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seine Zeitgenossen mußten ein Jahr nach seinem Tode von der Schlacht von Mühlberg hören und seine Nachkommen den dreißigjährigen Krieg erleben, bevor sein Werk auf dem widerstrebenden Boden dieser sündigen Erde in die Rechtsordnungen einer neuen Zeit eingefügt war. Bis auf bessere Belehrung wollen wir deutschen Zwingli-Enthusiasten also mit Euch in dem Kappeler Helden nicht nur einen guten Eidgenossen, sondern auch einen Typus von ächtestem Protestantismus sehen. Sein Fest aber wollen wir, denke ich, dadurch feiern, daß wir die Gesinnungen aufrufen, die Luther und Zwingli gemeinsam hatten: die feurige Liebe zur Kirche Jesu Christi und den vollen Haß gegen den Menschentrug des römischen Antichrist. Sollte es dem neuerdings beliebten verbindlichen Lächeln des Romanisten wirklich gelingen, dem „liberalen“ Philisterium die Schlafmüze über die Ohren zu ziehen? Es gäbe das ein bitteres Erwachen und elendes Bereuen und die schärfste Bestrafung wäre für uns gerecht. Denn wir können es wissen, daß wer immer mit dem Pharisäismus alter und mittelalterlicher und neuer Art und Bekleidung zu paktiren gedenkt, vom Geiste Jesu Christi niemals einen Hauch verspürte.....

Für unsere Kinder.

Ich will euch erzählen, was Gott aus einem Hirtenbüblein machte. Es wohnte mit seinen Eltern und Geschwistern zu oberst im schönen Thurthal am Fuß des Säntis, im Dörfchen Wildhaus, Ktn. St. Gallen. Weil es geru lernte, schön singen konnte und fromm war, so beschloß der Vater, welcher Ammann im Dorf war, es soll ein Priester werden, wie sein Onkel, der Dekan in Weesen, und wie der Mutter Bruder, der Abt Meili im Kloster Fischingen. Deßhalb verließ der junge Knabe das Heimaththal und das Elternhaus früh und ging über den Berg zu seinem Onkel in Weesen; von diesem wurde er später nach Basel auf die Schule gethan und als er zum Jüngling herangewachsen war, besuchte er die Schule in Bern und darauf die Hochschule in Wien an der Donau. Von dort kehrte der junge Gelehrte wieder nach Basel zurück, das ihm sehr lieb geworden war, um Lehrer an der Theodorsschule zu werden und selber bei trefflichen Lehrern immer noch tiefer in das Verständniß der Bibel eingeführt zu werden.

Im Jahre 1506 war dann der 22jährige Jüngling soweit für das geistliche Amt vorbereitet, daß ihn die Gemeinde Glarus zum Priester wählte. Beim Bischof in Konstanz empfing er die Priesterweihe, hielt

auf der Rückreise in Rapperswyl die erste Predigt und in Wildhaus seine erste Messe, zur großen Freude seiner ganzen Familie und der Gemeinde. Dann trat er in Gottes Namen sein Amt in Glarus an und verwaltete es treu. Er lehrte nicht blos in der Kirche, besuchte nicht nur fleißig die Kranken und Sterbenden im weiten Thal, sondern unterrichtete auch noch eine Anzahl strebsamer Jünglinge aus edlen Geschlechtern. Daneben bildete er auch sich selber immer besser aus und erlernte noch die griechische Sprache, um das Neue Testament im Urtext lesen zu können. Zugleich traf es ihn als Feldprediger zweimal, seine Glarner über die Berge nach Italien in den Krieg zu begleiten. Die Schweizer, deren Tapferkeit in der Welt berühmt war, ließen sich nämlich damals oft von fremden Fürsten und Päpsten, wenn diese gegen einander Krieg führten, für Geld anwerben. Viele vornehme Herren in unserm Vaterland bezogen dafür, daß sie schweizerische Männer und Jünglinge in's Ausland schickten, große Jahrgelder, Pensionen genannt, und wurden. reich davon. Aber auf den Schlachtfeldern ennet den Bergen mußten sich die Schweizer dafür gegenseitig todtschlagen, ohne daß sie einander etwas zu Leid gethan hatten, und wenn sie auch ruhmbedeckt wieder in die Heimath zurückkehrten, so brachten sie fremde, verdorbene Sitten mit und thaten selten mehr gut. Als das der Glarner Feldprediger mit eigenen Augen lange angesehen hatte, fing er gegen das Reislaufen mächtig zu predigen an. Dadurch machte er sich diejenigen, welche von den fremden Pensionen lebten (Pensiönler), zu erbitterten Feinden. Diese sagten ihm, der Pfaffe solle schweigen und das lassen, was seines Amtes nicht sei, und machten ihm das Leben in Glarus sehr jauer.

