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Entdeckung des Kryptocalvinismus.

107 Elisabeth, die Ende 1573 mit ihrem Gemahl Johann Casimir in Dresden weilte. Dieser (Hoffmann war sein Name), ein streng lutherisch gesinnter Geistlicher, nebenher ein starker Zecher, dem sein häufiger Wirthshausbesuch schon ernste Rüge zugezogen hatte, suchte in einem erregt geschriebenen Gutachten nachzuweisen, daß die kurfürstlichen Theologen Kryptocalvinisten seien, und schloß seine langathmige Darlegung mit einem aufreizenden Appell an den Kurfürsten, auf den jezt die ganze Christenheit den Blick gewandt habe: er müsse gegen sie einschreiten, damit der Teufel nicht alles zu Grunde richte. Bald darauf fiel ein Schreiben von Stößel an Schüß in des Listenius Hände, der nichts Eiligeres zu thun hatte, als es dem Kurfürsten zuzustellen. Sein Inhalt bewog ihn, sofort Haussuchung bei Schüß anzuordnen. · Die bei ihm gefundenen Schriftstücke veranlaßten eine Haussuchung auch bei Peucer. Man brachte eine ganze Reihe von Briefen hervorragender Philippisten zusammen, die sich in dem offnen Ton, wie er im vertrauten Freundesverkehr herrscht, über die gegenwärtige Lage ergingen, Klagen über das Weiberregiment bei Hof und das von der Regierung bestochene meißnische Consistorium enthielten, Spott über Listenius, abfällige Kritik der lutherischen Abendmahlslehre, Lobpreisungen hervorragender Calvinisten, des Wittenberger Katechismus und der Exegesis. Peucer hatte einmal geschrieben, „daß die Wahrheit, welche man in Frankreich und den Niederlanden mit so vielen Strömen Blutes nicht habe löschen können, auch in diesen Landen triumphiren werde." Und ein andermal: „Hätten wir Mutter Annen erst, so sollte es nicht noth haben, den Herrn wollten wir auch bald kriegen." Compromittirende Aeußerungen zur Genüge, aber keine hochverrätherischen. Jedenfalls offenbarten sie die Uebereinstimmung mit einer Richtung, der anzugehören die meisten der Briefschreiber dem Kurfürsten ins Gesicht auf das bestimmteste abgeleugnet hatten. Jezt erfuhr er, daß das kursächsische Bekenntniß doch von dem der Heidelberger und Schweizer nicht verschieden sei, und daß sie für dieses Propaganda zu machen suchten.

Da erhob er sich in voller Wuth. Er sah sich von einer Rotte von Heuchlern, denen er unbegrenztes Vertrauen geschenkt, schmählich betrogen, sogar in seiner persönlichen Ehre verlegt. Die ganze gewaltsame Schroffheit seines Wesens trat zu Tage. Er wollte nicht nur Strafe, sondern auch Rache: Rache an seinen geistlichen Rathgebern Stößel und Schüß, die in heimlichen Praktiken standen, die calvinische Lehre in diese Lande zu bringen,“ vollends an seinen weltlichen: Peucer, der vornehmsten Rädelsführer einem, einem Ursacher des ganzen Unheils," dem gar angedichtet wurde, daß er auch damit umgegangen sei, die Kur wieder an die Ernestiner zu bringen, und den dicken lebersüchtigen Bösewicht Dr. Craco, der andern aller Patron und Anhezer." Er ließ sie verhaften und ihnen als Verschwörern zur Einschwärzung der calvinischen Lehre den Prozeß machen. Am liebsten hätte er sie hinrichten lassen. Nur mit Mühe war er zu be= lassen. wegen, sich bei dem milderen Urtheilsspruch der für diesen capitalen Fall

eingeseßten Commission zu beruhigen. Und doch war das Verfahren gegen sie von unerhörtester Grausamkeit. Von den beiden Theologen starb Stößel 1576 im Gefängniß, das seine Gattin mit ihm theilte; Schüß blieb viele Jahre lang (bis 1586) in Haft. Weit unmenschlicher noch war das Verfahren gegen die beiden weltlichen Rathgeber. Da August die Hinrichtung des gefangenen Peucer nicht durchsehen konnte, schreckte er ihn wenigstens durch die Ankündigung, daß er in acht Tagen hingerichtet werden solle, falls er bis dahin nicht die melanchthonische Abendmahlslehre abschwöre. Er that es nicht und blieb zwölf Jahre lang in härtester Gefangenschaft. Craco aber, „der Messias der Schuldigen," wurde auf die roheste Weise zu Tode gefoltert. Mit zerrissenen Gliedern starb er auf seinem Kerkerstroh am 17. März 1576.

Durch Listenius und eine Anzahl gleichgesinnter Theologen ließ August die sogenannten Torgauer Artikel (1574) verfassen, die als ein Zeugniß der wahren Lehre Luthers, Melanchthons, der augsburgischen Confession und des corpus doctrinae" von allen Theologen seines Landes unterzeichnet werden sollten. Er dachte damit seine Kirche von aller Calvinisterei zu reinigen. Aber sie waren selber nur eine Vermengung der streitigen Lehren, ein „Dogmenwirrsal,“ und lieferten den traurigen Beweis von der Unklarheit und Begriffsverwirrung derer, die mit so rücksichtsloser Entschiedenheit als Vorkämpfer gegen den Philippismus aufgetreten waren.

