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kündigers reinster Frömmigkeit und Menschenliebe, eines gottgesandten Propheten. Voll Mitleid mit dem von verlogenen und herschsüchtigen Priestern irregeleiteten Volke legte er die Hand an den ausgelebten, verknöcherten Väterglauben, um an die Stelle desselben etwas Neues und Besseres zu setzen. Und diejenigen, die tausendmal hätten froh sein sollen über diesen Besten der Menschenkinder, vergalten ihm seine Hingabe mit dem schwärzesten Undank und hielten es für ihre Pflicht, das Licht, das er auf den Leuchter gestellt, auszulöschen und den Bringer desselben zu vernichten. Wie ein wahrer Wohlthäter der Menschheit jederzeit statt mit der Ehrenkrone mit der Dornenkrone belohnt wird, wie die Menschen eine neue Gottesoffenbarung aus Trägheit und Blindheit immer zuerst als ein Werk des Satans ansehen und von sich stoßen, - davon ist die Gestalt des dornengekrönten Jesus das erschütterndste Beispiel, das uns die Geschichte bietet.

Aber hierin liegt auch die Probe wahrer aufrichtiger Menschenliebe. Es hat nicht nur unter den Vertheidigern des Alten und Hergebrachten, sondern auch unter denen, die sich als Wohlthäter der Menschheit, als Retter der Völker, als Bahnbrecher des Fortschritts und der Freiheit ankündigten, jederzeit falsche Propheten gegeben, solche, die unter jenen schönen Namen nur eigennützige Zwecke verfolgten, solche, die „um das Volkswohl weinten und nur ihr eigenes meinten“. Oft schon ist es solchen gelungen, die Menge zu täuschen und sich durch scheinbare Erfolge einen Namen zu machen.

Woran erkennt man die wahren Propheten, die es wirklich wohl mit dem Volke meinen? Wir denken: an der Feuerprobe der Schmähung und Verfolgung, an der von den Menschen geflochtenen Dornenkrone. Ein falscher Prophet läßt sich niemals eine solche flechten. Wer aber auch da, wo nicht mehr ein persönlicher Vortheil, sondern nur noch Opfer und Leiden zu holen sind, wer auch unter dem Geschrei der Lästerzungen, unter dem Gefühl der Verkennung, unter den plumpen Angriffen der Dummheit, unter der Gefahr des Todes seiner Liebe zu den Menschen treu bleibt, der ist wahrhaft groß; die Mitwelt hat für ihn freilich nur eine Dornenkrone, aber die Nachwelt wird sein Haupt schmücken mit der Strahlenkrone der dankbaren Verehrung!

Auch wir tragen diese dankbare Verehrung in unsern Herzen. Wir geben ihr freilich nicht mehr dadurch Ausdruck, daß wir wie die alte Kirche Jesum zu einem Gott machen und ihn anbeten. Wir kennen und verehren ihn als einen wirklichen und wahrhaften Menschen. Aber wir sagen: Seht, welch ein Mensch! Und wir geben uns Mühe, in unserm kleinen engbeschränkten Wirkungskreis und mit unsern geringen Kräften in gleicher Weise Menschen zu sein wie er war. Unser Bekenntniß ist das Wort des Apostels: „Ein Jeglicher sei gesinnet wie Jesus Christus auch war“, oder das Wort des Dichters:

Was ich anbete, ist dein Leben,
Du großer Mensch im Gottesschein!
Mein Glaube sei, dir nachzustreben,
Wie du zu wirken und zu sein!

L.

Einige Antworten eines Laien.

Sie erlauben gewiß einem einfachen Mann, am Schluß der vielen Sizungen der Synode noch seinen Eindruck, den er erhalten hat, auszusprechen.

Zuerst möchte ich danken für viel Belehrung sowohl den freisinnigen Rednern als auch einigen von der orthodoren Parthei, die ihren Standpunkt manirlich und vernünftig vertheidigten.

Aber dann muß ich auch sagen, was mir für Antworten gekommen sind auf Vieles, was sich in einem Großrathssaal nicht gehört und das man in Basel einfach Beleidigungen heißt.

1) Herr Professor Vischer sagte, unsere freisinnigen Pfarrer haben den erfreulichen Kirchenbesuch einzig den orthodoren Vorfahren zu verdanken. Darauf sage ich: Ganz recht, Herr Professor, die Zuhörer der freisinnigen Geistlichen sind fast lauter solche Leute, die von den Orthodoren zur Kirche hinausgepredigt worden waren und ich zähle mich auch zu denen!

2) Herr Pfarrer Stähelin redete immer so, als ob nur er und seine Anhänger Christen seien, dagegen die Reformer nicht. Herr Pfarrer, im Geschäftsleben ist es so, wenn ein Kaufmann oder Handwerker nur die von ihm und seinem Associe gelieferte Waare für gut, für ausgezeichnet erklärt, und das Fabrikat des Nachbars heruntermacht, so heißt man das unanständige Reklame!

