Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Ferdinand I. und Maximilian II.

Kaiser Karl V. hatte sich lange Zeit in den Tagen seines Glückes — mit dem Gedanken getragen, die ungeheure Ländermasse, die seinem Scepter unterworfen war, diese Universalmonarchie, wie sie in den Jahrtausenden der Geschichte noch nicht bestanden hatte, als Ganzes auf seinen Sohn, Don Philipp, zu vererben. Nachdem er diesen Plan mehrmals und in verschiedener Form zu verwirklichen gesucht hatte, gab er ihn am Ende seiner Tage auf. Er theilte sein Reich, indem er seinem Bruder Ferdinand, den er früher zum römischen Könige hatte wählen lassen, die österreichischen Lande und die Anwartschaft an die Kaiserkrone ließ, seinen Sohn hingegen mit dem Löwenantheil Spanien, das den eigentlichen Kernpunkt seines Weltreichs bildete, mit Neapel und Sicilien, mit Mailand und den Niederlanden, mit allen colonialen Besizungen bedachte. Und indem er ihm noch dazu die Hand der englischen Königin Maria verschaffte, glaubte er ihn für die Abtrennung der deutsch-österreichischen Gebiete reichlich genug entschädigt zu haben. Mit dieser Zertheilung war die Idee der Universalmonarchie, vorläufig wenigstens, aufgegeben. In der Person Karls V. hatte sie sich verwirklichen zu sollen geschienen mit ihm sank sie dahin.

Seit der Aufrichtung des Religionsfriedens verzichtete Kaiser Karl auf jede Einmischung in die deutschen Verhältnisse; nicht einmal durch Gesandte ließ er sich auf dem Reichstage von 1556 vertreten. Völlig selbständig führte König Ferdinand die Regierung des Reichs. Endlich that der Kaiser den Schritt, den er schon lange plante. Im März 1558 ließ er zu Frankfurt vor der Versammlung der Kurfürsten durch eine Gesandtschaft die Erklärung abgeben, daß er zu gunsten seines Bruders, des römischen Königs Ferdinand, auf die Kaiserkrone verzichte. Die Resignation wurde von den Kurfürsten angenommen, und nachdem die Urkunde in feierlicher Session verlesen war, Ferdinand I. als erwählter Kaiser proclamirt. Schon 1531 hatte er bei seiner Wahl zum römischen König eine Capitulation unterschrieben und beschworen, die ihm nun, vermehrt durch die Verpflichtung auf die Beschlüsse des Reichstags von 1555, nochmals vorgelegt wurde. Er erklärte mit feierlichem Eide, daß er sie annehme. Damit war der neuen Ordnung des Reichs die Garantie der Dauer gegeben.

1

[graphic][subsumed][ocr errors][ocr errors][subsumed][merged small]

Nach dem Kupferstiche von Pieter van Sompel; Originalzeichnung von Pieter Soutman.

[blocks in formation]

Ferdinand I., der Begründer der deutschen Linie des Hauses Habsburg, war dem Bruder an Charakter sehr ungleich: nicht wie dieser verschlossen, ernst, phlegmatisch, sondern offen, prachtliebend, freigebig, heitern Sinnes. Dabei fleißig und pünktlich, Kriegen abgeneigt, hingegen ein Freund der Künste und Wissenschaften. Aber auch darin unterschied er sich von Karl, daß er nicht in dem Vollgefühl der monarchischen Macht und Würde lebte. Hatte er doch zu Augsburg den unter allen Umständen gewaltigen Gedanken des Kaiserthums, an dessen Verwirklichung Karl V. alles gesezt hatte, preisgegeben, um sein Genügen in einer Stellung zu finden, deren Schwerpunkt wesentlich in der territorialen Hoheit lag.

Ferdinands Regierung floß sehr eben dahin. Im Innern stellten sich ihm wenig ernste Schwierigkeiten entgegen und nach außen vermied er sie. Um in seiner Stellung als Reichsoberhaupt zu handeln, war er vielfach auf den guten Willen der Nation und die Zustimmung ihrer Vertreter angewiesen, und es lag nicht zum wenigsten an seiner Person, daß er sie nicht hinter sich hatte. Aber auch wenn er auf sie hätte rechnen können, würde er, von Natur zaghaft und nicht für große Entschlüsse gemacht, sich lieber zu Opfern, als zu Wagnissen verstanden haben. Nach keiner Seite hin hat er die Ehre des deutschen Namens und die nationalen Interessen gewahrt, vielmehr sich bei den mattherzigen Beschlüssen beruhigt, die sich aus den schwerfälligen Berathungen des Reichstags ergaben. Einer nur einigermaßen kühn zugreifenden Politik hätte es damals gelingen müssen, die jüngst an Frankreich abgetretenen Bisthümer Met, Toul und Verdun dem Reich zurück zu gewinnen: aber die zahme Forderung ihrer Rückgabe, die auf dem Reichstage von 1559 beschlossen wurde, blieb natürlich ohne jede Wirkung. Die Ostseeprovinzen, dieser Rest deutscher Colonien, waren von der Eroberungsgier des kühn aufstrebenden russischen Nachbarn in ihrer Existenz bedroht, aber die Hülfsgesuche der Livländer wurden mit leeren Versprechungen beantwortet. Selbst gegen die Osmanen, die seine Erbländer unmittelbar gefährdeten, vermochte er nichts auszurichten. Er schloß mit ihnen (1562) einen Frieden, der nur achtjährige Dauer haben sollte, in welchem er sich zu einem jährlichen Tribut verstehen und die in den voraufgehenden Kämpfen erlittenen Verluste genehmigen mußte.

