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allezeit die geschichtliche Wahrheit redlich gesucht, daher auch das Chriftliche, Große und Schöne, was ihre Kirche enthält, unbefangen anerkannt, ja vielleicht mitunter früher und schärfer ans Licht gestellt habe, als manche ihrer eignen Theologen es bis dahin gethan hatten.

Mag denn der gütige Gott, der mir so lange hin die Kraft und die Freude der geschichtlichen Anschauung all des mannichfachen Lebens in seinem irdischen Reiche vergönnt hat, das Miniatur-Bild davon in diesem Buche auch ferner soweit segnen, als es die Einsicht und Freudigkeit fördert, diesem Reiche treu zu dienen.

Jena, am 2. Februar 1867.

Vorrede zur neuen Auflage.

Wenigen ist es so wohl geworden, ein seiner Natur nach gar sehr besserungsfähiges Schriftwerk, doch schon in reifer Jugend unternommen, ein langes Leben durch in der Art mehrmals aufbessern zu können, daß die Marmorstatue vor jeder neuen Veröffentlichung wieder zum Thongebilde wird, das jeden frischen Eindruck leicht aufnimmt. Seit dem Jahrzehent des leßten Druckes ist neben der Naturwissenschaft wol auf geschichtlichem Gebiet in Forschungen und Sammlungen am meisten geschehn, dazu Einiges als Geschichte selbst, was auch für die Kirchengeschichte, wenn nicht Änderungen, doch genauere Bestimmungen und Nachträge forderte. Das hat sich mir dadurch recht aufgedrungen, da der etwas schwierige Druck über ein Semester einnam, daß schon in den frühern Bogen manches seitdem Aufgekommene nicht berücksichtigt ist. Doch bin ich an Einigem unsicher, ob eine Änderung bereits angezeigt sei, absichtlich vorübergegangen.

So ist unlängst lebhaft geltend gemacht worden, daß die Gemeindebildung des Paulus auf heidnischem Boden in die Genossenschaften eingegangen sei, welche unter Leuten niedern Standes, auch Sklaven, meist auch mit dem Heiligthum eines Schußgottes verbunden, durch das römische Geseß begünstigt zahlreich bestanden, so daß also die judaifirende Gemeindeordnung mitDiakonen, Presbytern und ihren weiblichen Beugungen hier nicht die ursprüngliche gewesen sei. Die Sache ist an sich nicht unwahrscheinlich, doch kenne ich keine bestimmte Erweisung derselben außer in Rom selbst die Leichensocietäten, durch welche arme Leute sich eine ehrbare Bestattung sicherten und unter denen die Christen Gelegenheit fanden sich zu verbergen. In dieser Beziehung habe ich, durch Mommsen aufmerksam gemacht, ihrer schon in frühern Auflagen gedacht, ebenso wie jezt S. 62 f.

Gegen die Gleichstellung des Gottesfreundes, der den mächtigen Einfluß auf Tauler geübt hat [S. 342, 363], mit Niklaus von Basel, den sie als Keper in Vienne oder in Wien verbrannt haben, ist durch Professor Lütolf jener als treuer Katholik behauptet worden, der in ein Seitenthal des Entlibuch zurückgezogen, daselbst von einem Cardinal besucht, noch 1420 als Incluse gelebt habe. Die

Sache scheint mir noch unklar, und ich möchte nichts ändern an der hergebrachten Auffassung dieses Gottesfreundes, bis der Straßburger Schmidt als der hier Sachkundigste über die vorgebrachten Gründe gesprochen hat.

Die Lust aus der engen Form heraus nach einer Erweiterung dieser Geschichte ist mir bei der Durchsicht mehr als je gekommen, doch habe ich mir's versagt: in dieser Form ist das Buch ein gemeinsames Besizthum geworden, mir selbst als Lehrbuch angenehm, eben weil es wenig lehrt, aber zum Lehren auffordert, und der reiche Inhalt dessen, was die Kirche, in Gott und Welt verschlungen, durchlebt hat, übt vielleicht gerade in dieser Zusammenfassung eine eigen= thümliche Macht.

Jena, am 31. Mai 1877.

Einleitung.

