Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

„O ja, er ist jetzt einer meiner besten Schüler, man würde nicht glauben, daß es dasselbe Kind ist." Frau v. P. hatte Recht; mit Liebe und Fröbels Beschäftigungen, die seinem Thätigkeitstrieb die richtige Nahrung geboten, war der Junge in einem Vierteljahr ganz anders geworden.

Wie manches Kind könnte von vornherein in die richtige Bahn gebracht werden, wenn es gut verstanden und seine Individualität besser beachtet würde! Ich konnte öfters beobachten, wie die Kinder bei ihren vorgeschriebenen Beschäftigungen alle das Gleiche hervorbrachten; aber jedes auf seine eigene Art. In Genf z. B. wohnte ich kürzlich einer Stunde bei, wo ganz kleine Kinder weiße Knöpfchen mitten in Vierecke legen sollten, die, auf Kartons gezeichnet, vor ihnen waren. Alle fanden sie sehr nett die Mitte heraus, aber die einen fingen unten, andere oben, manche links, manche rechts an, einige arbeiteten mit der linken, andere mit der rechten Hand, bis die Kartons ganz besetzt waren. Es war recht niedlich anzusehen. Als aber später die Lehrerin jedem Kinde erlaubte, zu thun was es wolle, da kam die Affennatur zum Vorschein und die größte Zahl der Kinder ahmte nach, was einige ihrer Kameraden ausgedacht und vormachten.

Auf den Gesang wird auch sehr Acht gegeben. Frau von Portugall erlaubt nicht, daß die Kinder bei den Spielen oder besonders beim Marschiren schreien, wie es leider zu oft in Kinderschulen vorkommt. In manchen Sälen, wo die Lehrerin musikalisch ist, singen die Kinder ganz reizend.

Nun will ich aber Ihre Geduld nicht länger in Anspruch nehmen. Vielleicht kann ich Ihnen später einen weitern Bericht erstatten von dem, was ich in den übrigen Gemeinden des Kantons sehen werde. Mögen Sie einstweilen diesen Versuch gut aufnehmen. Ich wünsche von Herzen, daß Fröbel's Erziehungsprinzip in Basel rechte Anerkennung finden möchte und würde Ihnen gratuliren, wenn alle Städte der Schweiz in dieser Hinsicht dem Beispiele Genf's folgen würden.

Einladung zum Kirchengesangverein.

Die protestantische Kirche ist arm an Mitteln, welche durch die Sinne wirken. Unsere Gottesdienste empfangen ihre Weihe und Schönheit fast ausschließlich von der Predigt; gelingt diese einmal nicht recht, so gehen Hunderte unbefriedigt von dannen. Es ist somit die Erbauung oder Enttäuschung einer ganzen Gemeinde durch den Prediger bedingt, ob derselbe gesund oder angegriffen, gut oder übel vorbereitet, fröhlich oder trübe gestimmt sei. Der einzige Akt, bei welchem auch die Gemeinde mithilft, den Gottesdienst schön zu gestalten, ist der Gesang. Es gibt Gegenden, wo dieser Gesang eifrig gepflegt wird und in großartiger Weise die Andacht hebt. Wer schon im Kanton Appenzell oder St. Gallen, in Thurgau oder Zürich Sonntag feierte, muß erstaunt gewesen sein, wie voll und frisch die vierstimmigen Choräle dort in der Regel gesungen werden; die Schule übt dieselben eben mit den Kindern ein und besondere „Gsängli“ haben zu

