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beginnen, der Freund in augenblicklicher Noth nicht auskommen, der unschuldig Bedrängte müßte nach der strengen Gesetzgebung rasch ein Opfer schwieriger Zeitverhältnisse werden. „Wende dich nicht von dem, welcher dir abborgen will“, so erfordert es gar oft die Christen- und Nächstenpflicht. Denn wenn Alle nach jenem Grundsage handeln wollten, keinem Menschen und unter keinen Umständen durch Bürgschaft beizustehen, so wären damit die Lieblosigkeit und Hartherzigkeit selbst zum Grundsaße in der bürgerlichen Gesellschaft erklärt und es dürfte frostig werden auf Erden.

Nun geben wir zu, daß die meisten Bürgschaften leichtsinnig eingegangen werden; „es ist ja nur um der Form willen, daß du unterschreibst“, so versichert dich der Geldbenöthigte. Um des Leichtsinns willen haben sich darum Viele die schlimmen Folgen solcher Verpflichtungen, welche die persönliche Habhaftigkeit oft weit überschreiten und in solchem Falle geradezu Betrug sind, selbst zuzuschreiben. Ueberdies gibt es bekanntlich der gewissenlosen Schuldenmacher und Betrüger überall genug, die genau wissen, daß der ihnen vom Nächsten geleistete Bürgschaftsdienst sie nicht vom ökonomischen Ruin retten kann, sondern nur den gutmüthigen hilfbereiten Freund in Sorge bringt, in Familienzwist und Verlust. Und in der That, solcher Sorgen gibt es genug unter unserm Volke. Wer wissen will, wo so Viele der Schuh am meisten drückt, wo ein großer, wunder Fleck in unsern volkswirthschaftlichen Zuständen eiternd um sich frißt, der wird vernehmen, daß zu der eigenen ökonomischen Bedrängniß noch die Last von Bürgschaftsverpflichtungen hinzugekommen ist, eine Last, die um so unheimlicher ist, als die Verpflichtungen vor der Familie, vor Frau und Kindern gewöhnlich geheim gehalten werden, die Gefahr einer Katastrophe aber täglich die trostlose Entdeckung herbeiführen kann. Ja, wenn die Frauen wüßten, welche Verpflichtungen durch die gefälligen Unterschriften ihrer Männer auf der Familie lasten, so würden manche unter ihnen kaum mehr den Muth haben, in gleicher Weise wie bisher emsig und sparsam zu haushalten, indem sie sich sagen müßten: was hilft das Sparen im Kleinen, wenn so große Summen auf dem Spiele stehen! Arme Frauen, arme Kinder!

Allein wir werfen den Stein nicht auf die Männer, welche die Bürgschaften eingingen, insofern sie es aus Mitleid, aus gutem Herzen, aus Freundschaftspflicht und nicht in purem Leichtsinn thaten. Wir greifen vielmehr das Institut der Bürgschaft selbst an. Denn anders richten wir wenig oder nichts aus, um ihren Alpdruck von uns zu werfen. Vor Allem soll der Staat zur grundsäßlichen Aufhebung der Bürgschaft mithelfen, indem er von seinen Angestellten keine Amtsbürgschaften mehr verlangt. Der Staat soll seine Funktionäre auf Treu und Glauben

anstellen, wie es der Arbeitgeber überhaupt zu thun im Falle ist. Wird er in seinem Vertrauen getäuscht, warum sollen die unschuldigen Amtsbürgen, welche dem Beamten Bürgschaft leisten mußten, wenn er die Stelle erhalten sollte, den Betrug durch ihre finanzielle Leistung wieder gut machen? Wo bleibt da die Moral? Gegen Verluste könnte sich der Staat durch Gründung und Aeufnung eines Reservefonds schüßen, wozu die Beamtenwelt besonders, aber auch die Gesammtheit des Volkes durch Zuweisung eines Bruchtheils der Staatssteuer beizutragen hätten; denn die Beamten sind die Angestellten des gesammten Volkes. In gleicher Weise müßten dann auch die Gemeinden vorgehen. Schon dadurch würde ein Wesentliches zur Besserung der darniederliegenden volkswirthschaftlichen Zustände erreicht werden. Dem treuen Beamten würde das verdiente Zutrauen, dem ungetreuen das verdiente Urtheil des Volkes mit der gesetzlichen Strafe zu Theil werden.

