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ses gesondert. Die Alten haben diese Einsenkung dadurch charakterisirt, dafs sie den beiden Thalabhängen gegen Norden und gegen Süden, der Sill und dem Eisack, den gemeinschaftlichen Namen: das Wipp - Thal, gaben, weil in der That die Pafshöhe vom Brenner, wo die Wasserscheide liegt, verhältnifsmässig so unbedeutend erschien, dafs man beide Thäler als eine Einsenkung annahm.

Weil aber die Natur hier so bestimmt den Weg vorgezeichnet hat, ist denn auch der Brenner Pafs von jeher recht eigentlich das grofse Eingangs-Thor von Deutschland nach Italien gewesen, und obgleich heut zu Tage die Alpenübergänge in der Schweiz mit vieler Kunst hergestellt sind, und die projektirte Eisenbahnlinie von Triest nach Wien das Hochgebirge gewissermafsen umgehen wird, bleibt doch immer noch die Strafse über den Brenner die grofse Hauptader für den Volksverkehr zwischen dem Süden und dem Norden.

Das wäre nun die hohe Central-Veste von Tirol: im Norden begrenzt durch den von Süd-West nach Nord-Ost langgestreckten Abschnitt des Innthals, im Süden durch den Abschnitt des oberen Etsch- und Eisack-Gebiets, und nach Osten und Westen durch natürliche Einsenkungen von dem Hauptzuge des Alpen-Gebirges getrennt.

Ich erwähnte schon oben, dafs der hohe Ortles die westliche Grenzmarke Tirols gegen Italien sowohl, wie gegen Graubünden sei, und wir wenden jetzt unsere Aufmerksamkeit diesem Bergriesen dem höchsten Berge Tirols und des ganzen Alpengebirges, östlich vom Finster-Arhorn zu.

Umgeben von den ewigen Eis- und Schneefeldern des MonteCristallo und des Monte-Martello, erhebt sich in umfangreicher Pyramidal-Form, hoch über alle ihr benachbarten Schneegipfel in hellglänzendem Weifs, die Ortles - Spitz, 12,561 Fufs über dem Meeresspiegel. Von ihrem Gipfel, der früher von dem Suldenthale aus, zuletzt im Jahre 1834 vom Professor Thurnwieser von Trafoi aus, erstiegen wurde, überblickt man fast

das ganze Alpengebirge von den Gletschern Piemonts bis über den Grofs-Glockner hinaus; man kann sich denken, wie grofsartig ein solches Panorama sein muss.

Durch die Pafshöhe des Stilfser Jochs, welches bekanntlich mittelst der höchsten und kunstreichsten Strafse der Welt überschritten wird, hängt der gewaltige Gebirgsstock des Ortles mit den Graubündner Alpen zusammen, während seine Verzweigungen gegen Osten die Thäler, welche von der westlichen Seite zur Etsch führen, umschliefsen; so, nach dem Vintschgau zu, das Martell-Thal, dann südlicher das Ultenthal und das schöne Val di Non und Val di Sole. Endlich verbreiten sich südlich über die Zufall-Ferner hinaus die von dem Ortles auslaufenden Gebirgszüge zwischen den Gebieten der Adda, des Oglio und des Mincio bis zur Lombardischen Ebene bei Brescia.

Schon früher erwähnte ich, dafs sich bei Botzen der Eisack mit der Etsch vereinige. Man mufs sich von hier an bis zur Lombardischen Ebene bei Verona das, in fast durchaus südlicher Normalrichtung streichende Etschthal als einen tiefen und breiten Einschnitt in die südlichen Alpen denken. Diese Thalbildung ist von dem bedeutsamsten Einfluss auf die Geschichte des Alpenlandes sowohl, wie auf die der anwohnenden Völker gewesen. In diesem Gebiete haben sich Jahrhunderte lang Wälsche und Deutsche bekämpft, und noch heut zu Tage drängt sich Italisches Leben und Italische Sitte auf diesem Wege in das ihm abgeneigte Deutsche Wesen ein.

Die südliche Alpenwelt ist aber zugleich geographisch durch diese breite Thal-Ebene der Etsch, welche sich nur kurz vor ihrem Austritt in die Tief-Ebene der Lombardei bei der Ciusa di Rivoli verengt, von einander geschieden, und auf der östlichen Seite herrscht allgemein eine andere Gebirgsformation, wie im Westen vor.

Für Tirol bildet auf der Ostseite der Etsch das, durch seine ganze Struktur wie durch seine Mächtigkeit, wenn auch nicht

durch Höhe ausgezeichnete, merkwürdige Schlern-Gebirge*), etwa 4 Meilen östlich von Botzen, mit den benachbarten Bergen von Fassa, unter denen der einzige Ferner dieser Gegend, die Marmolade, nahe an 9000 Fufs hoch, den Centralpunkt. Von hier aus streichen die Gebirgszüge nach Süden und Osten, die verschiedenen zur Etsch, zur Brenta oder Piave gehörigen Thäler umschliefsend. Der bedeutendste Höhenzug, dessen Gipfel bis über 8000 Fufs aufsteigen, ist der unter dem Namen Tridentiner-Alpen bekannte, welcher die Südseite des Avisio (Fleimser) Thales in südwestlicher Richtung begleitet.

