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sißer immerwährend gehütet, neu gestärkt und neu erworben werden. „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.“

Ihn zu erwerben, dazu gehört die Sorge für die körperliche Gesund heit. Alle Unmäßigkeit und alles unordentliche Wesen, wodurch die leibliche Gesundheit untergraben wird, verdirbt auch unsern guten Muth. Unzählige Launen, in denen wir uns und Andere quälen, die Mißverständnisse und Unfrieden stiften im Hause und unter der Freundschaft - sie sind nichts mehr und nichts weniger als unsere Sünden: hätten wir unsere leiblichen Organe und Nerven nicht verstimmt und überreizt durch Muthwillen und Unverstand, so wären wir auch nicht um das Gleichgewicht der Seele, um das gute Wetter des Herzens gekommen.

Guten Muth zu erwerben, dazu gehört Treue in unsern Pflichten. Gott läßt seiner nicht spotten, seinem ewigen Richterspruch kann sich Niemand auf die Dauer entziehen. Was der Mensch säet, das wird er ernten. Wer auf sein Fleisch säet, seinem Fleisch den Willen thut und den heiligen Geist Gottes damit betrübt, den straft nach einem unverbrüchlichen Gesetz Unbehagen, Unruhe, Verlegenheit, Mißmuth, die ein Menschenkenner mehr oder weniger deutlich auf dem Angesicht liest: „Kain, warum ergrimmest du und warum verstellen sich deine Geberden?" Die Sünde verspricht im Augenblick, wo sie uns mit füßem Schmeichelton anlockt, lauter Glück und Seligkeit, in Wahrheit raubt sie uns die höchsten Güter: Ruhe des Gemüthes und Seelenfrieden. Wenn du dagegen deine Pflicht erfüllst, so hast du diese Güter. Selbst wenn der äußere Erfolg nicht befriedigend ausfällt, so erseht dir den Mangel das Bewußtsein, gethan zu haben was du konntest. Sogar wenn Feinde dein Thun bekritteln und schlecht machen wollen, so tröstet dich der Zuspruch des gerechten Richters und du gehst fröhlich durch gute und schlechte Gerüchte. Wer um das Lob der Menschen betteln geht, der lebt von Abfällen und muß oft dabei hungern; der gute Muth der Pflichterfüllung allein sättigt recht und ist ein tägliches Wohlleben. „Dann wirst du wie auf grünen Äu'n durch's Pilgerleben geh'n, dann kannst du sonder Furcht und Grau'n dem Tod in's Auge seh'n.

Guten Muth zu erwerben, dazu gehört, daß man sich übe in der Selbstbeherrschung. Ja sich übe! Ein griechischer Weltweiser erzählt von einem außerordentlich starken Mann, der einen ganzen Ochsen auf seinen Schultern trug, und das habe er dadurch fertig gebracht, daß er ihn von seiner Jugend an täglich einmal von der Erde aufgehoben, wobei seine Kraft mit des Thieres Schwere stetig gewachsen sei. — Das Leben bringt Erfahrungen mit sich, die unserer Seelenstärke ungeheuer viel zumuthen, wenn wir nicht aus der Fassung kommen sollen. Auf einmal kriegen wir die Kraft dazu nicht, sondern Sprosse um Sprosse müssen wir die Leiter hinan, indem wir zuerst den alltäglichen kleinen Verdrießlichkeiten Stand halten und uns um keine Welt von ihnen aus der Fassung bringen lassen ; dann wachsen wir unvermerkt in die schwersten Aufgaben hinein, denn wer da hat, dem wird gegeben, daß er zulezt die Fülle hat und schließlich die gröbsten Klöße und die schwersten Ochsen zwingt. Ein Beispiel dafür ist ein Mann aus vergangenen Tagen. Der hatte 27 Jahre lang das Barometer und dessen Veränderungen täglich notirt und aus den Streifen Papiers

