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gesellschaft fast umsonst. Von so einem glücklichen Landpfarrer, J. D. Eplinger in Obfelden, Ktn. Zürich, stammt das kleine Büchlein mit dem Titel: „Das Verhältniß der Religion und Theologie zur Naturwissenschaft.' Was die ersten Naturforscher alter und neuer Zeit von ihrer Wissenschaft aus für und wider die Religion vorgebracht haben, zeichnet der Verfasser kurz, aber so, daß man ihm das Selbstlesen und Selbstdenken deutlich anmerkt. Und was die besten Theologen, besonders H. Lang und A. Schweizer, für das ewige Recht der wahren Religion in's Feld geführt, ist in dem Büchlein trefflich verwendet. Und das Resultat? Es sind falsche Schlüsse, wenn ein Naturforscher, wie Vogt und Häckel, meint, der liebe Gott sei mit der Darwin'schen Theorie unmöglich geworden. Es sind ebenso falsche Schlüsse, wenn Theologen, wie Knacke und Stöcker, der Wissenschaft wehren wollen, das Weltdasein aus natürlichen Ursachen, ohne jeden Wunderglauben, zu erklären. Die wahre Naturwissenschaft und die wahre Religion sind gute Freunde, nach dem alten Spruch: „Wer oberflächlich die Natur betrachtet, sich leicht im grenzenlosen All verliert, doch wer auf seine Wunder tiefer achtet, wird stets zu Gott, dem Herrn der Welt, geführt." Oder wie H. Lang, der Meister in solchen Untersuchungen, sehr treffend gesagt hat: „Der Glaube als die Ueberzeugung von dem Einen, das in dem Vielen waltet, vom Unsichtbaren, das im Sichtbaren wirkt, vom Uebersinnlichen, das die sinnliche Welt geheimnißvoll beherrscht, der Glaube geht allem exakten Wissen doch ewig voran und ist auch früher da gewesen als das Wissen. Ehe Humboldt die Welt als Kosmos, als Schmuck des Geordneten aufzeigte, ehe Galiläi und Keppler die Bahnen der Himmelskörper mathematisch berechneten, hatte der Glaube schon Jahrtausende zuvor das Hauptergebniß vorausgenommen: „Gott sahe an Alles, was er geschaffen hatte und siehe es war gut." Ja der Glaube, durch unmittelbaren Eindruck des Weltalls auf's Gemüth hervorgebracht, nimmt mit sicherm Takt auf Einen Schlag voraus und genießt, was der erkennende Verstand erst auf langen und mühsamen Wegen allmälig erwirbt. Auch hört der Glaube keineswegs auf, wenn das Wissen da ist, und wird nie aufhören, wie das Wissen auch fortschreiten mag. Auch die Wissenschaft lebt vom Glauben und kann nicht gedeihen ohne ihn." Das Büchlein ist Allen zu empfehlen, die nach hellen wissenschaftlichen Gründen für ihren Gottesglauben verlangen. Der Hofprediger Stöcker und der ultramontane Windthorst haben im deutschen Reichstag gegen den Darwinismus geredet als richtige Kapuziner und frères ignoratins; in diesem Büchlein spricht ein gebildeter Mann, ein freisinniger Theologe, ein frommer Christ. A.

Offener Brief an M. H.

Wenn Sie der Hausherr durchaus ins Vereinshaus hineinbringen und nicht leiden will, daß Sie die Kirche, die Ihnen lieb ist und Erbauung bietet, besuchen, so würden wir an Ihrer Stelle so bald als möglich ausziehen, denn Sie sind ja nicht mit ihm verheirathet und danken Sie Gott dafür. Wenn der betreffende Hausherr es ferner für passend hält, in seinen Morgenandachten