Da kam im Jahre 1516 an den kühnen, schon weit herum be kannten Prediger ein Ruf, Priester am Kloster in Einsiedeln zu werden. Dieses Kloster war schon damals sehr berühmt in der Welt durch ein Gnadenbild der Mutter Gottes, zu welchem jährlich viele Tausende aus allen Ländern hin wallfahrteten, im Glauben, daß ein Gebet vor jenem Bild in Krankheit und andern Nöthen Wunder wirken könne. Dort fing also Ulrich Zwingli vor den Pilgerschaaren zu predigen an, aber er that es gar anders als die übrigen Priester. Er lehrte und bewies aus der heiligen Schrift mit ergreifenden Worten, daß die Christen nicht zu Maria sondern zu Gott beten müßten, der allein Gebete erhört. Auch sagte er es gerade heraus, daß zu einem rechten und gesegneten Beten keine großen Reisen nothwendig seien, weil ja Christus in seiner Bergpredigt nicht nach Einsiedeln weise, sondern: „Wenn du beten willst, so

gehe in dein Kämmerlein und schließe die Thüre zu und bete zu deinem Vater im Verborgenen, der wird es dir vergelten öffentlich." Und die Vorgesezten des Klosters, besonders auch der Abt Conrad von Rechberg, hatten eine große Freude an der freien evangelischen Predigt; die Pilger redeten zu Hause von dem unerschrockenen Zwingli, den sie gehört, und sein Name wurde bekannt in allen Gegenden der Schweiz und den be nachbarten Ländern.

So kam es, daß Zürich, welches unter den Eidgenossen immer in vorderster Reihe gestanden, seine Augen auf den kühnen Mann warf; die Chorherren am Großmünster wählten ihn zum Priester und am 1. Januar 1519, gerade 35 Jahre alt, trat er sein neues Amt an. Damit war der Mann nun auf dem rechten Posten, das Licht stand auf dem Scheffel und konnte weithin durch die Christenheit leuchten. Nun fieng Zwingli erst recht an, statt der alten Fabeln und Heiligengeschichten, das Evangelium zu predigen, an Sonntagen und an Werktagen vor einem großen, begierig lauschenden Volk, unermüdlich und unerschrocken. Als giengen ihnen die Augen erst jezt auf, sahen die Zürcher jezt ein, daß das Evangelium etwas ganz anderes und etwas unendlich viel herrlicheres sei als was sie bisher gelehrt worden waren. Zuleyt sagten Etliche und dann Viele und zuletzt viele Hunderte: wir wollen keine andere Lehre mehr hören, als die evangelische! wir wollen die Kirche nach der Wahrheit des Evangeliums umgestalten, reformiren! Sie hörten auf am Freitag zu fasten, entfernten von den Straßen und Wegen die vielen Bilder aus Stein und Holz; Herren vom Nath thaten mit Schlossern und Zimmerleuten das Gleiche auch in den Kirchen, statt der lateinischen Priestergefänge führte man überall deutsche Predigt und deutsches Gebet ein; die Mönche und Nonnen verließen die Klöster um einen Beruf zu treiben und wie andere Christenleute in die Ehe zu treten. Zwingli selber nahm eine fromme Wittwe aus edlem Geschlecht zum Weib und wurde glücklicher Familienvater. Und wie in der Stadt so gieng es bald auf dem Lande her, in allen Gemeinden, in vielen Schweizerkantonen, auch in Deutschland und Frankreich. Es war ein großer Jubel über dem Evangelium, das so lange verdeckt war und nun allem Volk verkündigt wurde. Durch diese Gründung der evangelischen Kirche, welche man die Reformation heißt, drang bald neues Leben in alle Verhältnisse ein. Wo man nach den wahren Lehren des Evangeliums zu leben an= fieng, da verschwand Aberglauben und Rohheit, die Sitten besserten sich, das Volk wurde unterrichtet und für die Armen verständiger gesorgt als bis dahin. Heute loben und danken die evangelischen Völker überall

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Gott, daß er das helle Licht Jesu Christi über ihnen aufgehen ließ. Auch die Kinder sollen ihm dafür danken.

