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die mit Christus erschien, sich spiegelt. Und ähnlich geht es uns mit der Himmelfahrtserzählung; sie ist das schöne Gegenstück zum Weihnachtsbild. Da steht Jesus mit seinen Jüngern auf der Höhe des Oelbergs, an dessen Fuß er den schwersten Kampf seines Lebens gekämpft. Jezt ist der Kampf vorbei; alle Spuren des Leidens sind weggewischt von seinem verklärten Angesicht; noch einmal breitet er seine Hände segnend über die Jünger aus und schwebt dann empor auf lichtem Wolkenthron, empor über allen Schmerz und Kampf der Erde, in selige Fernen, zu himmlischen Höhen, in's Land der Verklärung und Vollendung. Und die Jünger schauen ihm wonnetrunken nach; Engelstimmen rufen ihnen zu: „Er wird wiederkommen, wie ihr ihn gesehen habt gen Himmel fahren“, und sie fehren zurück voll Freude und Glaubensmuth und werden nun seine begeisterten Boten und Zeugen.

Ist das nicht ein köstliches Schlußgemälde des Lebens Jesu? Und wenn ein falter, trockener Verstandesmensch sagen wollte: „Ach), es ist ja gar nicht so gewesen; wo ist der Himmel, aus welchem Christus herabgekommen und in den er wieder zurückgekehrt ist? das ist ja Alles nur Sage und Dichtung", so antworten wir ihm: Ei, lieber Freund, das wissen wir so gut wie du; wir wissen ganz gut, daß das Christkindlein nicht, ungeben von der Engel Schaar, aus jenem Himmel, den wir mit unsern Augen sehen, aus jener Bläue dort oben herabgekommen, und daß Christus ebenso wenig zu jener Bläue emporgestiegen ist; wir wissen, daß er die Wahrheit, den Frieden, die Seligkeit, den Himmel in sich trug, verborgen in seiner Brust, verborgen in seinem Gott, daß er in Gott seine Lebenswurzel hatte und sein Lebensziel. Aber für den kindlichen Glauben, für das fromme Gemüth ließ sich das nun einmal nicht schöner und anschaulicher darstellen, als daß er auf lichter Wolke den Blicken der Jünger entschwindet und zum Himmel emporschwebt, oder -- nun ja, man konnte es auch anders ausdrücken, so wie das spätere Johannes-Evangelium es thut, wenn es, schon weniger äußerlich, schon geistiger, einfacher, tiefer ihn sagen läßt: „Ich bin vom Vater ausgegangen und gekommen in die Welt; wiederum verlasse ich die Welt und gehe zum Vater." Ja, so ist es. „Vom Vater war er ausgegangen und in die Welt gekommen." Haben wir nicht bei jedem wahrhaft großen Menschen ein ähnliches Gefühl? Bei Jedem, der dazu berufen war, mit schöpferischer Kraft in den Gang der menschlichen Dinge einzugreifen, neue Bahnen zu öffnen, segensreiche Werke für Mit- und Nachwelt zu vollbringen? Da denken wir nicht nur an die natürlichen, menschlichen Faktoren, an die zufälligen Umstände der Geburt und Erziehung; wir reden von einer höhern

Mission, die solche Männer zu erfüllen haben; wir haben die Ueberzeugung: sie mußten kommen, zur rechten Zeit und am rechten Orte, nach dem ewigen Plan der Weltgeschichte; sie wurden von Gott gesandt, von Gott zu ihrem Werke ausgerüstet und berufen. Wie viel mehr gilt das von der Erscheinung Christi! Gewiß, er war vom Himmel gekommen". Nicht aus der Zimmermannswerkstätte zu Nazareth und ebenso wenig aus den Schriftgelehrtenschulen Jerusalems ist sein Geistesleben hergeflossen, sondern von oben herab, d. h. aus verborgenen Wahrheitsquellen, aus ewigen Geistestiefen, wie der krystallene Quell aus geheimnißvollem Bergesschooß. Er ist vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen.“

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Und aus der Welt ist er zum Vater zurückgekehrt.“ Schon während seines irdischen Lebens ist er aus den Mühen und Kämpfen seines Werkes, aus den bittern Erfahrungen menschlicher Trägheit und Verkehrtheit, aus dem Widerstand der Feinde und aus dem Mißverstand der Freunde immer wieder zum Vater gegangen", um seiner auf's Neue gewiß zu werden, um in ihm sich zu stärken und zu ermuthigen, und endlich ist er zum Vater gegangen" als der Verklärte und Vollendete, dessen Wort fortklingt als Gottes Wort, dessen Werk fortwirkt als Gottes Werk, der in seinem Geiste da ist alle Tage bis an der Welt Ende.

Also ja, auch wenn wir überzeugt sind, daß Christi Person und Leben durchaus auf dem Boden menschlicher Geschichte und in den Schranken der menschlichen Natur sich bewegt hat, auch dann sehen wir seinen Anfang und sein Ende hinüberreichen in den Schooß der Ewigkeit, in die Tiefen des ewigen göttlichen Lebens; auch dann steht über der Eingangs- und Ausgangspforte seines irdischen Daseins das Wort geschrieben: „Ich bin vom Vater ausgegangen und gekommen in die Welt; wiederum verlasse ich die Welt und gehe zum Vater." Aus den Predigten von Z. W.

