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Verkleinertes facsimile eines religiösen Streitblattes vom Jahre 1577 mit einem Holzschnitt von Tobias Stimmer (1539-1582) und Joh. Fischart († 1590) zugeschriebenen Versen.

Umschwung der römischen Kirche.

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Verbesserungsvorschläge gemacht. Papst Paul entschloß sich sogar, den Protestanten die Hand zur Verständigung zu bieten. Er entsandte zu dem Zwecke den einsichtigen und aufgeklärten Cardinal Contarini (1541) zu dem Regensburger Religionsgespräch.

Allein dann trat ein gewaltiger Umschwung ein. Es war, als ob die papale Kirche sich auf sich selbst besänne. Sie erfüllte sich mit der Ueberzeugung, daß jede Abweichung von den Normen und Formen, wie sie sich in ihr durch Gregor VII. und seit ihm ausgebildet und erhalten hatten, daß jedes Zugeständniß an die von der Linie des römischen Systems Abgewichenen ein Verrath an diesem System und ein weiterer Schritt zur Auflösung des vielhundertjährigen Instituts sein würde. Nicht Besserung, sondern Beharren, nicht Concessionen, sondern Widerstand, nicht Ausgleich, sondern Kampf, das wurde das Programm, nach welchem die römische Kirche ihre Existenz zu behaupten, ihre Macht zurückzugewinnen sich entschloß. Contarini mußte, so viel immer er schon erreicht hatte, unverrichteter Sache von Regensburg heimkehren; die ultramontane Richtung des finsteren und fanatischen Cardinals Caraffa hatte die Oberhand gewonnen. Derselbe Papst Paul III., unter dem die römische Kirche sich selbst zu reformiren begonnen hatte, war es, unter dem sie mit jeder Reform brach. Ihm verdankte sie all' ihre gewaltigen Mittel zur Durchführung jenes Programms. Er war es, der den Jesuitenorden bestätigte, der das Tridentinum eröffnete, der die Inquisition erweiterte.

Was für Momente immer zu diesem folgenschweren Umschwung der römischen Kirche zusammengewirkt haben: gewiß ist, daß er in den Jesuiten seine eifrigsten Beförderer fand, die dann das meiste dazu thaten, die papale Kirche in dieser ultramontanen Richtung zu erhalten.

Wie oft hat man Ignatius von Loyola mit dem deutschen Reformator verglichen, der ihm doch in jeder Faser seines Wesens so entgegengesezt war. Aber in Einem kamen sie einander nahe: ohne unsern Luther würde die neue Kirche nicht ins Leben getreten sein, und ohne jenen Spanier würde sich, man darf es behaupten, die römische Kirche nicht zu neuem Leben und neuer Macht entfaltet haben.

Er war ein außerordentlicher Mensch von ganz fingularer Begabung, aus den stärksten Gegensäßen zusammengesezt. Auf der einen Seite ein eiserner Wille, ein durchdringender Verstand, die zäheste Ausdauer im Handeln wie im Dulden, die unerbittlichste Härte gegen sich wie gegen andere, der Kühnste Unternehmungsgeist, die schärfste Beobachtung und Kenntniß des Menschen, ein durch und durch praktischer Sinn und ein erstaunliches organisatorisches Talent. Auf der anderen eine Phantasie von südlicher Gluth, ein geradezu fanatischer Hang zur religiösen Schwärmerei und zum Aberglauben, die kritik

loseste Unterordnung unter die Gesichte einer höchst nervösen Einbildungskraft und unter die Eingebungen innerer Erleuchtung. Ein Stück Donquichotterie im ernstesten Stil. Alles ins Große angelegt. Eine Zusammenfügung von Eigenschaften, die ihn im höchsten Grade ebenso fähig machten, einen schrankenlosen Einfluß auf seine Mitmenschen auszuüben und Stifter einer religiösen Gemeinde zu werden, wie sich mit einer großen Idee zu erfüllen und sie mit der unwiderstehlichen Rücksichtslosigkeit des Fanatismus zu verwirklichen.

Diese Idee war die der Weltherrschaft des Papstes und der Alleingültigkeit der römischen Kirche. Ignatius, der tapfere, im Kampfe gegen die Franzosen zum Krüppel geschossene spanische Offizier, entschloß sich - denn zu kämpfen drängte es ihn, der sich hinfort nicht mehr ins Schlachtgetümmel stürzen konnte, auch fernerhin, — die weiten Gebiete des Heidenthums der Kirche zu gewinnen und ihr das in dieser Zeit des allgemeinen Abfalls von Rom verlorene Terrain zurück zu erobern.

Zu dem Zwecke gründete er seine Genossenschaft, die ganz sein Wesen wiederspiegelte. Dieselbe Vereinigung von religiöser Schwärmerei und nüchterner Verstandesschärfe, dieselbe Mischung von Frömmigkeit und Weltklugheit, von Abstinenz und Thatkraft, von glühender Begeisterung und kalter Berechnung wie bei ihm. Eine Genossenschaft von ganz soldatischem Charakter und Geist, denn Krieg, Kampf, Eroberung war es, was es galt. Er verpflichtete sie zu strengem Dienst, versah sie mit geistlichen Waffen, übte sie in ssorgsamster Weise ein, erfüllte sie mit Kampfeslust und Siegesgewißheit und führte sie hinaus auf die Walstatt.