meiner Zeit eine Stunde des Sonntags im Schulhaus Choräle geübt. In dieser Beziehung könnten wir in Basel von der Ostschweiz noch etwas lernen. Außerhalb der Kirche, in Dußenden von Vereinen, in Concertsaal und Theater wird viel, gut, zum Theil prachtvoll gesungen, dem Gesang in der Kirche dagegen läßt sich leider dieses Lob kurzweg nicht geben. Noch am besten wird nach unser Beobachtung in denjenigen Gottesdiensten gesungen, wo die Getreuen vom Vereinshaus sich zusammenschaaren, denn da spürt man deutlich die fleißige Pflege des geistlichen Lieds, besonders an den Männerstimmen. Dagegen in den übrigen Gottesdiensten bilden diese die schwächste Partie: entweder sind sie nicht da oder sie singen der Orgel die erste Stimme nach statt einen kräftigen Baß und Tenor. Unter den Frauenstimmen widmen sich zu wenige dem Alt, so daß der schönste Choral oft überwiegend einstimmig gesungen wird, eine Seele ohne Leib, ein Leib ohne Seele. Alle, denen die gemeinsame Kirche lieb ist und die sich verpflichtet fühlen, zur Erbauung der Gemeinde nach Kräften mitzuhelfen, sollten hierin eine Besserung anstreben. Das bezweckt auch unser protestantischer Kirchengesangverein seit bald 4 Jahren. Er stellt sich jedem Geistlichen zur Verfügung, der seine Mitwirkung wünscht, und hat im Münster, zu St. Peter, St. Leonhard und St. Theodor schon oft die Gemeinde durch seine Lieder erbaut. Wem Gott eine gute Stimme schenkte, wer einen Abend in der Woche gern sich erbaut an heiligen Gesängen, wer die Stätte lieb hat, wo Gottes Ehre wohnt, der ist, weß Standes und Alters er sei, freundlich eingeladen, jeden Mittwoch, Abends 8 Uhr, im obern Saal des Steinenschulhauses sich einzufinden und sich dort an ein Mitglied der Kommission des protestantischen Kirchengesangvereins zu wenden. Der Verein zählte zwar Ende 1882 schon 148 Passiv- und 91 Aktivmitglieder, aber es geht ihm wie allen Vereinen: es gehören ihm nicht alle ganz an, es sind nicht alle fleißig und treu an der Arbeit. Es erwahrt sich auch hier: „Etliches fiel an den Weg, Etliches auf das Steinichte, Etliches unter die Dornen, und Etliches auf ein gut Land und trug Frucht." Möge diese Einladung wenigstens bei Etlichen auf gut Land fallen.

Basler Kirchenzeddel Sonntag den 28. Januar.

Morgenpredigt 9 Uhr Wirth

A.

[blocks in formation]
[blocks in formation]
[blocks in formation]

Preiswerk
Wirth

[blocks in formation]

Kinderlehre
Abendpredigt 3

"

[blocks in formation]

Stockmeyer A. Linder

(für Tausen) Altherr

Th. Barth

Confirmations-Gedenkblätter mit und ohne Bibelsprüche, neue Pracht

ausgabe mit Sprüchen à 25 Cis., ohne Sprüche à 20 Cts. (Eremplare der frühern Ausgabe, so lange Vorrath à 15 Cts.),

Trauungs-Andenken per Stüc à 25 Cts., beide in prachtvollem Farbendruck

nach den Originalen der Frau Prof. AI w. Schrödter (H 137 Z)

empfiehlt als sinnige Gaben bestens

Caspar Knüsli's Kunstanstalt, Zürich.

NB. Spruchverzeichnisse auf Verlangen franke.

Druck und Expedition von J. Frehner, Steinenvorstadt 12, Basel.

Sechster Jahrgang.

No 5. Samstag, 4. Februar 1883.

Schweizerisches Proteftantenblatt

Herausgeber:

Pfr. A. Altherr und E. Linder in Basel, Pfr. Bion in Zürich.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden
sei an Jerusalem, Rom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere
Person. In Chrifto allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.
Decolampad an Luther.

Erscheint jeden Samstag. Man abonnirt auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis halbjährlich franko zugesandt 2 Fr. Wer das Blatt in Basel gratis erhalten will, kann dasselbe in der Buchdruckerei J. Frehner, Steinenvorst. 12, abholen.

[ocr errors][merged small]

Die Zeit des Andenkens an das Leiden Christi bricht wieder an, eine der christlichen Kirche heilige Zeit. Zu ihrem Segen gehört, daß sie uns immer tiefer in das Verständniß des Kreuzes Jesu hineinführt. Dieses Verständniß geht uns am besten auf, wenn wir diejenigen Abschnitte des Evangeliums lesen, in welchen Jesus die Pharifäer, die Vornehmsten und Geistlichsten seiner Zeit, vor allem Volk kennzeichnet. Und völlig wird unser Verständniß des Kreuzes Jesu durch die Erkenntniß, daß alle und jegliche Sünde, die Jesus an seinen Gegnern aufdeckt, auch noch unter uns im Schwange ist, ja, wenigstens als Anlage und Neigung, in aller Menschennatur steckt. Der Sauerteig der Pharisäer findet sich in jedem Herzen.

