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Die Bisthümer Nordwestdeutschlands.

So werthvoll es für die ultramontane Propaganda war, was in Bayern und durch Bayern geschah, wichtiger noch, als daß ein strenggläubiger Landesherr in den von ihm beherrschten und beeinflußten Gebieten dem römischkatholischen Bekenntniß die Alleinherrschaft erzwang, mußte es für sie sein, dadurch an Terrain zu gewinnen, daß es ihr gelang, weltliche Dynastien, die vom alten Glauben abgefallen waren oder abzufallen drohten, zu ihm zu bekehren oder in ihm wieder zu befestigen, in geistlichen Fürstenthümern, in denen die Abkehr der Bevölkerung von der alten Lehre immer weiter wucherte, zuverlässigen und muthigen Papisten zur Regierung zu verhelfen. dann gewann sie und mit ihr die alte Kirche neuen Boden.

Denn

Am nächsten lag es, die geistlichen Fürstenthümer ins Auge zu fassen, die nach der Bestimmung des Religionsfriedens, wie sie papistischerseits gedeutet wurde, nur unter der Herrschaft von Altgläubigen stehen durften. Nun zeigt sich in betreff dieser Fürstenthümer eine starke Verschiedenheit. Die Bischofssige Süddeutschlands, zu denen auch die beiden südlichen Erzstifte am Rhein, Mainz und Trier zu rechnen sind, erscheinen als fester Besitz der alten Kirche; sie sind und bleiben in den Händen der Papisten. Die Bischöfe sind der neuen religiösen Strömung, die freilich auch in ihnen Eingang und starken Anhang gefunden hat, entschieden abgeneigt, wenn ihnen auch meist die Macht und der Muth fehlt, mit Energie gegen sie einzuschreiten. Sie überlassen dieses schwierige Geschäft gern den Jesuiten, die sie herbeirufen und begünstigen, und die sich dann in ihrer schleichsamen Art an die Arbeit machen, deren Erfolge so überraschende und glänzende sind. Dem gegenüber sind die norddeutschen Bisthümer östlich von der Weser bis in die Mitte der sechziger Jahre so gut wie ganz evangelisirt. Die Bevölkerungen hängen der neuen Lehre an und selbst die Domcapitel bekennen sich ganz oder in ihrer Mehrheit zu ihr. Die Herrschaft ruht fast ausnahmslos in der Hand protestantischer Herren, sei es nun, daß von einem benachbarten weltlichen Landesfürsten das angrenzende geistliche Gebiet ganz seinem Territorium einverleibt, sei es, daß es zu einer Secundogenitur desselben geworden ist, indem ein jüngerer Sohn des protestantischen Fürstenhauses die Administration übernommen hat. In jenen geistlichen Territorien hatte der Protestantismus, so verbreitet er gleich in ihnen war, nur geringe Aussicht zur Herrschaft zu gelangen, in diesen der Papismus, der so gut wie ausgestorben war, fast keine.

Dort stärkte sich unter der immer wachsenden Einwirkung der Jesuiten und dem starken Einflusse der beiden großen, dem alten Glauben treugebliebenen Fürstenhäuser, namentlich Bayerns, die römische Richtung mehr und mehr, hier unter der Obhut der Landesherren (der Administratoren) die evangelische. Geradezu als eisernen Bestand des Protestantismus erscheinen diese nordostdeutschen Stifter seit dem Abschlusse des Tridentinum. Sie ihm sei es durch Bekehrung sei es durch Wahlbeeinflussung zu entreißen, wird von dem Glaubensgegner als aussichtslos kaum einmal schüchtern versucht. Die Jesuiten, bis an die Grenzen jener Bisthümer vorgedrungen, hemmen ihren Schritt. Um hier den Hebel anzuseßen, gilt es andere Mittel in Anwendung zu bringen, und es wird von ihnen später die Rede sein.