sollte schließlich ein werthvolles Buch werden, die Frucht eines ganzen Menschenlebens. Da kam eines Tages eine neue Magd in das Haus des Gelehrten und entwickelte den bekannten Eifer, „Alles in Ordnung" zu bringen. Am folgenden Morgen vermißte der Gelehrte seine Papierstreifen und fragte darnach. Die Magd antwortete: Ach Herr, die waren so schmutzig, daß ich sie in den Ofen warf und verbrannte, hier sind neue Streifen dafür. Der Mann antwortete: „Du hast die Ergebnisse einer siebenundzwanzigjährigen Arbeit zerstört, ich werde aber von vorne anfangen.“ Ein anderes Beispiel bietet uns ein frommer englischer Dichter. Der fiel in Schulden und wurde eines Tages sammt Weib und Kindern auf die Straße gesezt. Andern Tages schrieb er einem Freund: „Die Zöllner und Gerichtsboten haben mir Alles genommen. Alles? Sonne und Mond, ein liebendes Weib und viele mitleidige Freunde haben sie mir gelassen. Auch meine heitere Natur und meinen fröhlichen Geist und mein ruhiges Gewissen haben sie mir nicht genommen. Auch mein Vertrauen zu Gott und alle Verheißungen der Bibel, meinen Glauben, meine Hoffnung, meine Menschenliebe haben sie mir gelassen. Ich habe viele und große Ursachen, freudig zu bleiben, obgleich Kummer und Sorge mich auf eine handvoll Dornen gesezt haben.“

In dieses Mannes Worten liegt nun bereits ausgesprochen, welches die eigentliche und tiefste Quelle eines guten Muthes ist: der Glaube. Pflichterfüllung, Selbstbeherrschung, Menschenliebe sind die Aeste, an denen wie die natürliche Frucht ein guter Muth wächst, aber die verborgene Wurzel, daraus schließlich alle Aeste sammt ihren Früchten hervorwachsen, das ist der Glaube. Wer das lebendige, dankbare Gefühl hat: ich bin nichts aus mir selbst, Alles durch Gottes wunderbare Gnade; ich bin nur ein armes Stäublein im Universum und doch unendlich vom Herrn des Lebens gesegnet; ich bin ein großer Sünder vor Gott und doch hat er mir durch Christus sein Alles übersteigendes Erbarmen zugesagt; ich wandle hier auf Erden in einem dunkeln Thal durch völlig unverständliche Schicksale, aber das Ende aller Wege ist Licht und Liebe, ich weiß, daß mein Erlöser lebt und daß ich ihm noch danken werde für Alles Freunde, in diesem lebendigen und dankbaren Gefühl, in diesem Christenglauben liegt das große Geheimniß, wie man mit dem Apostel Paulus in Nöthen und Aengsten, in Trübsal und Verfolgung sagen kann: ich bin guten Muths! Jeder wahre Christ gehört zu jenen, die da arm sind und doch Alles haben, die da traurig sind und doch allezeit fröhlich, sie fallen und kommen doch nicht um, als die Sterbenden und siehe, sie leben. Christen sind vom Leben zum Tode hindurchgedrungen durch das Evangelium, sie leben, doch nicht mehr sie selber, sondern Christus lebet in ihnen, der Christus, welcher als Anfänger und Vollender unseres Glaubens auch der Meister eines guten Muthes gewesen ist. „Kennst du den Mann, dem Alles ward gegeben, und der dir Alles, Alles geben kann? Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, und was du suchst, du hast's in diesem Mann!"

A.

Sprüche des neuen Genfer Philosophen.
(Eingesandt von E. S.)

I.

Nur dann läßt man sich beigehen, am meisten Böses von seinem Nächsten zu sagen, wenn man vor denen steht, von denen man weiß, daß sie es begierig aufnehmen und verbreiten.