Heute nur ein Beispiel. Die Pharisäer pflegten auf Stirne, Brust und Schulter allerlei Bibelsprüche anzubringen. Je deutlicher Einer seine Religion zur Schau tragen wollte, desto breiter machte er den Denkzeddel und desto größer die Buchstaben drauf. Bekanntlich ist diese Sitte noch nicht ausgestorben; gewisse Christen machen auch ihre Denkzeddel breit: statt an die Kleider hängen sie die Bibelsprüche jetzt an die Wände. So ein Bibelspruch an der Wand kann manchen Segen stiften, aber wahrhafte Frömmigkeit hängt ihn nicht aller Welt vor die Nase, nicht in den Laden, damit alle Leute ihn sehen, sondern lieber an die Wand der Wohn- oder Schlafftube. Wenn du mit schweren Sorgen dich niederlegst und aufstehst, so ist eine heilsame Erinnerung in dem Spruch: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohl machen!" Oder bist du kurz an Geduld, ertappst dich auf Ausbrüchen der Leidenschaft und des Jähzorns, so thut es dir gut, wenn wie ein bittend Angesicht das Wort Jesu dich ansieht: „Ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig!" Oder stehst du

in einem schweren täglichen Kampf mit der Unart eines andern Menschen, so lege in der eingerahmten Spruchsammlung zu oberst das Wort: „Ich bin gekommen zu suchen und selig zu machen, was verloren ist." Für dich, in deinen intimsten Räumen, verborgen vor der Welt Augen wirst du als ein aufrichtiger Christ dir selbst deine Denkzeddel bereiten, und sie können deine müden Knie stärken, dein verzagtes Herz oft aufrichten als rechte Lehrer und Tröster.

Aber wenn ich in ein Geschäftslokal trete oder in einen Laden, wo täglich Dußend fremde Menschen ein- und ausgehen, und ich sehe da die Wände mit Bibelsprüchen behangen, und zwar mit Bibelsprüchen, die nicht etwa daran erinnern ehrlich zu sein, Schulden zu erlassen, Mitleid und Barmherzigkeit zu haben, sondern mit Bibelsprüchen, welche die tiefsten Geheimnisse von Bekehrung und Erlösung und Himmelreich ausplaudern, so sage ich mir: der Herr dieses Hauses und der Inhaber dieses Geschäfts ist ein Spekulant. Er spekulirt auf die menschliche Leichtgläubigkeit. Er rechnet bei sich aus, daß die Bibelsprüche an der Wand ihn wenig kosten und ihm viel eintragen. Er zählt auf diejenigen Kreise in der Bevölkerung, welche solche Scheinheiligkeit für wirkliche Frömmigkeit bezahlen. Solch ein Mensch macht seine Denfzeddel breit und könnte statt aller Bibelsprüche über seine Ladenthüre schreiben: Hier wohnt ein Pharisäer!

Die protestantische Orthodoxie und Bibel.

(Aus: Felix Pécaut, le christianisme et le miracle.)

I.

Es liegt eigentlich ein innerer Widerspruch in dem Ausdruck: prote= stantische Orthodoxie. Man kann von einer katholischen Orthodoxie reden, wenn man darunter die Glaubenslehre versteht, welche unter der Leitung des heiligen Geistes von den Conzilien, insbesondere vom letzten Conzil, demjenigen von Trient *) festgesetzt wurde; aber eine protestan= tische Orthodoxie gibt es nicht und es kann auch keine solche geben, wenn man bedenkt, daß der Protestantismus niemals ein unfehlbares Offenbarungsorgan für die göttliche Wahrheit anerkannt hat. In Folge davon gibt es für ihn keine als heilig anerkannte, göttliche Glaubenslehre, welche alle andern ausschließen würde; es gibt solcher Orthodorien so viele, als es Einzelkirchen gibt, ja so viele als es Individuen gibt, und jede derselben hat genau nur so viel Geltung, als ihr der Glaube ihrer Bekenner zuschreibt. Es gibt eine lutherische Augsburger Confession, eine calvinistische