Wieder anders lagen die Verhältnisse in den norddeutschen Bisthümern westlich von der Weser. Auch hier war die Einwohnerschaft in ihrer überwiegenden Mehrzahl von protestantischen Anschauungen erfüllt. Lutherische Lehre und lutherischer Cult waren weitaus vorherrschend. Die Spendung des Abendmahlkelches an die Laien und der deutsche Kirchengesang waren überall eingeführt, die Zahl der Sacramente eingeschränkt, die lezte Delung abgeschafft, die Betheiligung an den Proceffionen nicht mehr üblich. Nicht ganz so günstig für den Protestantismus lagen die Verhältnisse im Erzstift Köln, aber auch in ihm hatte er einen beträchtlichen Anhang und wesentlich nur in der Stadt Köln selbst herrschte der Papismus vor. Aber auch dort nicht in jener strengen und intoleranten Form, wie die Jesuiten sie vertraten und das Tridentinium fie fixirte. Es war schon früher die Rede davon, wie schwer es den Jesuiten gerade hier wurde, festen Fuß zu fassen und Anhang zu gewinnen. Aber und darauf nun eben kommt es an das Regiment aller dieser Gebiete befand sich weder in den festen Händen großer weltlicher Fürstenfamilien, noch war es unzweifelhaft, daß sich immer zuverlässige Papisten in ihm ablösen würden. Ob in diesen Bisthümern die alte oder die neue Lehre den schließlichen Sieg davon tragen werde, war vielmehr noch eine offene Frage und hing wesentlich von ihrer Besetzung ab. Und um sie kam es zu einem heftigen und andauernden Ringen zwischen beiden großen Confessionsparteien, zu einem Kampf, dessen Bedeutung durch die Einmischung Spaniens noch erhöht wurde. Denn welchem Bekenntniß diese Gegenden dauernd gewonnen würden, war für Philipp II. eine Frage nicht nur von religiöser, sondern auch von höchster politischer Bedeutung.

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Der burgundische Kreis des Deutschen Reichs, der unter König Philipps Hoheit stand, und den er, wie früher erzählt ist, entschlossen war, kirchlich wie staatlich unter sein Joch zu beugen, war längs seiner ganzen deutschen Grenze von dem westfälischen Kreise umspannt, ja zum Theil von ihm durchseßt. Der Hauptsache nach bestand dieser sehr bunt zusammengewürfelte westfälische Kreis aus einem Ländercomplex von vier weltlichen Herrschaften — den Herzogthümern Jülich, Berg und Cleve und der Grafschaft Mark die im

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Jahre 1521 zu Einem Gebiet zusammengeschmolzen waren, das sich etwa von der Ahr und Sieg auf beiden Seiten des Rheins bis zur niederländischen Grenze hinzog und es an Größe und Macht mit den ersten Staaten Nordwestdeutschlands aufnahm. Neben diesem weltlichen Gebiet ragte eine Anzahl geistlicher Territorien hervor, die mehr noch als jenes den Charakter des Kreises bestimmten, wie sie denn in ihrer Gesammtheit dasselbe an Größe bedeutend übertrafen. Von diesen behauptete nach Umfang und Bedeutung die erste Stelle das Bisthum Münster, das sich, an Cleve angelehnt, längs der niederländischen Grenze bis fast an den Dollart erstreckte. Links vom Rhein zog sich, den burgundischen Kreis völlig durchschneidend und das Herzogthum Luxemburg von dessen Hauptmasse ganz absprengend, die Maas entlang das Bisthum Lüttich bis hinüber zur französischen Grenze, das einzige Stift des westfälischen Kreises, das, ganz unter dem Einfluß Spaniens stehend, durchweg papistisch blieb. Rückwärts schlossen sich an Münster die Bisthümer Osnabrück und Paderborn an, lezteres unmittelbarer Grenznachbar der dem oberrheinischen Kreise angehörigen Landgrafschaft Hessen, und von dem niedersächsischen Herzogthum Braunschweig nur durch die Weser getrennt. Dazu noch die beiden kleineren Stifter, Minden links und Verden rechts von der Weser, jenes dem Osnabrüder, dieses dem Bremer Bisthum benachbart. Zwischen diese geistlichen Gebiete Westfalens eine ganze Anzahl kleinerer weltlicher eingestreut, meist Grafschaften wie Ostfriesland, Oldenburg, Hoya, Diepholz, Ravensberg, Lippe u. a. Auch in ihnen wie in den jülich-cleveschen Gebieten war die neue Lehre durchaus im Uebergewicht, in manchen von ihnen bereits officiell anerkannt und eingeführt. Das zum kurrheinischen Kreise gehörige Erzbisthum Köln war so gut wie völlig von westfälischen Gebieten umschlossen und stand mit ihnen auch dadurch in engem Zusammenhang, daß die Stifter Westfalens dem Kölner Metropolitanverbande angehörten, ebenso wie die burgundischen, bevor sie zu Ende der fünfziger Jahre von Philipp II. unter das neugeschaffene Utrechter Erzbisthum gestellt wurden.