Wir denken uns aber die grundsäßliche Aufhebung der Bürgschaft noch weitergreifend. In den letzten 40 Jahren sind eine Menge von Geldinstituten ins Kraut geschossen, welche den Geldverkehr gänzlich umgestaltet haben. Während früher der Geldbedürftige sich an den vermöglichen Privaten in Stadt oder Land wendete, wirst der Kapitalist nun sein Geld in die Banken, die alle wohlthätige Institute sein wollen. Er will den Zins sicher haben, wie das Kapital selbst, zum Zins noch gerne die Dividende und Superdividende. Deßhalb sind diese Geldinstitute recht eigentlich darauf angelegt und angewiesen, allen nationalökonomischen Anschauungen, wonach das Geld nicht die Waare ist, mit der gehandelt werden soll, sondern der Werthmesser für die Waare, mit welcher gehandelt wird, direkt zuwider, das Geld zu einem Handelsartikel, zu einer Waare zu stempeln und darauf den Gewinn zu erzielen, einen Gewinn, den Niemand anders bezahlt, als der geld= bedürftige, bedrängte Mann. Dem armen Schuldner wird durch diese Geldinstitute auch dann nichts von seiner Last abgenommen, wenn die Aktionäre ihre 8-15 Prozent einstreichen. Die harten Bedingungen der Bürgschaft und der hohe Zinsfuß mit Provisionen und Spesen bleiben. Das Institut ist eine juristische Person ohne Herz und Mitleid, und wo etwa der Verwalter eines solchen das Herz auf dem rechten Fleck hätte, so darf er es nicht wissen, wenn gut gearbeitet" werden soll. Freilich wird bei Anlaß der Zins und Dividendenvertheilung, am Jahresbankett, wozu hunderte von kummervollen Menschen die fettesten Stücke indirekt auf die Tafel liefern mußten, etwa ein Scherflein, oft recht anständig, wenn die Knauserei nicht obenauf ist, auf den Altar der Gemeinnüßigkeit gelegt, das im Grunde wieder der Wittwe Scherflein" ist; oft ist aber diese augenblickliche Anwandlung von Gemeinsinn nichts weiter als Dekoration und kluge Berechnung.

Diese Geldfabrikation auf legalem Wege ist aber nicht anders möglich als durch das Institut der Bürgschaft und durch die Ausnußung desselben bis zur Immoralität. Nach der Solidität des Schuldners, nach seinem moralischen Werth und seiner beruflichen Tüchtigkeit wird weit weniger gefragt, als nach der Habhaftigkeit seiner Bürgen. Ja, der Schuldner kann dem Geldinstitut als insolvent bekannt sein, so erhält er die verlangte Summe gleichwohl auf die Bürgen hin, die von dem Stand der Dinge nicht gewarnt werden. Wo bleibt da die Moral? Sind das gesunde Zustände? Können wir solche Einrichtungen auf unbegrenzte Zeit als ein unerträgliches Joch uns auf den Nacken seßen lassen? Wir sagen nein, um des gesammten Volkes willen nein! Die Bürgschaft ist geradezu ungerechtfertigt solchen Geldinstituten gegenüber, welche mit dem Gelde Handel treiben; Zins und Provisionen sind des Gewinnes genug, oft übergenug, so daß sie nicht berechtigt sein sollen, für gewährte Kredite besondere Garantien verlangen zu dürfen. Der Kaufmann, der seine Waare dem Abnehmer kreditirt, erhält dafür auch keine weitere Bürgschaft, der Arzt darf nicht eine solche für seine oft recht mühseligen und gefahrvollen Leistungen verlangen, nicht der Handwerker und Berufsmann für ihre Arbeit. Sie Alle sind gehalten, ihre Existenz auf Treu und Glauben ihrer Mitmenschen zu stellen, das heißt auf Kredit. Dasselbe sollen die Geldinstitute mit ihrer Existenz zu thun gehalten sein, und darum sagen wir: weg mit der Geldbürgschaft, mit dem heillosen Wechselunfug zumeist, welcher durch sie getrieben wird! Die Geldinstitute sind ja nicht verpflichtet, dem Geldsuchenden helfen zu müssen, für die Gewährung oder Verweigerung eines Kredites sind sie nicht Nechenschaft schuldig; sie mögen Diejenigen, welchen sie ihre Waare, das Geld, anvertrauen wollen, selbst auswählen und können es, da sie bis in die leßte Hütte des hintersten Thälchens genau wissen, wie es finanziell steht, und da sie meinetwegen über die Maßen vorsichtig und mißtrauisch sein dürfen, aber sie sollen keine Bürgschaft mehr von einem Zweiten und Dritten verlangen dürfen. Und wenn auch in Folge dieser Forderung von den Hunderten solcher Institute, welche Europa beglücken, einige Dußende ihren Betrieb einzustellen sich veranlaßt sähen, so würden wir dies ebensowenig bedauern, als wenn in unserm Schweizerlande einige Hunderte von Wirthschaften, wo der Wirth nichts schafft, geschlossen würden. Dem Volke selbst könnte daraus kein Schaden erwachsen.