und vor den Kindern Ihren Namen und den aller freisinnigen Christen zu verunehren, so kann ihn auch daran Niemand hindern, danken Sie wieder Gott, daß sie mit dieser „Andacht“ nichts gemein haben müssen und leben Sie still ihrer Pflicht. Auch darüber dürfen Sie sich nicht zu sehr ärgern, daß der so überaus christliche Herr „nicht einmal ein Schweizer" sei; die Schwaben in Basel haben nun einmal zum großen Theil ihre apartige Frömmigkeit und erlauben sich besonders in religiöser Beziehung alle Arten von Unduldsamkeit gegen die Schweizer auf unserm eigenen theuer erkauften Schweizerboden. Sie müssen das mit sehr vielen Andern in Geduld tragen. Wollen Sie dem betreffenden Herrn aber etwas sagen, so errinnern Sie ihn bloß ruhig daran, daß die Glaubens- und Gewissensfreiheit im obersten Geseß unseres Schweizerlandes feierlich gewährleistet ist, für Reich und Arm, für Jedermann. Mehr würden wir an Ihrer Stelle nicht sagen, denn in vielen Fällen hat der weise Salomo Recht Spr. 27, 22: „Wenn du den Narren im Mörser zerstießest mit dem Stämpel wie Grüße, so ließe seine Narrheit doch nicht von ihm."

Frühere Synodalwahlen. Da Anstrengungen gemacht werden, für die nächsten Synodalwahlen das sog. proportionale Wahlverfahren zur Anwendung zu bringen, ist ein Rückblick sehr lehrreich. Da mir die nöthigen Daten bloß von der St. Leonhardsgemeinde zu Gebote stehen, so halte ich mich an diese.

Am 17. Mai 1874 stellten die Orthodoren und die Freijinnigen zum ersten Mal besondere Listen auf. Die Orthodoren nahmen keinen Freisinnigen auf ihre Liste, die Freifinnigen dagen portirten auch fünf Orthodore. Gewählt wurden 9 D. und 4 Fr. Am 6. Mai 1877 nahmen die D. keinen Fr. auf ihre Liste, dagegen die Fr. nahmen einen O. auf ihre Liste. Gewählt wurden 6 D. und 1 Fr. (leßterer aber erst bei der Nachwahl).

Am 23. Mai 1880 nahmen die D. keinen Fr. auf ihre Liste. Nun nahmen die Fr. auch keinen O. mehr auf ihre. Liste. Gewählt wurden (mit großem Mehr) 9 Freisinnige.

Am 5. Februar 1882 nahmen die D. keinen Fr. auf ihre Liste, die Fr. auch feinen D. Gewählt wurden 9 Fr. und 1 D.; der Kirchenvorstand zu St. Leonhard besteht in Folge dieser Wahlen dato aus 14 Freisinnigen und 4 Orthodoren, den Präsidenten nicht gerechnet.

Der Kirchenvorstand am Münster besteht aus 17 Orthodoren und 1 Freisinnigen, den Präsidenten nicht gerechnet.

Basler Kirchenzeddel Sonntag den 4. März.

Morgenpredigt 9 Uhr

Kinderlehre

ซ.

Münster
Stockmeyer

| St. Peter

St. Leonhard St. Theodor

JEcklin

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Sartorius
Wirth

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Abendpredigt 3

1. St. L. Vereinsfitung Dienstag den 6. März 1888, Abends 8 Uhr, im obern

Saale des „Schweizerhaus“. Traktanden: 1) Jahresrechnung, 2) Kommissionswahl, 3) Vertrag von Hrn. Pfr. O. Brändli. Mitglieder und Freunde find eingeladen.

Druck und Expedition von J. Frehner, Steinenvorstadt 12, Vasel.

Sechster Jahrgang.

No 11.

Samstag, 17. März 1883.

Schweizerisches Proteftantenblatt

Herausgeber:

Pfr. A. Altherr und E. Linder in Basel, Pfr. Bion in Zürich.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden
sei an Jerusalem, Rom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere
Person. In Christo allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.
Oecolampad an Futher.

Erscheint jeden Samstag. Man abonnirt auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis halbjährlich franko zugesandt 2 Fr. Wer das Blatt in Basel gratis erhalten will, kann dasselbe in der Buchdruckerei J. Frehner, Steinenvorst. 12, abholen.

Jesus in der Dornenkrone.