Nach alledem begreift sich die Wichtigkeit, welche dieser nordwestdeutsche Gebietscomplex in einer Zeit gewinnen mußte, in welcher das politische wie religiöse Schicksal der benachbarten und stammverwandten Niederlande zur blutigen Entscheidung stand. In der That hätte es König Philipps Anschlag gegen seine rebellischen Provinzen aufs höchste erschwert, wo nicht völlig vereitelt, und somit der großen westeuropäischen Bewegung einen durchaus anderen Charakter gegeben, wenn hinter ihnen eine Phalanx evangelischer Gebiete stand, wenn sich Hessen und Holland die Hand zu reichen vermochten und Oranien in ungestörter Verbindung mit seinem nassauischen Stammlande blieb. Für die spanische Politik kam deshalb alles darauf an, diese westfälischen geistlichen wie weltlichen Territorien für sich und für die alte Kirche zu gewinnen und so aus ihnen zugleich ein starkes ultramontanes Zwischenlager zu schaffen, das die protestantischen Provinzen von den protestantischen Hinterländern abschloß, zugleich eine feste ultramontane Position, von der

aus gleichzeitig gegen die Niederlande wie gegen Deutschland operirt werden konnte.

Daß die Curie solchem Vorgehen ihren Beifall schenken und sich an ihm betheiligen werde, verstand sich von selbst. Soeben war durch den Abschluß des Tridentinum der innere Umbau der römischen Kirche vollendet. Bald danach war Papst Pius IV., der darin seine Lebensaufgabe gesehen hatte, gestorben. Mit den Päpsten, die ihm folgten, Pius V. (von 1566 bis Mai 1572) und Gregor XIII. (von 1572 bis April 1585) erhob sich die neugegründete und gefestigte Kirche zum Angriff. Nun galt es die Tridentiner Beschlüsse im Umkreis der Christenheit zur Geltung zu bringen. Und dazu war dem heiligen Vater jedes Mittel recht: die Ueberredungskunst des Cardinals Commendone wie die Blutgier des Herzogs von Alba, die Roheiten der spanischen Soldateska wie die Schliche der jesuitischen Genossenschaft. Wir wissen, wie Pius V. den Ausbruch des großen westeuropäischen Kampfes willkommen hieß, wie er sich mit Rath und That auf die Seite Philipps II. und der Guisen stellte, jenen zu bewaffnetem Einschreiten gegen die Niederländer drängte, diesen eine eigne Truppenschaar zu Hülfe sandte, die er mit dem Befehl entließ, den kezerischen Hugenotten keinen Pardon zu geben. Vollends Gregor XIII., dessen gleich hier gedacht werden darf, stellte die Kirche ganz auf die Propaganda. Und daraus erklärt es sich, daß kein Papst für das propagandistische Elitecorps mehr gethan hat als er. Nicht weniger als 32 neue Collegien hat er den Jesuiten errichtet und kaum eine Jesuitenschule, der er nicht Unterstüßungen zukommen ließ. Er war es, der dem collegium Romanum, jener in der kirchlichen Metropole (1551) gegründeten jesuitischen Kriegsschule, seine heutige Gestalt gab, der das (1552) neben jenem auf Loyolas Betrieb in Rom errichtete collegium Germanicum, als es der Auflösung nahe war, im Jahr 1573 förmlich neu gründete. Diese Anstalt, in welcher junge Deutsche in streng römischem Sinn zu Geistlichen ausgebildet werden sollten, um wie es in der Errichtungsbulle heißt „als unverzagte Glaubenskämpfer (athletae), in ihre Heimath zu gehen und dort durch Beispiel, Predigt, Unterricht und Seelsorge Gottes Ehre zu fördern, das Gift der Keßerei zu vernichten, den Glauben zu vertheidigen und aufs neue zu pflanzen, wo er ausgerottet ist.“ Und ähnliche Collegien gründete er fast für jede europäische Nation, für England, für Griechenland, für Ungarn u. s. w. Anstalten, in denen Angehörige dieser Nationen loyolisirt und zum Kampf für den Ultramontanismus in ihrer Heimath auf raffinirteste Weise ausgebildet wurden.

Als Gregor den Stuhl Petri bestieg, stand Albas Schreckensregiment in den Niederlanden bereits auf seiner vollen Höhe; wenige Monate später gab Frankreich der Welt das empörende Schauspiel der Bartholomäusnacht, die doch dem heiligen Vater als preiswürdige Heldenthat erschien. Er zeigte sich in Entwürfen gegen die protestantischen Kezer unermüdlich und begünstigte jedes Unternehmen gegen sie. Er drängte den spanischen König immer von

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