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Priesterehe und Laienkelch gestattete und sich überhaupt zur neuen Lehre hielt, hieß es, er sei,,vix catholicus."

Von anderem Schlage war nur der neue, vierundzwanzigjährige Bischof von Osnabrück, Johann, aus dem westfälischen Grafengeschlecht von Hoya, ein naher Verwandter von Gustaf Wasa, dessen Gemahlin eine Schwester von Johanns Mutter war. Ein vielgereister Mann, schon in jungen Jahren von weltmännischen Manieren, dessen „trefflichen Verstand und unglaubliche Gelehrsamkeit“ Zeitgenossen zu rühmen wußten. Freilich ohne Vermögen und der Krummstab ihm desto willkommener. Von Gesinnung nicht eben sehr consequent und zuverlässig; etwas von einem Utilitätspolitiker, der es nicht gern nach irgend einer Seite hin verdarb. Er bekannte sich zwar zum alten Glauben und hielt sich zum Kaiser und zum Könige von Spanien, stand auch zum Papst in Beziehungen und war mit dem Cardinalbischof Otto Truchseß von Augsburg, damals der Hauptstüße der päpstlichen Partei in Deutschland, befreundet, aber das alles hielt ihn ebenso wenig ab, in der ihm von dem Grafen Erich, seinem Dheim, hinterlassenen Herrschaft Stolzenau dessen testamentarischer Bestimmung gemäß die lutherische Predigt zu schüßen, als es ihn bewog, das Tridentiner Concil zu beschicken und die Weihen zu empfangen. Vielmehr folgte er bis in die Mitte der sechziger Jahre der mittleren Richtung, in der sich seine benachbarten Genossen hielten. Und gerade seine ausweichende Antwort auf die Einladung zur Beschickung des Concils veranlaßte Commendone zu spöttischen Bemerkungen über die Nachlässigkeit der katholischen Fürsten, die auf den Glauben allein ohne Werke zu vertrauen schienen. Doch ist hervorzuheben, daß er der erste geistliche Fürst Nordwestdeutschlands war, mit dem Philipp II. nähere Fühlung suchte und gewann. Und zwar indem er am 11. November 1555 einen Vertrag mit ihm vereinbarte, durch welchen der junge Bischof sich mit seinem Bisthum und seiner Grafschaft auf zehn Jahre in Schuß und Pflicht des Königs als Herrn der niederdeutschen Erblande Karls V. begab und sich verpflichtete, ihm alles zu leisten, was einem Bundesgenossen und Schußverwandten (socio et clienti) obliege, feindlichen Werbungen gegenüber ihm oder seinem Statthalter all' seine Festungen und Städte zu öffnen, den königlichen Heeren mit Zufuhr und Durchfuhr zu Hülfe zu kommen, des Königs Freunde und Feinde für die seinigen zu halten und ihm gegen diese Beistand zu leisten. Wogegen der König ihm versprach, alle, welche ihn gegen Recht und Billigkeit angreifen oder bedrohen würden, abzumahnen und nöthigenfalls, soweit es nach den Umständen thunlich erscheine, ihn gegen sie zu unterstüßen. Gleichviel ob Domcapitel und

Stände diesem Vertrage ihre Genehmigung ertheilten oder nicht: ein näheres Verhältniß des Bischofs zu dem Könige von Spanien war jedenfalls durch ihn angebahnt: ein Verhältniß, das sich weiter entwickelnd leicht zu förmlicher Clientel führen konnte. Damals freilich war Johann von Hoya noch ebenso weit davon entfernt, sich ganz in das Gefolge Spaniens zu begeben, wie sich den Absichten Roms unbedingt zur Verfügung zu stellen.

Droysen, Dreißigjähriger Krieg.

