Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

und bis ins Einzelne von ihm selbst ausgearbeiteten Kriegsplan verfahren, so würde nach menschlichem Ermessen die ganze Schweiz evangelisch geworden sein und hundert seitherige blutige und unblutige Kämpfe mit den Römischen, welche seit Jahrhunderten unsere beste Kraft aufbrauchen, wären gegenstandslos geworden. Aber Blindheit, Verzagtheit und unzeitige Gutmüthig keit ließen seinen Plan scheitern. Es befanden sich eben im evangelischen Lager selber Leute, die Zwingli's Verbot der fremden Jahrgelder nicht leiden mochten, weil sie selber dadurch reich geworden waren. So wurde bei Cappel im Juni ein Friede gemacht, in welchem Zwingli's großer Feldherrenblick die Wurzel eines künftigen viel bösern Krieges erkannte. Er sagte bald nachher in einer Predigt: „Der zu Cappel geschlossene Friede wird bringen, daß wir nicht über lang die Hände über dem Kopf zusammenschlagen werden". Es vergiengen nur 2 Jahre und der Prophet bekam recht; die unterdessen gerüsteten Katholiken schlugen die Züricher auf's Haupt und Zwingli selbst fiel. Im Vorgefühl, daß die Fahrt also schief werde, dichtete und komponirte und sang er mit seinen Schaaren zu Cappel anno 1529 das obige Lied. Auch dieses Lied ist von Gustav Weber herausgegeben und beide Lieder zusammen können bei Ge brüder Hug für 10 Cts. bezogen werden.

An unsere Leser!

น.

Mit Neujahr tritt Herr Pfarrer Fr. Meili von Zürich in die Redaktion unseres Blattes ein. Kein Mensch wird es uns verargen, wenn wir auch etwas mehr Leser wünschen. Aber wie machen? Uns selbst anpreisen, das mögen und können wir nicht; für Inserate in den Zeitungen fehlen uns alle Mittel Wir wissen uns daher nicht anders zu helfen, als daß wir unsere bisherigen Leser zu Hülfe rufen: findest du etwas in unserem Blatt, das du von Allen gelesen wünschest, bitte, so zeige das Blättchen einem Bekannten oder Freund und sage ihm, daß die Anmeldung auf irgend einem Postbüreau genügt, um das Blatt zu erhalten. Oder willst du ein Mehreres thun, so theile unserer Erpedition, Herrn Frehner, Steinenvorstadt 19, Basel, durch eine Karte die Adresse Solcher mit, an welche das Blatt zur Einsicht geschickt werden könnte. Die Redaktion.

L. St. L. Dienstag den 4. Dezember, Abends 8 1hr, zu Safran Vertrag ven

Herrn Pfarrer D. Brändli über Zwingli's Stellung zu Luther. Vereinsmitglieder und alle Freunde sind herzlich eingeladen.

Basler Kirchenzeddel Sonntag den 2. Dezember.

[merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small]

Sechster Jahrgang.

No 49.

Samstag, 8. Dez. 1883.

Schweizerisches Proteftantenblatt

Herausgeber:

Pfr. A. Altherr und E. Linder in Basel, Pfr. Bion in Zürich.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden
sei an Jerusalem, Rom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere
Person. In Christo allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.
Decolampad an Fulher.

Erscheint jeden Samstag. Man abonnirt auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis halbjährlich franko zugesandt 2 Fr. Wer das Blatt in Basel gratis erhalten will, kann dasselbe in der Buchdruckerei J. Frehner, Steinenvorst. 19, abholen.

Zum Advent.