*) Die obgenannte Schrift von Pecaut erschien vor dem allerneuesten vatikanischen Conzil, das 1870 abgehalten wurde,

von la Rochelle, es bestehen 39 Artikel der englisch-bischöflichen Kirche, die helvetische Confession, und endlich die zahllosen Glaubensbekenntnisse der Sekten, welch lettere, vom rein protestantischen Gesichtspunkt angesehen, eigentlich nichts anderes sind als kirchliche Gemeinschaften, nur daß sie weniger zu bedeuten haben als die großen.

Hier nun begegnet man uns freilich mit dem Vorwurf, daß wir uns allzusehr hinter den strengen Wortlaut verschanzen. Es ist ja wahr, so erwiedert man uns, daß der protestantische Grundsatz der Glaubensfreiheit nach und nach den Glauben an eine übernatürliche Machtstellung der Kirche zerstört hat, und Niemand unter uns denkt mehr daran, den Glaubenssagungen eines Conzils oder einer Synode göttliche Autorität zuzuschreiben. Aber dabei sind doch zwei sehr wichtige Thatsachen nicht zu übersehen: einmal die, daß die Reformation an die Stelle der übernatürlichen Geltung der Kirche diejenige der Bibel gesezt hat, und dann, daß fast alle prote stantischen Kirchengemeinschaften in der Bibel genau dieselben Fundamentalwahrheiten gefunden haben, die, zu einem Ganzen zusammengefaßt, eben das ausmachen, was wir die christliche Wahrheit nennen.

Das ist es, was die protestantischen Orthodoxen behaupten. Genau genommen heißt das aber nichts anderes, als der Bibel die unbedingte und nach allen Seiten hin ausreichende Autorität in Glaubensjachen zuschreiben. Da müssen wir nun von vorneherein sagen; diese Behauptung stößt auf ebendieselben geschichtlichen und sittlichen Schwierigkeiten, wie die katholische Lehre von der göttlichen Autorität der Kirche.

1. Was man dagegen antworten kann, ist zunächst Folgendes: Wenn die Bibel wirklich diejenigen Lehren deutlich und klar uns mittheilt, die wir glauben müssen, um selig zu werden, nun, so soll man sie uns darin zeigen, aber so, daß wir sie auch deutlich und unwidersprechlich erkennen können, wie es ja nöthig ist, wo sich's um geoffenbarte und zum Heile nothwendige Wahrheiten handelt. Welches sind sie denn diese Lehren? Der Katholik liest in der Schrift die göttliche Einsetzung der Bischöfe, des Papstes, der Kirche, das höhere Verdienst der Ascese, die Wirksamkeit der priesterlichen Sündenvergebung, das Meßopfer und die wirkliche Gegenwart des Leibes Christi bei demselben, und so noch eine Reihe anderer Dinge. Ihr bestreitet nun zwar die Richtigkeit dieser Bibelauslegung und mit Recht; allein gerade der Umstand, daß zwei große Fraktionen der Christenheit über wichtige Punkte so verschiedener Meinung sein können, beweist schon, daß die Bibel eben nicht das deutliche Orakel ist, wie ihr es uns verheißen habt. Oder sollen wir die heftigen und zahlreichen Zwiftigkeiten aufzählen, welche vom Beginn der Reformation an im Schoße der protestantischen Christenheit ausbrachen, und in denen die verschiedenen Richtungen, die eine so gut wie die andere, sich darauf beriesen, daß aus dem heiligen Text deutlich und klar die Wahrheit zu entnehmen sei? Ihr behauptet, daß unsere Vorväter doch über diejenigen Lehren, welche es euch beliebt als Fundamentallehren zu bezeichnen, einig gewesen seien. Damit seid ihr aber vollständig im Irrthum; einmal laßt ihr sorgfältig gewisse Artikel als weniger wichtig und sicher bei Seite, oder ihr stellt sie wenigstens in zweite Linie, Artikel, die von der Großzahl unjerer Vorväter als unbedingt wichtig und

« ZurückWeiter »