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Fügen wir hinzu, daß auch in den jülich-cleveschen Landen die Verhältnisse ähnlich lagen wie in den sie umgebenden geistlichen Gebieten. Herzog Wilhelm V., der sie seit 1539 beherrschte, ein wohlwollender Herr von nicht eben großer Energie, neigte in seinen religiösen Anschauungen stark der neuen Lehre zu, deren Einführung die Stände seiner fast ganz protestantischen Gebiete mit allem Nachdruck verlangten. Wenn er nun so weit nicht gehen und von einer Absonderung von der allgemeinen christlichen Kirche nichts wissen wollte, so erkannte doch auch er eine gründliche Reform derselben in erasmianischem Sinn als unabweisbare Forderung der Zeit. Aber bei solchen Anschauungen und bei seinen nahen Beziehungen zu hervorragenden protestantischen Fürsten Deutschlands kam er der Grenzscheide zwischen altem und neuem Bekenntniß immer näher, wie er denn endlich selbst den Gottesdienst bei Hof durch seinen Hofprediger Gerhard Veltius ganz evangelisch einrichten ließ. Wohl möglich, daß nur die Rücksicht auf den Kaiser und auf seine mächtigen Nachbarn, die Kirchenfürsten von Mainz und Trier und namentlich den König von Spanien, ihn von dem lezten entscheidenden Schritt zurückhielt. Denn gerade diesem gegenüber hatte er allen Grund Differenzen zu vermeiden, seitdem er den kühnen Versuch, ihm die geldrische Erbschaft mit den Waffen streitig zu machen, in dem für ihn höchst demüthigenden Vertrage von Venlo (vom September 1543) hatte büßen müssen.

Unmittelbar vor dem Erscheinen Albas in den Niederlanden, also um das Jahr 1566, wo die Bisthümer im Osten Norddeutschlands dem Papismus definitiv verloren waren, erschienen somit seine Aussichten in Nordwestdeutschland wenig hoffnungsvoll: die Bevölkerungen zum größten Theil der neuen Lehre gewonnen, an der sie mit dem Ernst und der Zähigkeit des Nordgermanen festhielten; die Landesherren zwar nicht evangelisch, aber meist dem Evangelium einen toleranten Sinn entgegenbringend; fast alle der mittleren und vermittelnden Richtung angehörend, die zugleich eine Reform innerhalb der alten Kirche, zugleich die Wiedervereinigung ihrer Angehörigen und der Evangelischen auf friedlichem Wege anstrebte; fast alle fern von jener neurömischen Richtung, die soeben in dem Tridentium ihren Niederschlag gefunden hatte und in den Jesuiten ihre Vorkämpfer besaß, und die auf Ausrottung der neuen Lehre ausging. So daß denn weit eher die volle Protestantisirung als die Rekatholisirung dieser Gegenden in nächster Zeit zu erwarten stand.

Aber da nun sollte es fremden Einflüssen gelingen, einen Wandel zu schaffen, der schwerlich eingetreten wäre, wenn es jenen Gegenden überlassen blieb, diese Keime den Interessen und dem Verlangen ihrer Bewohner entsprechend ungestört weiter zu entwickeln.

Der Kampf um den nordwestdeutschen Episkopat.

Zunächst freilich schien es auch seit dem Jahre 1566 nicht so, als ob die spanisch-ultramontane Propaganda in Nordwestdeutschland viel Glück haben würde. Denn als Herzog Georg von Braunschweig in eben diesem Jahre starb, fiel zwar die Verbindung der Bisthümer Bremen, Minden und Verden auseinander, aber alle drei kamen an Fürsten, die der neuen Lehre anhingen: das durch und durch protestantische Erzstift Bremen, in welchem kurz zuvor die evangelische Lehre officiell anerkannt und eingeführt worden war, an den sechzehnjährigen Herzog Heinrich V. von Sachsen-Lauenburg; Verden an den evangelischen Bischof von Lübeck, Eberhard von Holle; Minden an den Grafen Hermann von Schauenburg. Und wie Bremen waren nun auch diese beiden. geistlichen Gebiete Westfalens für die alte Kirche verloren.