Jesus in der Dornenkrone, von seinen Gegnern zum Tode verurtheilt, vom Volke gelästert und mißhandelt, von den Seinigen verlassen, vom Landpfleger preisgegeben mit der geringschäßigen Aeußerung: Seht, welch ein Mensch! Das ist das Bild, welches die kommende Charwoche vor unsere Augen malt. So unschön dieses Bild eigentlich ist, so ergreifend wirkt es auf jedes unverdorbene Gemüth; so sehr die Passionsgeschichte aus einer langen Reihe von Martern besteht, so anziehend ist sie, denn sie ist diejenige Parthie der evangelischen Lebensschilderung Jesu, welche frei ist von Wundern, aber reich an psychologischen Zügen; in allem die Darstellung nicht eines über den natürlichen Gesezen stehenden Gottes, aber die eines geistig und sittlich erhabenen Menschen. Jesus in der Dornenkrone, das ist das christliche Menschenideal, die sittliche Hoheit in der tiefsten äußern Erniedrigung. Wollen wir von Jesu so hoch und heilig denken als nur möglich, so brauchen wir ihn nicht zum Gott zu stempeln, diese Gestalt in der Dornenkrone gibt der verehrenden Betrachtung einen Stoff von unerschöpflicher Fülle.

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Was wahre Menschengröße sei, darüber haben die Menschen von jeher . die mannigfaltigsten Vorstellungen gehabt. Ehedem suchte man sie in der Geltendmachung der rohen Gewalt, in der gewissenlosen Ausnügung der Machtstellung, welche einem Einzelnen oder einigen Wenigen gegeben war. Diese Meinung hat zwar auch heute noch ihre zahlreichen Vertreter, aber sie ist doch gerichtet, gerichtet durch den Eindruck der Leidensgestalt, in welcher der in Knechtsgestalt einhergehende, nach keinem Szepter verlangende, für Andere sein Leben aufopfernde Jesus von Nazareth sich der Welt dargestellt hat.

Wiederum finden wir, zumal bei den gebildeten Völkern der alten Welt, die Anschauung, der Adel des Menschen bestehe in dessen äußerer wohlgefälliger Gestalt, in der Anmuth und Blüthe der körperlichen Erscheinung; das Ideal der Griechen waren jene Apollo- und Aphroditegestalten, an denen sich heute noch das Auge des Künstlers weidet. Aber auch diese Anschauung ist in den Hintergrund getreten gegenüber der dornengekrönten Martergestalt eines ecce homo.

Und wenn man etwa noch auf Berühmtheit etwas gibt und die Größe eines Menschen mißt nach dem Klang seines Namens in Wissenschaft und Kunst und Politik, wenn man die Dichter und Denker als die Großen betrachtet, denen menschliche Verehrung den Lorbeerkranz um's Haupt gewunden, so ist auch diese Größe überragt von dem ungelehrten, in der zeitgenössischen Geschichte wenig genannten, am Kreuz gestorbenen Mann in der Dornenkrone.

Und warum das wohl? Offenbar weil es ungleich mehr sittliche Kraft braucht, standhaft eine unverdiente Dornenkrone zu tragen als eine verdiente Ehrenkrone, weil die im Leiden erprobte Opferwilligkeit und Selbstverläugnung von allen Leistungen die schwierigste und edelste ist.

Jesus in der Dornenkrone! Das ist das Bild eines Menschen, der es mit der ihm zugewiesenen Lebensaufgabe ernst nimmt. Das Leben bringt uns eben nun einmal nicht blos Rosen, sondern auch Dornen, nicht blos Genüsse und Freuden, sondern auch schwere Pflichten, Entsagungen und Leiden. Man kann ja den Dornen wohl möglichst ausweichen, sich den ernsten Anforderungen des Berufs und der Lebensstellung entziehen und vom Kelch des Lebens das Beste kosten, Andern dafür die Hefe überlassend. Es sind ihrer sehr Viele zu allen Zeiten gewesen, die dieser Weise zu leben als eine besondere Kunst und Weisheit betrachten und die Andern, die in saurem Schweiß und unter Blut und Thränen ihre Pflicht thun, als Thoren verlachen. Aber kein edel Denkender wird darin eine wirkliche Menschengröße erblicken, sondern sich lieber wieder in dankbarem Staunen zu der dornengekrönten Gestalt hinwenden, die sich dem Schwersten und Herbsten nicht entzog, sobald es die von Gott ihm angewiesenen Aufgaben mit sich brachten. Wie klein erscheint ihr gegenüber der nur auf seinen persönlichen Vortheil bedachte Landpfleger, wie erbärmlich der in allen Genüssen schwelgende und alles Hohe und Edle verspottende Herodes! Wie armselig alle Diejenigen, die sich mit ihrem Vermögen, mit ihrem Prunk, mit ihrem Einfluß, mit ihren Familienverbindungen, mit ihren Adelsbriefen und dergleichen brüsten! O wenn wir solch einen Menschen einhertreten sehen in der selbstgefälligen Bewunderung seines lieben Ich, im stolzen