Man hat es ihm zum Ruhme angerechnet, daß er sich auf die Basis der Augsburger Beschlüsse von 1555 stellte und aufrichtig den durch sie geschaffenen öffentlichen Rechtszustand anerkannte. Aber es war doch nur natürlich, daß er seine eigene Schöpfung nicht sofort wieder zerstörte und damit den jungen Frieden erschütterte. Und wenn man bedenkt, daß seine Wahl zum Kaiser den höchsten Unwillen des Papstes (Pauls IV.) erregte, der es in schroffster Weise ablehnte, ihn anzuerkennen, so wird es um so begreiflicher, daß er bemüht war, mit seinen Unterthanen in gutem Einvernehmen zu bleiben. Davon aber hätte schwerlich die Rede sein können, wenn er eidbrüchig über die Abmachungen von 1555 hinwegschritt.

"

Auch seine vermittelnde Haltung zwischen den Confessionen hat man gepriesen und ihn wegen seiner Unparteilichkeit in religiösen Dingen gerühmt. Und gewiß ist, daß er nichts weniger als ein roher Fanatiker war, vielmehr die Erstarkung friedlicher Zustände im Reiche ehrlich und sehnlichst wünschte. Aber er war doch mit ganzem Herzen der alten Lehre zugethan, und ich finde nicht, daß er über Abfall von ihr in späteren Jahren viel toleranter dachte, als in seiner Jugend. Damals war er ein eifriger Gegner Luthers gewesen und hatte (1539) bei harter Strafe den Besuch der Universität Wittenberg verboten. Auch später, auch da noch, als ihn die Kaiserkrone schmückte, grollte er denen, die sich verruchter Weise von der Gemeinschaft der allgemeinen Kirche absonderten und das Abendmahl nicht nach der Ordnung der heiligen. christlichen Kirche und nach altem löblichen Herkommen, sondern unter beiderlei Gestalt empfingen." Noch im Jahre 1554 erließ er in seinen Erblanden ein strenges Verbot dagegen. Und wenn er in ihnen hernachmals die Verheirathung der Priester und die Darreichung auch des Kelches beim Abendmahl zugestand, so trieb ihn dazu die Besorgniß, sich mit seinen überwiegend protestantischen Unterthanen zu verfeinden. Was er ihnen aber bewilligte, war eben doch nicht mehr, als schon das Interim zugestanden hatte. Und daß er diese Concessionen für nicht eben bedeutend hielt, mag man daraus entnehmen, daß er in betreff des Abendmahls urtheilte, der Genuß unter einerlei Gestalt beruhe nicht auf göttlichem Befehl, sondern nur auf kirchlicher Anordnung; schon sein Vorgänger habe im vergangenen Jahrhundert den Böhmen den Kelch zugelassen. Und der Papst (Pius IV.) sanctionirte auf sein Ersuchen (durch ein Breve vom 16. April 1564) den für die Kirche ungefährlichen Laienkelch. Was aber wollte solches Zugeständniß besagen, wenn nun diejenigen, die das Abendmahl unter beiderlei Gestalt zu genießen verlangten, in allen übrigen Stücken die Säße der römischen Kirche unterschreiben, auch bekennen mußten, daß der wahre und ganze Leib Christi auch unter einerlei Gestalt empfangen werde; ja daß die römische Kirche nicht irre, wenn sie das Abendmahl an die Laien unter einerlei Gestalt austheile. Das war eine Klausel, die fein rechtschaffener Protestant annehmen konnte. Was nüßte die Bewilligung eines oder des andern Punktes - noch dazu eines so äußerlichen Punktes - solange nicht das ganze Augsburger Bekenntniß freigegeben wurde. Man nahm denn auch dieses Zugeständniß nicht ohne Argwohn hin. Als Ferdinand zum Andenken an den wiederhergestellten Gebrauch des Kelches eine Münze schlagen ließ, kam dagegen eine andere in Umlauf, auf der eine Laterne abgebildet war, und die Worte standen: „Ich sähe gern besser.“

Anderes zeigte solchen vereinzelten, abgedrungenen Zugeständnissen gegen= über seine eigentliche, streng altkirchliche Gesinnung. Wie hart trat er gegen seinen Sohn und dessen evangelische Anwandlungen auf! Und wie klagte dieser über den Vater, der die christlichen Prädicanten" so heftig verfolge. „Ihre Majestät" - so schrieb Maximilian einmal 1561 - sind noch so heftig in religione als zuvor nie.“ Wie erfreut empfing er 1560 den von Papst

"

[ocr errors]
« ZurückWeiter »