Auch in der Kölner Wahl von 1567 seßte die Curie ihre Absicht nicht durch. Nachdem sie Friedrich von Wied glücklich aus dem Erzstift weggebissen hatte, strengte sie alles an, den enragirtesten Ultramontanen, den Deutschland damals aufzuweisen hatte, den Cardinalbischof Otto Truchseß von Augsburg auf den erzbischöflichen Stuhl von Köln zu erheben. Allein das Capitel zog der Postulation eines Fremden die Wahl eines Domherrn aus eigner Mitte vor und entschied sich (im Dezember 1567) für den 27 jährigen Grafen Salentin, regierenden Herrn zu Jsenburg und Grenzau, zwar einen Anhänger der alten Lehre, aber einen Feind des neuen spanisch - ultramontanen Systems und deshalb auch einen erbitterten Gegner der Jesuiten. Doch übernahm er bei seiner Wahl die Verpflichtung, sich binnen einem Jahr zum Priester ordiniren und zum Bischof consecriren zu lassen und auf des Papstes Erfordern die Ablegung des Tridentiner Bekenntnisses nicht zu verweigern. Falls die Ordination nicht so rasch erfolgen könne, sollte er päpstlichen Dispens einholen, wo nicht, auf einfache Forderung des Capitels ohne weiteres ,,libere pure et sincere" resigniren.

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Hingegen feierten Rom und Madrid in Münster einen ersten Triumph. Auch hier galt es ihnen, als es sich im Jahre 1566 nach Bernhard von Raesfelds Rücktritt um die Neubeseßung des Stifts handelte, die Wahl auf einen Mann zu lenken, der entschlossen war, mit der gewaltsamen Gegenreformation Ernst zu machen. Man faßte den Osnabrücker Bischof Johann von Hoha ins Auge, der sich zwar bisher sehr zurückgehalten hatte, aber doch seit Jahren in Beziehungen zu Spanien stand und, seit Canisius (1564) per

sönlich auf ihn eingewirkt, für die Idee der allgemeinen, weltumfassenden Kirche gewonnen und entschlossen war, ihr zu leben und zu sterben. Evangelischerseits hatte man, die Absichten der Ultramontanen wohl durchschauend, alles angestrengt, die Wahl des Grafen Karl von Mansfeld, dessen Vater inmitten der reformatorischen Bewegung (1525) zum Protestantismus übergetreten war, durchzusehen. Es kam zu einem heftigen Wahlkampf, an dem sich die evangelische Welt weit über die Grenzen des westfälischen Kreises hinaus betheiligte. Fast alle bedeutenderen norddeutschen Fürsten mischten sich ein; selbst der König von Schweden verwandte sich für den evangelischen Candidaten.

Aber Johann von Hoya wurde gewählt und hielt am 11. Januar 1568 an der Spiße von ein paar Hundert schwarz gekleideten Reitern seinen Einzug in seine neue Residenzstadt, die nicht in dem Festesschmuck prangte und von dem Jubel erfüllt war, mit dem sie sonst dem neuen Herrn den Willkomm bereitete. Denn sie und mit ihr das ganze Münsterland sah mit Sorgen in die Zukunft. Hatte sich doch ihr neuer Gebieter in seiner Capitulation verpflichtet, nicht nur sich selbst zum Katholicismus zu halten, sondern auch den katholischen Glauben in dem Stift zu befördern und alle verbotenen Sekten auszurotten.

Es war ein neuer Triumph Roms, daß am 22. Februar 1568, wenige Tage nach des alten Rembert Tode auch das Paderborner Domcapitel ihn zum Bischof dieses fast ganz evangelischen Stifts erhob, das „eines dem römischen Stuhl und dem katholischen Glauben treu ergebenen Mannes und mächtigen Fürsten bedürfe, da es in der Nachbarschaft von Kezern gelegen sei, und gewisse Personen nach Zerstörung des Kirchenwesens trachteten.“ Auch hier übernahm er die Verpflichtung, alle religiösen Neuerungen unnachsichtlich abzuschaffen.

So waren denn die drei Bisthümer Münster, Osnabrück und Paderborn von neuem in einer Hand vereinigt. Aber diesmal nicht, wie in den ersten Zeiten der reformatorischen Bewegung, in der milden Hand eines Fürsten, der es für seine Pflicht hielt, die Unterthanen in ihrem religiösen Gefühl und Verlangen gewähren zu lassen, sondern in der harten Faust eines Herrn, der entschlossen war, den Kampf gegen ihre Glaubensüberzeugung aufzunehmen.