Die meisten Leipziger Philippisten unterschrieben, mancher freilich, wie es im Protocolle heißt: unter Thränen (flens subscripsit). Die Wittenberger hingegen verweigerten, ihre frühere Schwäche fühnend, muthig die Unterschrist. Vor allen die vier Theologen Widebram, Pezel, Moller und Cruciger. Leşterer erklärte den Artikel vom Abendmahl für ein Gemenge und solch Ding, wenn Lutherus lebte, so würde er selber nicht unterschreiben.". Von den Wittenbergern sette nur der altersschwache, kranke Georg Major seinen Namen unter das Machwerk: „Er hätte sich gefürchtet, es möchten die wilden Säue über ihn gelaufen sein."

In dem Triumphgefühl seines kirchlichen Sieges über den Calvinismus und der Wiederherstellung des echten Lutherthums in seinem Staat ließ August eine Denkmünze schlagen, auf der er mit kriegerischer Rüstung angethan, eine Waage haltend, abgebildet war, in deren einer Schale Christus lag, in der andern die Wittenberger Theologen, jene „Allmacht“ diese „Vernunft“ überschrieben, und diese lettere natürlich, troß der Bemühungen des Teufels sie niederzudrücken, in die Höhe geschnellt. Auch ein Feuerwerk wurde zur Feier des großen Ereignisses abgebrannt, und den staunenden Dresdenern in flammendem Bilde gezeigt, wie der Kurfürst Herkules die calvinische Hydra bezwungen habe.

Nicht lange nach dem Sturz der „Kryptocalvinisten“ (im April 1575) machte der Kaiser dem Kurfürsten in Dresden seinen Gegenbesuch. Der Empfang war herzlich und glänzend; der spanische Gesandte, der sich im Gefolge Maximilians befand, sah sich mit Ehren überhäuft. An der Messe, die im

Ende des sächsisch-pfälzischen Einvernehmens.

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Schloß celebrirt wurde, nahmen die kurfürstlichen Hofleute knieend theil. August gab dem Spanier die Versicherung, daß er mit den „Rebellen“ keine Gemeinschaft mehr habe und den Begünstigungen Oraniens durch andere Fürsten. ein Ende machen wolle.

Die sächsische Katastrophe von 1574 war ein furchtbarer Schlag für den' deutschen Protestantismus. Von nun an vollends, wo Sachsen die mittlere kirchliche Richtung verlassen, mit ihr gebrochen hatte, lebten sich die beiden evangelischen Glaubensrichtungen Deutschlands auseinander. Das so segensvolle Zusammengehen der beiden Kurhäuser Pfalz und Sachsen hatte ein Ende. Zwar ließ Friedrich III.

nichts unversucht, den Alber tiner umzustimmen, aber er wurde mit grober Schroffheit abgewiesen. August beftritt jezt unumwunden die Zugehörigkeit der Heidelberger zur augsburgischen Confession und lehnte jede Gemeinschaft mit den kegerischen Pfälzern ab. So entstand auch zwischen der sächsischen und pfälzischen Politik jezt ein tiefer, unheilbarer Riß.

Die berüchtigte oranische Heirathssache war nur dazu angethan, den Gegensatz der beiden Fürstenhäuser noch mehr zu verschärfen. Daß Friedrich den Prinzen Wilhelm von

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Nevers einer Medaille des Herzogs August von Sachsen mit alle gorischer Darstellung des Sieges über den Kryptocalvinismus. Originalgröße.

Oranien bewog, Charlotte von Bourbon, die Tochter des Herzogs von Montpensier, eine eifrige Hugenottin, die, aus dem Kloster und dem Vaterlande entflohen, in der Pfalz, dem Asyl der verfolgten Calvinisten, Aufnahme und Schuß gefunden hatte, zu heirathen, bevor noch seine Ehe mit seiner ehebrecherischen Gemahlin, der sächsischen Prinzessin Anna, Augusts Nichte, gesetzlich gelöst war: wie hätte das dem Albertiner nicht als eine Art niedriger Vergeltung für sein an den Philippisten vollzogenes Strafgericht und für seinen Wiederanschluß an den Kaiser erscheinen sollen! Er war über diese Hundehochzeit" voller Erbitterung und klagte nun laut darüber, daß er seine Tochter einem Pfälzer Kezer gegeben habe. Nachdem er seine Wuth in ein paar massiven Briefen ausgetobt hatte, brach er den persönlichen Verkehr mit Kurfürst Friedrich gänzlich ab.