Gefühl seiner Vornehmheit, und jede Miene zu sagen scheint: „Seht welch ein Mensch bin ich!" dann wendet sich der ernste Christ mit Widerwillen ab von dieser äußerlichen, gekünstelten, ererbten, erkauften, er schlichenen oder vielleicht gestohlenen Scheingröße und sagt sich, auf den Mann in der Dornenkrone blickend, daß es unsere Lebensaufgabe sei: nicht die Dornen aufzusuchen, nicht das Leben schwerer zu machen als es schon ist, aber das von Gott gesandte Kreuz der Opferwilligkeit, der Selbstverläugnung und des Leidens auf sich zu nehmen und willig zu tragen!

Jesus in der Dornenkrone! Das predigt des Weitern laut und deutlich, daß die wahre Menschengröße nicht bestehe in der rohen Wiedervergeltung und Rache, sondern in der Vergebung und Feindesliebe. Das Schmerzlichste im Leben ist nämlich nicht das, daß es überhaupt Dornen mit sich bringt, das letztere gehört eben zum allgemeinen von Gott geordneten Schicksal. Aber viel wehthuender ist es, wenn Menschen uns Leiden und Schmerz bereiten. Eine Dornen krone ist kein Werk der Natur, sondern von Menschenhand so geflochten, und zwar mit der Absicht geflochten, daß sie verwunden und schmerzen solle. Solche Erfahrungen reizen des Menschen Gemüth viel mehr zu Haß und Rachgier; es liegt in Fleisch und Blut, das Böse mit Bösem vergelten zu wollen und gleichsam das Rachegefühl als linderndes Heilmittel auf die geschlagene Wunde zu legen. Welch einen innern Kampf kostet es, in solchen Fällen den Sieg über sich selbst zu erringen! Aber wie Wenige kämpfen diesen Kampf ernstlich und gewissenhaft? Wie Vielen gilt es als eine Thorheit, eine Beleidigung stillschweigend hinzunehmen; in gewissen Kreisen betrachtet man es geradezu als erbärmliche Feigheit, etwas ungerächt zu lassen; es gilt als Ehrensache, ein schimpfliches Wort, eine beleidigende That nicht auf sich sitzen zu lassen. Aber so oft wir einen solchen zornerfüllten Menschen beobachten, wie er, racheschnaubend und mit Drohungen um sich werfend Jedem, der es hören mag, versichert, daß er die Beleidigung heimzahlen und zeigen werde, was er für einer sei, immer wendet sich der Jünger Jesu ab von solchem stolzen Gebahren und hin zu seinem dornengekrönten Meister, welcher nicht wieder schalt, da er gescholten ward, nicht drohete, da er litt, sondern die Sache Dem anheimstellte, der da recht richtet, dessen lezter Seufzer um Vergebung für seine Feinde rang! Da sagen wir bewundernd: Seht, welch ein Mensch! Welch eine Sanftmuth und Seelenruhe liegt auf diesem Antlig! Und diese Ruhe war nicht etwa blos Schein, nicht verhaltener Groll, nicht etwa erhabene Verachtung der Gegner, sondern wahre und wirkliche Selbstbeherrschung, ein ganzer Sieg über die Leidenschaften, die in Fleisch und Blut schlummern, in der Feuerprobe bewährte Nächsten= und Feindesliebe!

Fragen wir schließlich noch: warum haben die Menschen dem Mann von Nazareth diese Dornenkrone geflochten? Es war keine gewöhnliche Bosheit, keine bloße Luft an den Qualen eines preisgegebenen Opfers, wenigstens bei den Anstistern jenes Todesurtheils nicht. Es war der glühende Haß einer fanatischen Priesterschaft gegen einen, der für das Wohl seines Volkes und der Menschen hatte wirken wollen. Sein Tod ist das Martyrium eines Kämpfers für die Wahrheit und Gerechtigkeit, eines Ver

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