Doch ging er sehr behutsam zu Werke und beschränkte sich darauf, nur einzelne der Tridentiner Bestimmungen in seinen Gebieten durchzuführen. Er ordnete regelmäßige Diöcesansynoden und Visitationen an, um Lehre und Leben der Geistlichen zu prüfen; er verwies die gefährlichsten von ihnen - wie namentlich den Paderborner Pfarrer Martin Hoitbrand des Landes und besezte die erledigten Pfarreien mit zuverlässigen Männern; er forderte von ihnen allen den Eid auf das Tridentinum; er führte den römischen Katechismus ein, von dem er eine eigne Ausgabe in Köln drucken ließ und bestimmte, daß in jeder Kirche ein Exemplar desselben an einer Kette zu jedermanns Einsicht ausliegen sollte. Verordnungen, die denn freilich nicht ohne

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Wirkung auf die Geistlichkeit blieben, von der sich viele, unbekümmert darum, daß sie durch die Ablegung des geforderten Eides ihre bisherigen Predigten für Lügen, ihre Frauen für Concubinen und ihre Kinder für Bastarde erklärten, fügsam erwiesen, um dann später ihr leichtfertiges Gelübde ebenso leichtfertig zu brechen. Aber andere zogen das Elend dem Verrath an ihrer religiösen Ueberzeugung vor, verzichteten auf ihre Stelle und verließen das Land. Die evangelische Bevölkerung seiner Gebiete aber ließ sich nicht einschüchtern und zum Abfall von ihrem Glauben bewegen. Und zu scharf vorzugehen verboten dem unbegüterten Herrn seine Schulden, die bei seiner glänzenden Hofhaltung und seinen kostspieligen Neigungen immer höher anwuchsen und ihn nöthigten, auf seine Stände und deren Interessen Rücksicht zu nehmen. Als er in Folge seiner unregelmäßigen Lebensweise am 5. April 1574 nach elendem Siechthum erst fünfundvierzigjährig an der Auszehrung starb, lagen die Verhältnisse in den drei Stiftern im Ganzen nicht viel anders als beim Antritt seiner Regierung.

Der entscheidende Wandel der nordwestdeutschen Verhältnisse ging von anderer Seite aus und vollzog sich zunächst nicht auf westfälischem Boden, sondern in den weiter östlich gelegenen geistlichen Gebieten, welche durch braunschweigisches und hessisches Land von dem westfälischen Kreise getrennt waren und ihn ostwärts wie in einem weiten Bogen umgaben: dem Bisthum Hildesheim, dem erzbischöflich mainzischen Eichsfeld und der fürstlichen Abtei Fulda. Indem hier die Propaganda zuerst nachhaltige Erfolge errang, gewann sie eine Stellung, von der aus sie die Länder Westfalens, welche sich auf der anderen Seite durch die niederländische Bewegung unmittelbar gefährdet sahen, vom Rücken her bedrohte.

Zuerst wurde Hildesheim von dem Geschick ereilt.

Wie die evangelischen Fürsten Norddeutschlands, so war im Süden des Reichs Herzog Albrecht von Bayern bemüht, kirchliche Secundogenituren für sein Haus zu erwerben. Es war der dritte seiner drei noch lebenden Söhne, der im Jahr 1554 geborene Herzog Ernst, den er mit ihnen zu versorgen gedachte und den er deshalb durch Jesuiten für den geistlichen Stand erziehen ließ. Von 1565 bis zum Ausgang des Jahres 1567 gewann er ihm Canonicate in Salzburg, Köln, Würzburg und Trier. Freilich widersprach solche Häufung geistlicher Pfründen in einer Hand den Tridentiner Beschlüssen, aber Pius V. glaubte die unbedingte Ergebenheit des bayrischen Fürstenhauses gegen Rom und die Verdienste des Herzogs um die Verbreitung der alten Lehre damit belohnen zu müssen, daß er von seinen strengen Grundfäßen abging. Er gab sogar seine Einwilligung, daß der zwölfjährige Knabe im Dezember 1566 die Administration des Freisinger Bisthums erhielt.

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