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reich bevorzugte, von mir so heifs ersehnte Meran, im Morgendufte eines südlichen Himmels.

Es würde vergebens sein, wenn ich es versuchen wollte, das Bild, welches sich hier vor meinen Augen, wie mit einem Zauberschlage aufrollte, zu schildern; nur einzelne Andeutungen kann ich geben, die Phantasie meiner Leser mag sich das Uebrige dazu ausmalen.

Die Etsch fällt hier, wie ich schon erwähnte, die letzte Thalstufe hinab, und man nennt die, etwa 600 Fufs über der Ebene bei Meran erhabene Höhe des Vintschgau's, die Töll. Unmittelbar hinter jener Römerbrücke stürzt der Flufs in fortwährenden Katarakten über schwarze Felsblöcke, die der hoch aufspritzende weifse Schaum nur theilweise verdeckt, eine gute Viertelstunde abwärts, und selbst in der Ebene kann er erst nach Stundenlangem Laufe die Wuth seines aufgeregten Elements kühlen.

Unter diesem fortwährenden Brausen fährt man nun am linken Ufer abwärts. Hier ist der ganze Abhang, so weit das Auge reicht, mit Weingütern bebaut, und die Strafse führt unter wahren Laubgängen von Wein fort, dessen herrliche Trauben immer mehr gefärbt erscheinen, je näher man der Ebene kommt. Dazwischen stehen die einzelnen Gehöfte des reichen und schönen Dorfes Algund, dessen hohe Kirche eine stattliche Häusergruppe um sich vereinigt.

Links zur Seite zieht sich eine hohe Bergwand hin, mit zahlreichen Spitzen und Zinnen. Die äusserste Südspitze heifst die Mutt, und am Fußse derselben liegt, in beinahe gleicher Höhe mit der Töll, auf einem schmalen Vorsprunge, über Weingelände erhaben, das alte Stammschlofs des Landes Tirol; während von den näher gelegenen Abhängen die weifsen Berghöfe zwischen ihren hohen Nufs- und Kastanien-Bäumen hell herunter leuchten.

Von der Gegend, wo Schlofs Tirol liegt, zieht sich als unterste Vorstufe der Mutt, kaum 800 Fufs über der Thal

Ebene, eine Art Plateau gegen Südosten,

zur Etschebene

in steilen Felsabstürzen abfallend, aber wo immer das Terrain

es nur erlaubt, mit Weingütern bedeckt.

der Küchelberg genannt,

Auf der Mitte dieses.

da, wo die Waldab

Berges, hänge der Mutt beginnen, breitet sich das Dorf Tirol mit seinen zahlreichen Höfen aus, während eine halbe Stunde davon am Fusse des südlichsten Vorsprungs des Küchelbergs, das Städtchen Meran, von der Passer dicht an die Felsabhänge herangedrückt, um seinen hohen Kirchthurm herum geschaart liegt.

Die schöne, grüne Thal-Ebene zwischen Algund und Meran unterhalb Schlofs Tirol, erscheint mit ihren malerischen Gruppirungen von hohen Obst-, Nufs- und Kastanien-Bäumen, wie der herrlichste Park, der sich, durchschnitten von unzähligen Bewässerungs-Kanälen, bis an die schäumende Etsch heranzieht.

Dicht hinter Meran, und scheinbar damit zusammenhängend, erheben sich auf einem sanft ansteigenden Abhange, aus den herrlichsten Weingütern, eine überraschend grofse Anzahl von Schlösser und Edelsitzen, theilweise mit zwei und mehren Thürmen, theilweise als gröfsere Wohnhäuser; durch ihre amphitheatralische Lage übereinander einen glänzenden Anblick gewährend; es ist Obermais. Dahinter steigt der 8000 Fufs hohe Ifinger und die waldigen Berge von Hafling, die unteren Abhänge mit malerischen Berghöfen geschmückt, oben das romantische Kirchlein St. Katharina in der Scharte, als Hintergrund auf, während zur Rechten der Blick auf die Ebene des Etschlandes durch den Vorsprung des Waldbedeckten Marlinger Berges, dessen Fufs die Etsch umrauscht, beschränkt wird.

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Mit welchen Empfindungen ich diesen zauberischen Anblick begrüfste, und der milden, wohlthuenden Luft, die unten im Thale wehte, entgegenfuhr, - kann mir wohl schwerlich jemand nachempfinden, und als ich nun wieder die wohlbekannte Wohnung, und dieselbe freundliche und liebreiche Aufnahme fand wie früher, da war mein Herz voll Dankgefühl und

Hoffnung!

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Seit einigen Jahren ist Meran von vielen Fremden besucht worden, und es scheint als ob der Ort allmählig einen Ruf bekommen werde, der diesen Fremdenzug noch verstärken dürfte.