3) Herr Professor Riggenbach war es, glaub ich, der rief, man solle doch nicht das Gebot Christi antasten (d. h. ein ungetauftes Kind konfirmiren). Ich weiß nicht, ob unser Herr darüber wirklich ein Gebot gab. Aber manch anderes Gebot weiß ich, das Christus ganz sicher gegeben hat, 3. B.: Verkaufet Alles was ihr habt und gebt es den Armen! Wenn ihr Herren einmal anfanget, dieses Gebot zu halten, will ich dann glauben, es sei euch wirklich um die Gebote Chrifti zu thun, vorher kann ich es nicht!

4) Herr Pfarrer Ecklin hat, ich weiß nicht wie viel Mal, in den Saal gerufen, was das für unsere Kirche eine unerhörte Schmach und Schande sei, wenn ein Pfarrer derselben konfirmire ohne Taufe. Ich habe diese Tage nun viel von einer Heilsarmee gelesen, die mit der Religion und der Bekehrung Spektakel macht, wie es sonst in Basel nur im Cirkus Brauch ist. Ich habe mit Freude gehört, daß unsere Geistlichen sich davon alle ferngehalten, bis auf Herrn Eclin. Jene Aufführungen der Heilsarmee halten wir für eine wirkliche Schmach und Schande!

5) Die genannten Herren haben wiederholt sehr gedroht, daß es jet mit der Kirche aus sei, die Gläubigen müssen sich von einer Kirche, wie die in Basel, lossagen. Wenn ich das zum erstenmal hören würde, so wäre es mir leid, denn ich fürchte mich vor dem Sektenwesen. Aber weil ich jene Drohung schon mehr als dugendmal gehört und nie etwas darauf kam, so halte ich sie jezt für falschen Feuerlärm. Es ist jüngst in einem russischen Theater Feuer" gerufen worden und im Hinausstürzen drückten sich die Menschen den Brustkasten ein. Da kam es heraus, daß es nur blinder

Lärm gewesen sei, von einem Taschendieb nämlich. Nun, wenn immer mit dem Austritt gedroht und nie Ernst gemacht wird, so wird man wahrhaftig auch bald glauben, die Feuerrufer wollen auch nur den einfältigen Leuten Angst machen, um dieselben desto besser in's Vereinshaus zu locken!

6) Herr Pfarrer Stähelin hat (und darauf hätte ich gerne in der Synode eine Antwort gehört) den Freisinnigen den Vorwurf gemacht, sie wollen nichts Höheres als ihr eigenes Belieben. Diese Rede halte ich für eine schnöde und ich möchte im Ernst einen Vorschlag machen. Unsere Herren Pfarrer haben alle eine Amtsordnung, auf die sie verpflichtet sind, ich glaube sogar einen Eid abgelegt haben. Der hohe Kirchenrath sollte einmal eine Untersuchung anstellen, wer seinen Amtspflichten getreuer und vollkommener nachlebe, ob unsere Herren Geistlichen, einer um den andern, oder aber Herr Pfarrer Stähelin. Ich glaube wirklich, daß wir auf unserer Seite keine Angst haben müssen, wenn die Untersuchung recht strenge gehalten wird.

Zum Schluß muß ich noch sagen, daß mir erst in der Synode recht flar geworden ist, warum unsere Stadt Basel so entschieden für die freisinnige Richtung ist seit 10 Jahren. Unsere freisinnigen Geist= lichen haben mich gedauert wegen der Angriffe, die ihre Lehre in der Synode ausstehen mußte; aber dann hat es mich auch in der Seele ge= freut, daß sie nicht Böses mit Bösem vergolten haben und nicht gescholten, wie sie gescholten worden sind. Es ist mir dabei eine Predigt des sel. Antistes Preiswerk in den Sinn gekommen, die ich selber gehört, worin er den Text auslegte: „Und Jesus antwortete ihm nichts." Jener ehrwürdige Antistes, den Viele geliebt haben, wie die Kinder einen Vater lieben, sagte damals, es sei oft eine Pflicht zu schweigen, eine schwere Pflicht, aber eine erhabene. In der lezten Synode haben wir Viele diese Pflicht gethan und einer von den Konservativen hat selbst sich geäußert, das müsse man gelten lassen, daß die Reformer in der Synode sich ge= halten haben.

n. n.

Alte Wahrheit für die neue Zeit, Predigten von Z. Wirth. Preis 5 Fr. Eltern, welche einem Kinde zur Konfirmation gern ein Buch schenken, werden auf obige Predigtensammlung noch einmal aufmerksam gemacht. An den Kernworten dieses Buches wird man sich nach 50 Jahren noch erbauen und orientiren.

Basler Kirchenzeddel Sonntag den 18. März.

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Sechster Jahrgang.

No 13.

Samstag, 31. März 1883.

Schweizerisches Proteftantenblatt

Herausgeber:

Pfr. A. Altherr und E. Linder in Basel, Pfr. Bion in Zürich.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden
sei an Jerusalem, Rom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere
Person. In Christo allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.
Oecolampad an Suther.

Erscheint jeden Samstag. Man abonnirt auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis halbjährlich franko zugesandt 2 Fr. Wer das Blatt in Basel gratis erhalten will, kann dasselbe in der Buchdruckerei J. Frehner, Steinenvorst. 12, abholen.