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Jene ascetische und contemplative Arbeit an der eignen Vervollkommnung der alten Mönchsorden lag dieser Genossenschaft ganz fern; ihre Mitglieder sollten nicht aus der Welt abscheiden, um sich durch Ascese für den Himmel zu bereiten, sondern sich mitten in die Welt hineinbegeben, denn nur da ließ sich der Zweck der Genossenschaft erreichen, der allgemeinerer, wenn man will, unpersönlicherer Art war. Er richtete sich auf die Mitmenschen, die es durch Beispiel und Ueberredung, durch List und Gewalt, auf geraden und krummen Wegen zu bekehren, der alleinseligmachenden" Kirche zu gewinnen und damit zur Seligkeit fähig und reif zu machen galt. Aber mehr noch als um dieses Seelenheil der Mitmenschen war es ihr um die päpstliche Allgewalt über die Menschheit zu thun. und deshalb jenes vierte und oberste Gelübde, das die eigentlich Intimen der Gesellschaft abzulegen hatten, gleichsam ihr Fahneneid, in welchem sie geloben, ihr Leben dem beständigen Dienste Christi und der Päpste zu weihen, unter dem Kreuzesbanner Kriegsdienste zu leisten, nur dem Herrn und dem römischen Pontifex als dessen Stellvertreter auf Erden zu dienen, so daß, was immer der jedesmalige Papst in Sachen des Heils der Seelen und der Verbreitung des Glaubens befehlen und in welche Länder immer er sie senden möge, sie ohne jede Säumniß und Entschuldigung sogleich, (sine ulla tergiversatione aut excusatione, illico) soweit es in ihren Kräften stehe, Folge zu leisten gehalten sein sollten“. Und

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zwar so blindlings, daß sie, wie Ignatius sich einmal ausdrückt, sich nicht bedenken dürften, in Ermanglung eines Schiffs das Weltmeer auf einem bloßen Brett zu durchschiffen.

Von Paul III. (1540) bestätigt, von ihm und seinen Nachfolgern mit einer Fülle zum Theil unerhörter Vorrechte und Vortheile förmlich überschüttet, stand die Gesellschaft Jesu, rasch wachsend, wie ein völlig unabhängiger Staat im Staate der römischen Kirche da, und gewann, indem sie mit staunenswertheftem Erfolge den Kampf für die geistliche Universalmonarchie des römischen Pontificats aufnahm, bald genug die Mittel und die Macht, ihrerseits die Kirche zu bestimmen und zu beherrschen. In demselben Maße als sie neu erstarkte, wurde sie jesuitisch.

Es erscheint daher angezeigt, auch in dem Zusammenhange unserer Betrachtungen in aller Kürze an das Wesen dieses loyolitischen Vereins zu erinnern.

Wie schon hervorgehoben, ist er ein militärisches Institut auf kirchlichem Gebiet, „eine geistliche Miliz“, eine „Compagnie Jesu“, eine „Legion Gottes.“

Wenn in anderen Orden die Mitglieder einander gleichstehen, ist im Jesuitenorden die strengste Rangordnung durchgeführt, deren Spize der mit monarchischer Gewalt bekleidete "General" bildet. Das Band, das diese Gliederung zusammenhält, ist das der soldatischen Subordination, dieser Grundlage alles militärischen Halts und Erfolgs. Zwar nehmen die Jesuiten die drei Mönchsgelübde an; aber während das der Keuschheit nur wenig betont, das der Armuth geschickt umgangen wird, legen fie alles Gewicht auf den Gehorsam. Auf ihn ist die Gesellschaft geradezu basirt. Nicht die Inbrunst des Glaubens, nicht die Werkthätigkeit der Liebe, sondern die bis zu unerhörter Virtuosität ausgebildete Parition ist die belebende Kraft des Ordens. Jeder Jesuit hat in dem im Range über ihm Stehenden seinen Vorgesezten zu sehen. Dieser Obere hat für ihn die Bedeutung des Heilands, er spielt ihm gegenüber die Rolle der göttlichen Vorsehung, er hat für ihn göttliche Autorität. Seine Befehle sind deshalb unweigerlich zu vollziehen. Als wäre er ein Leichnam perinde ac si cadaver esset, so blindlings hat der Jesuit dem Oberen zu gehorchen. Wenn er mitten im Schreiben von ihm einen Befehl erhält, so hat er die Feder, ohne den begonnenen Buchstaben zu vollenden, niederzulegen, um den Auftrag auszuführen.

Aber nicht nur sein Handeln, sondern auch seinen Willen, und nicht nur seinen Willen, sondern auch seine Einsicht hat er unter den Vorgesezten und unter die Kirche zu beugen. Und gerade dieser Verzicht auf die eigne Meinung, dieses schwerste Opfer, ist es, was das Wesen des Jesuiten ausmacht. „Wenn die Kirche definirt, daß etwas, was unsern Augen weiß erscheint, schwarz ist, so müssen wir sofort erklären, es sei schwarz", so heißt die Forderung der 13. Regel der exercitia spiritualia. Den Befehlen dieser autoritativen Instanzen gegenüber giebt es keine Rücksicht auf die Gebote der

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