Die rechte Adventfeier wurzelt in dem Gefühl, daß wir noch nicht sind, was wir sein sollten. Daß wir im Advent immer warten auf ein Besserwerden der Weltdinge und ihrer Lage, das beweist nur unsere Schwäche: ein rechter Christ hat Gottes die Fülle überall und ist unzufrieden nur über sich selbst, über seine Armuth an Liebe zu Gott. Weg und in zweite Linie mit dem Reden und Träumen von bessern künftigen Tagen: das Einzige, was zu bessern sich lohnt, ist das eigene Herz, alles Andere bringt doch immer nur Täuschung und Weh. Auf den Gefilden Judäa's erzeugte einst das Elend des Lebens in auserwählten Seelen den Traum messianischer Herrlichkeit, und als derjenige kam, welcher Gesetz und Propheten erfüllte, schlugen sie ihn an das Kreuz. Um sein Kreuz schaarte sich eine kleine Gemeinde in der Hoffnung, den verklärten Heiland der Welt bald kommen zu sehen in den Wolfen des Himmels: statt seiner kam die römisch-katholische Kirche. Aus der irdischen Pracht und geistigen Nacht dieser Kirche sehnten fromme Seelen sich nach dem Licht evangelischer Wahrheit und als das Licht aufgieng, schien es nieder auf Bruderkrieg und rauchende Leichenfelder und verbittertes Dogmengezänk. Der neue Jammer weckte Propheten neuer geistiger Befreiung, Propheten der Gewissensfreiheit und des allgemeinen Stimmrechts: und nun arbeitet seit hundert Jahren die Revolution auf allen Gebieten, aber wer ist glücklich? Die Unzufrieden= heit spricht aus Allen, welche für die tausend Arten sozialer Fragen sich erhizen und wenn sie alle einst nach Wunsch gelöst sein werden, so bleibt übrig der alte Wunsch, glücklich zu werden und die alte Wahrheit: die Welt kann euch den Frieden nicht geben! Darum nach Innen gerichtet dein Warten und Sehnen: dein Herz ist die Quelle des Lebens und die Erlösung der Welt hängt allein daran, daß du, endlich, ein Christ wirst und Gott allein und über Alles zu lieben anfängst. Hast du Christum, so bist du reich und hast genug. Er wird dein Helfer und deine Vorsehung sein in allen Dingen, daß du nicht mehr auf Menschen dich verlassen mußt. Der ist groß, der ganz sich der Liebe Gottes ergibt. Der ist gelehrt, welcher den Willen Gottes thut und den eigenen Willen ihm

unterwirft. Der allein feiert wahrhaft Advent, der sich entschließt, nichts mehr zu fürchten und nichts mehr zu hoffen, sondern Gott zu lieben und ihm anheimzustellen, was er geben und was er versagen will. Göthe war im Advent, als er diese Worte durchlebte:

„Lange hab ich mich gesträubet, endlich gab ich nach.
Wann der alte Mensch zerstäubet, wird der neue wach.
Und so lang Du dies nicht hast, dieses Stirb und Werde,
Bist Du mir ein trüber Gast auf der trüben Erde."

Reiseerinnerungen aus Holland.

III. Freisinniges Christenthum in Holland.

ช.

Heine hat einmal gesagt: „Es gehört mehr als ein Menschenleben dazu, um den Charakter eines einzigen Menschen zu studieren; und aus Millionen von Menschen besteht eine Nation". Ich würde darum nicht wagen, von dem religiösen und kirchlichen Leben in Holland ein kleines Bild zu entwerfen, wenn ich nicht schon seit Jahren mit einer gewissen Vorliebe holländische Sprache und Literatur studierte und zugleich von meinen holländischen Freunden manche werthvolle Belehrungen empfangen hätte. Denn die kirchlichen Verhältnisse da unten am Rhein, wenigstens unter den Protestanten, von denen ich hier allein rede, sind so eigenartiger Natur, daß sie bei uns gewöhnlich nur als abschreckendes Beispiel zitirt werden. Staat und Kirche stehen in Holland in sehr losem Verhältnisse. Wohl bezahlt der Staat den größeren Religionsgemeinschaften einen Beitrag an die Pfarrbesoldungen; das ist aber auch Alles. Daneben fümmert er sich nicht im mindesten um ihre innern Einrichtungen, läßt ihre Synoden frei schalten und walten, ohne in ihnen auch nur vertreten zu sein und kommt ihnen aber auch in keiner Weise entgegen. Das hat seine unbestreitbaren Vorzüge, gerade gegenüber Deutschland, wo so oft die Staatsgewalt, der Landesfürst in den Kirchendingen den Ausschlag giebt; das hat aber auch seine Nachtheile, gerade gegenüber der Schweiz, in der doch in den meisten protestantischen Kantonen die Schule auf die kirchlichen Neligionsstunden Rücksicht nimmt. Das ist in Holland nicht der Fall und mein Freund in Amsterdam hat z. B. alle seine Religionsstunden Abends zu ertheilen und für die Konfirmanden sogar von 8-10 Uhr Nachts.