Aber dem Ulrich Zwingli und seinen Freunden brachte es unendlich viel Arbeit und schwere Kämpfe. Er war in der großen Bewegung der Geister ein großer Führer und Tröfter, auf welchen Millionen in der Schweiz und im Auslande schauten, wie die Israeliten auf Moses. Bald auf der Kanzel und bald im Rathhaus und bald unter den geistlichen Herren vertheidigte er mit dem Bibelbuch in der Hand das neue Wesen, daß es nach Gottes Wort und Willen so geschehen müsse. Wo die neue und doch alte Lehre in einer Gegend nicht durchbrechen wollte, dahin schrieb er herrliche Briefe und dahin reiste er selber zur Predigt, so nach Lichtensteig, Frauenfeld, St. Gallen, Bern und Neuenburg. Vor feinem Menschen hatte er Furcht, aber vor Gott beugte er sich in Demuth und bat, daß er ihn immer mehr erleuchte mit seinem Geist. Viele sind von Anfang an nicht seiner Meinung gewesen, die Einen wollten. den fremden Kriegsdienst nicht aufgeben, weil er viel Geld brachte. Andere hiengen so fest an den alten Bräuchen und Bildern, daß sie den Glauben daran nicht aufgeben konnten. Und die Dritten mochten sonst von ihren alten und verderbten Gewohnheiten nicht lassen. Selbst in Zürich wurde Zwingli deßhalb angefeindet, beschimpft, gehaßt und mit dem Tode bedroht, so daß Bewaffnete seine Person und sein Haus schüßen mußten. Besonders heftig zeigte sich der Widerstand gegen das Neue in den vier Waldstätten, wo man verlangte, daß der große Kezer verbrannt, Zürich wegen seines Abfalls vom Glauben bestraft und aus der Reihe der Eidgenossen mit Schimpf und Schande ausgestoßen werde. Aber Zwingli vertraute auf Gott und glaubte, auch diejenigen, welche das Evangelium von sich stießen, würden es lieben, sobald sie es nur einmal vernommen hätten. Darum forderte er, daß es auch in den Urfantonen solle frei gepredigt werden dürfen und drängte den Nath von Zürich, solche Freiheit mit Gewalt durchzusetzen. Aber dieses mißlang. Als die starke Zürcher Mannschaft über den Albis nach der innern Schweiz zog, wurde bei Cappel gegen Zwingli's Anrathen ein Friede mit den Feinden vermittelt, der von keiner Dauer sein konnte. Die Feinde benutten die Zeit bloß zur bessern Sammlung und Rüstung und als Zürich zum zweitenmal aufbrechen mußte, um einen Einfall in sein Gebiet abzuwehren, da war die Uebermacht auf der andern Seite und Niemand vermittelte mehr. Von schweren Ahnungen erfüllt, bestieg Zwingli als Feldprediger sein Roß, denn er mußte und wollte für seinen Glauben sein Leben einsehen. Es kam am 11. Oftober 1531 zur

Schlacht bei Kappel, in welcher Zwingli neben seinen treusten und besten Zürchern den Heldentod starb. Als er von einem Steinwurf verwundet unter einem Birnbaum lag, fanden ihn in der Nacht die siegreichen Feinde, deren Einer ihm den letzten Stoß gab. Ueber seiner Leiche sprach ein Mann Namens Schönbrunner, katholischer Kaplan von Zug, das schöne Wort: „Welches auch dein Glaube war, ich weiß, daß du ein guter Eidgenosse gewesen bist!"

Worte Zwingli's über Luther.

A.

„Luther ist als mich bedünkt so ein treffenlicher Streiter Gottes, der da mit großem Ernst die Schrift durchforscht als seit tausend Jahren je einer auf Erden gewesen ist, und mit dem mannlichen unbewegten Gemüth, womit er den Pabst von Rom angegriffen hat, ist ihm keiner nie gleich geworden, so lange das Pabstthum gewährt hat, alle andern unbescholten. Obgleich es nicht wenige Männer gab, welche die Summe und das Wesen der Religion gewiß wenigstens ebensogut erkannten als du, mein Luther, so wagte sich doch aus dem ganzen Heere Israels Niemand zum Kampfe hervorzutreten, so sehr fürchten sie jenen gewaltigen Goliath, der mit dem furchtbaren Gewichte seiner Waffen und Kräfte drohend da stand. Hier, hier warst du allein der treue David, dazu vom Herrn gesalbt. Anfangs ziehst du zwar die Waffenrüstung an, indem du nach Sitte der Feinde mit ihnen disputierst und ihnen paradore Säße und gordische Knoten entgegenhältst. Bald jedoch wirfst du diese Hindernisse von dir, wählst aus dem himmlischen Flusse Schleudersteine und wirfst sie mit behend geschwungener Schleuder so gewaltig, daß du die Niesenglieder auf das weite Gefilde darniederstreckst. Darum sollen die gläubigen Gemüther nie aufhören frohlockend zu singen: „Saul hat Tausend geschlagen, David aber Zehntausend!" Du allein warst der Herkules, der herbeieilte, wo immer Gefahr und Kampf war. Du hast den römischen Eber erlegt, hast den Antäus, den Sohn der Erde erdrückt. Darum wir Gott billig danken sollen, daß er dich erweckt hat, da es niemand wagen durfte, und dich als ein nüßliches Geschirr in Ehren haben, als wir auch gern thun. Prediget Luther Christum, so thut er, was ich thue, wiewohl, Gott sei Lob, durch ihn eine unzählbare Welt mehr denn durch mich und andere zu Gott geführt werden."

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