C. Sagittarius, Introd. in Hist. ecc. Jen. T. I. 694. T. II. ed. J. Schmid, 718. 4. F. Walch, Grundsäße der zur KHist. nöthigen Vorbereitungslehren u. Bücherkenntn. A. 3. Gieß. 793. C. Flügge, Einl. in Studium u. Liter. d. KGesch. Gött. 801. F. Ch. Baur, Epochen d. kirchl. Geschichtschreibung. Tüb. 852.

Cap. I. Plan.

Rosegarten, Stud., Plan u. Darst. d. KGesch. Reval S24. Ulmann, Stellung des KHist. in unsrer Zeit. [Stud. u. Krit. 829. H. 4.] I. Tillmann, Behandl. d. KGesch. vor;. auf Univ. [3ts. f. hist. Th. 832. B. I. St. 2.] Danb, Form d. Dogmen- u. Khist. [3ts. f. spek. Th. 836. B. I. H. 1.] I. Möhler, Einl. in d. KGesch. (Hist. pol. Bl. 839. B. IV. §. 1-3. L. Tosti, Prolegomeni alla Storia della Chiesa. Fir. 861. 2 T.

§. 1. Kirche und Welt.

Der von Christus ausgehende Geist hat die Kirche gegründet als die Gemeinschaft des vom Heiland empfangenen oder ihm angeschloßnen religiösen Lebens. Alle Kirchen und Secten innerhalb dieser Gemeinschaft sind die getrübten und verschieden entwickelten Erscheinungen desselben Geistes. Die Kirche steht im Gegensaße zur Welt als der Gesammt= heit des natürlichen, nicht religiösen Lebens, insbesondre zum S ta a t, als der rechtlichen Ordnung eines Volks. Aber dieser Gegensaß ist nur bezie hungsweise, wiefern auch der Staat eine göttliche Ordnung, die Welt göttliche Schöpfung ist und immermehr durchdrungen werden soll von der Kirche, welche als das Reich Gottes auf Erden sich nur in Gemeinschaft mit der Welt verwirklichen kann.

§. 2. Begriff der Kirchengeschichte.

Die Kirche ist ein stetes Werden, d. h. ein Streben darnach, der in der Menschheit fortlebende Christus zu sein, oder sein Leben immer vollkommener und im weitern Kreise darzustellen, theils im Kampfe, theils im Bunde mit der Welt. Die Kirchengeschichte ist die Darstellung der Kirche in diesem ihren Werden durch die Thatsachen desselben. Ihre wissenschaftliche Form ist die Zusammenfassung dessen, was als einzelnes Moment der Geschichtschreibung sich geltend gemacht hat, indem sie ist: 1) fritisch, unbefangene, redliche und strenge Erforschung der Thatsachen, ihre Gränze die Sicherheit der Zeugnisse, so daß, wo diese nicht hergestellt werden kann, das Bewußtsein dieser Gränze in ihren verschiedenen Graden den wissenschaftlichen Charakter bedingt; 2) genetisch, Aufstellung der Thatsachen in ihrem ursächlichen Zusammenhange, ohne daß doch die Erklärung über die innere Macht der sich entwickelnden Idee und über die Eigenthümlichkeit schöpferischer Geister hinausgeht; 3) theologisch, Ergründung der Thatsachen in ihrer bestimmten Beziehung zum religiösen Geiste, nicht als Vorausseßung eines zu Findenden, sondern als Verständniß eines Gegebenen. Der hierdurch bedingte historische Styl entsteht durch treue Aufnahme des Geschehenen in das Bewußtsein des Geschichtsforschers und durch lebendige Wiedererzeugung aus demselben. Kirchengeschichte. 10. Aufl.

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§. 3. Umfang der Kirchengeschichte und Verhältniß zur Religionsgeschichte.

