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Lob Jeder ihn nach seiner Weis',
Gering ist aller Worte Preis,

Die That nur kann ihn loben!

Dann bricht ein neuer Völker- und Geiftesfrühling auf Erden an und die Geister der Reformatoren steigen hernieder und reichen den Enkeln die Hand, welche ihr Werk so herrlich vollendet und gekrönt.

Die Zukunft der Religion.

(Nach F. Pécaut, le christianisme libéral et le miracle.)

III.

Was ich vom Kinde gesagt habe, gilt auch von der sogen. „großen Menge". Zugegeben, daß sie großentheils aus Kindern, aus Leuten, welchen das nöthige Wissen und eigenes selbständiges Urtheil abgeht, bestehe. Aber mit welchem Rechte verzweifelt ihr daran, sie dem reinen und freien Glauben um einen Schritt näher zu führen? Wahrlich, auch heutzutage so gut wie zu den Zeiten der griechischen Philosophen und der römischen Staatsmänner, oder den Zeiten eines Erasmus und Bossnet, wird es sich zeigen, daß die schlimmen Prophezeiungen der Weisen und Gelehrten falsch gewesen; die Zukunft wird früher oder später denen Recht geben, welche auf die Siegeskraft der Wahrheit und die natürliche Befähigung der Menschenseele dazu vertrauten, denen, welche allem Augenschein zum Troßz glaubten an die Menschlichkeit, ja an die Göttlichkeit jedes Einzelnen ihrer Mitbrüder. Ermannet euch doch nur einmal zu diesem heiligen Glauben und bedenket, einerseits wie unerschöpflich und überraschend reich die menschliche Natur in ihren Fähigkeiten ist, und andrerseits wie haltlos die verschiedenen Arten von unfehlbaren Glaubenssystemen sind, die uns bisher durch ihr Alter und ihre allgemeine Geltung so sehr imponirt haben. Es kommt Alles darauf an, daß man sich einmal direkt an das menschliche Gemüth wende und ihm zutraue, daß es als solches für das Wahre und Gute empfänglich sei. Dann erwacht es, wenn es noch im Schlummer liegen sollte, dann belohnt es durch überraschende Fortschritte die, welche ihm ihr Zutrauen entgegengebracht haben.

Uebrigens was bedarf es langer Auseinanderseßungen? Es handelt sich ja um eine einfache unausweichliche Pflicht, um die Pflicht aufrichtig zu sein gegen uns selbst und gegen andere. Glauben wir nichts als was wahr ist! Reden und handeln wir nicht anders als der Wahrheit gemäß!

Lassen wir dann ruhig diese Wahrheit wirken und die göttlichen Geseze ihren Weg gehen! Das ist unsere Aufgabe; erfüllet sie und sorget nicht; der folgende Tag wird für das seine sorgen.

Aber seid ihr sicher und fest in euch selbst? Ich fürchte fast, daß ihr, beunruhigt über das Schicksal der andern, in euerm eigenen Glauben nicht ganz entschieden und ruhig seid. Ja, wenn eure religiöse Ueber= zeugung nicht freudig ist, nicht den Trieb nach Weiterverbreitung in sich trägt, nicht sich sehnt, sich allem Volk mitzutheilen, so ist das ein Zeichen, daß sie noch unbestimmt, unklar, noch zu scholastisch oder auch zu sehr Verstandessache ist; sie ist dann noch zu wenig einheitlich, zu wenig lebendig, zu wenig tief, zu wenig menschlich, mit einem Wort zu wenig fromm. Wenn das aber dem also ist, dann ergeht euch nicht fortwährend in vergeblichen Lamentationen, sondern sorgt eiligst dafür, daß in euerm Innern die lebendige Frömmigkeit sich rege, daß, um so zu sagen, aus dem starren Felsen der lebendige Springquell des göttlichen Lebens rein und erfrischend emporsteige. Dann werden euch auch die alten Ueberlieferungen in ihrem wahren Werthe wieder verständlich werden. Dann werdet ihr euch überzeugen, daß es einen lebendigmachenden, einen allgemein wahren und volksthümlichen Inhalt in der Bibel gibt, nicht die legendenhafte Form der Erzählungen, nicht die übernatürlichen Wunderzeichen, wohl aber die allgemeine sittliche Ordnung, welche dem Menschen zum Bewußtsein kommt, das Sonnenlicht ewigen göttlichen Lebens, das nach und nach am Horizont des menschlichen Lebens aufgegangen und von den Sehern der Vorzeit, die unsre Vorbilder sind, erkannt und mit Freuden begrüßt wurde.