Unter den religiösen Gemeinschaften steht oben an die alte reformirte Nationalkirche, die gegenwärtig vollständig beherrscht ist von einer starren kalvinistischen Orthodorie, die den freisinnigen Elementen das Leben so sauer als möglich macht und schon verschiedene tüchtige freisinnige Theologen zum Austritte getrieben hat. Der reformirten Kirche zur Seite tritt die lutherische, die nun umgekehrt in ihrer Synode ausgeprägt freisinnig ist. Aber neben diesen beiden Hauptvertreterinnen des Protestantismus haben auch die sog. Remonstranten ein blühendes Kirchenwesen, jene Remonstranten, die im 17. Jahrhundert, weil sie sich der Orthodoxie nicht beugen wollten, bis aufs Blut verfolgt wurden, aber trotzdem ihre volle Kraft sich bewahrt haben. Sie waren so glücklich, nie ein bindendes Glaubensbekenntniß zu besigen und können sich daher an der Sonne ihrer Freiheit ganz friedlich entwickeln, indem sowohl die konservativen wie die fortschritt

lichen Elemente ihren natürlichen Spielraum haben. Rechnet man bazu noch die Täufer, die sog. Mennoniten, und in den großen Städten, wie Amsterdam, eine Unzahl kleinerer religiöser Gemeinschaften, so bekommt man ein Bild einer religiösen Manigfaltigkeit, aber auch Zersplitterung, wie sie auf so beschränktem Raume wohl in keinem anderen Lande der Protestantismus sich darbietet. Und alle diese kirchlichen Genossenschaften leben friedlich nebeneinander, ohne durch heftige Propaganda einander zu befehden. Die Holländer, wenigstens in den freisinnigen Kreisen, halten die Glaubensund Gewissensfreiheit über alles hoch: dieser protestantische Grundsaß ist ihnen recht eigentlich in Fleisch und Blut übergegangen. Nur freie Wahl soll den Menschen zur Theilnahme an einer religiösen Genossenschaft treiben. Darum halten sie im Ganzen auch von der Kirche sehr wenig: leichten Herzens treten sie aus ihr aus oder zu einer andern Kirche über, ohne daß das viel Aufsehen macht. Das unterscheidet sie von uns. Auf dem Boden des Protestantismus ist es ja allerdings naturgemäß, daß die Verschiedenheit der Ueberzeugungen und Richtungen sich in verschiedenen, für sich bestehenden religiösen Genossenschaften organisirt. Aber wir in Deutschland und der Schweiz, bleiben in unserer Kirche, auch wo sie unseren Idealen nicht entspricht; wir harren in ihr aus, weil wir sie für das beste Mittel ansehen, für unsere Anschauungen unter dem Volke zu wirken, weil wir dieses mächtige Bildungsmittel nicht unseren Gegnern überlassen wollen; wir säen, und wäre es auch nur auf Hoffnung hin. Davon wissen die freisinnigen Holländer wenig, vielleicht zu wenig, zu ihrem eigenen Schaden. Wenn so geistvolle Theologen und gewandte Redner wie die Brüder Hugenholz aus der reformirten Kirche austreten und an ihre Stellen orthodoxe Geistliche nachrücken, so kann man das nicht anders als einen schweren Verlust bezeichnen. Der Holländer hat eben nicht nur wenig Sinn und Liebe für seine Landeskirche, sondern auch einen stark ausgeprägten Individualismus. Wie seit altem die holländischen Straßen und Grachten zeigen, daß Jeder sich sein Haus baut nach eigner Manier, so möchte Jeder auch in kirchlicher Beziehung nur in einem Hause leben, das ihm genau auf den Leib paßt. Und ist das nicht der Fall, so zieht er einfach aus und lebt schließlich lieber auf der Straße, als in einer unbehaglichen Wohmung. Das ist nun einmal holländische Art; und darüber wollen wir mit unseren Freunden nicht rechten, stehen sie doch unter einander um so inniger und fester und treuer zusammen.