Im Bereiche der Kirchengeschichte liegen alle Thatsachen, welche theils unmittelbar vom christlichen Gemeingeiste ausgegangen, theils mittelbar durch Gegensaß oder Befreundung der Welt bedingt sind. Einige gehören nothwendig zur Geschichte, in welchen sich Entwicklungspunkte der Kirche darstellen, andre nur durch besonnene Auswahl als Repräsentanten ihrer Zeit oder als besondere Strahlenbrechungen des christlichen Geistes in bedeutenden Persönlichkeiten. Die Kirchengeschichte ist ihrer Natur nach universal, die Kirchengeschichten einzelner Länder oder Bekenntnisse sind nur Bruchtheile dieses Ganzen. Die Entwickelung des religiösen Geistes der Menschheit in allen seinen Gestalten ist Gegenstand der Religionsgeschichte, von welcher die Kirchengeschichte nur ein Abschnitt. Aber in ihr ist die religiöse Eigenthümlichkeit nichtchristlicher Völker dann und da darzustellen, wo sie, meist erst im Kampfe, hineingezogen wird in das Christenthum und neue Beziehungen desselben veranlaßt. Denn wie den Juden das Gefeß und den Griechen die Philosophie, so ist jedem Volke der Glaube an seine Götter ein Führer zu Christus. Hiernach, wie das Christenthum die allgemein-menschliche Religion ist, als solche die Mündung und Vollendung aller andern Religionen: so ist auch die Kirchengeschichte der Mittelpunkt aller Religionsgeschichte und sämmtliche Ergeb= nisse derselben werden allmälich in sie aufgehn.

§. 4. Betrachtungsweise der Kirchengeschichte.

Der christliche Geist hat die Bestimmung und die Macht, in der Entfaltung seines unendlichen Inhalte und in allmälicher Aneignung alles Menschlichen zum religiösen Geiste der Menschheit zu werden. Dieses ge= schieht nach seinem eignen Gesez. Allein da seine Organe freie Individuen und Völker sind, frei auch für den Irrthum und die Sünde, so verlaufen die Grundgedanken der geschichtlichen Bewegung in der reichsten Mannichfaltigkeit des individuellen Lebens, und nur insofern ist die Geschichte der Kirche eine gott menschliche That. Daher das geschichtliche Urtheil, wie es durch die Darstellung der Ereignisse auszusprechen ist, sie alle als Entwickelungspunkte, die sich unter einander selbst richten, zu begreifen, insbe= sondre in den Individuen die Nothwendigkeit des gemeinsamen Bewußtseins ihrer Zeit anzuerkennen hat. DieseUnparteilichkeit fordert keineswegs, daß der Geschichtschreiber nichts zu lieben und nichts zu hassen scheine: sondern nur, vorerst, daß er weder aus Neigung, noch aus Abneigung den Thatbestand entstelle; sodann, daß er die Bedingungen anerkenne, unter denen sich eine von der seinen verschiedene Einsicht und Gesinnung bildete und bilden mußte. Aber eine Kirchengeschichte, deren Urheber nicht einen bestimmten kirchlichen Charakter hat und denselben nicht mit klarem Bewußtsein seinem Werke einprägt, ist von geringer Bedeutung für die Kirche. §. 5. Werth der Kirchengeschichte.

Griesbach, de H. eccl. utilitate. Jen. 776. [Opp. T. I.] F. Rothe, v. Einfl. des kirchenhist. Stud. auf d. Bildung d. Gemüths u. d. Leben. Lpz. 810. 4. T. Clarisse, Or.

de societatis chr. Hist. ad inform. sacrorum antistitem accommodate tradenda. Gron. 824.

Der unbedingte Werth der Kirchengeschichte besteht darin, daß sie das Selbstbewußtsein der Kirche hinsichtlich ihrer gesammten Entwickelung ist. Hieraus ihre praktische Nothwendigkeit: wer irgend einemTheile der Kirche selbstthätig vorzustehen hat, muß an diesem Selbstbewußtsein theilnehmen, ohne welches ihre gegenwärtige Lage nicht verstanden, noch ihre Zukunft vorgesehn und besonnen herbeigeführt werden kann. Hierin ist der Gebrauch zu polemischen und erbaulichen Zwecken oder zum Dienste anderer Wissenschaften eingeschlossen; aber einseitig hervorgehoben als Werth und Zweck gefährdet er die Kirchengeschichte als Wissenschaft. §. 6. Quellen und Hülfswissenschaften.