St. Georg.

Die sorgfältige und gründliche Restauration, welcher seit einigen Jahren das Aeußere unsres Münsters unterworfen ist, befaßt sich gegenwärtig mit dem untern Theil der Hauptfaçade und es sind namentlich die beiden Hauptfiguren, die des St. Georg und diejenige des St. Martin, in der Erneuerungsarbeit begriffen. Wer hätte nicht schon, als Kind oder als Mann, diese alten naiven Steinbilder angeschaut? Und wer wäre nicht gespannt darauf, wie die hergestellten Werke sich dereinst an Ort und Stelle wieder ausnehmen werden! Diese beiden Heiligen sind nicht ohne bewußte Ab

sicht dorthin gekommen. Beide gehörten im Mittelalter zu den bekanntesten und beliebtesten Heiligen, um deren Person sich beiderseits ein reicher Sagenfreis gebildet hat. Auch vertreten sie zwei zum Christenthum nothwendig gehörenden Elemente; der eine den Glauben, der mannhaft kämpft, der andere die Liebe, welche opferfreudig gibt. Vielleicht interessirt es unsere Leser, über die Beiden und die an sie sich knüpfenden Legenden Näheres zu vernehmen. Also für heute der heilige Georg, der „Ritter Jörg", wie er im Mittelalter genannt ward.

Genau Geschichtliches von diesem beliebten Helden weiß man eigent lich wenig; ja es ist in neuerer Zeit behauptet worden, daß auch dieses Wenige sehr zweifelhaft sei. Gleichwiel, das christliche Gemüth der alten Zeit hat ihn zum Träger der großen Gedanken und Ideale gemacht, die es selbst in sich trug.

Georg ward, wie die kirchliche Neberlieferung lautet, gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts in Kappadozien von christlichen Eltern geboren. Sein Vater war ein tüchtiger Kriegsmann gewesen, der namentlich auch muthig sein Christenthum bekannt hatte. Nach dessen frühem Tode und dem bald darauf folgenden Hinschied auch der Mutter glaubte der Jüngling die Aufgabe seines Lebens in der militärischen Laufbahn zu sehen, und hatte dabei namentlich das Ziel im Auge, mit demselben Glaubensmuth und Heldensinn wie sein Vater, für jede gute und gerechte Sache, wenn es nöthig wäre auch für den christlichen Glauben das Schwert zu führen. Bei dem Heere und dem römischen Kaiser war er sehr bald beliebt und stieg von Stufe zu Stufe.

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Aber dieser Kaiser (Diocletian) war dem Christenthum Feind und erließ den grausamen Befehl zu jener großen Christenverfolgung, die unter dem Namen der diocletianischen so berüchtigt geworden ist. Georgs Entschluß war gefaßt. Feierlich weihte er sich zum Märtyrertode; seine Habe vertheilte er den Armen, seinen Sclaven gab er die Freiheit und bekannte sich dann bei nächster Gelegenheit in offener Senatsversammlung als Christ. Der Kaiser, über diese Offenheit seines Lieblings bestürzt, versuchte Alles, um ihn von dem vermeintlichen Wahne zu heilen, richtete aber nichts aus. Der Consul Magnentius fragte ihn: „Was gibt dir den Muth, die Versammlung durch ein solches Bekenntniß zu beleidigen?" Georg antwortete kurz: „Die Wahrheit!" Der Consul: „Was ist Wahrheit?" Georg: „Die Wahrheit ist Jesus Christus, den ihr verfolgt!" Darauf der Kaiser: Bleibe bei uns, tapferer Held, und opfere den Göttern!" Und Georg dagegen: „Ich hoffe, ehe du mich abtrünnig werden siehst, dich selbst den wahren Gott verehren zu sehen!" Hierauf wurde er zum Tode verurtheilt

und wie die Sage angibt, am 23. April enthauptet. Viele sollen durch seinen Märtyrertod für das Christenthum gewonnen worden sein, unter Andern auch die Kaiserin Alexandra.

Somit wäre also in der ersten christlichen Zeit der heil. Georg als Märtyrer gefeiert worden. Aber im Lauf der Zeit entwickelte sich (ganz dem Verlauf mittelalterlicher Geistesrichtung gemäß) eine andere Verehrung, nämlich diejenige Georgs als eines Ritters, als eines Beschützers der Unschuld und Kämpfers gegen Gewalt und Unrecht. Der heilige Georg des Mittelalters, der Ritter Jörg, wie er dannzumal im Volksbewutßsein lebte, und wie er an unserm St. Georgsthurm des Münsters seine bildliche Darstellung gefunden hat, ist der Typus der turnirenden, kreuzfahrenden Helden, der Repräsentant all der Rittertugenden, die im Kampf gegen Ungläubige und in der Vertheidigung des schwächern Geschlechts sich zeigen.

