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Viertes Buch.

Vordringen des Ultramontanişmuş in Deutschland.

Die jesuitische Invasion.

Wenden wir uns endlich unserm Vaterlande zu.

Zwischen den beiden ungeheuren Bewegungen, welche Europa in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts erfüllten, dem westeuropäischen Kampf um den spanischen Dominat, dem nordeuropäischen um die Ostseeherrschaft, stand Deutschland mitten inne, mit seiner paritätischen Verfassung und Politik völlig lahm, officiell und als Gemeinwesen stumm und theilnahmlos. Während von Osten und Westen her die Gefahr immer näher heranschwoll, zerfaserte und zersezte es sich immer mehr in dynastischen und territorialen Rivalitäten und in dem Hader der drei Bekenntnisse.

Eine Zeit lang schien es, als sei unser Vaterland, wie es die Wiege des vereinigten Glaubens war, bestimmt, auch die Hochburg desselben im Herzen Europas zu werden. Es war, wie wir sahen, auf dem besten Wege, alle römisch-katholischen Elemente völlig auszustoßen, ganz vom Papstthum abzufallen. Die römische Kirchenlehre verlor immer mehr ihre Vertreter und Verkündiger; sie wurde den Deutschen immer fremder; das Gefallen an ihr, das Verständniß für sie schwand zusehends dahin. In den Kreisen der Papistischgesinnten herrschte die Neigung zum Uebertritt und der Clerus, dessen Aufgabe es hätte sein müssen, ihr entgegenzutreten, verhielt sich den Lehren des alten Glaubens gegenüber ebenso gleichgültig wie den Vorschriften der alten Kirche. Lebte doch ein großer Theil der papistischen Geistlichen im Concubinat oder in heimlicher Ehe. Gründe genug für Ignatius Loyola, Deutschland besonders ins Auge zu fassen. Hier sah er den wichtigsten Schauplaß für den Kampf gegen den Protestantismus. Aber er verhehlte sich nicht, daß nirgends der Kampf schwieriger, der Erfolg zweifelhafter sei als hier. Um so mehr war er entschlossen, ihn aufzunehmen. Die Schwierigkeiten schreckten ihn nicht.

Bewunderungswürdig, wie die Jesuiten mit ihrer Schlangenklugheit überall, wo sie sich einnisten wollten, die Mittel und Wege zu finden verstanden, die ihnen am sichersten Erfolg versprachen. Indem sie zu uns kamen, wählten sie weder die unbarmherzigen Grausamkeiten, mit denen die Inquisition in den Mittelmeerländern arbeitete, noch zunächst wenigstens — die provocatorische Demagogie, die in Westeuropa zu blutiger Rebellion und zum Meuchelmord aufrief, sondern den vertrauenerweckenden Eifer für das Seelenheil und die geistige Bildung. Ganz demüthig und bescheiden erschienen sie bei uns, diese Fremdländer aus Italien, Spanien und den Niederlanden, die

nur mit Mühe die Anfangsgründe unserer Sprache erlernten: mit leisem Tritt, mit kleinen Schritten; kaum merkte man ihre Anwesenheit. Was sie begehrten, war nichts als ein Obdach, bescheidene Existenzmittel und die Erlaubniß zum Unterricht und zur seelsorgerischen Thätigkeit. Wenn sie nur geduldet wurden, zeigten sie sich schon zufrieden.

Sobald ihre Genossenschaft vom Papst bestätigt war, waren sie auch schon da. Noch mitten in der hochgehenden Fluth der reformatorischen Bewegung tauchten sie auf: einer, dann wieder ein paar, dann ganze Schaaren. Die Savoyarden Pierre le Fèvre (Faber) und Claude le Jay und der Spanier Bobadilla waren die ersten. Als Begleiter der zu den Religionsgesprächen und Reichstagen von 1540 und 1541 entsandten päpstlichen Legaten betraten sie den deutschen Boden. Sie hielten sich ganz zurück, beobachteten nur, sondirten die Situation, die Stimmung, und versuchten daneben ganz in der Stille einzelne Männer von Ansehen und Bedeutung, wie Cochläus und Gropper, zu gewinnen.

Vor allem die Bischöfe suchten sie auf. Diejenigen von ihnen, die fest zu Rom standen und sich in ihrer Stellung erschüttert fühlten, hießen sie willkommen. Der erste, der sich ihnen ganz hingab, war der Cardinal Otto Truchseß, Bischof von Augsburg, der sich schon 1546 auf dem Concil durch Jesuiten vertreten ließ. Auch der Cardinal Albrecht, der Mainzer Erzbischof, in jungen Jahren ein Begünstiger der humanistischen Bestrebungen, wurde in seinen alten Tagen einer der eifrigsten Jesuitenfreunde.