Auf solche Weise ist der Central-Gebirgsstock Tirols, die Oetzthaler-Ferner-Gruppe, gegen Westen und Süden umschlossen. Gegen Norden findet wieder eine, von dieser völlig verschiedene Gruppirung statt.

Hier ziehen die Gebirgsketten fast alle in der Normalrichtung des Hauptgebirges, nämlich von Westen gegen Osten mit einer kleinen Neigung gegen Norden.

Der mächtigste dieser Gebirgszüge ist der, welcher das Innthal auf seiner Nordseite schliefst. Die Berge fallen oft von ihren höchsten Punkten unmittelbar zur Thal-Ebene ab, und man kann daher diesen Thalrand des Inn mit einer riesenhaften Felsmauer vergleichen, deren Zinnen in den schönsten Zacken und Spitzen in den blauen Himmel ausgehen.

In horizontaler Entfernung, kaum eine Meile von der Thalsohle, liegen schon die höchsten Gipfel, wie der 8000 Fufs hohe Solstein bei Innsbruck, und die Quellen der nach der baierschen Seite hin abfliefsenden Gewässer: die Zuflüsse zum Lech und zur Isar, finden sich dicht darunter.

Diese eigenthümliche Bildung des Terrains giebt dem Innthale den so entschiedenen Charakter eines scharf markirten Abschnittes, und nach Uebersteigung dieses Hochgebirgszuges

*) Die Höhe des Schlern wird auf 8094 Fufs angegeben.

tritt der, von Norden kommende Reisende erst recht eigentlich in Tirol ein. Die, diesem gegen Norden noch vorgelagerten Gebirgszüge, welche sich zwischen den Lech- und Isar-Zuflüssen vertheilen, treten, mit Ausnahme desjenigen, der den vorigen in beinahe gleicher Entfernung von der Zugspitze bis zu den Bergen am Achensee begleitet, in die Kategorie der Waldgebirge. Sie würden indefs, da sie oft noch bis zur Höhe von 6-7000 Fufs aufsteigen, immer noch sehr imposant erscheinen, wenn nicht die Baiersche Ebene, welche sich am Fufse des Gebirges weit hin ausdehnt, und hier über 2000 Fufs hoch liegt, die relative Höhe der Berge geringer erscheinen liefse. Ich habe jetzt nur noch, um den beabsichtigten Ueberblick zu vollenden, etwas über die Fortsetzung des Hauptgebirges östlich von der mehrerwähnten Oetzthaler Ferner-Gruppe zu sagen.

Bald hinter der Einsenkung des Brenner Passes erhebt sich das Hochgebirge wieder zu der Höhe der ewigen SchneeRegion, und mit den Duxer und Mösele-Fernern beginnt nun eine zusammenhängende Kette von hohen Schneegipfeln mit darum gelagerten Eisfeldern: die Tauren. Sie bildet die kolossale Wasserscheide zwischen den Zuflüssen, die zum Inn und zur Salza einerseits, und denen, die zur Rienz und Drau andererseits gehören. Zweimal breitet sich die Gletschermasse, hier „Kees" genannt, zu mehreren Quadratmeilen Flächenraum aus, namentlich östlich vom Dreiherrnspitz, und dann um den 11,780 Fufs hohen Grofs - Glockner. Zahlreiche Bergzüge bilden gegen Süden wie gegen Norden die Thalscheiden der Flüsse und Wildbäche. So wie nun der Ortles der Markstein Tirols gegen Westen ist, so bildet der Grofs - Glockner mit seinen Kees die Grenzmarke gegen Osten, während in der Mitte die riesige Eis-Veste der Oetzthaler Ferner liegt.

Dadurch ist aber die Scheidung des Landes in Nord- und Süd-Tirol von der Natur auch schon auf das bestimmteste ausgeprägt.

Nord-Tirol begreift das Gebiet des Inns;

Süd-Tirol das Gebiet der Etsch.

Letzteres scheidet sich wieder in den deutschen und in den italienischen Theil. Die Grenze beider Volksstämme ist im Etschthale, wo die Wälschen immer mehr vorzudringen suchen, nicht scharf zu bestimmen. In früheren Zeiten war die Mündung des Nons - Baches in die Etsch die Scheidungslinie. Die sich einander gegenüber liegenden Orte Mezzo-Tedesco und Mezzo-Lombardo zeugen dafür; heut zu Tage ist aber schon Salurn ganz italienisch. Dagegen sind die, südlich von Salurn einmündenden Seitenthäler, wie das Avisio-Thal, das Val di Non und di Sole, und das Val Gudicaria, deren Verzweigungen bis an das Schlern-Gebirge und die Mendola hinaufreichen, so gut wie ganz italienisch.

Zweiter Brief.

Das Vorland der Tiroler Alpen gegen Norden; die drei Eingangsthore: Pafs Achen, die Scharnitz und bei

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Drei grofse Eingangsthore führen von Baiern aus in's Tirol. Das vierte, über Kufstein durch die Oeffnung des Innthals, zähle ich hierbei nicht mit, weil man einerseits auf diesem Wege gar nicht die nördliche Alpenkette kennen lernt, sondern blos der breiten Thal-Ebene des Inn folgt, und weil ich andererseits diese Strafse schon zu denen zählen möchte, auf die man von Nord-Osten oder von Osten in die Tirol-Alpen eintritt.

Die oben gedachten drei Eingangspässe sind aber:

1) die Strafse über Füfsen, den Ehrenberger Pass, und den Pafs Fern;

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