Der freie Protestantismus also die Religion der Zukunft! Ist das nicht blos eine glänzende Täuschung? Aber ich frage: warum sollte dieser freie protestantische Geist nicht geeignet sein, die Erbschaft zu bereinigen, die uns die alten Glaubenssysteme hinterlassen haben? Ja, welche Anschauung wäre geeigneter, alles Werthvolle der Vergangenheit zusammenzufassen und zugleich Allem, was noch zu geschehen hat, die rechte Weihe zu geben? Man sagt uns, daß auch noch andere religiöse Anschauungen von ganz anderm Ursprung sich zu dieser Aufgabe melden, also z. B. Juden, Katholiken, Freidenker u. s. w. Wohlan, sie seien uns willkommen! Die Last wäre ja zu schwer für einen allein. Aber sie Alle, zu welcher Fahne sie auch schwören mögen, müssen doch, wenn sie etwas erreichen wollen, ein und dasselbe Programm ausführen, sie müssen mithelfen an der Herstellung einer lebendigen Religion, die gegründet ist auf das Recht der Einzelpersönlichkeit und auf die Geseze des natürlichen Lebens. Ich begrüße also von Herzen jeden ernstgemeinten Versuch einer solchen Erneuerung; aber ich frage nochmals: wie kann in dieser Richtung irgend ein Fortschritt stattfinden, welche fruchtbare Idee sich geltend machen, die nicht dem Namen Jesu ihre schönste Weihe und ihre nachhaltigste Wirkung zu verdanken hätte? Streichet immerhin Namen aus und schaffet unglaub würdige Dogmen ab, das Christenthum mit seinen ewig wahren Grundgedanken, mit seinen erhabenen Vorbildern, seinen heiligen Erinnerungen, -es bleibt; die christliche Civilisation ist die naturgemäße und gerade Fortsetzung der religiösen und sittlichen Entwicklung der Menschheit.

Machen wir uns schließlich noch klar, was unsere Stärke und was unsere Schwäche ausmacht. Die Stärke des freisinnigen Christenthums besteht darin, daß es vollkommen wahrheitsliebend und aufrichtig ist, fortwährend der wirklichen Geistesbildung unseres Zeitalters entsprechend; freimüthig anerkennt es die unausweichlichen Bedingungen, unter denen sich uns heute die religiöse Entwicklung darstellt, nämlich die Thatsächlichkeit einer unabänderlichen Naturordnung und eines Lebendigen Gottes, dessen Willen eben diese Naturordnung ausmacht; sein Bestreben ist die Herstellung des Friedens in unserm Gemüth, indem es uns anleitet, unser religiöses Denken und Handeln in Uebereinstimmung zu bringen mit unserm wissenschaftlichen und politischen Denken; es behauptet die Fähigkeit der Einzelpersönlichkeit, sich selbst zu bestimmen; es behält sich über die großen, aus der Vergangenheit stammenden heiligen Ueberlieferungen sein freies Urtheil aber es verzichtet gleichwohl nicht auf eine religiöse Erziehung des Volkes. Das ist seine Stärke.

Seine Schwäche (in unsern Augen eine ehrenhafte Schwäche, die überhaupt allen politischen und religiösen Richtungen anhaftet, welche sich auf das Prinzip der Freiheit gründen) besteht darin, daß eben Alles darauf ankommt, wie die einzelne Persönlichkeit sich dazu stellt, daß für diese Alles verloren ist, wenn sie sich selbst aufgibt und sich nicht Mühe gibt, in der Wahrheit und Sittlichkeit vorwärts zu tommen. Diese Schwäche ist nicht Eigenthümlichkeit eines einzelnen Systems, sie liegt im Menschen überhaupt, in uns Allen. Seien die Menschen Theologen oder Laien, Liberale der verschiedensten Schattirungen oder Orthodoxe, es gibt in diesem Punkt bei ihnen allen nur einen Unterschied; nämlich den, daß die einen ihre Augen aufthun, um die Wirklichkeit zu erkennen, die andern aber sie geschlossen halten. Man kann also wohl sagen: die Sache des freien Christenthums, mit ihrer Erhabenheit und ihren Gefahren, ist nicht Sache einer einzelnen Parthei; es ist eine heilige Angelegenheit der protestantischen Kirche und der ganzen modernen Welt; es ist eure eigene Sache, es ist Sache eurer Kinder! Sehet zu, liebe Brüder, ob es euch erlaubt ist, sie im Stiche zu lassen!

Basler Kirchenzeddel Sonntag den 29. April.

Morgenpredigt 9 Uhr

L.