Größer als der Gegensaß der einzelnen Kirchen unter einander ist in jeder einzelnen Kirche der Gegensatz zwischen den Freisinnigen, den sog. Modernen und den Orthodoxen, also daß die Modernen über die Grenzen der einzelnen Kirchen hinweg sich die Hände gereicht haben zu einem großen gemeinsamen Bunde, dem Protestantenbunde. Als im Jahre 1873 zu Utrecht dieser Bund geschlossen wurde, hofften die Stifter, nicht blos Männer fortgeschrittener theologischer Ansichten vereinigen zu können, sondern auch alle, die zwar mit ihrer persönlichen religiösen Ueberzeugung sich mehr dem Ueberlieferten zuneigen, dagegen auf kirchlichem Gebiete die Freiheit wollen. Dieser Versuch mißlang; und so beschränkt sich denn der Bund nur auf die Freifinnigen, aber allerdings auf Reformirte und Lutheraner, auf Remonstranten und Täufer. Von diesem Bunde nun habe ich einen gewaltigen

Respekt bekommen. Die ruhige Energie, die den Holländern eigen ist und die dieses kleine Völklein so groß gemacht hat in seiner Geschichte und in seinem Handel, spiegelt sich auch in dem Protestantenbunde. Eine Reihe der bedeutendsten Gelehrten von europäischem Nufe, wie Rauwenhoff, Kuenen, Lomann stehen an seiner Spize; und unter diesem trefflichen Generalstab marschirt eine stattliche Armee ron 12,000 freisinnigen Protestanten, in zahlreichen Sektionen über das Land zerstreut. In seiner hervorming unter der Redaktion des liebenswürdigen und fleißigen jüngsten Hugenholz, besigt der Verein ein Centralorgan, das an Vielseitigkeit des Inhaltes zu dem Besten gehört, wo ich auf diesem Gebiete kenne, und unter anderm jüngst eine in Bild und Wort vorzügliche Luthernummer herausgegeben hat. Auf dem Gebiete der erbaulichen und Volksliteratur entfalten die Mitglieder des Bundes eine so rührige und glückliche Thätigkeit, daß wir dagegen als wahre Stümper erscheinen. Besonders besigen sie die beneidenswerthe Gabe, in dem Gewande einfacher Erzählungen für die religiösen und sittlichen Ideale Propaganda zu machen. Die holländische Kunst der Detailmalerei ist hier in der geschicktesten Weise der erbaulichen Literatur dienstbar gemacht. Für die Gottesdienste und die Sonntagsschulen sind eigene Liederbücher geschaffen worden, die neben dem besten, aber auch nur dem besten, aus der alten Gesangbuchliteratur in ausgedehntem Maße und trefflicher Auswahl die moderne religiöse Poesie zu Worte kommen lassen. In den Städten und größern Ortschaften hat der Bund eigne Sonntagsschulen in's Leben gerufen o wären wir in Basel schon so weit! und die bedeutenderen Prediger sind an freien Sonntagen stets auf der Fahrt im Lande herum, überall freies religiöses Leben zu wecken und zu erhalten. Ja, der Geist Gottes wehet, wo er will, und daß er nicht an die engen Grenzen einer Kirche gebunden ist, das habe ich wieder in Holland erfahren. Luctor et emergo, d. h. ich ringe und kämpfe und tauche immer wieder empor; dies Wort habe ich gelesen auf dem Wappen der Provinz Zeeland, jener Provinz, die am meisten von dem gefräßigen Meer zu leiden und mit ihm zu streiten hat; luctor et emergo, das scheint mir auch das Losungswort des holländischen Protestantenbundes zu sein, mit seiner kräftigen Mannesarbeit und seiner geachteten Stellung im Lande trop gewaltiger Gegnerschaft; luctor, ich kämpfe, das müssen auch wir in Basel sagen; Gott segne unsre Arbeit, daß wir auch immer hinzusetzen können: et emergo, und ich tauche wieder empor.

[ocr errors]

Ein anderes Zwinglibild.

B. B.

Der hochbetagte Herr Pfarrer Rahn in Zofingen schreibt uns: Im Jahre 1813 war mein Vater sel. Ludwig Rahn, Pfarrer zu Windisch ge= worden und hatte zu einem Siegrist den Mstr. Rauber von Windisch bekommen, welcher nebenbei zu Mülligen den Beruf eines Gipsmüllers betrieb. Als nun 1818 die 3. Säcularfeier der Zwinglischen Reformation in Zürich gefeiert werden sollte, berichtete unser Siegrist Rauber von einem Berufsgenossen, auch einem Gipsmüller an der Reuß, im freien Amt, daß derselbe, obgleich Katholik, sich sehr für Zwinglische Sachen interessire. Deßhalb schickte mein Vater durch Siegrist Rauber dem Freiämter Gips

« ZurückWeiter »