G. Schaffroth (Reformblätter).

Spaziergang durch Fröbel's Volkskindergärten in Genf.

(Von einer Leserin eingesandt.)

Da Sie meine Verehrung für Fröbel kennen, werden Sie nicht erstaunt sein, wenn ich Ihnen wiederum von ihm rede und Ihnen mit Begeisterung erzähle, was ich kürzlich in Genf erlebt und gesehen. Ich habe schon viele Schulen besucht: in Brüssel, in Paris, in manchen Städten Deutschlands sah ich Privat- und Volkskindergärten mit großem Interesse an. Nirgends aber habe ich bisher gefunden, was gegenwärtig in dieser Sache in Genf geleistet wird.

Le Département de l'Instruction publique hat in 5 Stadttheilen prachtvolle Lokale hergestellt. In jedem derselben werden über hundert Kinder von 3 bis 6 Jahren in zwei oder drei Abtheilungen genau nach Fröbels Grundsätzen ganz unentgeltlich entwickelt. Die Säle sind sehr schön, hell, hoch und luftig und mit allem nöthigen Material ausgestattet. Die Wände sind mit den neuesten und besten Bildern für den Anschauungsunterricht geschmückt. In manchen hängen auch zur Zierde hübsche Arbeiten, welche die Kinder selbst verfertigt haben. In einigen sah ich Glaskasten mit neu angelegten Museen von allerlei Specimen aus dem Thier-, Pflanzen und Mineralreich, ausgestopfte Vögel mit ihren Nestern und Eiern darin, Hasen, Käfer, das Nest einer Wespe, Kornähren, getrocknete Blätter, Muscheln, Steine u. s. w. Diese Gegenstände werden von der Lehrerin benüßt, wenn sie in ihren Stunden davon spricht. Die Kinder haben Pressen, um nach und nach kleine Herbarien zu machen, damit sie mit der Pflanzenwelt vertraut werden und sowohl die Blumen als die verschiedenen Arten und Formen der Blätter beobachten und kennen. Dadurch wird die Grundlage zur Botanik gelegt. Das Kind lernt sehen und ver gleichen und wird in ihm das Interesse für die Natur geweckt. Aber nicht allein in diesem Gebiete, sondern in allen andern wird des Kindes Thätigkeitstrieb benügt, um ihm Eindrücke zu geben von Raum, Zahl, Form 2., welche später in der Schule zur Erkenntniß kommen sollen. Denn so wie der Landmann anfängt seinen Acker zu düngen und zu pflügen, ehe er den Samen hineinstreut, so sollte jedes Kind, wenn es in die Schule kommt, präparirt sein, das Lernen als Saat aufzunehmen, damit es später Früchte tragen und ein nüßliches Glied der Menschheit werden könne.