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In wie weit aber diese, sich immer mehr verbreitende Meinung von der Vortrefflichkeit der hiesigen Gegend eine begründete sei, oder ob dabei doch nicht manche falsche Voraussetzungen und daraus folgende Uebertreibungen statt finden, beabsichtige ich in den hier folgenden Briefen näher zu beleuchten. Mein beinahe dreijähriger Aufenthalt in Deutsch-Süd-Tirol hat mich auch in dieser Hinsicht zu mancherlei Bemerkungen veranlafst, die oft mit den, von anderen Schriftstellern gegebenen Schilderungen nicht übereinstimmen werden. Leider habe ich nämlich auch hier oft dieselben Uebertreibungen und Unwahrheiten finden müssen, wie in den früher erwähnten Naturschilderungen dieses Alpen-Landes. Die Dinge einfach zu nehmen wie sie sind, und die Sache selbst reden zu lassen, ist heut zu Tage eine seltene Erscheinung. Mit dem Wortklange einer schönen Sprache wird der Kern der schönen Wirklichkeit dergestalt verhüllt und umhüllt, dafs der tiefe Akkord der Poesie, welcher in dieser erklingt, durchaus verloren geht. Daher kommt es denn auch, dafs schon mancher Fremder, der mit so übertriebenen, unwahren Vorstellungen nach Meran kam, enttäuscht wurde und unmuthig wieder abreiste.

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Meran wird von zwei Arten von Fremden besucht. Viele kommen allein um der schönen Gegend willen, und ich kann von vorne herein sagen, dass diese, wenn sie nur einigermassen eine richtige Anleitung finden, die vollkommenste Befriedigung zu erwarten haben. Es möchte schwer sein, in dem ganzen Alpenlande, die Schweiz mit eingerechnet einen Punkt zu finden, von dem aus man im Bereiche einer Tages-Excursion, reichere und mannigfaltigere Naturschönheiten antrifft.

Die zweite Art von Fremden wird durch den Ruf von dem heilsamen und gesunden Klima Merans angezogen, und in dieser Hinsicht fürchte ich, ist die Zahl der Enttäuschten viel gröfser als man glaubt, weil sich bis jetzt noch kein bedeutender Arzt gefunden hat, der diesen hochwichtigen Gegenstand einer gründlichen Beleuchtung unterworfen hätte. Freilich gehört dazu ein längerer Aufenthalt, so wie sorgfältige und genaue Beobachtungen, dazu haben aber Wenige Zeit und Mufse; ein blofses Durchreisen kann dazu nicht genügen. Ich will im nächsten Frühling, wenn ich meinen hiesigen Aufenthalt zu beschliefsen gedenke, die Resultate meiner Klimatischen und Meteorologischen Beobachtungen mittheilen; vielleicht dienen sie dazu, Anderen diejenigen schweren Erfahrungen zu ersparen, die ich hier durchzumachen hatte. Vorläufig lasse ich also diese Seite Merans unbeachtet, und versuche es, so weit es mir gegeben ist, für jetzt zunächst mehr eine Schilderung des Orts, als eines Aufenthalts für Fremde zu geben.

Das Städtchen Meran ist mit seinen 200 und einigen Häusern, wie schon erwähnt, zwischen der Passer und dem südlichen Felsabhange des Küchelberges auf einer sanft geneigten Ebene erbaut. Gegen Westen breitet sich die schöne grüne Thal-Ebene der Etsch mit den herrlichsten Wiesen eine gute halbe Stunde, gegen Süden beinahe 4 Meilen weit aus; gegen Osten liegt auf dem früher beschriebenen, sanften und gleichmäfsig gelöschten Abhange das Dorf Obermais mit seinen zahlreichen Edelsitzen, und auf der Nordseite erhebt sich

unmittelbar der vorhin erwähnte Küchelberg mit seinen herrlichen Weingütern.

Auf diese Weise ist es erklärlich, dafs Meran dem unkundigen Fremden durchaus nicht den Eindruck einer Bergstadt giebt, den man wegen der Lage mitten im Hochgebirge der Alpen zu erwarten verleitet ist. Die hohen Berge, welche allerdings nach allen Seiten hin den Blick begränzen, erscheinen, weil ihre höchsten Punkte doch immer in ziemlich bedeutender horizontaler Entfernung liegen, dem ungeübten Auge von geringer Höhe; selbst der, dicht über Meran beinahe 600 Fufs hoch aufsteigende Küchelberg, wird durch die dahinter sich erhebenden kahlen Felszinnen der Central-Gebirgs-Masse, zu einem Hügel herabgedrückt.

Unmittelbar aus den herrlichen Wiesengärten zwischen Algund und Meran, fährt man beim Kapuziner-Kloster durch das Vintschgauer Thor in die Stadt ein.

Man kann sich Meran in drei Theile zerfallend denken. Der westliche, zugleich der am tiefsten gelegene Theil der Stadt, besteht in einer ziemlich breiten Strafse der breitesten von ganz Meran, die vom Kapuziner- Kloster in der Richtung nach Süden gelegen ist, und worin das, durch Kaiser Joseph aufgehobene Clarissinnen - Kloster jetzt im Privatbesitz,

das Landgericht und das neue Gymnasial-Gebäude, die ansehnlichsten Bauwerke sind. Dieser Stadttheil, etwa 300 Schritt lang, heifst der Rennweg; - am Ende desselben, gegen Süden, ist die Stadtmauer durchbrochen, und der eigentliche Thorthurm, das Ultner Thor, liegt seitwärts, etwa in der Art, wie dies bei mehreren Städten in Pommern und in der Mark vorkommt.

Von der Mitte des Rennwegs führt eine enge, nahe an 400 Schritt lange Strafse - die eigentliche City sanft ansteigend aufwärts bis zu einem kleinen Platze vor dem Eingange zur Pfarrkirche, welche mit einer ziemlich hohen Mauer umgeben die Laubengasse genannt,

ist. Diese Strafse

besteht

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