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Wir sind Ein Leib, Christus das Haupt, Luther das eine Auge. Ferne sei es, daß er dem Ohre mißgönne, daß es das Ohr sei! In der christlichen Gemeinde soll Niemand um einer theuren That willen sich also tragen, daß man ihm nicht mehr drein reden dürfte oder daß man glauben sollte, was er sagt!" „Ich habe“, so schreibt Zwingli, „bevor und ehe ein Mensch in unserer Gegend etwas von des Luthers Namen gewußt hatte, angefangen das Evangelium Christi zu predigen im Jahr 1516, also daß ich an keine Kanzel gegangen bin, daß ich nicht die Worte, so an selbigem Morgen zu einem Evangelium gelesen worden, vor mich nahm und die allein aus biblischer Schrift auslegte. Als ich nun im Jahr 1519 zu Zürich anhob zu predigen, zeigte ich an, wie ich das Evangelium wollte predigen ohne allen Menschentand. Zu Anfang desselben Jahres hat Niemand bei uns von Luther etwas gewußt, ausgenommen, daß von dem Ablaß etwas von ihm ausgegangen war, das mich wenig lehrte; denn ich schon früher von dem Ablaß berichtet war, wie er ein Betrug und Blendwerk wäre, aus einer Disputation, die Doktor Thomas Wittenbach von Biel, mein geliebter, treuer Lehrer vor etwas Zeit zu Basel gehalten hat, doch in meinem Abwesen. Ich habe das Evangelium gepredigt, ehe ich den Luther nennen hörte. Ich will nicht, daß mich die Päbstler lutherisch nennen, obwohl ich den Luther so hoch halte als irgend ein Lebender; denn ich die Lehre Christi nicht vom Luther gelernt habe, sondern aus dem Worte Gottes selbst. Ich will keinen Namen tragen, denn meines Hauptmanns Christi, dessen Streiter ich bin. Ich bezeuge auch vor Gott und allen Menschen (Zwingli schrieb dies im Jahre 1523), daß ich keinen Buchstaben alle meine Tage je zu ihm geschrieben habe, noch er zu mir. Ich habe solches nicht unterlassen, daß ich Jemand darum gefürchtet habe, sondern daß ich damit allen Menschen habe wollen offenbaren, wie einhellig der Geist Gottes sei, daß wir so weit von einander doch so einhelliglich die Lehre Christi lehren, ohne alle Verabredung; wiewohl ich Luther nicht zuzuzählen bin, denn ein jeder thut, so viel ihn Gott weiset. Nicht daß er zu viel, sondern daß er zu wenig geredet hat.“ „Kurz“, schreibt Zwingli an Luther, „hättest du die zur Verehrung aufgestellten Bilder weggethan, äßest du nicht leiblich den im Brot erdichteten Leib Christi, sähest du, daß das Fegfeuer nur ein Geldkloben, daraus die Päbstler Geld gewinnen, so hättest du nicht nur den Augiasstall gereinigt, sondern selbst den Himmel auf deinen Schultern getragen.“

Das Zwingli-Denkmal.
(Hiezu das Titelbild.)

Endlich ist es in Sicht, das Zwingli-Denkmal, und die ihren Glauben nach diesem großen Mann benennen, werden damit einer Ehrenschuld ledig, die sie lang genug auf sich gehabt. Seit der sel. Lang vor mehr als einem Dezennium den Gedanken wachgerufen, hat es der ganzen, un entwegten und sichern Art eines Antistes Dr. Finsler in Zürich und anderer verdienter Männer bedurft, dieses Schifflein über den seichten Untergrund religiöser Gleichgültigkeit hinweg in gutes Fahrwasser zu befördern.

Das wo und wie blieb nach dem gefaßten Beschluß, ein ZwingliDenkmal in Zürich zu erstellen, für längere Zeit eine gleich wichtige Frage. Einer Reihe schöner und belebter Pläße gegenüber wurde dem hochgelegenen Lindenhof in Mitten der kleinen Stadt als künftigem Standort für das Monument endlich der Vorzug gegeben. Es ist klassischher Boden. In fränkischer Zeit erhob sich_hart daneben die kaiserliche Pfalz oder der Reichshof. Von hier aus schreckten die in Waffen und Panzer gehüllten Frauen und Jungfrauen Zürichs den draußen lagernden Oesterreicher, und hieher zog's bis zu Zwingli's Auftreten in feierlicher Prozession am Palmsonntag und Pfingstmittwoch. An ersterm wurde das Bild des Herrn auf einem Esel heraufgeführt, an leyterm in vier größern und vier kleinern Särgen das Gebein der Zürcher Heiligen St. Felir und Regula von Rathsherren heraufgetragen. Sonst war es ein Play, da gern die ehrsamen Bürger weilten, und an dem einen oder andern der unter den Linden zerstreut gewesenen Tischchen mag auch Zwingli hin und wieder in belebender Gesellschaft, seiner Amtsehre unbeschadet, eines Trunkes sich gefreut haben.