Auch dafür hat sich als Grundlage ein besonderer Sagenkreis ausgebildet. Die bedeutendste davon ist sein Kampf mit dem Drachen. Ein grausiges Ungethüm, das in einem Sumpf im Lande Lybien hauste, setzte lange die ganze Umgegend in Angst und Schrecken, indem es nur durch Darbringung von Kindern abgehalten werden konnte, Alles um sich her zu verderben. Unzählige solcher unschuldigen Opfer waren ihm schon ausgeliefert und die Zahl der Kinder im Lande dadurch sehr gering geworden. Da faßte des Landes König den hochherzigen Entschlußz, sein von ihm über Alles geliebtes Töchterlein dem Ungeheuer zur Beute zu weihen, um es, wie er hoffte, dadurch für immer versöhnen zu können. Unsäglich bekümmert geleitete er das Kind, seines Lebens Stolz und Freude, dem schauerlichen Pfuhle entgegen. Schon rauscht, während das versammelte Volk von ferne bleich und bebend zusah, der schuppengepanzerte Lindwurm aus der Tiefe auf und kroch zum Ufer des Sees herauf. Schon sperrt er, in wilder Gier nach der Beute lechzend, den unersättlichen Todesrachen auf. Da sprengt plötzlich, unerwartet und wie vom Himmel gesandt, auf hohem Noß in blanker Waffenrüstung ein edler Kriegsmann heran, zieht sein sieggewohntes Schwert, wirft sich dem wild sich bäumenden Drachen entgegen, und indem er ihm mit dem ersten Streiche das Haupt zerspaltet, durchbohrt er unter lautem Zujauchzen der Menge mit einem zweiten das giftgeschwollene Herz. Zu Todeskämpfen zuckt die Bestie in ihrem Blute; das holde Königskind aber fliegt gerettet dem hochbeglückten Vater in die Arme. Als dieser aber dem Retter mit überströmendem Herzen danken will, ist der hochherzige Held verschwunden, und dem Könige wie dem Volke bleibt nur übrig, dem wahren lebendigen Gott, dem Gott der Christen, die Ehre zu geben.

Die letztere Sage ist, wie gesagt, in der spätern Zeit der alten Kirche die beliebtere geworden. Ganz natürlich; denn dannzumal hatte die Kirche nicht mehr um ihre Existenz überhaupt zu kämpfen; sie war selbst Herrscherin geworden, und ihr Kampf richtete sich nach außen hin, gegen die Sarazenen. Somit trat der Blutzeuge Georg in den Hintergrund vor dem Ritter Georg, der den alten Drachen des Heidenthums siegreich erlegt und in Tapferkeit und Frauenschutz Allen voranleuchtet. Es ist der alte Kampf der Wahrheit gegen die Finsterniß, den unsere Altvordern in dieser Sage und somit auch in dem Bild am Münster darstellten. Daher auch im Mittelalter schon mancher tapfere Krieger sich den heiligen Georg zum Vorbild nahm und sein Leben ihm weihte.

Auch in Luthers Leben und Worten begegnen wir dem Nitter Jörg nicht selten; er lebte auch in seinem Gemüth. Wer denkt nicht an seinen Aufenthalt auf der Wartburg, wo er, als Ritter verkleidet und an Kampf und Jagd sich betheiligend, sich den Namen „Junker Jörg“ beilegte. Luther liebte es, in allem sinnige Anspielungen auf seine große Lebensaufgabe hineinzulegen. Mußte es ihm nicht nahe liegen in einer Zeit, wo die Kirche selbst wieder zu einer Feindin der Wahrheit, zu einem die besten Christen verschlingenden Ungeheuer geworden war und wo er eben den Heldenkampf dagegen begonnen hatte, sich den Ritter Jörg zum Vorbild zu nehmen? Solche Vergleichungen wiederholen sich ja immer wieder. Die Sagen verblassen, alte Steinbilder verwittern, neue Geschlechter und neue Anschauungen wachsen auf, aber die in jenen Sagen ausgesprochene Idee ist ewig; auch heute noch gilt es den mannhaften Kampf gegen das Ungethüm der Finsterniß, des Aberglaubens und der Knechtschaft der Geister! Möge der restaurirte Nitter Jörg am Münster in seiner naiven Darstellung auch unserm Geschlechte diese Wahrheit verkündigen! L.

Die Aufgabe der Frauen

in den religiösen und sozialen Kämpfen der Gegenwart.

Unter diesem Titel ist soeben vom schweizerischen Verein für freies Christenthum ein Schriftchen ausgegeben worden, verfaßt von Pfr. Kambli in Horgen. Dieser unermüdliche Arbeiter gibt in demselben ein äußerst ansprechendes Gesammtbild der direkten und indirekten Wirksamkeit, durch welche sich die Frauen als Mitarbeiterinnen im Kampf für religiösen und sozialen Fortschritt betheiligen können und sollen. Manches, was das Schriftchen enthält, ist zwar schon oft gesagt worden, ist aber troßdem

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