Wichtiger war es, daß sie die Gunst der beiden mächtigsten weltlichen Fürsten, die dem alten Glauben treu geblieben waren, gewannen. König Ferdinand von Desterreich und Herzog Wilhelm IV. von Bayern sahen mit Schrecken, wie troß aller selbst gewaltsamen Maßregeln in ihren Ländern der Abfall vom Papstthum täglich zunahm und ihre Stände, zum größten Theil protestantisch, die Bewilligung der landesherrlichen Forderungen an religiöse Zugeständnisse knüpften. Sie verhehlten sich nicht, daß ihr Clerus, in dessen Verwilderung und Verdummung sie den Hauptgrund dieses Abfalls sahen, nicht im stande sei, ihm Halt zu gebieten. Deshalb begrüßten sie die Jesuiten, welche auf strengere Zucht des Clerus drangen und sich erboten, einen Stamm von sittlicheren und unterrichteten Priestern heranzubilden, mit Freuden.

Allein überall und auch bei den beiden weltlichen Regenten waren es doch zunächst mehr persönliche Beziehungen, die sie anknüpften. Diese klugen und ehrbaren Ausländer von frommer Gesinnung und festen Grundsäßen, so anspruchslos für ihre Person, so voll Eifers für die große Sache, der sie ihr Leben geweiht hatten, waren bei Hofe gern gesehen. Man war wohl bemüht, sie auszuzeichnen und zu halten. König Ferdinand und Herzog Wilhelm boten ihnen Canonikate und Episcopate an. Aber sie lehnten den Gesellschaftsstatuten gemäß alle solche Auszeichnungen ab, die der Person galten und das einzelne Glied an die Scholle gefesselt hätten. Ihnen war es darum zu thun,

Die Jesuiten in Bayern.

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daß der Erden als solcher dauernde, mit festen Einkünften verbundene Niederlassungen erhielt; und solche ihnen einzuräumen trugen die weltlichen Landesherren wie die geistlichen vorerst große Bedenken.

So geschah es, daß die Jesuiten in Deutschland seit ihrem ersten Erscheinen fast zehn Jahre lang ein unstetes, rastloses Leben führten. Sie kamen und gingen: aber sie ließen überall die Spuren ihres Einwirkens zurück. Wie ein Körper von Krankheitskeimen, so wurde Deutschland von dem Jesuitengist inficirt.

Mit der Zeit erreichten sie ihr Ziel. Es ist sehr bezeichnend, daß sie den Kampf gegen das evangelische Wesen da begannen, wo es seine Stärke hatte: auf dem Gebiete des Unterrichts und der Schule. An den Universitäten, die in der vordersten Reihe der protestantischen Bewegung standen, faßten sie zuerst festen Fuß.

In Ingolstadt, der einzigen bedeutenden deutschen Hochschule, auf welcher die altgläubige Richtung noch herrschend war, begegnen wir zuerst ihrer Wirksamkeit. Freilich war diese Universität sehr herabgekommen. In der Mitte der vierziger Jahre zählte die theologische Facultät nur einen Professor; als Johann Eck, der alte Gegner Luthers (1543) starb, war sie ganz verwaist. Bald nach Ecks Tod war Le Jay in Ingolstadt erschienen und hatte dessen Vorlesungen übernommen. Als er nach kurzer Zeit ging,

erbat Herzog Wilhelm ihn sich von neuem, und Ignatius gesellte ihm aus freien Stücken zwei der tüchtigsten Genossen zu: Salmeron und den jungen Peter Canisius aus Nymwegen in Gelderland. Kurz vor des Herzogs Tod, im Jahre 1549, trafen sie ein und begannen ihre höchst erfolgreiche Wirksamfeit. Canisius verstand es, eine Reihe von Studenten persönlich an sich zu feffeln. Er feierte den Triumph durch Vermittlung seines Gönners, des Bischofs von Eichstädt, des Kanzlers der Universität, zu deren Rector gewählt zu werden. Alles war im besten Gange, die Umgestaltung der Universität in jesuitischem Geiste schien unmittelbar bevorzustehen, schon war den Jesuiten die Gründung eines eignen Collegiums versprochen: da starb der Herzog, und nun sahen die frommen Väter sich von dem fast erreichten Ziel weit verschlagen. Denn während Herzog Wilhelm ein strenger Papist und eifriger Jesuitenfreund gewesen war, der die neue Lehre selbst mit Gewaltmitteln verfolgte, huldigte sein Sohn und Nachfolger Albrecht V. den Grundsäßen der Toleranz und hatte deshalb für die „spanischen Priester" wenig Sympathien. Aber der raffinirten Klugheit des Canisius war auch er nicht gewachsen. Den Umstand, daß der Herzog sich um den Abschluß des Passauer Vertrages und des Augsburger Religionsfriedens besondere Verdienste erworben hatte, benußte der schlaue Jesuit, um ihm vorzustellen, daß er durch solche Haltung zu Rom in den Verdacht heimlicher Keßerei gerathen müsse, und daß es kein besseres Mittel gebe, sich von diesem Verdacht zu reinigen als Begünstigung des Ordens Jesu. Solche Vorstellungen verfehlten ihre Wirkung nicht. Im Jahre 1555 errichtete der Herzog ihm in Ingolstadt ein Collegium und

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