Dieses erstrebt Fröbel in seiner ganzen Erziehungsidee, und in dem Kindergarten legt er durch seine Spiele und seine Beschäftigungen den Grund dazu. Seine Gedanken habe ich in Genf am schönsten aufgefaßt und am praktischsten verwirklicht gefunden. Das Verdienst kommt allein Frau von

Portugall zu. Sie hat in ungefähr 7 Jahren nicht nur in der Stadt, sondern im ganzen Kanton Genf alle Ecoles enfantines in Volkskindergärten verwandelt und auf die Höhe gebracht, wo sie jetzt stehen. So oft ich nach Genf gehe, begleite ich sie mit großem Vergnügen in ihren tournées d'inspection und überzeuge mich immer mehr, daß Fröbel die Kindesnatur bis in's Kleinste studirt und gekannt hat. Schon beim Eintreten in den Saal frappiren einem die glücklich strahlenden Gesichter der Kleinen, ihre Leuchtenden Augen, wenn sie zu Stande bringen, was von ihnen verlangt wird. Bei den Spielen sowohl als bei den Beschäftigungen (besonders wenn Frau v. P. dieselben leitet) scheint jedes Kind zu fühlen, daß es als Glied der Gemeinschaft durch Unart oder Unachtsamkeit die Andern stört. Höchst selten wird gestraft und meistens nur frisch eingetretene Kinder. Sie werden sehr rasch disziplinirt und mit einem Blick bringt man sie zum Gehorsam. Davon hatte ich neulich ein Beispiel. Als ich im September letzten Jahres mit Frau v. P. in einen Saal trat, fanden wir die Lehrerin mitten unter den Kindern sizend, ihnen eine Geschichte erzählend. Sie waren alle ruhig und hörten aufmerksam zu; nur ein Bübchen stand hinter dem Ofen, das Gesicht gegen die Wand gekehrt und die Hände auf dem Rücken. Als wir fragten, was das bedeute, lautete die Antwort: „der Bub ist so unartig, daß er mir die Kinder fortwährend stört; ich kann nichts aus ihm machen; sogar sein Vater sagte mir neulich, nur mit Schlägen bringe er ihn zum Folgen. Das thue ich freilich nicht, aber ich weiß wohl, daß ich ihn für St. Antoine erziehe." (St. Antoine ist nämlich das Gefängniß von Genf.)

Frau v. P. holte ruhig das Kind herbei, seßte es neben die andern. und sagte: „wir wollen sehen, ob Dick nicht artig sein kann; ich bin sicher, er paßt jetzt schön auf." Das war auch richtig der Fall und bis die Erzählung zu Ende war, rührte sich Dick nicht mehr. Nach der Stunde sagte Fran v. P. zur Lehrerin, die übrigens sehr tüchtig ist und gute Disziplin hält, sie sei sehr rasch gewesen in ihrem Urtheil über das Kind und habe das Recht nicht, besonders einem so jungen Wesen gegenüber, welches sie kaum kenne, so streng zu richten. Wer sagt Ihnen, daß in seinem Innern nicht noch ein Fünfchen schlummert, welches Sie nicht berührt? Probiren Sie das Kind mit mehr Liebe zu behandeln!

Das Fräulein antwortete nichts, aber auf ihrem Gesichte konnte man lesen, daß sie damit nicht einverstanden sei. Der Vorfall hatte Eindruck auf mich gemacht und als ich kürzlich dieselbe Schule wieder besuchte, sah ich mich nach dem kleinen Dick um. Ich erkannte ihn gleich wieder und war nicht wenig erstaunt, ihn unter den aufmerksamsten Schülern zu sehen. Es war Montag und es wurde wieder eine Geschichte erzählt, deren Thema für die ganze Woche den Hauptstoff ausmacht, sowohl in den Beschäftigungen als beim Spielen. In der zweiten Stunde wurde gebaut mit Fröbels fünfter Gabe, den großen in Ganze, Halbe und Viertel getheilte Würfel. Der kleine Dick zog mich speziell an, ich beobachtete ihn genau und fand, daß er beinahe von allen Kindern am besten aufpaßte und jedenfalls am geschicktesten that, was die Lehrerin sagte. Als ich mein Erstaunen über diese Veränderung ausdrückte, sagte sie mir ganz vergnügt:

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