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Im Verlag der J. Dalp'schen Buchhandlung (K. Schmid) in Bern erschien soeben:

Wyk, Fr., Schulinspektor. Elementarer Moralunterricht für Schulen und Familien. Nach dem Englischen bearbeitet. Preis Fr. 1. 20.

Druck und Expedition von J. Frehner, Steinenvorstadt 12, Basel.

Sechster Jahrgang.

No 18.

Samstag, 5. Mai 1883.

Schweizerisches Proteftantenblatt

Herausgeber:

Pfr. A. Altherr und E. Linder in Basel, Pfr. Bion in Zürich.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden
sei an Jerusalem, Rom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere
Person. In Christo allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.
Qecolampad an Futher.

Erscheint jeden Samstag. Man abonnirt auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis halbjährlich franko zugesandt 2 Fr. Wer das Blatt in Basel gratis erhalten will, kann dasselbe in der Buchdruckerei J. Frehner, Steinenvorst. 12, abholen.

Berzage nicht!

Verzage nicht, wenn dich die Welt,

Die sich allein für weise hält,
Mißachtet und in Schatten stellt.

Es soll ihr Haß nicht an dich fechten,
Wenn hochmuthsvoll die Selbstgerechten
Mit Menschenwort Gewissen knechten:
Erfülle treu nur deine Pflicht
Verzage nicht!

Verzage nicht, wenn alles sich
Verschwört hienieden wider dich;
Und schmerzt es auch dich innerlich,
Daß solche, die sich Christen nennen
Und Jesum mit dem Mund bekennen,
Sich lieblos von den Brüdern trennen
Und halten über sie Gericht
Verzage nicht!

Verzage nicht! wer recht gethan,
Der blickt vertrauend himmelan,
Wo Gott noch immer auf dem Plan.
Sei ohne Falsch nur wie die Tauben,

Laß nimmer dir den Frieden rauben
Und strebe stets nach solchem Glauben,
Der Niemand Dornenkronen flicht

Verzage nicht!

Verzage nicht, und ob auch jezt
Der Rückschritt stumpfe Waffen weht,
Die Wahrheit siegt gewiß zuletzt!
Nur treues Wirken, frommes Streben,
Ein redlich Herz, ein christlich Leben,
Das Gott uns allen wolle geben,
Besteht vor Gottes Angesicht
Verzage nicht!

Simmelfahrt.

Ed. Spach.

Die religiösen Wahrheiten sind unsterblich und immer neu, auch wenn die Form, in die eine frühere Zeit sie gekleidet hatte, veraltet und vergangen ist. Was je aus einem wirklichen religiösen Bedürfniß, aus dem frommen Glauben, Hoffen, Sehnen des Menschengemüths hervorgegangen ist, das behält fort und fort seine Gültigkeit, seine Schönheit und Wahrheit, auch wenn vor dem Auge des kritisirenden Verstandes die kindliche Vorstellung, die damit verbunden war, schon längst in Dichtung und Sage sich aufgelöst hat. Wenn irgendwo, so muß uns dies am Auffahrtsfeste klar werden, im Hinblick auf die Himmelfahrtserzählung der Evangelien und auf den Himmelfahrtsglauben der Kirche. So wenig wir mit einer leiblichen Himmelfahrt noch etwas anzufangen wissen, so wahr und groß und unvergänglich ist der Gedanke, der darin seinen kindlich-poetischen Ausdruck gefunden hat. Auffahrt, Himmelfahrt, Verbindung und Verschmelzung von Himmel und Erde: dieser Glaube wird nie verschwinden, so lange noch die Erde ihren Frühling feiert und so lange noch ein Menschenauge nach oben schaut.

Die Himmelfahrtserzählung bildet den schönen lieblichen Abschluß des Lebens Jesu. Ich möchte diesen Himmelfahrtsschluß fast ebenso wenig entbehren, als den Weihnachtsanfang.

Wer erfreut sich nicht alle Jahre an der Weihnachtserzählung? Wer könnte so prosaisch und hölzern sein, zu sagen: „Aber es ist ja nicht so zugegangen, das ist ja nur eine Sage!" Geschichte oder Sage, gleichviel; wir brauchen dieses köstliche Gemälde, diese armselige Krippe, diese einfachen Hirten, diesen Engelsgruß und Himmelsglanz über Bethlehems Fluren, - wir brauchen diese Weihnachtsbilder alle, weil sie nun einmal die schöne, farbenreiche, durch den Glauben der Jahrhunderte geheiligte Form sind, in der die neue Zeit, die neue Welt, die neue Geistesschöpfung,

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