Die Zukunft der Religion.

Was wird aus der Religion ohne den Glauben an übernatürliche Autoritäten?

Auf diese Frage giebt F. Pecaut in einem seiner frühern schon in diesem Blatte citirten Vorträge eine Antwort, die wir hier unsern Lesern mittheilen wollen.

Es ist wahrlich keine unbedeutende Bewegung, die sich in unserer Zeit vollzieht. Statt der Lehre von der vollständigen Unfähigkeit des Menschen für göttliche Dinge tritt die Lehre von seiner religiösen Selbstständigfeit und der Selbsterziehung auf; an die Stelle des Wahnes, es gebe eine aus Wundern zusammengesetzte übernatürliche Geschichte, tritt die Erkenntniß einer wirklichen Geschichte, die von beidem, von menschlicher Freiheit wie von göttlichem Thun gleicherweise Zeugniß gibt; die unklare und mehr oder weniger ascetische Vorstellung von der sittlichen Aufgabe des Menschen weicht vor dem Gedanken, daß der Mensch das Recht hat unter dem segnenden Walten Gottes alle Kräfte und Fähigkeiten zu entwifeln, die in seiner Natur liegen. Kurz: Der Wunderglaube gleichviel ob der Glaube an eine wunderbare Offenbarung oder an wunderbare Personen oder an eine durch Wunder wirkende Kirche oder an ein auf wunderbare Art entstandene heilige Schrift der Wunderglaube zieht sich mehr und mehr aus dem Bewußtsein der Völker und der Individuen zurück und läßt in demselben zunächst eine ungeheure Lücke. Diese Lücke mit neuem Inhalt auszufüllen, ist eine Aufgabe, welcher keine andere an Größe gleichkommt. Und hier gilt es nun im eigentlichen Sinne des Worts zu glauben ohne zu sehen. Denn in Wirklichkeit besteht nun der Glaube nicht mehr darin, mit seinen körperlichen Augen Gott in einem Wunder zu erblicken

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oder in blinder Gläubigkeit denen zuzustimmen, die ein solches gesehen haben sollen. Unser Glaube besteht darin, Gott mit den Augen des Geistes zu erkennen in uns selbst, in der Welt, die uns umgiebt, in dem Gang der Geschichte, in der Gesammtheit der materiellen und geistigen Mächte, welche das Universum ausmachen. Glauben, das heißt sich als freie Persönlichkeit in natürlichem Zusammenhang fühlen mit dem unendlichen Wesen, das die Welt beherrscht; es heißt: Gott erkennen und wahrnehmen in diesem großartigen Zusammenhang der Dinge, wo auch wir unsere Stelle haben. Religiös, fromm sein, das heißt, seine ganze Lebensweise von diesem Gottesgefühl bestimmen lassen; es heißt: das Leben, so wie es uns zugewiesen ist, als das Feld betrachten, wo Gott in uns und durch uns, vermöge der Naturgeseze seine Werke thut. Das religiöse Leben ist nicht ein besonderer abgeschlossener Winkel im Menschenleben überhaupt, nicht ein isolirtes Gebiet desselben, das besondern Bedingungen unterworfen wäre; es ist vielmehr das ernste Leben in seiner vollen Wirklichkeit und in Verbindung mit dem ewigen Gott; es ist, wie schon gesagt, der Mensch, welcher in freier Selbstbestimmung die göttliche Ordnung befolgt.

Hierauf antwortet man uns freilich: diese Grundsäße mögen schön und wahr sein, aber sie sind nicht eine so einfache Sache, daß man mit einem ersten Schritt auf dieselbe gekommen wäre; ja viele einfache Gemüther faffen sie heute noch nicht so ohne weiteres. Die talentvollsten Menschen sogar haben Mühe, sich dieselben anzueignen; ihr selbst verdankt ja eigentlich dent geschichtlichen Christenthum und eurer christlichen Erziehung viel mehr als dem Licht eures eigenen Geistes; daraus folgt aber, daß es eben einer Offenbarung bedarf, um diese Wahrheiten bekannt zu machen und zu befestigen."

Wie aber, wenn die Thatsächlichkeit dieser Offenbarung viel schwerer zu beweisen ist als die dadurch gestützte Wahrheit selbst? Man kann uns mit Leichtigkeit eine rührende Schilderung entwerfen von dem Zustand eines Menschen, der, auf sich selbst angewiesen, angesichts der großen Fragen, die das Schicksal stellt, zaghaft wird und keinen festen Boden findet. Man kann uns ebenso drastisch schildern, wie ein solcher dann auf einmal gläubig wird und einer Offenbarung - natürlich derjenigen, die ihr ihm verkündet! zustimmt. Aber die Sache verhält sich in Wirklichkeit doch anders. Ihr könnt ihm lange zugleich mit dem himmlischen Vater auch einen himmlischen Erlöser und eine übernatürliche Versöhnung verkündigen und dann glauben, jezt sei die Sache gemacht! Weit gefehlt! Es handelt sich zuerst um die Prüfung, ob die von euch behauptete Offenbarung wahr dann erst um ihren Inhalt.

sei,

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