An dieser Stätte soll, mit Ausblick auf einen großen Theil der Stadt, das Denkmal auf schlichtem Granitsockel sich erheben. Schlicht und einfach, aber in ihrer Einfachheit ergreifend erscheint die Gestalt des Reformators. Die Schwierigkeiten, die der Faltenwurf des langen Kleides bot, sind glücklich überwunden. In sprechender Portraitähnlichkeit zeigt das Gesicht doch wieder so marquante Züge, daß man ernst entschlossene Mannesart darin idealisirt zu schauen meint. In dem ganzen Wesen liegt etwas geschlossenes. Nicht so stürmisch wie Luther, doch ganz so kräftig, wenn auch in anderer Art. Ruhe und Vorwärtsstreben zugleich. Fast hätte es auch des Schwertes nicht bedurft, um zu erweisen, daß Halbheiten hier nicht bestehen. Das leidige Schwert! Ez hätte nicht sein sollen bei einem Mann Gottes; nicht also friegerischy

hätte man den Reformator in der Erinnerung seines Volkes firiren sollen! Und doch, wie sollte anders zum Ausdruck gebracht werden, daß er auch der Mann des Staates war, und daß er, wie wenig andere, als sein ihm zugetheiltes Schicksal erachten mußte, nicht den Frieden zu bringen, sondern das Schwert? Auch ist er ja mit dem Schwert in der Hand gestorben; wie gerne aber greift nicht ein Denkmal solche Momente auf! Daß es nicht um eigen Leib und Leben, noch aus unlautern ehrgeizigen oder ähnlichen Beweggründen geschah, charakterisirt auf diesem legten, vom Bildhauer Natter in Wien gefertigten Entwurf die mit der Rechten gegen die Brust gedrückte Bibel. Es hätte auch, wie auf dem frühern, vom gleichen Künstler gefertigten Entwurf, das so schmerzvoll ernst zum Himmel gewendete Antlig deutlich genug gesprochen. Daß harte Nothwendigkeit auf dem Manne lag, zeigt die auf den Schwertgriff gepreßte Linke. Wie mag das Herz sich in dem Entschluß gewunden haben, der krampfhaft jede Sehne dieser Hand gespannt. Ja man dürfte es, gemäß dem frühern Entwurf Natters, ohne Bibel wagen; aus diesem Blick spricht auch Gottes Wort. Doch freuen wir uns, daß es nun mit sammt der Bibel so trefflich gelang.

An die Kosten des Denkmals fehlt noch etwas zu zwanzig tausend Franken. Zürich hat beschlossen, am 6. Januar anläßlich der Zwinglifeier, für das Monument eine freiwillige Kirchensteuer aufzunehmen. Auch anderweitig steht Mithülfe in Aussicht. Mag die endgültige Beschaffung von nicht viel mehr als achtzig tausend Franken zu Ehren des größten Eidgenossen, keinen ernstlichen Schwierigkeiten mehr begegnen.

F. M.

Aus Zwingli's Briefen.

An die lieben Brüder im Toggenburg.

17. Sept. 1522. „Ich höre, wie eure Herzen wegen meiner beunruhigt werden, um der schändlichen Gerüchte willen, die man über mich gegen alle Wahrheit verbreitet, denen ihr aber aus brüderlicher Liebe keinen Glauben schenken könnt, da ihr mir besseres zutraut. Wisset nun zuerst, daß ich stets erfahre, wie es um euch steht, so fleißig erkundige ich mich. So oft ich nun vernehme, daß ihr euerm Herkommen gemäß von der Hände Arbeit lebt, so freue ich mich, daß ihr den von Adam her euch angestammten Adel wohl gewahret. So oft ich dagegen vernehme, daß etliche mit Gefahr des Leibes und der Seele sich gegen Sold zum Kriege

