte ihn ein Bedürfniß der Unentschiedenheit, das einen hohen Grad von Charakterschwäche bezeichnet, wo es nicht ein Symptom geistiger Erkrankung ist.

Daß eine solche Persönlichkeit unter fremde Abhängigkeit gerieth, verstand

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sich von selbst. Und da Rudolf bei allem Widerwillen gegen seine Herrscherpflichten das empfindlichste Mißtrauen gegen Mißachtung und Verlegung seines Herrscheransehens hegte, so gerieth er unter den Einfluß immer niedriger stehender Personen, die kein weiteres Interesse hatten, als sich in seiner Gunst zu erhalten, um ihn auszubeuten. Hervorragende Staatsmänner, wie der Freiherr von Rumpf und der Freiherr von Trautson, fielen nach langjährigem treuen Dienst seiner plöglichen Laune zum Opfer; aber die Jesuiten und die Maitressen, bald die dienstbeslissenen Schaaren verschmißter Kammerdiener behielten ihn dauernd in der Hand, indem sie sich seinen Launen gefügig erwiesen.

Gelegentlich dann doch wieder das durchbrechende Verlangen nach Selbständigkeit. Namentlich gegenüber den Tendenzen Philipps II. und der französischen Liga, und all' seiner Rechtgläubigkeit ungeachtet gegenüber dem Papst und der Curie. Es muß ausdrücklich hervorgehoben werden, daß er von Haus aus weder mit der ultramontanen noch mit der spanischen Politik übereinstimmte und ebenso wenig daran dachte, sich einfach von seinem Madrider Vetter ins Schlepptau nehmen zu lassen, als dem Heiligen Vater die kirchlichen Hoheitsrechte des Landesfürsten preiszugeben.

Aber was wollten solche Gesinnungen sagen, die nur Stimmung blieben, statt sich zu Thaten zu gestalten. Energisch zu wollen, consequent zu handeln, dazu war dieser schlaffe Kaiser schon in seinen gefunden Tagen nicht der Mann, geschweige denn in den Jahren seiner Krankheit.

So lebte er denn hin in der bedeutsamsten und verantwortlichsten Stellung dieser aufgeregten und entscheidungsvollen Zeit: nicht gefürchtet, wenig geachtet, ungeliebt, verfeindet mit seinen nächsten Verwandten, beherrscht von niedrigen Kreaturen, sagenhaft verschollen für seine Völker. Höchstens daß er sich einmal, wenn die Bewohner von Prag sich auf die Nachricht, daß er gestorben sei und man ihnen seinen Tod verheimliche, auf kurze Zeit am Fenster zeigte. Ein hagestolzer Sonderling zu Anfang, hernach ein geistesgestörter Epicuräer; ursprünglich voll Abneigung gegen die Regierungsgeschäfte, schließlich unfähig zur Regierung. Begreiflich, daß die Kaiserkrone auf solchem Haupte den lezten Rest ihres Ansehens verlor, und daß unter solchem Regiment das Reich in einen Zustand chaotischer Verwirrung gerieth.

Der Augsburger Reichstag von 1582.

Während es sich sonst die deutschen Kaiser hatten angelegen sein lassen, möglichst bald nach ihrem Regierungsantritt die Stände des Reiches zu berufen, ließ Rudolf II. die lange Frist von sechs Jahren verstreichen, bevor er seinen ersten Reichstag hielt. Und da er sich endlich dazu entschloß, geschah es nicht sowohl wegen der inneren Wirren des Reiches, als wegen der seinen Ländern von außen drohenden Gefahren.

Mit den Türken, die damals auf der Höhe ihrer Macht standen, hatte Kaiser Maximilian im Februar 1568 unter demüthigenden Bedingungen einen Frieden schließen müssen, der acht Jahre in Geltung bleiben sollte, dann aber um die Mitte der siebziger Jahre in rascher Folge dreimal erneuert wurde: noch von Maximilian mit Sultan Selim und nach dessen Tode alsbald mit Murad III.; dann mit diesem von dem neuen Kaiser Rudolf II. Allein tro dieses Friedens hörten die Feindseligkeiten nicht auf. Desterreich litt unter dem doppelten Drucke tributärer Abhängigkeit und unausgeseßter feindlicher Bedrohungen, und es stand zu erwarten, daß der junge und kühne Sultan Murad, ob er gleich mit einem umfassenden Feldzuge gegen Persien beschäftigt war, die erste Gelegenheit ergreifen würde, den abendländischen Kampf mit dem ganzen Fanatismus seines Christenhasses wieder aufzunehmen. Die Gefahr war um so größer, als mit dem Jahre 1582 die Türkensteuer zu Ende lief, die von den deutschen Ständen dem Kaiser Maximilian auf dem Reichstage von 1576 bewilligt worden war, und der, wie wir sahen, auch die Evangelischen zugestimmt hatten, obschon ihre Forderungen unerfüllt geblieben waren.

An sich hatten die osmanischen Verwickelungen mit dem deutschen Reiche nichts zu thun. Zwischen ihm und jener heidnischen Macht lag das nicht dem deutschen Reichsverband angehörige Königreich Ungarn, das für die Eroberungsgier der Pforte das nächste Ziel bildete. Erst wenn Ungarn türkisch, und damit die Pforte unmittelbarer Grenznachbar der Deutschen geworden war, drohte ihnen unmittelbare Gefahr von ihr. Damit, daß das Haus Habsburg in den Besitz der ungarischen Krone gelangte, übernahm es seinerseits die Aufgabe, dem weiteren Vordringen der Osmanen nach Westen Halt zu gebieten und zugleich die deutschen Hinterlande vor ihnen zu schüßen. Allein da die

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Facsimile eines späteren Kupferstiches nach dem Gemälde von Paolo Veronese (1528-1588).

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