Die Eigenliebe ist der zarteste und dennoch lebenskräftigste unserer Fehler; ein Nichts verwundet sie, aber nichts kann sie tödten.

Die Zeit scheint immer rascher dahin zu eilen, je mehr man sie zu schäzen weiß; das Kind benützt bei seinen Vergnügungen die Länge des Tages und der Mann bedauert bei seinen Arbeiten die Kürze der Jahre.

Der Neid schwärzt wie die Flamme Alles, was über ihn hinweggeht und was er nicht erreichen kann.

Wir ziehen den in allen Dingen vollkommenen Menschen diejenigen vor, die uns etwas nüßen können.

Die Tugenden, die auszuüben uns schwer fallen, beweisen, daß wir Gott lieb haben; diejenigen, die uns leicht erscheinen, beweisen, daß er uns liebt.

Es läßt sich sanft nach einem reinen Leben sterben; so erhält man in der Arithmetit die Gewißheit von der Richtigkeit einer Rechnung nur durch die Probe.

Nichts hebt einen physischen Fehler so sehr hervor, als Sorgfalt und Anstrengung, ihn verbergen zu wollen.

Ein glänzendes Vermögen ist wie ein Vergrößerungsglas, durch welches man die Eigenschaften und und Talente des Besizers desselben betrachtet.

Man kann wohl Gutes von uns sagen, wir halten uns doch noch immer für besser.

Ein elegant gekleideter Dummkopf ist wie ein unbedeutendes, aber reich vergoldetes Buch.

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Das Judent hum

vom Gesichtspunkte der Rasse und der Religion; Vortrag, gehalten am 27. Januar 1883 von Ernst Renan. M. Bernheim, Basel.

Die von Hofprediger Stöcker in Szene gesezte Judenheze hat im Tisza-Ezlar-Prozeß eine reife Frucht gebracht: Römische Katholiken beschuldigen auf die gewissenloseste Art die Juden, ein Christenmädchen ermordet zu haben, und nachdem die angeklagten Juden freigesprochen worden, sind sie trotzdem vor dem fanatischen christlichen Pöbel ihres Lebens kaum sicher. Gegenüber solcher Schande des Jahrhunderts thut es wohl, den

französischen Gelehrten vor einer hochansehnlichen Versammlung daran erinnern zu hören, daß die israelitische Rasse der Welt den größten Dienst geleistet hat. Das Interessanteste in seinem Vortrage, obschon unter deutschen Theologen längst erkannt und verkündigt, ist der Nachweis, daß die Propheten Israels das Judenthum aus einer nationalen Religion zu einer universellen erhoben haben, indem sie die Erlösung des Menschen von allen Zeremonien ablösten und in das innere sittliche Leben verlegten, wie Christus. Renan spißt diese Wahrheit in die pikante, mißverständliche Behauptung zu: „Der erste Gründer des Christenthums war Jesajah, um das Jahr 725 vor Christi Geburt." So lange der Geist der Propheten in Israel fortwirkte, machte das Judenthum große Eroberungen in der griechischen und römischen Welt, wofür Renan frappante Beispiele anführt. Als aber Christus und Paulus im Geist der Propheten das letzte Wort sprachen und den Bruch mit dem Gesetz vollzogen, erwachte im Judenthum die Reaktion, durch welche es von seiner Höhe herab wieder in die Knechtschaft des Buchstabens und den Sektengeist zurückfank. Den heutigen Juden gibt Renan den Rath, aus ihrer Absonderung herauszutreten, sich den verschiedenen Nationen zu assimiliren, dann werden sie im Anschluß an alle liberalen Kräfte Europas in hohem Grade zum sozialen Fortschritt der Menschheit beitragen."

A.