anwerben lassen, so betrübt es mich sehr, denn nichts besseres als Naub und Mord sind die Söldnerkriege. Gott wolle ihnen einen solchen Sinn verleihen, daß sie Solches nie mehr thun, wie sie es mir auch versprochen haben. So sollt ihr euch ebenfalls zu mir versehen, daß ich das Werk, zu welchem mich Gott berufen hat, getreulich thun will. Ich weiß gar wohl, was unser Vetter, der gnädige Herr (Abt) von Fischingen meint : ich sollte sachte fahren, sonst möchte mir ein großes Unglück begegnen. Gott lohne ihm treulich seinen guten Willen, er hat mich immer wie sein eigenes Kind geliebt, und so weiß ich, daß seine Warnung aus lauter Treue fließt. Aber ihr sollt wissen, daß es keine Gefahr gibt, die ich nicht auch wohl bedacht habe. Ich weiß wohl, daß meine Kraft allein nicht hinreicht und wie stark diejenigen sind, gegen die ich mit Gottes Lehre streite, aber ich vermag Alles wie Paulus durch Christum der mich stärket. Und gesetzt ich schwiege, so würde ein Anderer thun, was Gott mich thun heißt. Welches gefiele euch nun besser? Daß ich schwiege und das Uebel, welchem ich wehren soll, überhandnehmen ließe und für zeitliche Ehre und Ruhe des Teufels Diener würde? Ich weiß wohl, daß ihr „nein“ sagen, aber mir rathen werdet, die Fehler mit mehr Schonung zu strafen. Allein die Fehler sind so groß, daß die rauhesten Worte der Propheten und des Zornes Gottes sie nicht genugsam strafen können. Ich fürchte Gott viel mehr deswegen, daß ich zu wenig als weil ich zu viel gesagt habe. Aber, sagt ihr, es wäre uns doch eine große Schande, wenn Du getödtet und verbrannt würdest, ob wir gleich wüßten, daß Dir Unrecht geschehen würde. So antworte ich: Je mehr mein Name um Gottes Willen vor den Menschen geschmähet wird, desto höher ist er bei Gott geachtet; die rechten Streiter Christi sind bereit, sich für ihren Herrn den Kopf zerschmettern zu lassen. Darum liebe Brüder, sagt man euch über mich, daß ich sündige mit Hoffarth, Unmäßigkeit und Unlauterkeit, so glaubet es nur, weil ich zu diesen und andern Lastern leider nur zu sehr geneigt bin. Aber wenn man euch sagt, ich wäre im Stande um Geldes willen Unrecht zu lehren, so glaubet es nicht, auch wenn man es mit dem größten Eide bekräftigen würde. Gesetzt auch, es fände sich in meiner Lehre etwas, das euch Kummer verursacht, so würde mich das nicht irre machen. Ihr seid meine Brüder von Vater und Mutter; wenn ihr aber nicht meine Brüder in der Meinung Gottes wäret, so müßte ich mich von euch lossagen und selbst Vater und Mutter unbegraben lassen, wenn sie mich von Gott abziehen wollten. Diejenigen, welche mich boshaft verläumden, thun es nicht um die Ehre Gottes und Mariens zu retten, sondern weil das Wort Gottes,

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welches ich predige, mit ihrer Pracht, ihrem Geize, ihre Schalkheit und Büberei streitet. Es zieht diese Laster ans Licht hervor nnd dieses Licht können sie nicht ertragen. Bekümmert euch nicht um das Geschwätz dieser Leute und wisset, daß mich dasselbe nicht anderer Meinung machen kann. Was für einen Ausgang Gott dieser Sache geben wird, will ich ruhig erwarten. Christus unser Herr und Heiland ist ja selbst getödtet worden. Seid nun Gott befohlen, der wolle euch lehren und leiten! Ich bleibe ewig euer Bruder, wenn ihr Brüder Christi seid."

An seine früheren Pfarrerkinder in Glarus.

14. Juli 1523. „Gestattet nicht, liebe, weise, gnädige Herrn, daß die Lehre Christi bei euch verdrängt werde, als wäre sie etwas Neues. Sie dringt zu unseren Zeiten so klar und hell hervor, wie dieses nur zu Zeiten der Apostel geschehen. Lasset das Wort Gottes klar bei euch predigen, so Lasset wird Gott auch euch beschützen. Sehet zu, daß ihr nicht die Leßten seid, welche in einer löbl. Eidgenossenschaft das wieder errungene Wort Gottes annehmen. Bedenket, daß es kein Volk auf Erden gibt, dem christliche Freiheit besser ansteht und dem ein größerer Friede zu Theil werden könne, als einer löbl. Eidgenossenschaft. Habet Gott und sein Wort vor Augen, er wolle euern Stand nach seinem Willen in seiner Huld und Ehre bewahren! Amen.

Lasset euch die Herren Pfarrer: Valentin Tschudi zu Glarus, Fridolin Brunner zu Mollis, Johann Schindler zu Schwanden und Gregorius Binzli zu Weesen, welche das Evangelium getreulich lehren und verkündigen, empfohlen sein.“

An Jakob Schurtanner, Prediger in Teufen.

Jm März 1524. „Sei männlich und fest, lieber Jakob, und laß dich nicht überwinden, damit du Israel genannt werdest! Wir müssen mit dem Feinde bis an den Morgen kämpfen, bis der Morgenstern in unsern Herzen aufgeht. Gott ist mein Zeuge, daß ich wundergroße Freude empfunden als die Kunde zu uns kam, wie die Frommen von Appenzell das Wort Gottes angenommen haben. Es ist wohl zu hoffen, daß sie im Glauben nicht als die Kleinsten und Leßten erfunden werden. Denn sie wohnen nicht in der Mitte luftbarer Länder, sondern an einem rauhen Orte, wo die fromme Einfalt besser bewahrt werden kann und für vernünftige Frömmigkeit eine vorzügliche Wohnstätte ist. Denn christliche Lehren und christliches Leben werden nirgends leichter gepflanzt, als bei den Völkern,

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