Es war allerdings das Bequemste, freilich ebenso kurzsichtig als bequem, die Gemeinsamkeit der evangelischen Interessen kurzweg in Abrede zu stellen und zu bestreiten, daß der deutsche Protestantismus mit dem ausländischen stehe und falle, und deßhalb es abzulehnen, für die Fremden irgendwie Partei zu nehmen. Das Evangelium in andern Ländern zu vertheidigen, müsse man, meinte August, der Allmacht Gottes überlassen; er für seine Person habe dazu weder Ursache noch Macht. Auch von einem Sonderbündniß der evangelischen Fürsten Deutschlands zum Schuß ihres Glaubens wollte er nichts wissen: jezt, da er mit dem Kaiser wieder auf gutem Fuße stand, ganz auf dessen Seite trat und ihm durchaus zu Willen war, weniger denn je. Man habe von den papistischen Mitfürsten nichts zu fürchten; der Religionsfriede gebe genug Sicherheit, wenn man nur nicht an seinen Fundamenten rüttle.

Pfalzgraf Friedrich war zu sehr von der Solidarität der evangelischen Interessen und von dem auch das evangelische Deutschland bedrohenden gewaltsamen Vordringen der papistisch-spanischen Politik überzeugt, und war zu sehr gewöhnt, im Vaterlande mit seinen Ansichten allein zu stehen, um in dem, was er als seine Aufgabe und Pflicht erkannte, zu wanken, weil er keine Genossen fand. In ihm allein von den Beherrschern deutscher Länder lebte während dieser Epoche trübseligster Stagnation der heimischen Politik der Impuls zu entschlossenem Auftreten für die evangelische Glaubensfreiheit, wo immer sie bedroht war.

Schon im October 1573 hatten zwei seiner Söhne, Johann Casimir und Christoph, einen großen, von kaiserlichen und spanischen Dienern begleiteten Pulvertransport, der von Augsburg nach den Niederlanden ging, überfallen und fünfzehn Wagen in die Luft gesprengt. Kaiser Maximilian zürnte, aber zu strafen wagte er nicht. Christoph kämpfte in dem oranischen Feldzuge von 1574 gegen die Spanier und fand in der Schlacht auf der Moocker Heide (14. April 1574) den Heldentod. Johann Casimir führte (im December 1575) dem Prinzen von Condé bedeutende Verstärkungen zu.

Von der lutherischen Orthodoxie als Kezer verdammt, in Gefahr durch die eignen Glaubensverwandten aus der Gemeinschaft des Religionsfriedens gedrängt zu werden, erschien er in den Augen Europas als der Vorkämpfer des Protestantismus.

Die Kaiserwahl von 1575 und der Heichstag von 1576.

Wie folgenschwer für die inneren Angelegenheiten des Reichs der Zerfall der sächsisch-pfälzischen Verbindung werden mußte, sollte sich sofort zeigen.

Kaiser Maximilian trug sich, wie schon gesagt wurde, mit dem Plane der Nachfolge seines ältesten Sohnes, Rudolf, im Reich. Natürlich daß dieser in Spanien erzogene, auch in Deutschland von Spaniern umgebene Erzherzog der päpstlichen Partei in demselben Maaß willkommen war, als er den Evangelischen hätte unannehmbar erscheinen müssen. Allein seit auch Kurfürst August sich zu Wien (1573) für ihn erklärt, und dann auch den Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg für ihn gewonnen hatte, war Rudolfs Nachfolge gesichert: Pfalzgraf hin, Pfalzgraf her."

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Denn der Pfalzgraf - Kurfürst als der einzige von allen Wahlfürsten war, wie im Jahre 1562, so auch jetzt der ununterbrochnen Succession in der Reichsregierung entschieden entgegen. Aber jest wie damals mußte er erkennen, daß er sie nicht zu verhindern vermöchte, weil die Glocken schon gegossen waren, ehe man zusammen kam.“ Auch jezt wieder war es daher sein Bestreben, wenigstens auf die Wahlbedingungen im Interesse des Protestantismus einzuwirken. Er betraute mit dieser Aufgabe seinen ältesten Sohn, den Kurprinzen Ludwig, den er, selber alternd und kränkelnd, als seinen Stellvertreter nach Regensburg zum Wahltage (October 1575) entsandte. Allein von vorn herein bekamen Ludwig und seine Begleiter hier zu empfinden, daß sie völlig isolirt standen. Vom Kaiser wurden sie hart angefahren, von Kursachsen mit Grobheiten überschüttet: sie fühlten sich wie die Samariter von der Synagoge der Pharisäer ausgeschlossen." Da war dann freilich für eine Abänderung der kaiserlichen Wahlcapitulation im Sinne der Pfälzer wenig Aussicht vorhanden, und weder die Verwendung der Annaten und anderer geistlicher Gefälle zum Türkenkriege, noch die Aenderung der althergebrachten, mit dem Religionsfrieden unwahr gewordenen Bezeichnung des Kaisers als Voigt der römischen Kirche in den Titel Beschüßer der christlichen Kirche, noch vollends die Errichtung eines Reichsregiments zur Seite des künftigen Kaisers, die Abschaffung des geistlichen Vorbehalts und die volle Freistellung des evangelischen Bekenntnisses wurde angenommen.

Nur in Einem Punkte schien Sachsen doch entschlossen, mit Pfalz Hand in Hand zu gehen: in der Forderung der Aufnahme von König Ferdinands zu Gunsten der evangelischen Unterthanen geistlicher Reichsstände gegebenen

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