Zum Lutherjubiläum. Der Berliner Prediger Julius Disselhoff hat erscheinen lassen ein „Jubelbüchlein zu Dr. Martin Luthers 400jährigem Geburtstag in Wort und Bild für Jung und Alt, mit dem Motto: Gott zu Ehren, sein Reich zu mehren, dem Feind zu wehren, Alle zu lehren." Zu haben bei Spittler in Basel für 40 Cts. Herr Spittler würde es nicht verkaufen, wenn es nicht ein Orthodorer geschrieben hätte, aber das hindert uns nicht, anzuerkennen, daß es gut ist. Das Merkwürdigste daran ist der billige Preis, denn es enthält auf 120 eng gedruckten Seiten über 40 zum Theil vortreffliche Bilder; bei unsern Verlegern würde so ein Büchlein immer wenig stens 2 Fr. kosten. Sehr anerkennen wir ferner daran, daß es den Gegensatz zwischen römischem und evangelischem Glauben nicht verkleistert, sondern offen aufdeckt. Und in die Seele hinein wohl gethan hat uns, daß der Lutheraner den figlichen Streit Luthers mit unserm Zwingli gerecht behandelt, ja sogar das Verlangen nach Union äußert. Es muß eines jeden ernsten Christenmenschen inständig Gebet dahin gehen, ob es nicht Gott dem Herrn gefallen möchte, diesen schweren Riß in der evangelischen Kirche noch auszuheilen.“ A. Basler Kirchenzeddel Sonntag den 2. Sept.

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Sechster Jahrgang.

No 36. Samstag, 8. Sept. 1883.

Schweizerisches Proteftantenblatt

Herausgeber:

Pfr. A. Altherr und E. Linder in Basel, Pfr. Bion in Zürich.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden
sei an Jerusalem, Rom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere
Person. In Christo allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.
Oecolampad an Luther.

Erscheint jeden Samstag. Man abonnirt auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis halbjährlich franko zugesandt 2 Fr. Wer das Blatt_in Basel gratis erhalten will, kann dasselbe in der Buchdruckerei J. Frehner, Steinenvorst. 12, abholen.

Vorbereitung auf den Bettag für Geißtliche.

(Eingesandt.)

Am nächsten heil. Bettag werden unsere Geistlichen wieder von den Sünden des Volkes predigen, wozu sie mit Eiden verpflichtet sind, und wir werden ihnen wieder zuhören mit Ehrerbietung, aber auch mit unsern eigenen Gedanken im Kopf.

Auch ein eigener Gedanke ist es, wenn wir uns jetzt erlauben, die Geistlichen an die Sünden zu erinnern, welche sie selber begehen; sie haben das gewiß eben so nothwendig wie wir. Wer so viel mit den Sünden Anderer sich beschäftigt, hat wohl kaum viel Zeit, an die eigenen zu denken. Und wer vor einem Baum steht, sieht ihn besser, als wer darauf sigt. Darum kann hier oft ein Gelehrter von einem Einfältigen lernen und im Bibelbuch steht ja, wir sollen gegenseitig auf einander Acht haben und einander ermahnen. Thun das die Herren Pfarrer Sonntag um Sonntag und zwar an einem Ort, wo es nicht schicklich ist, ihnen zu erwidern, so darf man sie wohl auf diesem Wege auch einmal ermahnen und sagen, was wir für Sünden an ihnen entdecken.

Da glaube ich zuerst, daß sie Alle sündigen, ein Heiliger ist unter ihnen feiner. Ich mache nämlich das fatale Parteiwesen nicht mit, wo man auf der einen Seite Alles weiß und auf der andern Alles kohlschwarz findet, sondern da heißt es auch: „Grau, Freund, ist alle Theorie!" Ich habe mit dem besten Willen noch nie entdecken können, daß die Einen nur Recht und die Andern nur Unrecht haben, sondern ich habe schon manche orthodore Predigt gehört und es bedauert, daß nicht alle Freisinnigen drinn waren, und auch manche freisinnige Predigt, die ich gern allen Pietisten gedruckt hätte ins Haus schicken, ja ins Herz hinein schreiben mögen.

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