Die Sicherheit der Thatsachen ruht auf den Quellen. 1) Nach der Unmittelbarkeit ihres Verhältnisses zum Thatbestande: a) Urkunden, welche dadurch eine Thatsache erweisen, daß sie selbst einen Bestandtheil derselben ausmachen. b) Berichte von Augenzeugen oder Zeitgenossen. c) Geschichtschreiber, die aus nachher verlornen Quellen schöpften. Je weniger unmittelbar die Quellen sind, desto mehr unterliegt ihre Glaubwürdigkeit der Kritik. 2) Nach ihrer Form: a) Schriften, öffentliche und private, ohne durchgängigen Vorzug der erstern.) Der Beweis, daß ein Zeuge die volle Wahrheit sagen konnte und wollte, ist oft schwer zu füh

a) S. Walch, krit. Nachr. v. d. Quellen d. KHist. (Lpz. 770] Gött, 773. a) Conciliorum nova et ampliss. Col. cur. J. Dom. Mansi, Flor. et Ven. 759 ss. 31 T. f. B) Bullarum ampliss. Col. [Bullarium Rom.] op. C. Cocquelines, Rom. 739 ss 28 T. f. Bullarium magnum Rom. [1758-1830] op. Advocati Barberi, contin. op. Rain. Segreti, [bis 1846] Rom. 835-47. 14 T. f. Röm. Bullarium, Auszüge v. Eisenschmidt, Neust. 831 f. 2 B. Regesta Pontificum Rom. a condita Ecc. ad a. 1198. ed. Ph. Jaffé, Ber. 851. 4. 1198-1304 ed. A. Potthast, Ber. 874 s. 2 T. 4. Samml. aller Concordate, v. E. Münch, Lpz. 830 f. 2 B. 7) Codex liturgicus Eccl. univ. ill. J. A. Assemanus, Rom. 749 ss. 13 T. 4. Codex lit. Ecc. univ. in epit. red. H. Daniel, Lps. 847-55. 4 T. 6) Codex regularum monast. ed. Lucas Holstenius, Rom. 661. 3 T. 4. aux. M. Brockie, Aug. Vind. 759. 6 T. f. e) Max. Bibliotheca vett. Patrum, Lugd. 677 ss. 28 T. f. Bibl. vett. Patrum, op. And. Gallandii, Ven. 765 ss. 14 T. f. Col. sel. S. Patrum, edd. A. Caillou et M. Guillon Par. 841 ss. 148 T. Patrologiae Cursus compl. Ecel. lat. [13 Jhh.] graec. [9 Ihh.]ed. J.Migne, Par. 844-57. 241 T. 4. - Fabricii Bibl. graeca. Hamb. [705 ss. 14 T.] ed. Harless, 790 ss. 12 T. 4. J. G. Walch, Bibl. patrist. Jen. 770. ed. Danz, 834. Rößler, Bibl. d. KVäter. Lpz. 776 f. 10 B. Augusti, Chrestomathia patr. Lps. 812. 2 T. Möhler, Patrol. o. christl. Literärgesch. hrsg. v. Reithmayr, Rgnsb. 840. V. 1. J. Fessler, Institt. Patrolog. Oenip. $50 ss. 2 T.) Ellies du Pin: Bibliothèque des auteurs eccl. [Par. 686 ss. 47T.] Amst. 690 ss. 19 T. 4.u. Bibl. des auteurs séparés de l'église Rom. Par. 718 s. 3 T. [Rich. Simon, Critique de la Bibl. de Mr. du Pin. Par. 730. 4 T.] R.Ceillier, Hist. des auteurs sacrés et eccl. [13 Ihh.] Par. 729-63. 24 T. 4. Cave, Scriptorum eccl. Hist. liter. [Lond. 689] ed.3. Oxon. 740 ss. 2 T.f. J. Fabricii Bibl. eccl. Hamb. 718. f. Ejusd. Bibl. lat. mediae et infimae aetatis. Hamb. 734 ss. 6 T. aux. Mansi, Patav. 754. 3 T. 4. Hist. litéraire de la France, par des relig. Bénédictins de S. Maur, continué par des membres de l'Institut, Par. 733 ss. 25 T. 4. J. S. Assemani Bibl. orientalis. Rom. 719 ss. 4 T. f. Busse, Grundr. d. chr. Lit. [b. 15. Ihh.] Münst. 828. 2 B. J. Bähr, die chr. Dichter

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