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Vorläufige Entscheidung in Münster.

287 ordneten, die Temporalien des Stiftes während der nächsten Jahre verwalten solle.

Aber dagegen trat nun der Kaiser auf. Er war ursprünglich ganz bereit gewesen zur Abseßung Westerholts und zur Postulation Ernsts oder zur Administration Johann Wilhelms mitzuwirken. Aber bald nach dem Münsterer Landtag vom Juli 1579 eröffnete sich ihm die Aussicht, das Stift für sein Haus zu gewinnen, indem Erzbischof Heinrich sich bereit erklärte, dem Erzherzog Matthias, dem Bruder des Kaisers, sein Recht auf das Stift abzutreten. Matthias war sofort bereit zuzugreifen und am kaiserlichen Hof ging man um so williger auf das Erbieten ein, als der Tod Herzog Albrechts, seines alten Oheims (Oktober 1579), den Kaiser der ferneren allzugroßen Rücksichtnahme auf Bayern überhob. Er erklärte dem Papst, es nicht dulden zu können, daß er im Widerspruch zu der Reichsverfassung und den Concordaten der deutschen Nation in die staatlichen Verhältnisse eines Reichsfürstenthums eingreife, wie er es gethan habe, indem er, ohne den Kaiser zu fragen, den jülichschen Prinzen zum Administrator von Münster ernannte.

Von Alexander von Parma ermuthigt, der von dem Plan Erzherzog Matthias nach Münster zu bringen, nichts wissen wollte, und auf den Beistand Spaniens rechnend, beschloß der Herzog von Jülich troß der kaiserlichen Erklärung dem päpstlichen Befehl zu gehorsamen. Er übersandte das Mandat, welches Westerholts Abseßung und Excommunication aussprach, an das münstersche Domcapitel. Alsbald schlugen sich Raesfeld und die Seinen gleichfalls auf die Seite des Papstes als ihrer „höchsten Obrigkeit". Sie besetzten Westerholts Plaß im Capitel durch einen aus ihrer Mitte und beschlossen zur Neuwahl zu schreiten. Denn jest glaubten sie ihren Candidaten — Herzog Ernst durchzubringen. War doch, während 1575 zwölf Freunden Bayerns siebzehn bremisch Gesinnte gegenüberstanden, durch Tod, Verzicht und neue Ernennungen jezt das Stimmverhältniß gleich geworden (11:11); und sie hofften noch die eine und andere Stimme gewinnen zu können.

Raesfeld lud das Capitel zum 26. April 1580 zur Wahl.

So stand man denn abermals vor der Entscheidung. Schon ein paar Tage vor der Wahl fanden sich die Räthe des Herzogs von Jülich ein mit der Weisung, Johann Wilhelms Verzicht nur für den Fall, daß die Postulation Herzog Ernsts gewiß sei, zu übergeben, sonst aber zu erklären, daß jener erbötig sei, auf Grund des päpstlichen Breves die Verwaltung des Stifts zu übernehmen. Das entsprach ganz dem Programm der Senioren.

Aber auch die Gegner hatten sich gerührt. Vor allen Erzbischof Heinrich. Er begab sich von Bremen nach dem osnabrückischen Haus Jburg, fünf Meilen von Münster, berief seine Bremer, Osnabrücker und Paderborner Hofleute in großer Zahl dorthin. Auch Westerholt und eine Anzahl münstersche Junioren fand sich ein. Ein bremischer Gesandter eilte nach Arnheim zum Grafen Johann von Nassau, um Hülfe zu erbitten. Am 24. April hielt Heinrich mit stattlichem Gefolge von 142 Pferden seinen Einzug in Münster, unter

dem Donner der Geschüße, dem Jubel der Bevölkerung. Am folgenden Tage forderte der bremische Kanzler Gideon Egeling vor der Regierung und den Ständen die Einstellung der Postulation; erfolge sie nicht, so sähe der Erzbischof sich als ein vornehmer Stand des Reichs genöthigt, nach den Bestimmungen der Reichs- und Kreisabschiede und der Executionsordnung zu verfahren.

Am Abend dieses Tages (25. April) kam unter falschem Namen und unerkannt Johann von Nassau in die Stadt. Am Morgen des Wahltages theilte er den Herren vom Magistrat und von der Regierung mit, daß er im Auftrage der unirten Provinzen komme, um die Wahl Herzog Ernsts zu verhindern und die Erzbischof Heinrichs zu befördern; die Niederländischen wollten es nicht leiden, daß sich Spanien in Münster festseße; sobald man Freising wähle, werde man den Krieg im Lande haben; seine Truppen stünden in der Nähe schon am Rhein bereit, seiner Forderung Nachdruck zu geben: Habt ihr die Thür, so haben wir den Schlüssel."

Auf die Kunde von Johanns von Nassau Anwesenheit in Münster und von der Nähe des niederländischen Kriegsvolks griffen die Bürger zu den Waffen, schlossen die Thore, verstärkten die Posten, führten das grobe Geschüß auf den Markt.

Wenn man auf der Neuwahl und auf der bayrischen Candidatur bestand, war der Aufstand da. Schon hieß es, daß man in Raesfelds Haus einbrechen und ihn todtschlagen wolle.

Unter diesen Umständen war an die Fortseßung des Wahlgeschäfts nicht zu denken. Auch die Senioren verzichteten darauf.

Aber während dann Erzbischof Heinrich und der Graf von Nassau Münster wieder verließen, brach der Herzog von Jülich, an der Spiße einer stattlichen Abtheilung von Reisigen, dorthin auf. Am Abend des 7. Mai zog er mit seinem Sohn in Münster ein. Und nun kam es nach längeren Verhandlungen zu einem Compromiß, nach welchem die nunmehrige Capitelsmajorität für jezt auf die Neuwahl verzichtete, wogegen die Junioren und Landstände einwilligten, daß auf Grund seiner alten Postulation Herzog Johann Wilhelm, unter Beirath der bisherigen Verordneten, die Verwaltung des Stifts übernahm.

Damit war ein interimistischer Zustand geschaffen, der freilich für die altkirchliche Partei um vieles günstiger erschien, als für die evangelische. Denn eine jülichsche Administration in Münster mußte weit eher in ein bayrisches als ein bremisches Episkopat ausmünden.

Fünftes Buch.

Der Kampf um den Heligionsfrieden.

Dropfen, Dreißigjähriger Krieg.

19

Kaiser Kudolf II.

Die Entscheidung in dem Ringen des Protestantismus und Papismus um den nordwestdeutschen Episcopat stand noch bevor. Sie erfolgte erst, als der offene Kampf der großen Parteien auch an der bedeutsamsten Stelle des Reiches eröffnet war und hier sofort eine Wendung genommen hatte, die es unzweifelhaft machte, wem dort der schließliche Sieg zufallen würde.

Schon auf dem Regensburger Reichstage von 1576 waren die Parteien hart an einander gerathen, und der Abfall Kursachsens von der bisher immer noch gemeinsamen Sache der Evangelischen hatte diesen eine erste schwere Niederlage bereitet. Sie hatten mit ihren Forderungen vor ihren ultramontanen Gegnern die Segel streichen müssen.

Und nun ruhte der gleichsam im Centrum des Reiches entbrannte Kampf nicht wieder, steigerte sich vielmehr in raschem Anschwellen zu immer furchtbarerer Heftigkeit, um endlich einen ersten Abschluß in einer Katastrophe zu finden, die nichts Geringeres als den Zusammenbruch der im Jahre 1555 geschaffenen Grundlagen des Reiches enthielt.

Es war, kann man sagen, ein dreißigjähriger Krieg um den Religionsfrieden, der freilich nicht, wie der ihm folgende, mit dem Schwert geführt wurde, sondern nur mit Worten, und der kein blutiges Antlig zeigte, aber an Erbitterung diesem nichts nachgab und über unser Vaterland eine Parteiwuth und eine Haßbegierde ausgoß, die es bis in seine tiefsten Tiefen entsittlichten. Die Walstatt dieses Kampfes waren nicht die gesegneten deutschen Fluren, welche von den Tritten der bewaffneten Massen unseres Volkes und fremdländischer Heerschaaren zerstampft wurden, sondern die Versammlungssäle altehrwürdiger Reichsstädte, in denen sich die Herren deutscher Länder und deren Vertreter zusammenfanden: das „officielle Deutschland", dem es oblag, des Vaterlandes Wohl zu berathen und über dasselbe zu wachen.

Der Religionsfriede verzichtete, wie wir wissen, auf den Versuch, die Glaubensverhältnisse im Reiche zu ordnen. Er beschränkte sich darauf, die Machtsphären der beiden großen Religionsparteien zu bestimmen und zu umgrenzen. Aber nicht durch feste und klare Rechtsnormen, sondern durch gewundene und zweideutige Bestimmungen. Er war eben ein Compromiß und theilte auch das Schicksal aller Compromisse: nicht länger Bestand zu haben, als der Zwang der Verhältnisse, der zu ihm geführt hatte, und der gute Wille der Betheiligten fortdauerte. Sobald die Lage sich änderte und das Bedürfniß des Einverständnisses aufhörte, verlor er seine fundamentale

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